Am vergangenen Dienstag trat in der Sendung “Menschen bei Maischberger” Detlef Bräunig auf, Heldenfigur der deutschen Väterrechtlerszene, weil er sich durch den Umzug ins Ausland seinen Unterhaltspflichten entzog. Während er in der Sendung eher eine traurige Figur machte, wurde er anschließend auf Facebook von seinen Freunden gefeiert. Die Störenfriedas interviewten jüngst eine Bloggerin, die Bräunig erfolgreich verklagte, weil er Fotos und persönliche Daten von ihr veröffentlichte, als sie ihn und sein Auftreten im Internet kritisierte. Bräunig zeigt sich stolz auf sich, weil er, laut eigener Aussage in der Sendung, keinerlei elterlichen Gefühle für das eigene Kind, für das er keinen Unterhalt zahlt, habe. Dass besagtes Kind dies nun über das Fernsehen erfuhr und welche Verletzung das beinhaltete – darüber wollte in den Kommentaren kaum jemand schreiben. Stattdessen: Begeisterung und Beifall für Bräunig. Dabei zeigt sich: Den ach so engagierten Vätern geht es nicht um das so viel beschriene Kindeswohl, es geht um ihren Stolz, ihr Portemonaie und ihren Hass auf alle Frauen. Vermischt mit Verschwörungstheorien und Mahnwachenbegeisterung tummelten sich dort in über 400 Kommentaren alles, was es an Frauen- und Menschenfeindlichkeit zu lesen gibt. Man könnte die vor Hass triefenden Aussagen der enttäuschten Männer getrost ignorieren – wenn sie nicht seit Jahren erfolgreich dafür sorgen würden, dass Familiengerichte lieber von den “armen” Männern reden, anstatt von den Frauen. Sie nennen sich “Zahlväter”, fühlen sich geprellt. Die bösen, geldgierigen Frauen nehmen ihnen Kinder und Geld weg, wir leben laut ihrer Vorstellung in der Tyrannei des Feminismus. In dieser Debatte vermischen sich jedoch zwei Punkte: Das Sorgerecht und die Pflicht zu Unterhaltzahlungen. Beides wird von den Väterrechtlern gern in einen Topf geworfen – doch die Verpflichtung, Unterhalt zu zahlen, hat nichts mit dem Sorgerecht zu tun. Sie entsteht in dem Moment, in dem ein Mann ein Kind zeugt. Offensichtlich ist es für viele schwer, Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen. Sex ohne Kondom ist super – aber was danach passiert, ist Sache der Frau. Wenn das Kind in einer Beziehung entstanden ist, fordern viele Männer nach deren Ende das “Recht auf einen Neuanfang”, das ihnen durch die angeblich horrenden Unterhaltszahlungen verwehrt wird. Kinder als Wegwerfprodukte – aufziehen und unterhalten sollen sie dann wechselweise die Frauen oder der Staat. Mit “Väterrechten” hat das herzlich wenig zu tun.
Zahlreiche Väter konnten in den vergangenen Jahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte feststellen lassen, dass die automatische alleinige Sorge der Mutter bei einer nichtehelichen Geburt und die daraus entstehende “Macht”, dem Vater das Sorgerecht zu verwehren, gegen die Menschenrechte verstoße. Das gilt nicht nur für getrennte Eltern, sondern auch für Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind. Wenn die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet waren und keine gemeinsame Sorgererklärung unterzeichnet haben, fällt das Sorgerecht der Mutter zu. Seit Mai 2013 kann der Vater jedoch gegen ihren Willen mit einem Antrag beim Familiengericht in einem sogenannten beschleunigten Verfahren auch gegen ihren Willen die gemeinsame Sorge fordern. Voraussetzung dafür ist meistens, dass vor der Trennung eine familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bestand. Vorher konnte die Mutter die Sorgerechtsforderung des Vaters ablehnen, wenn sie das alleinige Sorgerecht hatte. Richter gehen davon aus, dass trotz “moderner” Familienstrukturen, die keine Ehe benötigen, viele uneheliche Kinder nicht aus einer ehelichen Beziehung stammen, sondern aus einer Affäre oder ähnlichem. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Vater sich für das ungeplante Kind wenig bis gar nicht interessieren wird und die Sorge bei der Mutter besser aufgehoben ist.
Offensichtlich wissen auch Familienrichter, dass Männer nur ungern zu dem stehen, was aus Sex entsteht, Sex, bei dem sie genauso zur Verhütung verpflichtet sind, wie die Frauen, doch da ihnen die Konsequenzen einer Schwangerschaft aufgrund ihres biologischen Mannseins egal sind, ignorieren sie sie. Kurz gesagt: “Soll sie doch sehen, wie sie klar kommt. Abtreiben geht immer.” Nun treiben aber nicht alle Frauen ungewollte Kinder ab. Viele haben durchaus den Mut, ein vom Vater ungewolltes Kind allein auf die Welt zu bringen und aufzuziehen.
Bestand eine Beziehung zwischen Vater und Mutter, so wird der Kampf um die gemeinsame Sorge vom Vater gerne dazu genutzt, die Ex-Partnerin in den Wahnsinn zu treiben. Bei gemeinsamen Sorgerecht ist es der Mutter nicht möglich, einer Impfung oder OP zuzustimmen, das Kind im Kindergarten anzumelden oder sonstige wichtige Entscheidungen, die das Kind, das sie alleine aufzieht, betreffen, zu fällen. Auch der Wegzug in eine andere Gegend wird ihr erschwert. Das gemeinsame Sorgerecht ist eine hervorragende Möglichkeit für verlassene Männer, um sich für das Verlassenwerden zu rächen. Um das Kind geht es dabei selten. Das zeigt sich besonders an dem Umstand, dass das Interesse an der gemeinsamen Sorge erst dann angemeldet wird, wenn die Frau einen neuen Partner hat – also “neu anfangen” möchte. Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt miteinander verheiratet, so erhalten sie bei einer Trennung automatisch das gemeinsame Sorgerecht, außer, sie oder der Familienrichter entscheiden es anders. Um einem Vater die gemeinsame Sorge abzunehmen, sind jedoch triftige Gründe wie Gewalt und Vernachlässigung notwendig.
Das Sorgerecht hat jedoch nichts mit der Verpflichtung zum Kindesunterhalt zu tun, gegen die sich so viele der angeblich Geprellten auflehnen. Die Elternteile sind laut Gesetzgeber zu Kindesunterhalt verpflichtet. Der jeweilige Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, muss diesen Unterhalt für das Kind bezahlen. Wer Kinder hat, muss für diese sorgen, für ihren Unterhalt. In Deutschland leben (Stand von 2007) 1,4 Millionen alleinerziehende Mütter. Ihnen stehen rund hunderttausend alleinerziehende Väter gegenüber. Der UnterhaltAls Richtlinie dafür wird die sogenannte Düsseldorfer Tabelle genommen, die je nach Gehaltsstufe den zu bezahlenden Unterhalt bemisst. Nicht nur das Gehalt, sondern das gesamte Nettoeinkommen werden hierfür berechnet. In der untersten Einkommensstufe (0-1500 Euro Nettogehalt) muss der Vater 215 Euro Unterhalt für sein Kind bis zum 6. Lebensjahr zahlen. 215 Euro. Für ein Kind. Das liegt noch unter dem, was bei Hartz IV für ein Kind berechnet wird. Jeder, der Kinder groß zieht, weiß, dass dieser Betrag lächerlich ist. Dem Vater steht nach aktueller Gesetzeslage ein Selbstbehalt von 1000 Euro zu, wenn er erwerbstätig ist und 800 Euro, wenn er arbeitslos ist. Damit hat er mehr, als die alleinerziehende Mutter, die von Hartz IV lebt. Immerhin jede zweite alleinerziehende Mutter muss Hartz IV beantragen. Es gibt aber noch zahlreiche weitere Möglichkeiten für den Vater, sich arm zu rechnen. Ein Haus- oder Autokauf oder andere Schulden werden nämlich entgegen landläufiger Meinung sehr wohl als mindernd zur Unterhaltspflicht betrachtet. Kann oder will der Vater nicht zahlen, so kann die Mutter vom Staat Unterhaltsvorschuss erhalten – 130 Euro im Monat für maximal sechs Jahre und höchstens bis zum 12. Lebensjahr. Weil mit 12 die meisten Kinder auch schon ausgewachsen sind und keine finanzielle Unterstützung mehr brauchen. Die Mutter bleibt also nicht nur mit dem Sorgeauftrag zurück, sondern auch mit der alleinigen oder hauptsächlichen finanziellen Sorge für das Kind. Da sie für die Betreuung verantwortlich ist, wird der Zugang zum Arbeitsmarkt für sie sehr viel schwerer als für den nun wieder alleinstehenden Vater, der so gern einen “Neuanfang” hätte. Tatsächlich denkt das Bundesverfassungsgericht aktuell über eine Anhebung des Mindestbehalts nach. Was dann für das Kind übrig bleibt und womit die Mutter diese finanzielle Lücke schließt – ein großes Fragezeichen, das jedoch in der Väterrepublik niemanden interessiert. Das Geschrei der geprellten Väter – durchaus erfolgreich.
Mit wem man es da zu tun hat, das zeigen die Kommentare unter dem Maischberger-Video: Blanker Frauenhass wird nahezu unwidersprochen ausgelebt. Geldgeil sind sie. Und dumm. Die Ex-Frauen. So dumm, dass sie sich vom kapitalistischen System hereinlegen lassen. Hier vermischen sich Verschwörungstheorien mit der stumpfen Gesellschaftskritik all jener, die sich für zu kurz gekommen halten: Die Mahnwachler mit den Aluhüten, die Rechten, die überhaupt verkannten Leistungsträger. Bräunig ist ihr Held, weil er es dank einem 400 Euro Job geschafft hat, keinen Unterhalt mehr bezahlen zu müssen und zudem auf seinen Blogs nur so schäumt vor Frauenhass, den er als lässige Verachtung auszugeben versucht. Wer sich die Posts von Leutnant Dino genauer anschaut, findet einen, der vom Leben enttäuscht ist. Und von den Frauen. Vermutlich aber am meisten von sich selbst. Was sich unter den Väterrechtlern zusammenbraut, ist eine gefährliche Mischung. Der Anspruch von Vätern, auch nach einer Trennung ein Teil des Lebens ihrer Kinder sein zu wollen, ist wichtig, und muss gehört werden. Doch diese Väter sind in der Minderzahl. Die weitaus größere Zahl interessiert sich entweder von Anfang an nicht für das gemeinsame Kind oder verliert das Interesse, wenn die Beziehung beendet ist. Dann ist die ehemalige Familie nur noch eine Altlast. Unterhalt zahlen will hingegen niemand. Sowohl zur Zeugung eines Kindes als auch zur Trennung gehören immer beide. Dank der Väterrechtler sind jedoch die Frauen diejenigen, die die Schuld tragen und dank ihres Auftretens finden sie mit diesen klischeehaften und frauenverachtenden Vorwürfen auch noch Gehör. So wird Kontrolle über Frauen über die Kinder ausgeübt – entweder über das Sorgerecht oder über die finanzielle Existenz. Willkommen im Mittelalter.
Wer mehr über die sogenannten “Neuen Väter” und ihre Umtriebe erfahren möchte, dem sei der Text von Dr. Anita Heiliger empfohlen: http://www.anita-heiliger.de/htm/IN%20NOMINE%20PATRIS.pdf
Herzlichen Dank für diesen tollen Beitrag, welcher das Engagement vieler “Väterrechtler” und ihr politisches Gehör treffend charakterisiert. Hinzugefügt werden muss noch, dass Väter auch gerne über hälftige Kostenteilung Mütter kurz und klein prozessieren können und dürfen in diesem Staat. Unterhalt zahlt keiner gerne, aber immer gerne ein Anwaltshonorar, wenn man sich als Vater selbst in Szene setzen möchte. Die Entrechtung von Kindern und Müttern ist weit fortgeschritten und negiert die Umorientierung in angloamerikanischen Ländern, welche den Prozess der Väterrechtler bereits durchliefen.
Nicht alle Väter über einen Kamm scheren!
Ich liebe mein Kind. Ich will soviel Zeit wie möglich mit ihm verbringen. Leider kann ich das nicht da sich die Mutter und ich nach einem Vertrauensbruch in der Schwangerschaft getrennt haben. Auf die Details will ich nicht weiter eingehen.
Ich verdiente schon vorher in der Beziehung so wenig Geld das ich alleine mit Alg2 aufstocken konnte. Das galt auch für die Mutter.
Ich müsste schon das mehrfache meines jetzigen Gehalts verdienen damit Mutter und Kind durch Unterhaltszahlungen mehr Geld in der Tasche hätten.
Unterhalt und der Unterhaltsvorschuss von zurzeit 145 Euro bei einem Kind unter 6 Jahren werden auf Alg 2 angerechnet. Das gleiche gilt fürs Kindergeld.
Das eine Alleinerziehende Person die nicht arbeiten gehen kann weil sie z.B. die Elternzeit voll nimmt wenig Geld zu Verfügung hat liegt nicht nur an Vätern die sich vor dem Unterhalt drücken sondern auch an den momentanen Sozialgesetzen.
Ich halte es dann so das ich die Mutter inoffiziell mit Geld- und Dachleistungen unterstütze. Ich bräuchte es nicht. Ich mach es aber trotzdem. Weil es ist auch mein Kind und ich will das es ihm gut geht.
Noch etwas zur gemeinsamen Verantwortung bei der Verhütung. In einer langfristigen Beziehung macht man sich darüber normalerweise Gedanken. Für Männer gibt es momentan nur eine Verhütungsvariante. Wenn Kondome verwendet werden ist es für beide Seiten klar das verhütet wird. Beide Partner wissen wie man sie richtig verwendet und wenn sie mal reißen gibt es noch die Pille danach.
Bei allen anderen sicheren Verhütungsmethoden muss der Mann der Frau Vertrauen. Und die meisten Männer Vertrauen darauf.
Nicht jede Entscheidung für ein Kind wird von beiden Partnern getroffen.
Genauso bei einmaligen Treffen. Wenn das Kondom reißt sollte es selbstverständlich sein das Mann und Frau sich um die Pille danach kümmern. Wenn die Frau sich aber weigert diese zu nehmen kann der Mann nichts mehr machen.
Alles eine Vertrauenssache, oder?
Um eins klarzustellen: Wenn jemand richtig Kohle hat und sich vor dem Unterhalt drückt ist er für mich ein egozentrisches Arschloch.
Wenn aber jemanden gezielt seine Kinder vorenthalten werden und man selbst mit 1050 Euro im Monat auskommen muss, während der/die Expartner/in ein Vielfaches von dem Betrag zur Verfügung hat, darüber sauer ist kann ich ihn/sie auch sehr gut verstehen.