Die Rückkehr des Feminismus: Mit Hoffnung ins Jahr 2023!

"If I had a hammer… I'd SMASH Patriarchy"

T via Flickr, [CC BY 2.0] I FOUND IT!

Der Jahreswechsel ist für mich immer ein Anlass über das Vergangene zu reflektieren und die nächste Zeit zu planen: Wie geht es mir? Was (oder wer) kann bleiben? Was (oder wer) muss gehen? Womit möchte ich in den nächsten Jahren die kostbare Lebenszeit verbringen und welche meiner unzähligen Interessen verfolgen? Welche zurückstellen?

Dabei wurde mir klar, dass mein feministisches Awakening vor genau zehn Jahren begann.
Klar: Auch vorher habe ich mich als Feministin bezeichnet und gesehen.
Klar: Auch vorher habe ich mich bereits gegen Gewalt an Frauen engagiert.

Aber vor zehn Jahren, mit dem Engagement gegen Prostitution, mit der Mitbegründung von Abolition 2014 oder dieses Blogs hat sich etwas verändert. Das Verständnis der Zusammenhänge. Das Eintauchen in feministische Schriften aus der sogenannten 1. und 2. Frauenbewegung. 

Ich war eigentlich schon immer sehr zufrieden mit meinem Leben, aber der Feminismus hat es besser gemacht. Ich habe gelernt meine sozialen Kontakte selektiver zu gestalten und toxischen Menschen keinen Platz in meinem Leben zu geben. Er hat mir beigebracht mich nur dort zu engagieren, wo man Frauen nicht als minderwertig sieht und wo mein Engagement geschätzt wird. Er hat mir auch beruflich eine Richtung gegeben. Nicht zuletzt hat er mir geholfen, meine Wut über die Verhältnisse zu kanalisieren und trotz immer neuem Mist gelassen zu bleiben.

Vor zehn Jahren waren wir ein Häuflein von Frauen, nicht international vernetzt, isoliert und zogen uns in unseren politischen Zusammenhängen den geballten Unmut zu. Inzwischen sind wir viele, haben Kontakte in unzählige Länder, haben unseren Organisationen und Parteien den Rücken gekehrt. Und es gibt gefühlt in jeder größeren Stadt zarte feministische Pflänzchen. Who would have thought. 

Aber 2022 brachte auch wieder viele neue Learnings mit sich. Bereits beim Nordiskt Forum im Jahr 2014 im Malmö, der größten feministischen Konferenz in den skandinavischen Ländern, durften wir die Energie spüren, die entsteht, wenn Feministinnen zusammen kommen. Gleiches gilt für Filia in Bradford 2019 oder Femzilla 2021 in Oslo. Aber 2022 brachte mit Filia in Cardiff eine Konferenz mit 1.700 Frauen aus den verschiedensten Ländern dieser Erde und mit der Tagung für Frauenrechte in Berlin ein Begegnung von Frauen zwischen 20 und 80+ Jahren. Es wurde diskutiert, es wurden Strategien entwickelt – aber es wurde auch gelacht, gefeiert und zusammen geweint.

Gerade lese ich den Sammelband „In Bewegung bleiben“, an dem viele der Frauen, die ich in Berlin kennenlernen durfte mitgewirkt haben. Er berührt, er motiviert und er zeigt für mich auf, welche wichtige Aufgabe ab jetzt vor uns liegt: Ja es ist wichtig, für Gesetz zu kämpfen, die uns schützen. Ja, es ist wichtig, gegen Gesetze zu kämpfen, die uns schaden. Ja, es ist wichtig, darauf hinzuwirken, dass der Staat sich um die Einhaltung unserer völkerrechtlich verbrieften Rechte kümmert. 

Aber vor allem brauchen wir eins: Uns!
Wir brauchen eine Bewegung, die uns trägt, die uns auffängt und die den notwendigen gesellschaftlichen Druck von ganz alleine entfaltet. Das private bleibt politisch. Wir sollten von unseren Vorgängerinnen lernen. Wie Sheila Jeffreys in der Anthologie „Not dead yet“ zurecht feststellt, sind die Frauen in der heutigen Bewegung besser ausgebildet und finanziell ausgestattet denn je. Jede von uns bringt Fähigkeiten und Fertigkeiten mit, gemeinsam können wir so viel reißen!

Hier sind meine fünf Tipps für 2023

  1. Wenn sie uns unsere Räume nehmen, dann schaffen wir uns neue. Ganz so wie früher. Und wenn wir wieder im eigenen Wohnzimmer anfangen müssen. Oder in der Eckkneipe. Das Internet ersetzt nicht den persönlichen Kontakt. Gründet Consciousness-Gruppen, ladet interessierte Frauen ein. 
  2. Wenn der Staat nicht genug unternimmt um von Männergewalt betroffene Frauen zu unterstützen, dann müssen wir wieder mit anpacken. So wie alles begann. Natürlich haben wir nicht alle so viel Geld wie die großartige J.K. Rowling, die gerade eins in Edinburgh eröffnet hat, aber gelebte Solidarität fängt schon im kleinen an.
  3. Lasst uns uns gegenseitig stärken, auch finanziell: Wenn wir einen Auftrag zu vergeben haben, dann können wir zuerst schauen, ob es eine in unseren Reihen gibt, die ihn umsetzen kann. Lest feministische Bücher – die von heute und die von gestern.
  4. Man muss nicht gleich zur vollständigen Separatistin werden (auch wenn daran überhaupt gar nichts verkehrt ist), aber lasst Männer nur in euer Leben und dort bleiben, wenn sie euch gut tun. Egal ob in Bezug auf Familie, Freundeskreis, als Sex- oder Beziehungspartner.
  5. Das gilt auch für euren Aktivismus. Bleibt frauenzentriert. Verschwendet nicht so viel Zeit damit zu schauen (zum Beispiel auf Twitter) was misogyne Männer machen. Egal ob Incels, Väterrechtler, Transaktivisten oder wer auch immer: Gebt ihnen nicht so viel Raum in eurem Leben. Ja, es ist wichtig auf bestimmte Dinge aufmerksam zu machen, aber wie wir sehen interessiert auch der unverhohlenste Hass gegen Frauen ihre Unterstützer nicht. 

Bei all den Brocken, an denen wir Feministinnen uns abarbeiten müssen – Prostitution, Leihmutterschaft, Erotisierung von Gewalt gegen Frauen, Selbstbestimmungsgesetz – finde ich, dass 2022 ein gutes Jahr war. Die Aufbruchstimmung war deutlich zu spüren. Es entsteht etwas Neues und wir haben das große Privileg, dass wie noch so viele der tollen Mitstreiterinnen aus der 2. Frauenbewegung unter uns haben. Von denen wir lernen können – und dürfen.

Lasst uns eine neue starke Frauenbewegung schaffen, wie wir sie aktuell auch wieder beispielsweise in Großbritannien sehen können. Fahrt, wenn ihr es schafft, im Oktober zu Filia nach Glasgow. Ich verspreche euch: Es wird unbeschreiblich! 

Lasst uns dazu beitragen, dass Terre des Femmes eine starke Organisation für Frauenrechte bleibt.

Und lasst uns aus zarten Pflänzchen starke Bäume machen!

Feminismus is back!

10 Kommentare

  1. Caroline

    Die Tagung „Frauenrechte“ mag für die erwünschten und geladenenTeilnehmerinnen eine schöne Sache gewesen sein.
    Wer aber ‚unerwünscht‘ war, erhielt weder eine (vernünftige) Antwort zu den Gründen noch follow up Info’s zur Weiterverbreitung der Ergebnisse.
    Das war feministischer Aktivismus der ausgesprochen unerfreulichen und nicht nachahmenswerten Art.

  2. Bitte korrigieren: Tipps für 2023, (nicht 2022) 2022 ist vorbei. Ansonsten, 100% einverstanden. Richtige und wichtige Tipps.

  3. Manu Schon

    Liebe Caroline,
    tut mir leid, dazu kann ich wenig sagen, ausser dass ich weiß, dass die Kapazität begrenzt war.
    Wenn es Fragen gibt zu den Ergebnissen über das hier u.a. bei uns veröffentlichte hinaus, versuche ich es gerne.

  4. Morissette

    Je suis du Québec et ce que je lis ici est encourageant pour la suite !

  5. Astrid Osterland

    Nach der Tagung waren etliche krank und wir kommen erst jetzt dazu, auf- und nachzuarbeiten. Habt bitte ein wenig Geduld.
    Das 1. Ergebnis ist die Vernetzung der Aktivistinnen, die sich derzeit über verschiedene Punkte noch einigen müssen., so auch über Strukturen und Vorgehensweisen.
    Die sicher etwas unglückliche Einladungspraxis verdankt sich 1. der begrenzten räumlichen Kapazitä. Das war nicht zu ändern. 2. der Geheimhaltung wg. ungebetener fanatisierter „Gäste“ und dem Wunsch, ausschließlich Teilnehmerinnen dabei zu haben, die in das Thema eingearbeitet sind und keine basalen Informationen mehr brauchen. Das sind zweifellos mehr als 60 Frauen. Also verständigte sich die Orgagruppe darauf, selber einzuladen, wobei jede ein Veto einlegen konnte gegen eine vorgeschlageneTeilnehmerin. Hier nun spielten persönliche Konflikte eine Rolle, deren es in unseren Kreisen je mehr als genug gibt, und die zu der einen oder anderen Ablehnung führte, die wiederum die „Abgelehnten“ als Kränkung erlebten. Das ist verständlich und hat mit den Inhalten und Ergebnissen der Tagung nichts zu tun. Wohl aber mit unserer (Un)Fähigkeit, Konflikte konstruktiv und gewaltfrei zu lösen. „Frauen gemeinsam?….machen sich schwach“ lautete schon damals, in den frühen Jahren der FrauenLesbenbewegung unsere nüchterne Selbsterkenntnis. Aufgebrochen, uns gemeinsam stark zu machen, landeten wir alsbald ermattet in den Strudeln unüberbrückbarer Konflikte. Da braucht das Patriarchat gar nicht tätig zu werden. Das „schwache Geschlecht“ wird autonom und schwächt sich selbst…..bis auf den heutigen Tag. Wie schade!

  6. Manu Schon

    Liebe Astrid,
    so ist es leider und es macht mich sehr traurig.

    Die letzten Wochen erinnern mich sehr an Abigail Brays Worte in Misogny Re-Loaded: „Germaine Greer said in The Female Eunuch, with her usual unapologetic frankness, that women underestimate how much men hate them. However, we also underestimate how much we hate each other. And it is the hatred of each other which is perhaps even more significant than the hatred of men because, without the breaking of solidarity between women our oppression would not possible. … woman-on-woman-contempt is the source of a profound melancholia and grief for many girls and women.“

  7. Danke Astrid für diese Erläuterung. Die Veranstalterinnen haben viel Arbeit auf sich geladen, insofern ist zu verstehen, dass sie ihre eigenen Regeln setzen wollen. Dennoch finde ich diese Art der Gesinnungsprüfung verurteilungswürdig und weder feministisch, noch erwachsen. Die Engländerinnen machen das besser.

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