Seit Jahrzehnten werden wir mit frauenverachtender Werbung zugeballert, und die meisten von uns sind mittlerweile, ganz entsprechend dem Normalisierungsprinzip, abgehärtet.
Allerdings nehme ich seit einiger Zeit eine neue Entwicklung wahr, nämlich die implizite – oder auch explizite – Darstellung von Sex und sexuellen Handlungen innerhalb der Familie, oft generationsübergreifend, in den Medien und in der Werbung.
Jede und jeder der sich mit sexueller Gewalt auskennt, weiß, dass oft bei sexueller Gewalt Grenzen aufgelöst wurden, oft sehr langsam über einen längeren Zeitraum mit verschiedenen „Grooming“-Techniken, durch die Überschreitungen stufenweise stattfinden, bis schließlich subjektiv eine Mitwirkung bei der sexuellen Gewalt erlebt wird, da man in den vorherigen Stufen ein Teil des Geschehens war. Zur Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit gehört es dazu, Grenzen auch in der Sexualität selbst zu setzen und diese Grenzen auch gegenüber Familienangehörigen zu setzen. Sexuelle Gewalt in der Familie fängt mit der ungewollten Teilhabe an sexuellen Handlungen an.
Auch in der Werbung und in den Medien fand ein langsamer Prozess der Gewöhnung an immer mehr sexuelle und sexualisierte Inhalte statt. Grenzen wurden und werden aufgelöst und aufgeweicht, bis wir kaum noch aufzucken, wenn in Comedyserien Gangbangs als erstrebenswertes Sexualverhalten präsentiert werden oder Pornostars als die neuen Stars unserer Kinder präsentiert werden.
Mittlerweile wäre es notwendig, um diese Normalisierung zu vermeiden, den Fernseher direkt in den Müll zu werfen, zumindest wenn man Kinder hat und nicht wollen würde, dass sie sich mit fünf Jahren zu Weihnachten einen rosa Vibrator wünschen.
Die Beispiele für diese generationsübergreifende Sexualität sind endlos und häufen sich, bis wir es hinnehmen oder schon hingenommen haben.
Ist es wirklich normal, Werbung für Gleitgel (kann nur für Analverkehr oder für Frauen ab fünfzig von Interesse sein) oder sogenanntes „Sexspielzeug“ rund um die Uhr in der Werbung zu sehen?
Will ich zusammen mit Kindern und anderen Familienangehörigen damit überall und rund um die Uhr und in jedem noch so harmlosen Serienformat beschallt werden?
Der Schritt zum Vater, der dann wirklich für seine Tochter zum Geburtstag einen zart rosa Dildo und violetten Vibrator kauft, denn er ist ja so schön bunt, ist dann vielleicht bald nicht mehr sehr weit. Als nächstes kommt dann eine gemeinsame Benutzung, denn die Werbung sieht die Familie auch gemeinsam.
Es wurde sich darüber aufgeregt, dass die „Sexualität der Vielfalt“ Kindern Sexspielzeug und Bordelle nahe bringen sollte, und dieses Sexualerziehungsziel konnte erst Mal verhindert werden. Aber eigentlich läuft diese vielfältige Sexualität der Pornografie, Prostitution, Dildos und Vibratoren schon den ganzen Tag im Fernsehen.
Morgens um sieben beim Frühstücksfernsehen Werbung für einen Taschenvibrator und anderes lustiges buntes Sexspielzeug, dass auch für kleine Kinder sehr ansprechend wirkt, vor allem da eine der Firmen einen leckeren Lebensmittelnahmen hat.
Auch hier ist die Botschaft, wie überall, das „Sexspielzeug“ eine Bereicherung ist. Aber wer genau ist hier die Zielgruppe? Und welche Sexualität wird hier gelebt? Es ist teilweise eine Sexualität zum Objekt, eine entmenschlichte Sexualität, letztendlich Fetischismus, zumindest wenn diese Werbung den Dauergebrauch zum Ziel hat. Und das ist das Ziel, wenn wir mit Vibratorenwerbung dauerbeschallt werden und wir Minivibratoren sogar im Taschenformat immer und überall mitnehmen sollen, und diese uns angepriesen werden für unterwegs, mal zwischendurch für das Büro sozusagen. Auch vor der Werbung rund um die Uhr, und das auch schon vor Jahrzehnten, wusste jede und jeder, was ein Vibrator und ein Dildo ist, und wo diese zu kaufen sind. Es geht also jetzt um etwas anderes, und die Werbezielgruppe sind eindeutig sehr junge Frauen.
Jede und jeder sollte irgendwie und irgendwann selbst wissen, was hilfreich ist in der eigenen Sexualität oder nicht und wann und ob Gegenstände Teil der eigenen Sexualität sein können oder sollten, aber in dieser „Werbebreite“ wird letztendlich und eindeutig eine deutliche Botschaft vermittelt, wie Sex auszusehen hat. Und zusammen mit Pornografie sieht es dann so aus, dass Männer vor ihrem Porno masturbieren, während ihre Partnerinnen sich mit ihrem Vibrator zum Orgasmus bringen, vielleicht noch mit Hilfe der Viagra für Frauen. Oder, wenn man die Zielsetzung der Werbung betrachtet, gleich die ganze Familie zusammen.
Völlig vom Thema der sexuellen Gewalt und Überschreitung abgesehen, ist das eine wirklich menschenverachtende Sexualität, die nur im kapitalistischen Sinne gelebt werden kann, entweder mit Hilfe von gekauften Menschen (mehrheitlich Frauen) im Porno oder mit gekauften Objekten wie Vibrator, Dildo und Gleitgel. Vielleicht auch noch unterstützt von Viagra für Mann und Frau, denn Leidenschaft und Lust können kaum mehr Teil von Beziehungen sein.
Im Zusammenhang mit der Werbung für Gleitgel immer und überall finde ich es übrigens spannend, dass die Nutzung eines Diaphragmas als Zumutung erlebt wird, da das Einsetzen die sexuelle Handlung unterbindet und Frauen sich auch deshalb lieber die Pille einwerfen sollen, aber anscheinend Gleitgel immer und überall hingeschmiert werden soll. Was daran erotischer sein soll als ein Spermazid im Diaphragma ist mir unklar.
Aber der eigentliche relevante Punkt ist, dass es wirklich albern und lächerlich ist mittlerweile, sich über sexuelle Gewalt und Pädokriminalität aufzuregen, wenn Papa und Opa zusammen mit den Kindern vor dem Fernseher sitzen und ihnen die Nutzung von Vibratoren erklären müssen, da hierfür rund um die Uhr geworben wird. Und welche Steilvorlage hiermit für dann doch eventuell stattfindende Prozesse geliefert wird. Die Verteidigung, sollte es jemals noch zu einem Gerichtsverfahren kommen wegen sexueller Gewalt in der Familie, kann ich mir schon vorstellen …”wir haben doch nur den neuen rosa Dildo ausprobiert … sie wollte das unbedingt, denn die Werbung war so niedlich …”.
Und wie sollen Kinder überhaupt eigene sexuelle Grenzen und Selbstwirksamkeit erlernen, wenn sie mit der ganzen Familie Gleitgel und Vibrator als wichtiges Utensil im Leben sehen lernen, durch die Dauerwerbung. Eine der Firmen, die einen Vibrator anpreist, ist eine Tamponfirma. Was soll mir als Frau damit gesagt werden? Dass ein Vibrator so natürlich ist wie ein Tampon und austauschbar hierfür ist sozusagen, Tampon und Vibrator, erst das eine, dann das andere? Oder soll die Botschaft sein, dass Frauen während der Periode einen Vibrator nutzen sollen, da es keine Kapitäne mehr gibt, die im roten Meer segeln wollen? Keine Ahnung. In meiner Zeit wurde gesagt, dass ein guter Kapitän auch im roten Meer segelt und nicht: “Mädchen nimm immer einen Vibrator mit”.
Generationsübergreifende Sexualität (da jederzeit hierfür geworben wird und somit innerhalb der Familie auch gemeinsam gesehen wird) hört aber nicht mit dieser sehr direkten Werbung für „Sexspielzeug“ auf (der Begriff Spielzeug hat auch irgendwie etwas Merkwürdiges). In jeder Familiensitcom gibt es sich ständig wiederholende sexuelle Anspielungen, die suggerieren, dass Papi und alle männlichen Darsteller unbedingt zusammen in Stripclubs gehen müssen und sich Pornos ansehen als nette „Bettlektüre“.
Hinzu kommt Werbung für zum Beispiel Waschmittel, in der die Mutter anzüglich lächelt, als klar wird, dass ihr Sohn eine zweite Frau, zusätzlich zu seiner Partnerin, gefickt hat (ich hasse abwertende Wörter für Sex und auch Körperteile, aber bei entmenschlichter Sexualität passt nur diese Sprache). Mit diesem Lächeln wird angedeutet, dass sie, die Mutter, in Gedanken beim Sex von ihrem eigenen Sohn ist. Oder es gibt die neue niedliche Werbung, in der der Vater einer Frau im Bikini am See hinterherpfeift und der Sohn dann ruft: “wir mögen Mama auch” (oder so ähnlich). Wunderbar auch ein neuer, stark beworbener Film, in dem ein Enkel zusammen mit seinem Großvater junge Frauen fickt, also Sexualität sozusagen innerhalb der Familie geteilt wird. Junge Frauen zum gemeinsamen männlichen Familienficken sozusagen. Die nächste Stufe der Sexualität, die angestrebt wird, möchte ich mir nicht mehr ausmalen. Allerdings kann man schon einen Hauch erkennen, denn im Ausland wird schon ein älterer Mann medial gefeiert, der sich als kleines Mädchen sieht und anzieht.
Das Normalisierungsprinzip zur Pädokriminalität wird in diesem Genre der sogenannten Windelerotik und der Brolitas gelebt und ist auch unkontrolliert bei Facebook zu finden. Es sind hier Erwachsene, die sich anziehen wie kleine Kinder, auf Windeln stehen und sich gerne gegenseitig die Windeln wechseln, gerne in deutlich dekorierten Kinderzimmern. Das ist dann eine weitere Variante der Sexualität, die wir vielleicht auch bald in allen Sendeformaten erklärt bekommen, zusammen mit unseren Kindern.
Es ist schon jetzt eine schöne neue Welt für Frauen und Kinder … was wird das erst in einigen Jahren für eine schöne neue Welt der Sexualität sein? Grenzenlos. Und ohne sexuelle Gewalt, denn es ist ja alles so niedlich und süß, lila Vibratoren und erwachsene Männer im Rüschenkleid mit Zöpfchen (Brolitas zum Beispiel), die alle nur spielen wollen … mit Sexspielzeug und ohne.