Männer, Therapeutinnen und mein Innenleben: Warum feministische Psychotherapie wichtig ist

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Meine Psychotherapie-Geschichte ist lang. Sie beginnt vor etwa fünf Jahren, damals war ich 17 und stand kurz vor meinem Abitur.

Zu dieser Zeit brach etwas mit voller Wucht aus mir heraus, was ich all die Jahre mit meinem Lächeln überspielen konnte. Mit einem Mal wurde ich schlecht in der Schule, konnte nicht mehr am Unterricht teilnehmen, hatte Panikattacken und dissoziative Zustände. Meine LehrerInnen sahen Handlungsbedarf und informierten meine Eltern. So landete ich bei meiner ersten Therapeutin, es folgten rasch weitere. Alle gingen davon aus, dass ich ihnen sofort vertrauen und munter meine Geschichte erzählen würde. Ich fühlte mich völlig überfordert und bloßgestellt, konnte auf die Fragen nicht antworten und brach eine Therapie nach der anderen ab. Eine Therapeutin ist mir dabei noch besonders im Gedächtnis geblieben: Sie holte in der zweiten Therapiesitzung ihren Ehemann (ebenfalls Therapeut) dazu, weil sie von ihm eine Einschätzung zu meinem Zustand hören wollte. Ich glaube, heute bin ich mit meinem Wissen und Gefühl für Grenzüberschreitungen noch fassungsloser darüber, als ich es damals war.

Immer wieder wurde mir außerdem vermittelt, ich käme nicht um einen stationären Klinikaufenthalt umhin. Für mich kam das nie infrage. Eine Notfall-Nacht auf einer geschlossenen Station reichte mir. Man ist rund um die Uhr auf engstem Raum mit fremden Menschen zusammen, die allesamt vor dem Nichts stehen, und kann sich nicht aus dem Weg gehen. Man hat keine Privatsphäre, selbst die Badezimmer können jederzeit vom Pflegepersonal geöffnet werden. Der einzige Ort, der einem außer dem eigenen Zimmer bleibt, ist das Raucherzimmer, in dem man sich dann mit zwanzig Mitpatienten darüber austauschen kann, auf welche Weise man jeweils versucht hat, sich umzubringen.

Als Kompromiss diente also eine psychotherapeutische Tagesklinik. Vieles war nicht schlecht, aber auch hier fühlte ich mich nicht verstanden. Schon bei der Aufnahme musste ich mich dafür rechtfertigen, warum ich auf eine Frau als Psychotherapeutin bestand. Ob denn zur Not auch ein Mann ginge: Nö. Es gab außerdem einen Mitpatienten, der sehr übergriffig war. Ich weigerte mich, mit ihm gemeinsam an der Körpertherapie teilzunehmen und auch zwei andere Mitpatientinnen beschwerten sich über ihn. Niemand nahm das wirklich ernst. Im Entlassungsbericht stand, ich hätte offenbar ein Problem mit Männern.

Eine Schulpsychologin, zu der ich damals regelmäßig ging, war die erste, die genauer nachfragte und tieferliegende Ursachen vermutete. Sie empfahl mir, einen Termin beim Frauennotruf auszumachen. Meine spätere Therapeutin begleitete mich schließlich dorthin. Ich erlebte zum ersten Mal, was es bedeutet, wirklich feministische Psychotherapie zu betreiben. Im Frauennotruf wurde nicht alles hinterfragt und relativiert, und ich wurde auch nicht dafür gerügt, dass ich noch nicht soweit war, Täterkontakt strikt zu unterbinden. Hier war völlig klar, die Therapeutinnen waren auf meiner Seite und wir überlegten gemeinsam, welche Schritte für mich gut und gangbar sein könnten. Nach all den negativen Erfahrungen war das buchstäblich Balsam für meine Seele und ich machte in der Zeit so viele Fortschritte wie in all den Jahren zuvor nicht. Die Energien, die ich zuvor für Rechtfertigungen und Angst vor Verurteilungen aufbringen musste, konnte ich nun in therapeutische Etappenziele stecken. Zu dieser Zeit begann ich auch, mich intensiv mit feministischer Theorie auseinanderzusetzen, woran der Frauennotruf ebenfalls großen Anteil hatte. Und es sind eben diese feministischen Theorien, die mich heute klarer sehen lassen, dass mir all die Gewalt nicht zufällig widerfahren ist, sondern dass sie System hat, weil ich eine Frau bin. Es sind Erkenntnisse wie diese, die in mir Kampfgeist auslösen. Wer Kampfgeist hat, ist lebendig.

Nun könnte die Geschichte mit diesem Happy End aufhören, aber leider konnte ich natürlich nicht unbegrenzt beim Frauennotruf und bei meiner Therapeutin bleiben. Meine über Jahre hinzugefügten Wunden ließen sich nicht innerhalb weniger Monate heilen.

Vor einem knappen Jahr stand ich deshalb wieder einmal an dem Punkt, eine neue Therapeutin suchen zu müssen. Jede, die das schon einmal probiert hat, weiß, wie mühsam, kraft- und zeitraubend das ist. Unsere Familientherapeutin bot an, mir bei der Suche behilflich zu sein und fragte mich, welche Ansprüche ich an einen neuen Therapeuten hätte. Ich sagte, es solle eine Frau sein, nicht zu jung und bestenfalls feministisch orientiert. Die Familientherapeutin war überrascht: Die politische Orientierung der Therapeutin wäre ja für die Therapie nicht relevant. Über diesen Satz habe ich anschließend oft nachgedacht, und vielleicht ist sogar er es, der mich diesen Text nun schreiben lässt. Ja, ob meine Therapeutin privat gegen Atomkraft kämpft, ist für die Therapie wohl tatsächlich nicht wichtig. Feministin sein bedeutet aber mehr, als am Wochenende auf Demos zu gehen. Es spiegelt sich im Denken und Handeln wieder und somit natürlich auch in der Psychotherapie. Es ist ein Mythos, zu denken, die Therapeutin wäre „neutral“ oder müsste das sein. Es ist schlicht unmöglich. Und es macht eben einen großen Unterschied, in welchem Umfang sich eine Therapeutin mit sexueller Gewalt (um es deutlicher zu sagen: mit Männergewalt gegen Frauen) beschäftigt hat. Es macht einen Unterschied auf vielen Ebenen: wie sie die Klientin sieht (als ein Individuum, das zufällig Opfer von Gewalt geworden ist, oder als Frau im Patriarchat, der systematisch Gewalt angetan wird), ihre Handlungen einschätzt (erkennt sie typische Muster) und adäquat reagieren kann (gibt sie der Klientin in irgendeiner Form eine Mitschuld, z. B. weil sie sich widersprüchlich verhält, nicht angezeigt hat, sich nicht gynäkologisch untersuchen lässt etc., oder vermittelt sie, dass die alleinige Verantwortung beim Täter liegt und keines der Gefühle des Opfers „falsch“ sind).

Im Laufe der Therapie mit der nächsten Therapeutin wurde mir dann immer klarer, dass mein Anliegen an eine feministische Therapeutin mehr als gerechtfertigt war.

Die Therapeutin spricht mir meinen Wunsch ab, dass ich lieber ohne Vater aufgewachsen wäre, und erklärt stattdessen, das wäre ein Verdrängungsmechanismus; eigentlich würde ich mir nämlich einfach einen liebenden Vater wünschen. Außerdem stellt sie infrage, ob ich „wirklich lesbisch“ wäre (was auch immer das übrigens heißen mag), und ob ich nicht eher eine Art Penis-Trauma hätte und deshalb keine sexuellen Beziehungen mehr mit Männern führen wollen würde. Und ein schließlich immer wiederkehrendes Muster: Ich würde selbst die Verantwortung dafür tragen, dass ich unglaubwürdig erscheine, weil ich immer wieder Gesagtes zurücknehme.

Oft saß ich im Therapieraum und wünschte mir sehnlichst meine Zeit beim Frauennotruf zurück. Mittlerweile machen mich solche Aussagen eher wütend als ohnmächtig, aber ich zweifle nicht daran, dass es auf Dauer nicht gesund ist, ständig eine solche Rückmeldung zu bekommen. Wenn eine Frau, die Opfer von Gewalt geworden ist, es schafft, sich in Therapie zu begeben und sogar über ihre traumatischen Erfahrungen zu sprechen, sollte sie sich niemals Vorwürfe in welcher Form auch immer anhören müssen, schon gar nicht von einem Therapeuten. Die Vorwürfe gibt es in allen anderen Lebensbereichen schon genug. Therapie sollte gerade für traumatisierte Frauen ein Schutzraum sein, in dem es möglich ist, den eigenen Gefühlen wieder Vertrauen zu schenken, zu lernen, sich selbst Raum zu geben und pathologische Strukturen aufzubrechen.

Männer haben unzählige Male meine Grenzen überschritten. Sie sind gewaltsam in meinen Körper und mein Innenleben eingedrungen. Es ist mein gutes Recht, wenn ich mich dazu entscheide, das nicht mehr zuzulassen. Ich will mit keinem Mann darüber sprechen, wie es sich anfühlt, wenn jemand gewaltsam in den eigenen Körper eindringt und mit jedem Stoß das eigene Selbstwertgefühl weiter gegen Null katapultiert. Oder über die Scham, die Schuld und den Erinnerungsschmerz, der mich jedes einzelne Mal übermannt, wenn ich meine Tage bekomme. Oder, oder, oder. Es ist schwierig genug, mit einer Frau über all das zu sprechen. Ich möchte die Entscheidungsfreiheit haben, diese Gefühle nicht mit einem Mann teilen zu müssen. Und ich möchte mich verdammt nochmal vor niemandem dafür rechtfertigen müssen.

Mein Wunsch ist es, mein Leben irgendwann ohne Psychopharmaka und Psychiatrien aushalten zu können. Was es dazu braucht, ist feministische Psychotherapie. Therapeutinnen, die sich intensiv mit sexueller Gewalt und strukturellen Machtverhältnissen auseinandergesetzt haben. Frauenberatungsstellen, aber auch niedergelassene feministisch arbeitende Therapeutinnen. Vernetzung, Aufklärung, Reichweite. Weil feministische Psychotherapie Leben retten kann.

27 Kommentare

  1. Bravo! Genau das Gleiche habe ich auch erlebt! Therapeuten/Innen sind halt auch Teil des übergriffigen Systems. Ergo geht es ihnen in erster Linie darum, die Frau wieder voll „funktionsfähig“ zu machen; und lächelnd die Übergriffe und ständigen Grenzverletzungen zu dulden. Kurz, sie helfen eben mit, die ungesunden patriarchalen Verhältnisse weiter zu etablieren. Auch sie nehmen Geld von Frauen, ohne ihnen zu helfen. Genau wie die Psychiatrischen Kliniken sind sie nur daran interessiert, die Frau wieder in das patriarchale Normativ zurück zu therapieren. Sie vergrössern so den Schaden und verzögern die Heilung. Das ist den meisten patriarchalen TherapeutInnen aber nicht klar. Für sie ist es eindeutig, dass die Frau eine Macke hat und wieder „angepasst“ (woran genau?) werden muss. Neue Krankheitsbegriffe und „Brandins“ erleichtern die Arbeit. Der Frau ist dadurch natürlich nicht geholfen. Der Gesellschaft langfristig auch nicht.
    Somit ist der Status Quo wieder hergestellt: „Die Frau ist krank, „spinnt“ und ist auch noch Schuld. Alles wie gehabt!

  2. Liebe Autorin,

    ich danke dir für den Mut und die Offenheit, mit welcher du uns begegnest. Es ist so wichtig, dass wir über unsere Erfahrungen sprechen, um anderen Frauen* zu zeigen, dass sie nicht alleine sind und sie auch nicht im Stich gelassen werden.
    Ich habe ähnliches erlebt und dachte anfangs, dass es mir egal wäre, ob ich mir von einem Mann oder einer Frau helfen lasse. Als ich jedoch den ersten Therapeuten aufsuchte, welcher auch Kinder therapiert und jede Menge Spielzeug im Beratungszimmer liegen hatte, fühlte ich mich schuldig und widerlich, als ich ihm versuchte zu erzählen, was ich erlebt habe. Auch ihm war es irgendwie unangenehm. Danach hatte ich beinahe jeglichen Mut verloren, mir helfen zu lassen. Ich besaß eine Liste mit etwa 20 Therapeut*innen und wählte Wochen nach diesem ersten Erlebnis willkürlich eine Nummer. Wie durch ein Wunder fand die Dame am Telefon meine „Geschichte“ interessant und ich bekam direkt in der folgenden Woche einen Termin. Wie sich herausstellte, war (ist) sie Feministin, hält Lesungen, setzt sich ehrenamtlich für Frauen ein und und und. Diese starke und beneidenswerte Frau war das Beste, was mir je passieren konnte. Sie gab mir das Gefühl zurück, dass ich JEMAND bin, der für sich alleine kämpfen kann und muss. Sie gab mir mein längst verlorenes Selbstvertrauen zurück, mit welchem ich heute Menschen unterstützen und helfen kann, da ich keine Angst mehr habe.
    Das liegt nun 7 Jahre zurück, aber hin und wieder schreibe ich ihr und teile persönliche Erfolge, aber auch Niederlagen mit.

    Da Therapeut*innen oftmals selbst nur ein Abbild unserer Gesellschaft und keine Übermenschen sind, ist es nicht verwunderlich, dass das unterdrückende Patriarchat als solches nicht erkannt wird. Von daher ist feministische Psychotherapie ein längst überfälliges Konzept, welches jedoch auch in Zukunft so schnell keinen Einzug in die Branche finden wird.

  3. genauso, mit katastrophalen Folgen für viele Frauen, die seelisch schwer
    verletzt wurden und dann noch von Therapeutinnen im Sitch gelassen werden.

  4. Monika Barz

    Herzlichen Dank für den eindrücklichen Bericht. Toll, dass ihr Störenfriedes immer wieder so politische Texte ausfindig macht.

  5. Großartig. Und seit mindestens 40 Jahren wahr. Ich habe damals nach einer Vergewaltigung die Therapie abgebrochen, weil mich der Depp von Therapeut fragte, ob ich mir die Vergewaltigung quasi eingeladen hätte, weil ich mit meinem sorglosen Umgang mit dem Vergewaltiger meinen Eltern zeigen wollte, dass ich erwachsen bin und mit einem Mann ausgehen kann, wann ich will. Der Frauennotruf war meine Therapie, und ich bilde mir ein, dass auch ich ein wenig „Therapeutin“ war für die, die es nach mir traf. Vor allem aber war es die feministische Theorie, die therapierte. Sie therapiert nicht den Schmerzen, aber die Scham und die Selbstzweifel. Danke für diesen gelungenen Artikel!

  6. sommergruen

    Ein wichtiger Artikel! Danke fürs Schreiben!

    Ich bin an folgendem Satz hängen geblieben:
    „Aber die politische Orientierung der Therapeutin wäre ja für die Therapie nicht relevant.“

    In meinem Verständnis hat eine feministische Grundhaltung nichts mit Politik zu tun. Es ist vielmehr eine gesunde Grundhaltung zum Leben, zum Miteinander der Menschen und anderer Lebewesen, mit denen wir den Planeten teilen.
    Du hast den Unterschied der beiden Haltungen (feministisches Weltbild- patriarchal eingenordet) im „Ergebnis“ für die Klientin toll beschrieben!

  7. Ein sehr wichtiger Gedanke, den Du, liebe Autorin, da angesprochen hast. Ich kann das so gut nachvollziehen. Ich habe keinerlei der Erfahrungen gemacht, die Du machen mußtest, dennoch war auch ich in einer Psychotherapie. Auch mich macht die Behandlung dort im Nachhinein sehr betroffen, wenn auch aus anderen und viel weniger schlimmen Gründen, aber dennoch:
    Berufliche Probleme, Selbstwertgefühl unten, Kündigungen. Behandlung durch einen Mann. Hetero, weiß, alt. Es ging die ganze Zeit nur (!) darum, wie ich aussehe. Gewicht, Kleidung, Frisur, keine Schminke, Nägel… Ich sollte mich optisch mainstreamen, um besser arbeiten zu können. Das ist auch das, was Yvonne beschrieb: Zurücktherapieren in die männliche Normativität. Das äußerliche Auftreten mag natürlich ein Aspekt bei einer Verhaltenstherapie sein – aber doch wohl nicht der einzige in einer mehrjährigen Therapie.

    Es ging nie darum, welche Charaktereigenschaften und Fähigkeiten ich besitze oder eben nicht, welche Stärken, welche Schwächen, welcher Bereich meines Berufsfeldes, welche Unternehmensstrukturen auf mich passen könnten oder eben nicht, wie ich besser arbeiten und verarbeiten kann, welche Probleme vielleicht gar nicht durch mich hervorgerufen werden usw. Die Botschaft war nur: Schau hübsch aus, falle nicht unweiblich und häßlich auf und sei gefällig, dann lösen sich alle Probleme in Luft auf. Welch ein Armutszeugnis für die Gesellschaft, wenn das so wäre.

    Ich ärgere mich heute noch, wenn ich daran denke. Für mich ist es unbegreiflich, wie derartige Verkrustungen eine Therapie überschatten können. Der Therapeut war dennoch hochgeradig überzeugt von sich und seinem Ansatz.

  8. Liebe Renate! Ja, mir geh’t gleich….. Einige Erkenntnisse und Wutreflexe kommen erst jetzt hoch. How dare they!!!!! Und Du musstest diesen patriarchalen Sch…. auch bezahlen! Das ist das Schlimmste! Ich nenne es
    eben brainwash, oder „Hirnvergewaltigung“.
    „Da steh‘ ich jetzt ich armer Tor, und bin so klug wie all zuvor!“ Was machst Du jetzt mit Deinen neuen Erkenntnissen? Wie setzt Du sie zinnstiftend, vielleicht sogar „Geld“ -stiftend um?
    Erkennen,—Benennen,—-Verändern!!!!!
    Leider gibt’s von diesen patriarchal indoktrinierten Therapeuten, mehr als genug. Vor allem, wenn sie auch noch für den Staat arbeiten dürfen, (Gutachten erstellen, etc. ) Übrigens auch Frauen, was besonders perfide ist!

  9. ps. Sinn stiftend natürlich, nicht zinnstiftend…. Was dieser PC immer korrigiert, ist ebenfalls grenzwertig…..

  10. Ich bin auch über zwei Dinge regelrecht gestolpert: Das eine hat eine meiner Vorrednerrinnen bereits erwähnt, und zwar, dass die „politische Orientierung“ der Therapeutin nicht von Belang sei.
    Abgesehen davon, dass ich Feminismus auch nicht direkt als bloße politische Orientierung sehen würde, ist das aber ganz selbstverständlich sehr wohl wichtig für die Therapie! Vor allem in Zusammenhang mit Feminismus und weiblichen Erfahrungen, wie könnte sie es nicht sein?! Wie kann man so etwas überhaupt sagen?

    Das andere war „ob [die Autorin] nicht eher eine Art Penis-Trauma hätte“.
    Wie, stelle ich mir hier die Frage, soll man eigentlich als Frau in dieser Gesellschaft KEIN „Penis-Trauma“ irgendeiner Art haben?? Pornos machen unseren Sex kaputt so wie die Lebensmittelindustrie unser Essen.
    Schon allein die ganze Pimmel-Waffensymbolik in sämtlichen Medien und die ganzen Pimmel in Pornos mit Gewalt gegen Frauen und die zermürbende Dauerindoktination an alle Frauen überall die ganze Zeit, dass sie immer alles für den heiligen Ständer tun sollen, alles!

    Und Männer lernen, dass das alles völlig normal und gar kein Grund zur Beunruhigung ist. Fast alle Vergewaltiger sind frei und die, die überhaupt verurteilt werden, kriegen lachhafte Strafen.

    Wie, frage ich, wie soll frau in so einer kranken Gesellschaft KEIN verdammtes Penis-Trauma haben, wie??

  11. Lana! Du hast den Kern des Patriarchat’s VOLL Getroffen! Wir leben nämlich alle in einer Pimmelokrtie, seit ca 5000 Jahren! Und so sieht’s auch überall aus! Bei Pimmeln dreht sich nämlich ALLES nur um Oben oder Unten! Überlegen als Andere, oder Unterlegen als Andere! Es ist DIE Machfrage überhaupt. Und da der Pimmelträger ALLES nach seinem Pimmel-Denk-Schema ausgerichtet hat, ist jede Frau immer entweder Aussen vor, oder UNTEN! Wie auch alle „Andern“…..zB. Fremde, Tiere, Frauen, Kinder, Natur, die Erde, ALLES ist dem tollen Pimmel unterlegen und muss sich deshalb endlos anstrengen, vom Oberpimmel anerkannt zu werden…..
    Die Frage ist ja nur: Wollen wir das? Brauchen wir das? Wie lange noch?
    Stellen wir diesem Oben/Unten-Pimmel-Denk- und Lebens-Schema doch eine Mutter- und Frauenzentrierte Alternative entgegen und holen uns unser Wissen und unsere Energie zurück! Für UNS, unsere Kinder, die Tiere, die Natur und schlussendlich die Gesellschaft! Amen!

  12. Ps: Ich weiss, ich bin nicht die Erste, welche das feststellt. Deshalb gibt es sogar einen offiziellen Namen dafür. Phallokratie! Die greift selbstverständlich auch in Diktaturen. Dort eher noch mehr. Ausgestorben ist sie nirgends,……weltweit! Falls sie in Frage gestellt wird, kann man ja immer irgend eine Religion aus dem Hut zaubern und erklären, dass dies halt Gott (Allah)-gewollt sei. Ich widerspreche dem vehement! Es ist
    Mann-gewollt. Erfunden von Männern, die Gott ablösen oder spielen wollen.

  13. Toller Text!

    @ sommergruen & Lana: Na selbstverständlich ist der Feminismus eine politische Orientierung! Was denn auch sonst? Privatsache? 😀
    sommergruen, du beschreibst den Feminismus ja sogar selbst als eine „Grundhaltung […] zum Miteinander der Menschen“. Damit ist es eine politische Grundhaltung. Vielleicht nochmal den eigenen Politik-Begriff überdenken/erweitern? Politik ist sehr viel mehr als nur Parteipolitik…

  14. Ps2: Eine List von guten feministischen Therapeutinnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wäre ein Anfang und sicher gut. Von diesen Therapeutinnen gibt es wahrscheinlich nicht viele. Die List wäre also vermutlich kurz. Aber umso wichtiger!

  15. Mein letzter Beitrag,der sich direkt auf Yvonnes Beitrag oben bezog,ist,wieso auch immer,unter der Rubrik „Politisch und sexuell?Lesbisch!“ gelandet…???

  16. Liebe Yvonne!
    Vielen Dank für Deine Antwort. Ja, mir hat die Therapie im Nachhinein betrachtet überhaupt nichts gebracht, außer den Fokus auf die männliche Sichtweise und Bedürfnisbefriedigung gelenkt bekommen zu haben und wie ich in der männlichen Welt am besten zurechtkomme – am besten schlank, haargestylt, mit Schmuck und Schminke, konform gekleidet und mit gelackten Nägeln. Alles andere war kein Thema. In meinem Beruf gibt es übrigens zahlreiche Betätigungsfelder, innerhalb derer man gut auswählen muß, wo man sich hineinbegibt und was der eigenen Persönlichkeitsstruktur zuträglich ist.

    Und Du hast recht – bezahlt habe ich den Spuk auch noch. Es grenzt wirklich an psychische Mißhandlung. Man sucht in einer Krisensituation Hilfe und ist quasi gezwungen zu vertrauen – und bekommt dann sowas geliefert.

    Meine beruflichen Probleme habe ich nun selbst lösen müssen – bin aber derzeit recht zufrieden. Mein Therapeut hat nach einer Entscheidung für eine Stelle nur hinterher rumgequakt, daß er ja von vornherein wußte, daß das schiefgeht. Großartige Hilfe und ich war noch ein Stückchen mehr unten angekommen.

    Manchmal habe ich die Hoffnung, daß Männer in meiner Generation (ich bin Jahrgang 73) oder jünger schon etwas anders ticken. Meine männlichen Freunde tun das jedenfalls und das tut gut.

  17. Nachtrag:

    Die Analyse meiner Persönlichkeit und in welches Feld meines Berufes ich am besten passe, wie ich effizienter arbeiten kann, welche Strukturen/Hierarchien zu mir passen, welche Arbeitsweise mir liegt, die ich ausbauen oder mir aneignen könnte, ob ich mich besser in einem anderen Bereich engagieren oder fortbilden sollte – sowas hätte ich als Therapieansatz erwartet. Aber nein – meine ganzen Probleme mit der Berufswelt lagen für den Therapeuten darin begründet, daß ich für sein männliches Auge schei*e aussehe – wobei sein Auge ja auch nur eins unter vielen ist, aber er meinte noch, es gäbe da halt so einen Geschmacks-Mainstream in der Männerwelt.

    Beim Antritt einer anderen von mir völlig selbst entschiedenen Stelle meinte er noch, daß das nun das Richtige sei, aber auch das ging schief. Großartiges Einschätzungsvermögen.

    Andererseits behandelte er mich mit den Sätzen „Ich bin ich.“ Das solle ich immer mal wieder vor mir hersagen. Nur so wie ich bin, durfte ich laut ihm ja nicht sein. Verrückt.

  18. Das „Frau-Sein“, das von Männern verlangt wird, macht Schizophren! Alles sog. doubelbinds. Frau soll jung, hübsch und sexy sein, möglichst billig und willig. === Dann ist sie aber eine „Schlampe“ und selbst schuld, wenn sie vergewaltigt wird. Frau soll „Sex lieben“, aber ja keine eigenen Ansprüche stellen oder gar guten Sex erwarten….. Frau soll immer wie aus dem Ei gepellt aussehen, aber eben auch den ganzen Haushalt mit einem Lächeln schmeissen und den Männern den Dreck weg machen. Frau soll jeden Mann als überlegen ansehen und ihm möglichst anhimmeln, auch wenn er ein totaler A… ist,sonst verletzt sie sein empfindliches Ego. Es ginge noch endlos weiter. ALLES ist auf den Mann und SEINE Bedürfnisse ausgerichtet.

  19. @ Renate:
    Dieses Muster begegnet mir auch immer wieder: „Sei einfach du selbst…“ und immer implizit mitgedacht, aber nie ausgesprochen: „…vorausgesetzt, das entspricht den gesellschaftlichen Normen.“

  20. Empfehlung: Es gibt Portale, wo man PsychotherapeutInnen bewerten kann (so wie bei ÄrztInnen jameda), dort würde ich solch schädliche TherapeutInnen bewerten, mit Begründung. Dann wissen andere, die vorher googeln, was sie bei der jeweiligen Person erwartet.

    @Renate: für den Fall deines „Therapeuten“ gibt es vielleicht sogar eine Beschwerdestelle, so wie die Ärztekammer? Das hat ja nicht mal mehr ansatzweise mit Therapie zu tun.

  21. Danke für diesen Beitrag, der mich noch einmal daran erinnert hat, dass wir Psychotherapeutinnen selbstverständlich parteilich zu sein haben. Auch wenn ich zu meinem neuen Buch „Der innere Ausstieg“ einige Beiträge bekommen habe, die sich ausgesprochen kritisch mit der Rolle der Mutter in den Gewalt-Verhältnissen auseinandergesetzt haben, und bei manchen die Mutter sogar die Erst- oder Haupttäterin war. Dennoch kann ich Ihnen zustimmen: Es sind die patriarchalen Verhältnisse, die die brutalen sexualisierten Gewalttaten weiter betreiben, aufrechterhalten und für allgemeines Schweigen und das Nichtglauben und Aufarbeitungs-Erschweren gegenüber den Gewaltüberlebenden sorgen. Und dass es unendlich schwer ist, eine gute und engagiert parteiliche Psychotherapeutin an die Seite zu bekommen, ist ein System-Fehler, der auch nicht zufällig ist.
    Wie gut, dass Sie Worte gefunden haben, und dass Sie sich hoffentlich auch weiterhin einsetzen. Mit meinen Möglichkeiten tue ich es auch.
    Herzlich Ihre Michaela Huber

  22. Ich wünsche Dir alles Gute. Habe ähnliches erlebt. Nach der Geburt meines Kindes – Totalkatastrophe, Not-Op, Kind auf Intensivstation. Eine Psychologin war vor Ort, ich war dankbar – bis sie mir erklärte, dass ich doch mal endlich Rücksicht auf den armen Vater nehmen sollte. Und das wird nicht besser.

  23. liebe autorin,
    genauso verzweifelt suchte ich auch eine feministische „therapeutin“ und geriet an therapeutinnen sowie einen therapeuten mit ähnlichen eher abwertenden ja frauenfeindlich gesinnten aussagen. mich hat die ent-deckung von mary dalys büchern gerettet und gestärkt auch. besonders die auseinandergenommene bedeutung des begriffs „therapeut“ im englischen THE-RAPIST (therapist) kann ich seither nur noch so denken.

  24. @Sophie,…… ich auch! Ja, Mary Daly hat auch mein Leben und meine weibliche „Gesundheit“ gerettet. Ausserdem hat sie mir das Lachen zurückgebracht. —Und eine hoffnungsvolle Beschwingtheit, in dieser patriarchalen Düsternis der Begriffe, Wortklaubereien und Besserwissereien.

  25. Team Athene

    Für mich passt da auch gut das neue Mantra rein „Du musst verzeihen“, „der Schlüssel zum inneren Frieden ist Vergebung“ u.ä. Empfinde ich – mit genau dem „liebevollen“ Druck, mit dem es an die Frau gebracht wird – auch als äußerst übergriffig und natürlich die Verhältnisse stabilsierend.

  26. Ich möchte mit meinem Kommentar noch etwas hinzufügen. Und zwar habe ich in mehreren Therapien (bei einem Mann und mehreren Frauen), insgesamt 10 Jahre inklusive stationärer Aufenthalte kein einziges Mal gesagt bekommen, dass ich richtig bin und das System falsch. Immer ging es darum, doch zurecht kommen zu sollen, „gesund zu werden“. Was „gesund“ sein sollte, wurde nicht verbal definiert. Irgendwann hat es mir gereicht – und fand?! Eine sich selbst als feministisch verstehende ambulante Betreuung, von Frauen für Frauen. Meine Betreuerin, wir haben 2 Jahre zusammen gearbeitet, hat alle meine Aussagen so stehen lassen, kein einziges Mal gezeigt, was sie selbst denkt, keine Gefühle, keine Wut, keine Zustimmung,… ich habe 2 Jahre lang gedacht, sie glaube meinem (gewaltvollen mittlerweile Ex-)Freund mehr als mir! Und als das auf den Tisch kam (= als ich ihr das Wegwischen des Themas nicht mehr habe durchgehen lassen), sagte sie, ich trüge dafür die Verantwortung, denn sie sei davon ausgegangen, dass es selbstverständlich sei, dass sie mir glaube. Und es sei ja meine in der Kindheit entstandene Überzeugung, dass mir nicht geglaubt werde, die mich mit dieser Brille habe wahrnehmen lassen. Eine andere Sache war, dass sie psychische Gewalt als weniger objektiv bewertbar hielt als physische und sexuelle. Also natürlich glaube sie mir, aber es sei eine Sache des Standpunktes, und nur meine Sicht, mein (Ex-)Freund könne das ganz anders sehen… Als mir klar wurde, dass ihr Verhalten kein Zufall, sondern Absicht und als solche „therapeutisch wertvoll“ verbrämt und abgesichert war, bin ich gegangen. Ich glaube nicht mehr an professionelle Hilfen. Ich glaube an weibliche Solidarität, geschützte weibliche Orte zum wieder ganz Werden, an Selbstverantwortung und Wut und feministische Bildung. Wenn wir uns nicht zeigen, als Mensch und Frau, auch in der Rolle der Therapeutin/Betreuerin/… dann kopieren wir die dem Patriarchat innewohnende Aufspaltung. Dann wird dem Gift mit demselben Gift begegnet und wenns nicht hilft ist frau selbst schuld.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert