Statement zum lesbisch-feministischen Block im Berliner Dyke*March

My Vulva is a female only space

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Dyke*March, Berlin, 2024 – zur Einordnung des Statements:

Damit Lesben in der schwul-lesbischen, inzwischen LGBTQIA*+ Bewegung und bei Pride Festivitäten sichtbar bleiben, gibt es in mehreren Städten traditionell am Tag oder Abend vor dem CSD Straßenfeste oder eigene Lesbendemos. Der Dyke*March Berlin 2024 stand in dieser Tradition – wobei das jeweilige Orga-Team festlegt, wer teilnimmt, welche Statements nach außen gehen etc.

Der Dyke*March Berlin bekam schnell wegen eines einseitigen Statements zum Nahostkonflikt und vor allem dem Umgang mit Kritik daran Aufmerksamkeit – die Frage, inwiefern jüdische Lesben sich dort sicher fühlen können, musste gestellt werden. Persönliches Statement: Ich freue mich, dass sie in einem erkennbaren lesbischen Block mit entsprechenden Fahnen teilgenommen haben. Für eine Diskussion dieses Themas sei auf diesen Artikel bei QN – Queer Nations – verwiesen.

Die zweite Kontroverse betraf wie immer das * hinter „Dyke“ und den Umgang mit Lesben, die auf der körperlichen Komponente ihres lesbischen Begehren beharren und die eine Öffnung der Kategorie „Lesben“ bis zur Inkludierung praktisch aller Menschen, die diese Kategorie irgendwie interessant finden, kritisch ablehnen: Sie erkennen, dass diese Öffnung nur die Probleme gegenüber Lesben (und damit allen Frauen) aus der Gesamtgesellschaft in die Lesbenbewegung hineinzieht: eigenständiges Begehren von Frauen wird spätestens dann abgelehnt, wenn es sichtbar wird, Lesben als politische Gruppe verschwinden, seit Aufstieg des Transaktivismus werden ihre Anliegen durch Forderungen aus einer angeblichen Gemeinsamkeit mit TTTT*Q+etc. vollständig verdrängt.

Das vor diesem Hintergrund von Teilnehmerinnen am Berliner Dyke*March2024 verfasste Statement beleuchtet ebenso wie ein weiterer bei Queer Nations veröffentlichter Artikel die Situation von Lesben in der deutschen „queeren“ Bewegung. Das „queer“ ist hier in Anführungszeichen gesetzt, da unabhängig von Diskussionen zur Wortbedeutung innerhalb der Szene „queer“ heutzutage nichts anderes bezeichnet als eine frauenfeindliche Mainstream Bewegung. Lesben werden entweder rundweg abgelehnt oder so wie Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (früher „intersex“) und wie Menschen mit tiefen Problemen der geschlechtlichen Wahrnehmung lediglich benutzt.


Statement zum lesbisch-feministischen Block im Berliner Dyke*March

Wir sind Teil einer Gruppe lesbischer Feministinnen, die an die Stärke kollektiver politischer Aktion glauben. Wir sind aus Berlin und Umgebung, aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Unser Alter, unsere Nationalitäten und unsere Muttersprachen sind vielleicht nicht die gleichen, aber wir sind alle stolz darauf Lesbisch zu sein. Aus diesem Grund wollen wir als Lesben UND als Feministinnen sichtbar sein, weswegen wir im vereinten Lesbisch-Feministischen Block am Berliner Dyke*March 2024 teilnahmen. 

Sozial und politisch konzentrieren wir uns auf Frauen. Als lesbische Feministinnen stehen wir mit Dankbarkeit auf den Schultern der Frauenbewegung mit ihrem Schwerpunkt auf weibliche Autonomie und Selbstbestimmung. Es ist uns bewusst, dass es aus der Mode gekommen ist, Frauen Vorrang einzuräumen, gerade – und ironischerweise – innerhalb der Lesbenkultur. Es ist Ausdruck von Lesbenhass, wenn die ausschließlich auf Frauen bezogenen, women-only, sexuellen und politischen Grenzen von Lesben in Frage gestellt oder verletzt werden. Frauenhasser weigern sich, Grenzen von Frauen zu akzeptieren oder lesbische Autonomie zu respektieren. 

Seit mehreren Jahren  werden Lesben wie wir unter Druck gesetzt unsere feministische Politik abzuschwächen, zu unterdrücken oder ihr abzuschwören. Wir erkennen, dass anders als bei unseren lesbisch-feministischen Vormüttern der gegenwärtige Zeitgeist gegen uns läuft. Aber wir verweigern uns einem furchterfüllten Schweigen.

Wir wollen andere lesbisch-feministische Frauen ermutigen, Lesbenkultur aktiv mitzugestalten. Wir wollen in einer Veranstaltung, die uns einschließen sollte, Raum einnehmen. Wir üben unser Recht der Teilnahme am Berliner Dyke*March als Lesben UND Feministinnen aus. 

Unsere Teilnahme an diesem March ist kein Ausdruck der Zustimmung zu den Statements des Orga-Teams. Wir kritisieren den Berliner Dyke*March dafür, dass er den Blick auf das Wesentliche verlor. Dem Orga-Team gelang es nicht, im Vorfeld des Marches entstandene Konflikte zu de-eskalieren.  Sie grenzten Lesben aus anstatt Lesben über  Differenzen hinweg zu vereinen. Bedauerlicherweise erwuchs in der Veranstaltung eine feindselige Stimmung nicht nur gegenüber radikal feministischen Lesben, sondern auch gegen jüdische und israelische Lesben. Uns fasziniert die Doppelmoral, mit der ein anscheinend die Hamas unterstützender Block mit all seinen Männern vorneweg im Dyke March marschieren durfte, während autonome Lesben durch einen wütenden Mob blockiert und beschimpft wurden. Krieg ist das tödliche Spiel der Männer – und als Feministinnen weigern wir uns, deren Spiele mitzuspielen oder uns entlang ihrer Vorgaben spalten zu lassen. Der Dyke March sollte für Lesben jeglichen Hintergrunds ein Ort des Willkommens sein, ungeachtet ihrer Ethnizität, Nationalität, Muttersprache, Behinderung, Religion oder ihres Alters. 

Am 26. Juli trugen wir unsere lesbischen Fahnen, Transparente und Schilder mit den Aufschriften „Frauenliebe ist unsere Stärke – Lesbenfront“, „Wir Lesben sind überall“, „Kompromisslos lesbisch / unapologetically Lesbian“, „Not your Porn / PorNo“, „Gender is the cause of dysphoria not the solution“, „Unendlich Frauenzentriert“, „Lesbe gleichgeschlechtlich liebende Frau“, „Solidarität mit Lesben aller Länder“, und „My vulva is a female only space“.
Wir liefen im March und riefen „Viva Viva Lesbiana!“, „Frauenliebe, Frauenstreit, Frauensolidarität“, „Wenn Frauen Frauen lieben, gibt es Frieden!“, „Bleibt mutig!“

Wir liefen friedlich, obwohl uns ein paar Leute von den Gehsteigen aus Beleidigungen zuriefen und dass wir beim Dyke March nicht willkommen seien und nach Hause gehen sollten. Doch als der March in eine engere Straße einbog, änderte sich die Situation. Zwei Männer sprangen mit einem rosa und grauen Transparent mit der Aufschrift „Queerocracy now“ vor uns. Sie blockierten unseren Weg und brüllten uns an. Wir blieben kollektiv stehen und begannen „Lesbians like us, link arms together. Lesbians all over the world, rise up and shout no: No!” zu singen. In der Zwischenzeit hatte sich die Mehrheit der Teilnehmenden am Dyke March in der Nähe mit ihren Sprechgesängen gegen uns angeschlossen und bildete eine Kette quer über die Straße. Sie rissen mehrfach an unseren Transparenten während andere zwei unserer Schilder entwendeten und zerrissen. Eines unserer Schilder wurde in Brand gesteckt und jemand warf einen Apfel auf uns. 

Wir hielten unseren geschlossenen Kreis und nutzten unsere Transparente als Schutz. Wir waren von einem frauenfeindlichen Mob vollständig eingeschlossen. Während die Menge uns Beschimpfungen zuschrie, uns beleidigte und Gewalt androhte, standen wir still und sangen unsere Lieder und Sprechgesänge. Als die Verstärkung der Polizei kam, musste sie um uns Platz schaffen, damit wir uns bewegen konnten. 

Nach sehr langer Zeit war die Straße fast leer bis auf unseren Kreis und ein paar übriggebliebene frauenhassende Menschen, die nichts Besseres zu tun hatten, als Lesben auf einem Dyke March anzugehen. Der Rest der Leute in der Nähe hatte das Interesse an diesem Konflikt verloren und ging einfach weiter. Leider hatte unser Fan Club nichts Wesentliches zu sagen, außer dass sie wollten, dass wir nicht mehr sichtbar sind und dass wir den öffentlichen Raum verlassen sollten. Da wir uns dem March wieder anschließen wollten, musste die Polizei wegen der fortgesetzten Angriffe den restlichen Weg um uns eine Eskorte bilden.  

Trotz der Einkesselung, der Beleidigungen und Bedrohungen standen wir durch unsere lesbisch-feministische Politik vereint zusammen. Wir blieben angesichts des hässlichen Gesichts weitverbreiteter und beliebter Misogynie ruhig. Wir stehen fest in unserem lesbischen Stolz.

Das Statement steht auch auf Instagram:

Englisch: https://www.instagram.com/p/C99t4BLq9cE/

Deutsch: https://www.instagram.com/p/C995qyCqw_O/

English statement on radfem kollektiv berlin: https://radfemkollektivberlin.net/2024/07/31/statement-about-the-lesbian-feminist-block-in-the-berlin-dyke-march/

6 Kommentare

  1. B. B. Blocksberg

    Wow, diese Lesben sind so unglaublich mutig!!!!

  2. Ich danke euch für eure Stärke und feiere euren Zusammenhalt. Ihr seid unglaublich mutig und unglaublich wichtig.

  3. Brigitte Wesp

    Prima, dass ihr standgehalten habt! Bleibt mutig! Diese Lesbenhassenden Menschen sind feige und langweilig, leider auch etwas gefährlich. Doch zusammen stehen wir diese Phase durch!
    Meine Unterstützung habt ihr, erst mal gedanklich und von lesebenherz zu lesbenherz!!:-))

  4. Juliana Brustik

    Ich finde es toll, was ihr gemacht habt. Es ist unglaublich schwierig für Lesben. Ich wohne schon lange in London und es gibt so gut wie keine Orte/Veranstaltungen, der nur für Lesben ist.

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