Schlagwort: Mithu Sanyal

Willkommen im Patriarchat: Sonderpreis für Vergewaltigungs-Diskurs

"Take rape seriously" - Protester with Placard Reproductive rights activist Shelby Knox.

by Women's eNews via Flickr, [CC BY 2.0]

Man kann nun wirklich nicht sagen, dass Mithu Sanyal durch ihren empörenden Vorschlag, Opfer sexueller Gewalt wertneutral als Erlebende zu bezeichnen (da man ja nicht wisse, wie sie die ihnen angetane Tat selbst einordnen) und der daraus folgenden, erhitzten Debatte irgend etwas an Reputation eingebüßt hat.

Ganz im Gegenteil, sie bekam nachdem belegbar aus rechten Kreisen gegen sie lancierten Shitstorm – gegen den Radikalfeministinnen sie trotz inhaltlicher Kritik verteidigten und denen sie dennoch den schwarzen Peter zuschob und als Initatorinnen von Vergewaltigungsdrohungen bezichtigte (und damit aktiven Täterschutz betrieb) sehr viel trostspendende Anerkennung.

Während sie ein Interview nach dem anderen geben durfte, interessierte man sich im medialen Mainstream so gut wie nicht für die Position der Initatorinnen, des sich kritisch mit ihren Positionen auseinandersetzenden Offenen Briefes – darunter zahlreiche Betroffene sexueller Gewalt. Während ihr und ihrer Sichtweise also breiter Raum eingeräumt wurde, ignorierte man die Gegenseite so gut es ging. Die TAZ richtete sogar derweil eine eigene Kolumne mit dem Titel „Mithulogie“ für Sanyal ein, Titel wie „Das Piss-Manifest“ lassen den inhaltlichen Tiefgang bereits erahnen.

Zum Tode Hugh Hefners, dem Playboy-Gründer, der Nacktfotos von Marilyn Monroe auf dem Cover seines Magazins ohne deren Konsens abdruckte, der mit Fotos von Minderjährigen pädokriminelle Fantasien anheizte und legitimierte und über den wir von ehemaligen „Bunnies“ erfahren, wie mies er sie behandelte und dass er die von Bill Cosby gerne für seine sexuellen Gewalttaten eingesetzten KO-Tropfen als „Schenkelöffner“ bezeichnete, bescherte sie diesem Frauenfeind einen äußerst wohlwollenden Nachruf:

„Hugh Hefner habe sich bereits in den 1950er- und 60er-Jahren für Empfängnisverhütung und Abtreibung eingesetzt, betont Mithu Sanyal. Er habe sich später auch für die Ehe für alle und gegen Waffen und die Todesstrafe ausgesprochen. „Frauen haben ein eigenes sexuelles Begehren“, habe Hefner in einer Zeit gesagt, als das noch undenkbar war. „Die Playmates haben einem immer in die Augen geguckt. Die hat man nicht irgendwie beobachtet, sondern die haben einen angeguckt und gesagt: Hey, ich will was aktiv!“

Auf ihrer Facebook-Seite schreibt sie allen ernstes:

„Denn der Ober-Playboy und Viagra-Fan Hugh Hefner ist durchaus eine faszinierende, komplexe Figur. Ja, der Playboy ist auch sexistisch, aber er ist eben auch feministisch – zumindest wenn es nach Hugh Hefner geht.“

Kein Wort auch darüber, dass Hefner eng mit der Mafia verbunden war, darunter Linda Boremans Zuhälter und Ehemann Chuck Traynor, dass er einen maßgeblichen Anteil an dem Vorantreiben der Objektifizierung von Frauen trug oder auch nur den Hauch einer Ahnung davon, welche Vorteile sein Kampf für Abtreibungsrechte vielleicht für Männer, die Frauen sexuell ausbeuten wollen, haben könnte. Immer wieder erwische ich mich dabei, mich zu fragen ob Sanyal und die Liberalfeministinnen die Zusammenhänge wirklich NICHT SEHEN, aus Blindheit oder Unvermögen, oder ob sie BEWUSST UND AKTIV den Boden für das Patriarchat ebnen.

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Offener Brief gegen die sprachliche Verharmlosung sexueller Gewalt

Im vergangenen August erschien das Buch „Vergewaltigung“ der Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal.

Darin kritisiert sie, dass die gesellschaftliche Beschäftigung mit dem Thema sexuelle Gewalt innerhalb bestimmter Grenzlinien verlaufe.

„Im Vergewaltigungsskript gibt es nur zwei Geschlechter: Täter und Opfer. Wer Vergewaltigung sagt, denkt an aggressive Männer und ängstliche Frauen, an Penisse als Waffen und Vaginas als ungeschützte Einfallstore in ebenso ungeschützte Körper; oder weniger martialisch: an Männer, die meinen, »ein Recht« auf Frauenkörper zu haben.“ (Quelle: Edition Nautilus)

Das will Mithu Sanyal so nicht akzeptieren. Der „Opferdiskurs“ soll aufgebrochen werden, Opfer sollen sich nicht länger Opfer oder Überlebende nennen, sondern vielmehr „Erlebende“, wie sie jüngst in einem Artikel in der taz forderte.

Sprache strukturiert unser Denken. Wie wir etwas benennen, entscheidet darüber, wie wir es beurteilen. Opfer sexueller Gewalt zu „Erlebenden“ zu machen, lässt die Gewalt aus dem Sprachgebrauch verschwinden, die Tat und die Täter und bis nur noch die Betroffenen übrig sind, die sich selbst nun auch nicht mehr „Opfer“ nennen sollen, weil sie das degradiert. Hier sitzt Mithu Sanyal einem Irrtum auf. Es ist nicht der Opferdiskurs, der Opfer degradiert. Es ist die Tat, die aus Menschen Opfer macht, es sind die Täter, nicht die Selbstbeschreibung. Keine noch so euphemistische Umdeutung kann die Tat für ein Opfer ungeschehen machen – sehr wohl aber für den Rest der Gesellschaft – wie außerordentlich praktisch!

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Im Erlebnisbad der Gewalt – eine Replik auf den Text „Du Opfer“

Vor ein paar Tagen haben die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal und die Studentin der Sozialen Arbeit Marie Albrecht auf taz online einen Text veröffentlicht, in dem vorgeschlagen wird, vergewaltigte Personen nicht mehr „Opfer“, sondern „Erlebende“ zu nennen. (Ja, richtig gelesen, nicht „ÜBERlebende“, sondern „Erlebende“.) Sanyal und Albrecht begründen das so:

„Denn ´Opfer´ ist keineswegs ein wertfreier Begriff, sondern bringt eine ganze Busladung von Vorstellungen mit. Wie die, dass Opfer wehrlos, passiv und ausgeliefert sind – und zwar komplett. Bloß sind Menschen, denen etwas angetan wurde, ja immer noch sie selbst (…) Wenn mir jemand erzählt, dass er oder sie einen Autounfall gehabt hat, wird sich meine Wahrnehmung dieser Person wahrscheinlich kaum verändern. Genau das passiert jedoch, wenn wir ´Autounfall´ durch ´Vergewaltigung´ ersetzen. (…) Indem wir Menschen als Opfer bezeichnen, stecken wir sie in eine Schublade und werfen den Schlüssel weg.“

 
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Komm, wir spielen unsichtbar sein – Wie Opfer sexueller Gewalt wegdekonstruiert werden

Frau am Fenster

Rising Damp: Disappear, Flickr, CC BY SA 2.0

Es gibt Gründe, warum ich mich an der Uni nicht wohlfühle. Ich meine jetzt gerade mal nicht die klassistischen Strukturen da, die mich jedes Mal wieder spüren lassen, dass Uni nichts für welche wie mich ist. Konkret meine ich, dass sich an der Uni eine Haltung breitgemacht hat, in der die Art des Sprechens über Dinge plötzlich wichtiger ist als die Analyse derselben. Immer wieder sitze ich im Seminar und werde berichtigt. Vor allem drei Einwände tauchen immer wieder auf:

  1. „Wenn du sagst, dass Frauen unterdrückt werden, zementierst du diese Realität ja, du machst damit das Gleiche wie die Unterdrücker!“
  2. „Du kannst nicht den undifferenzierten Begriff „Patriarchat“ verwenden. Es werden nicht nur Frauen unterdrückt!“
  3. „Die Bezeichnung „Opfer“ solltest du nicht verwenden, die ist stigmatisierend.“

Ich verlasse diese Veranstaltungen jedes Mal mit einem Gehirnbrei, den ich nicht auseinanderklamüsert kriege. Und frage mich: verlassen Menschen, die sowas sagen, eigentlich jemals die Universität? Kamen sie überhaupt schonmal mit der Realität in Kontakt? Wo zur Hölle kaufen sie ein? Im gesafespaceten Laden irgendwo in einer genderbefreiten Bubble?

Diese Denke des liberalen Feminismus verursacht mir Unbehagen. Warum sie so problematisch ist, lässt sich gut an Hand zweier Interviews, die die Kulturwissenschaftlerin Mithu Melanie Sanyal der Süddeutschen gegeben hat, zeigen.

http://www.sueddeutsche.de/leben/rape-culture-wir-entmuendigen-vergewaltigte-frauen-1.3183107

Das Interview, welches unter der Überschrift „Wir entmündigen vergewaltigte Frauen“ abgedruckt wurde, wird eingeleitet mit:

„Frauen sind Opfer, Männer Triebtäter: Wenn es um Vergewaltigungen geht, kommen überholte Geschlechterbilder hoch. Die Autorin Mithu Sanyal ergründet, warum.“

Man könnte jetzt denken: Diese „überholten“ Geschlechterbilder kommen deswegen hoch, wenn man an Vergewaltigungen denkt, weil sie die Realität sind. Man könnte denken, dass diese Geschlechterbilder, wenn es um Vergewaltigungen geht, vielleicht nicht überholt sind, was ja hieße: die Bezeichnung bzw. die Assoziation, die diese Bezeichnung hervorruft, hinkt der Realität hinterher. Sondern dass sie zutreffen. Kurzer Faktencheck zum Thema Vergewaltigungen: Fast jede 7. Frau in Deutschland wurde schon einmal vergewaltigt. Dunkelfeld nicht mit eingeschlossen, denn nur 15% dieser Frauen gehen zur Polizei. Überholte Geschlechterbilder? Wirklich?

Erläutert werden soll laut Fragestellung in diesem Interview, warum über Vergewaltigung so „emotional und undifferenziert“ gesprochen wird wie bei keinem anderen Verbrechen. Zudem soll die Frage: „Wie kann man Vergewaltigungen verhindern?“ geklärt werden.

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