Ein Gastbeitrag von Verena Brunschweiger, Autorin von „Fuck Porn!„
Unfassbarerweise werden in Deutschland Leute, die sich bewusst gegen die Reproduktion entscheiden, immer noch belächelt, kritisiert, angestänkert – und leider auch ganz konkret diskriminiert. Warum maßen sich selbstgerechte Personen das eigentlich an?!
Wahrscheinlich glauben sie immer noch an mindestens eins der folgenden Klischees.
1. Kinderfreie sind egoistisch.
Ganz im Gegenteil! Kinderfreie sind in der Regel sehr breit aufgestellt und engagieren sich in einer Vielzahl von Aktivitäten, die meist größeren Gruppen zugute kommen. Zum Beispiel im Tierschutz, im feministischen Bereich usw.
2. Kinderfreie sind im Alter einsam und allein.
Woher kommen dann die unzähligen einsamen alten Leute in den Heimen? Haben die alle keine Kinder?! Oder lassen sich die etwa nur so selten blicken?
Kinderfreie Leute investieren häufig in dauerhafte, intensive soziale Beziehungen, sodass sie sogar meistens ein dichteres Unterstützungsnetzwerk zur Verfügung haben, wenn sie ein solches brauchen.
3. Kinderfreie sind Spinner, die ihre Haustiere als Kinderersatz vergöttern.
Nö. Manche vielleicht, aber es gibt genug kinderfreie Menschen, die gar kein Haustier haben. Umgekehrt gibt es auch viele Eltern, die Tiere haben und diesen lustige Mäntelchen etc. anziehen…
4. Kinderfreie sind oberflächlich und wollen sich nicht die Figur/den lockeren Lebensstil etc. etc. ruinieren.
Wiederum – ein paar womöglich. Keinesfalls aber die überwältigende Mehrheit der Kinderfreien! Schließlich haben sich diese Leute fast immer sehr umfassend mit dem Thema auseinander gesetzt, um anschließend eine fundierte Entscheidung zu treffen. Sie hätten es sich ja auch einfach ganz leicht machen können, wie die Masse, dem obligatorischen Mütterclub beitreten, die soziale Norm erfüllen bzw. den angeblichen biologischen Imperativ…
Man muss nicht erst David Benatar bemühen, der auf die Hybris mancher Eltern verweist, die so begeistert von sich selbst sind, dass sie unbedingt eine Horde Mini-Mes produzieren müssen. Wenn man Kinder so toll findet, warum adoptiert man nicht eins der zahllosen armen Waisenkinder? Warum muss man sich selbst reproduzieren? In einer ohnehin überbevölkerten Welt?
Und überhaupt – sollen die feministischen Bemühungen, Frauen aus den engen Rollen zu befreien, umsonst gewesen sein?
5. Kinderfreie sind verantwortungsscheu.
Ganz und gar nicht! Der Umwelt wird nämlich keinesfalls geholfen, wenn man diesen überfüllten Planeten mit weiteren Leuten bevölkert, die allesamt Ressourcen vergeuden. Schon Schopenhauer beklagt, wie sehr jeder einzelne Mensch der Umwelt schadet. Man muss nicht unbedingt Anhänger des Voluntary Human Extinction Movements sein, um zu erkennen, dass ein Bevölkerungsrückgang – und zwar ein deutlicher – dem Planeten sehr gut täte. Die restliche Biosphäre könnte sich erholen, weitere Tierarten vorm Aussterben gerettet werden. Wieso müssen wegen des Menschen und seiner Ausbreitungswut immer mehr Pflanzen und Tiere ihren Platz räumen?!
Wer zeigt also echtes Verantwortungsbewusstsein? Und zwar langfristig und global, nicht nur bezogen auf ein oder zwei einzelne Wesen?
Zudem glaubt ja wohl hoffentlich keiner, dass Kinderfreie keine anderen Leute haben, für die sie Verantwortung übernehmen… Oft sogar für große Personengruppen (vgl. Punkt 1). Man muss die Menschen, um die man sich kümmert, aber nicht zwangsweise selbst zur Welt gebracht haben…
6. Kinderfreie mögen keine Kinder
In den meisten Fällen schlichtweg falsch. Kinderfreie arbeiten genauso in Berufen mit Kindern oder Jugendlichen, sie haben Freunde und Verwandte, die Eltern sind usw.
Aber sie sehen eben nicht nur das Wunder des Lebens, wenn sie ein Baby erblicken, sondern – und das ist ihr gutes Recht – einen Berg von Müll und eine unsichere Zukunft. Nicht alle wollen sich in einer Zeit, in der ein Trump Präsident ist, reproduzieren. In einer Zeit, die – nein, keine Sorge, es werden nicht alle momentan akuten Katastrophen hier aufgelistet.
Diesen Menschen muss mit mehr Toleranz begegnet werden, man muss ihren Mut und ihr Reflexionsniveau honorieren – und nicht sie in der Arbeit tunken, weil sie ja danach nicht pünktlich wegmüssen zur Krippe…
Manche der Kinderfreien haben 2015 vielleicht einfach in Demography geblättert und gelesen, dass der Effekt eines Neugeborenen schlimmer ist als eine Scheidung, Jobverlust oder gar der Tod des Partners! Oder sie hatten Zugang zu Leslie Ashborn-Nardos Studie, dass ein Kind negativen Einfluss auf Beziehungen hat und nehmen sich das Recht, das nicht erleben zu wollen – eine legitime Entscheidung, für die sich aber natürlich vor allem Frauen in Deutschland, wo das Mutterverdienstkreuz in den Köpfen allzu vieler leider noch allzu präsent ist, Tag für Tag rechtfertigen müssen.
„6. Kinderfreie mögen keine Kinder
In den meisten Fällen schlichtweg falsch.“
Das ist ein dummes Tabu. Wer Kinder nicht mag, sollte dazu stehen.
Schöne Überschrift. Ich las doch glatt: wider das schlechte Image der Kinderferien.
Und dachte, na, so schlecht ist das Image der Kinderferien doch nun auch nicht, obwohl es ja Leute gibt, die Eltern die Kinderferien, also die Ferien vom Kind, nicht so recht gönnen. Das Kind als Strafe quasi, und zwar lebenslänglich. Meist sind diese Leute selbst Eltern.
Aber wie ist das jetzt, sind Singles in Wirklichkeit eigentliche Beziehungsfreie? Oder Männerfreie, bzw. Frauenfreie? Ich finde, das Wort Kinderfreie führt in die Irre. Kein Mensch ist kinderfrei. Es sind immer irgendwelche Kinder da, die Bedürfnisse haben, unterrichtet werden, an der Kasse quengeln, ausgebildet werden … überall Kinder, die von uns was wollen, von denen wir was wollen … kinderfrei ist eine Illusion.
Und zum Thema, ‚Kinderfreie‘ seien zu egoistisch für Kinder – das ich nicht lache. Diese Menschen kümmern sich, und ja, auch gerne, um Kinder, mit denen sie noch nicht mal verwandt sind. Ich meine, ohne dass sie dafür bezahlt werden. Haben Sie schon einmal Eltern auf dem Spielplatz beobachtet? Da kann man lernen, was Egoismus ist …
Diese Vorurteile sind einfach lächerlich. Ich kenne viele Eltern, die Kinder nicht mögen,…..ausser die Eigenen natürlich. Die sind dann so quasi die „Ego-Verlängerung“ der Eltern und meistens „hochbegabt oder sonstige Wunderkinder“.
Dieses Loben der eigenen Kinder über den grünen Klee, ist irgendwie neu und mutet äusserst befremdlich an. Noch vor 2 Dekaden hätten sich Eltern geschämt ihre Kinder so in den Himmel zu loben für „normales“ Verhalten.
Irgendwie narzisstisch, das Ganze, im Gegensatz zu den angeblich egoistischen Kinderlosen.
Mir fehlt hier das Konzept des Gebärstreiks. Dass man sagt solange ich kein gutes Leben habe bzw. die Welt beschissen ist setze ich keine Kinder in die Welt. Weil Traumata, Armut, Hunger, Gewalt, unglücklich sein, etc, werden ja auf die Kinder übertragen. Und da sind diejenigen, die Kinder haben, verantwortungslos, auch im Hinblick auf die vielen bereits geborenen Kinder, die dringend Eltern bräuchten. Wobei ich das „Mutterglück“ für einen Mythos halte das die Tatsache verbrämt dass Kinder sehr oft einfach Statussymbole sind.
Ich bin schon lange der Meinung dass kinderlose Frauen überwiegend emotional sehr intelligent und unabhängige Individuen sind.
Mit Blick auf unsere Gesellschaft kann ich es durchaus nachvollziehen wenn man keine Kinder haben möchte.
Ausserdem kann man sich als Frau die Zeit auch anderweitig sehr gut vertreiben…
Achso : Ich bis selbst nicht kinderlos, ich kann das Konstrukt „Kinderlosigkeit“ jedoch sehr gut nachvollziehen, ich stelle mir die damit verbundene Freiheit und Ungebundenheit als sehr schön vor. 🙂