Im September berichteten wir erstmals über ein spannendes Projekt, das Wiki „Sexindustry kills“, welches alle Fälle zu Morden, Mordversuchen und Verbrechen an Prostituierten zusammenträgt. Es ist eine Galerie des Schreckens. Mord und Vergewaltigung gehören zu den “Berufsrisiken” der Prostitution.
Seitdem hat sich viel getan: Das Wiki wurde auf einen eigenen Server umgezogen und wurde um eine Kategorie erweitert: die Pornoindustrie. Bis dato sind bereits mehr als 400 Personen aufgelistet, die in diesem Geschäftszweig der Sexindustrie tätig waren und nach dem immer gleichen Muster in jungen Jahren starben: durch Selbstmord, Mord, Drogen, Alkohol, Unfälle, Krankheiten. Die Recherchearbeit ist noch lange nicht zuende, hier wird noch ständig ergänzt, viele Stunden wurden bereits investiert – und die Aufarbeitung wird auch noch eine ganze Weile dauern, wie es von den Initatorinnen heißt.
Viele solcher Listen existieren bereits im Netz, Sexindustry kills versucht jedoch den Betroffenen ein Gesicht zu geben und ihre Geschichten zu erzählen.
Zwei solcher Geschichten wollen wir hier exemplarisch zusammenfassen:
Annie Ample – Die Vergessene
Karen Ann Bell sorgte unter ihrem Künstlerinnennamen „Annie Ample“ in den 80er Jahren für Furore. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt seit den 70er Jahren durch Strippen. Erstmals weltweite Beachtung schenkte man ihr nach einem barbusigen Auftritt an der französischen Riviera anlässlich der Filmfestspiele in Cannes. Ihr Bild ging um die Welt. Sie nutzte diese Aufmerksamkeit um ihre Popularität zu vergrößern und ließ sich ihre (operierten) DD-Brüste öffentlichkeitswirksam für 1 Million Dollar gegen „Verlust und Diebstahl“ versichern. Dies kostete sie 20.000 Dollar Versicherungsprämie, aber die Publicity war weit mehr wert als das. Karen wurde ein Star: Für eine Woche Strippen an bekannten East Coast Clubs strich sie 5.000 Dollar pro Woche ein. Sie trat in einem halben Dutzend Mainstream-Filmen und Fernsehserien auf und gewann eine Handvoll Schönheitswettbewerbe. Sie war Covergirl für zahlreiche Nacktmagazine ihrer Zeit. Sie trat in Amateur-Comedy-Shows auf und tanzte Burlesque. Sie sang darüber hinaus in einer Rockband namens Nasty Habits und hatte einen Auftritt in Alice Coopers „Welcome to my nightmare“ – Video. Das Wirkungsfeld von „Annie Ample“ war breit gefächert – aber es hatte Grenzen: Sie war stolz darauf, nie in einem Pornofilm mitgewirkt zu haben, obwohl es entsprechende, sehr gut dotierte Angebote, gab. Sie ließ sich auch nicht von Larry Flynt (Hustler) vor dessen Werbungskarren spannen.
Annie Ample wurde bejubelt und von ihren Fans geliebt. Aber die wahre Karen Ann Bell lernte die Öffentlichkeit nicht kennen. Karen wusste eines nur zu gut:
Wenn du aus der Öffentlichkeit verschwindest, wenn auch nur für kurze Zeit, werden die Menschen dich vergessen und deine Berühmtheit wird erlöschen.
1992 zog sie sich aus der Sexindustrie zurück. Sie bezog einen Doppelwohnwagen weit genug vom Glitzer des Neonstrips entfernt, hatte kein Telefon und pflegte ausschließlich Kontakte zu engen Familienangehörigen. Sie heiratete zum fünften Mal, änderte ihren Namen, färbte ihre Haare in die Naturhaarfarbe zurück und ließ sich ihre Brustimplantate entfernen.
Dieser Rückzug hatte zum einen gesundheitliche Gründe: Ihre Brustimplantate liefen aus und sie erkrankte dadurch an der Krankheit Lupus (und später an Multiple Sklerose, was sie ebenfalls mit den Implantaten in Verbindung brachte). Aber das war nicht der einzige Grund: Sie war es schlicht müde „Annie Ample“ zu sein. Ihre Tochter sagt: „Meine Mutter begann die Person, die sie geschaffen hatte zu hassen“
Karen schrieb eine kritische Autobiographie über ihre Jahre als Stripperin unter dem Titel „Die nackten Tatsachen: Mein Leben als Stripperin“. In dieser berichtete sie von der Korruption in der Stripindustrie un den Strategien der Clubbesitzer Kontrolle über ihre Tänzerinnen zu erlangen: Entweder indem sie sie mit Kokain süchtig machten oder indem sie sie in die Prostitution drängten. Kurz: Karen schrieb darüber, wie man ihre Leben zerstörte.
Karen starb 2008 im Alter von 57 Jahren in einem Pflegeheim an ihrer MS-Erkrankung. Die Medien berichteten erst mehr als ein Jahr später über ihren Tod.
Bodil Jørgensen – „Die Königin des Tierporno“
Die Geschichte von Bodil gehört wohl zu den erschütternsten.
Bodil wuchs in einem streng christlichen Elternhaus auf. Der alkoholkranke Vater war stets abwesend, die Mutter emotional und physisch gewalttätig gegenüber ihrer Kinder. Gespräche der kleinen Bodil auf dem Nachhauseweg der Schule mit männlichen Schulkameraden führten zu einer Tracht Prügel zuhause. Als sie ihrer Mutter im Alter von 12 Jahren von einer Beinahe-Vergewaltigung auf dem Nachhauseweg erzählte, wurde sie dafür verantwortlich gemacht, als Schlampe beschimpft und verprügelt. Als ihr ein Mann von seiner Faszination von Tiersex erzählte, sperrte ihre Mutter sie nach einer massiven Tracht Prügel auf den Speicher, da sie als nicht würdig empfunden wurde, mit der Familie am Tisch zu essen. Trotzig und unter Schock sagte Bodil zu ihr:
Wenn ich groß bin, werde ich einen Eber ficken!
Nach der Trennung ihrer Eltern musste sie mit zahlreichen Orts- und Schulwechseln klarkommen und verließ die Schule schließlich nach der siebten Klasse. Sie liebte Tiere über alles, den Wunsch Tierärztin zu werden, konnte sie damit abschreiben.
Mit 15 lief sie von zu Hause weg, war zunächst wohnungslos, bis sie eine Arbeit auf einem Bauernhof fand. Sie machte gerne lange Spaziergänge und traf eines Tages auf einen verheirateten Holzfäller. Dieser hatte eine Flasche Schnaps bei sich, machte sie betrunken und verging sich an ihr.
Mit 17 Jahren eröffnete sie ihren eigenen Tierzuchtbetrieb. Bodil erhielt zahlreiche eindeutige, vulgäre Angebote per Post, die sie jedoch alle ablehnte. Da die Bauersfrauen jedoch extrem eifersüchtig auf die junge, gutaussehende Farmerin waren, verboten sie ihren Männern den Umgang, mit schweren finanziellen Folgen für Bodil. In diesem Alter drehte sie ihren ersten Fetischfilm, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.
Mit 25 hatte sie die Idee, ihren Betrieb mit zoophilen Pornofilmen zu retten, nahm Kontakt zu der Filmfirma Colar Climax Corporation auf, die damit binnen kürzester Zeit Millionen machte. Innerhalb weniger Monate hatte Bodil genug verdient, um ihre Farm zu retten. Zwischen 1969 und 1972 drehte sie etwa 40 solcher Filme. Durch eine Änderung in der dänischen Gesetzgebung waren diese legal. Einer ihrer Filme gewann den „Grand Prix“ beim Wet Dreams Filmfestival und machte sie über Nacht zum Underground-Star. Busse von Sextouristen besuchten sie auf ihrer Farm. Freunde sagen, sie „wurde von jedem, der eine Kamera hatte, ausgebeutet“. Die Filme verbreiteten sich rasch national wie international.
Ende der 80er Jahre lebte sie zusammen mit ihrem Ehemann Knud Andersen und der gemeinsamen Tochter im eigenen Zuhause. Um den Lebensunterhalt zu sichern empfing sie immer noch Sextouristen. Die Pornobranche hatte ihr als Frau Mitte 30 längst den Rücken zugekehrt – sie war nicht mehr interessant: zu alt.
Als ihre Schäferhündin Spot starb, brach Bodils Welt zusammen: Spot war ihre treue Begleiterin seit ihrem zehnten Lebensjahr. Sie bekam sie aus einer Tierklinik. Sie war eine kleine, schwache, geschlagene Hündin. Aber sie war ihre einzige Freundin und immer an ihrer Seite. Bodil und Spot waren unzertrennlich. Bodil bekam Depressionen, begann heftig zu trinken, rauchte um die 100 Zigaretten am Tag, nahm rund 30 Kilo zu und der Alltag mit seinen vielen Terminen hielt sie aufrecht. Sie performte Live-Show-Sex-Acts mit einem Hund in einem Club in Kopenhagen: 3 Shows an 7 Tagen der Woche.
Auch Bodils Mann war schwerer Alkoholiker. Durch ihre Sucht konnten die beiden sich nicht mehr um die Tiere kümmern. Die alarmierte Polizei und Veterinäramt fanden die Tiere 1981 in einem schrecklichen Zustand vor. Keines der Tiere konnte gerettet werden, alle mussten eingeschläfert werden. Bodil erhielt eine Gefängnisstrafe von 30 Tagen wegen Vernachlässigung und Tiermissbrauch.
Um für ihre Familie, ihren Mann und die gemeinsame Tochter, zu sorgen, stieg sie im Kopenhagener Rotlichtviertel in die Prostitution ein. Sie sagte:
In meiner Position ist es schwer irgendetwas abzulehnen, egal wie eklig es auch sein mag – für mich ist das Überleben im Prostitutionsgeschäft die Hölle.
Oft tauschte sie Sex gegen Alkohol um ihre Sucht zu befriedigen.
Irgendwann war ihre einzige Einnahmequelle ein Nachbar, der sie als Freier mit Essen und Alkohol bezahlte. Dieser erzählte später, sie sei zu dieser Zeit zu Geschlechtskontakten überhaupt nicht mehr fähig gewesen. Ab dann klopfte sie dann häufiger an seine Tür, um ihm für eine Flasche des billigsten Kirschlikörs einen „runterzuholen”. Am Ende ihres Lebens trank sie 1 ½ Flaschen Schnaps am Tag. Alle Freunde hatten sich von ihr abgewandt. Müde und traurig starb Bodil am 3. Januar 1985 an Leberzirrhose, im Alter von 40 Jahren.
Noch heute sehen viele in Bodil die Pionierin der sexuellen Freiheit und des sexuellen Ausdrucks, aber andere sind in der Lage die missbrauchte, naive Frau, die rücksichtslos von der Pornoindustrie ausgebeutet wurde, die sie repräsentierte, zu erkennen.
2006 wurde eine Dokumentation unter dem Titel „The Dark Side of Porn. The Real Animal Farm“ mit einem Blick hinter die Wahrheit des Films „Animal Farm“ veröffentlicht, der auf Youtube angesehen werden kann.
Die Geschichten von Karen und Bodil sind nur zwei von vielen. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet nicht nur, was die Sexindustrie mit der Gesellschaft insgesamt macht, sondern auch, wie sie mit jenen umgeht, die in ihr ausgebeutet werden. Was auf den ersten Blick wie Einzelschicksale aussieht, über die einige Menschen gewillt sind einfach hinwegzugehen, kann bei einer Gesamtbetrachtung nicht mehr als „individuell“ abgetan werden.
Sie hieß aber Bodil Joensen und war eine sehr warmherzige Frau!!!
Die Sexindustrie ist genauso negativ und positiv, wie jede andere Industriealisierung auch. ( Fleisch, Textilindustrie und Autobranche) Wenn ein Banker aus dem Fenster springt, weil die Zahlen nicht stimmen oder ein akademischer Arbeitsloser an einer Sucht erkrankt. Wie geht den dann die ausbeuterische Gesellschaft mit diesen Schicksalen um?
Als Feministin und Tierschutzaktivistin (für mich ist das zweite die logische Konzequenz des ersteren, da die Nutztierhaltung/Massentierhaltung zahlenmäßig mehr weibliche Tiere ausbeutet, – was das Schicksal der männlichen Tiere natürlich keineswegs besser macht! – quält und tötet und damit dieses System der brutalen patriachialen Struktrur entspricht) ist mir die sexuelle Gewalt an Tieren als weitere ausbeutungsform diese unschuldigen wehrlosen Lebewesen selbstredend bekannt. Und das hier Dänemark den reinsten Tourismus zum Tiere vergewaltigen anbietet, reiht sich einfach nur neben die regelmäßigen Schlachtfeste von Walen ein, auf denen sogar Kinder mitmorden. Und dies ist dann Kultur.
Wer als Feministin gegen Vergewaltigung als patriachalisches Machtinstrument gegen Frauen, Kinder und auch die eigenen Geschlechtsgenossen ist, der sollt imho auch Tiere als Opfer mit einbeziehen. Wir Kinder sind auch Tiere uns erwachsenen Menschen hilflos ausgeliefert. Da frage ich mich schon, ob sie auch Kinder feil geboten hätte, wenn es in Dänemark erlaubt wäre…
Was ich als Feministin noch mehr hasse als Männer, die die patriachale Gewalt gegen Wehrlose sexuell oder anderweitig ausleben, sind Frauen die das tun. Was diese Bodil gemacht kotzt mich noch im nachhinein an und ich entschuldige das nicht durch ihre gestörte Mutter oder die Gewalt, die ihr angetan wurde. Da könnte man ja auch Hannibal Lektor und CoKG entschuldigen. No way!