Kategorie: Mutterschaft

Wider das schlechte Image der Kinderfreien

istockfoto

Ein Gastbeitrag von Verena Brunschweiger, Autorin von „Fuck Porn!

Unfassbarerweise werden in Deutschland Leute, die sich bewusst gegen die Reproduktion entscheiden, immer noch belächelt, kritisiert, angestänkert – und leider auch ganz konkret diskriminiert. Warum maßen sich selbstgerechte Personen das eigentlich an?!

Wahrscheinlich glauben sie immer noch an mindestens eins der folgenden Klischees.

1. Kinderfreie sind egoistisch.

Ganz im Gegenteil! Kinderfreie sind in der Regel sehr breit aufgestellt und engagieren sich in einer Vielzahl von Aktivitäten, die meist größeren Gruppen zugute kommen. Zum Beispiel im Tierschutz, im feministischen Bereich usw.

2. Kinderfreie sind im Alter einsam und allein.

Woher kommen dann die unzähligen einsamen alten Leute in den Heimen? Haben die alle keine Kinder?! Oder lassen sich die etwa nur so selten blicken?

Kinderfreie Leute investieren häufig in dauerhafte, intensive soziale Beziehungen, sodass sie sogar meistens ein dichteres Unterstützungsnetzwerk zur Verfügung haben, wenn sie ein solches brauchen.

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Gena Corea: Die neuen Reproduktionstechnologien

Bei dem nachfolgenden Beitrag handelt es sich um eine Übersetzung von Passagen aus einer Rede mit dem Titel „The New Reproductive Technologies“ von vom 6. April 1987. Der gesamte Beitrag von Gena Corea auf Englisch ist hier zu finden.

Gewalt gegen Frauen war von Beginn an Teil der […] Gynäkologie in den Vereinigen Staaten. Damit ihr eine Ahnung bekommt, lasst mich euch von John M. Sims, dem „Vater der Gynäkologie“ erzählen.

1845 […] hatte Sims die Idee für eine neue Operation [zur Behandlung von Blasen-Scheiden-Fisteln]. […] Er machte einen Deal mit den Besitzern von schwarzen Frauen [Sklavinnen] um an ihnen herum zu experimentieren. Die Besitzer waren für die Bekleidung und die Steuern für die Frauen verantwortlich, Sims für deren Verpflegung und Unterkunft. Er hielt die Frauen in einem Gebäude hinter seinem Haus – einem Gebäude welches er „Krankenhaus“ nannte.

Er kam auf diese Weise in den Besitz mehrerer Frauen, die er in seinem „Krankenhaus“ für vier Jahre hielt, in denen er bis zu dreißig Operationen an jeder von ihnen durchführte, ohne jegliche Anästhesie. Anästhesie wurde zu dieser Zeit erstmalig von Dr. James Simpson in Schottland angewandt, amerikanischen Ärzten war sie noch unbekannt.

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Jammernde Väter

Ein Gastbeitrag von Birgit Gärtner
Dieser Beitrag erschien am 05. August 2010 zuerst auf heise.de und ist Teil einer Reihe unregelmäßig erscheinender Artikel zum Thema Sorgerecht/Väterrechte.  Am 03.08.2010 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass unverheiratete Väter in Zukunft auch gegen den Willen der Mutter das Sorgerecht erhalten können und machte damit den Weg frei zu einer entsprechenden Gesetzesänderung.

Die rechtliche Ohnmacht des Mannes im Allgemeinen und des (ledigen) Vaters im Besonderen widerspricht der Wirklichkeit. Einige Anmerkungen zum Sorgerechtsurteil des Bundesverfassungsgerichts

Justiz und Medien haben eine neue Spezies entdeckt: diskriminierte ledige Väter bzw., Angehörige dieser unterdrückten Minderheit haben sich wirkungsvoll in Szene gesetzt und dieser Tage vor Gericht einen Erfolg in Sachen Sorgerecht erstreiten können – die mediale Zustimmung ließ nicht lange auf sich warten. Auch Telepolis stimmte in das Klagelied der Diskriminierten mit ein (siehe Mehr Recht auf Vater für die unehelichen Kinder). Zeit, dem großen Jammern mal ein paar Fakten entgegenzusetzen.

Die rechtliche Ohnmacht des Mannes im Allgemeinen und des (ledigen) Vaters im Besonderen wäre mir ein völlig neues Phänomen. Familien sind keine virtuelle Erscheinung, diskutiert in Foren und Blogs, sondern eine ganz konkrete Erfahrung im realen Leben – und da findet Vater in aller Regel nicht statt. Was nicht heißt, dass es nicht auch Gegenbeispiele gibt. Aber Väter, die sich gleichteilig in die Kindeserziehung einbringen wie die Mütter sind und bleiben nun mal die Ausnahme. Und Mütter sind ganz garantiert die Letzten, die sie davon abhalten.

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„Mütter unerwünscht“ Christina Mundlos

Buchcover: Mütter unerwünscht

Mütter unerwünscht, Tectum Verlag

Mütter sind unerwünscht bei der Arbeit in Deutschland, genau das beweist Christina Mundlos in ihrem neuen Buch. Mobbing, Sexismus, und Diskriminierung am Arbeitsplatz gegenüber Müttern, und gegenüber Frauen, die noch jung genug sind um Kinder bekommen zu können, sind das alltägliche Geschäft in Deutschland.Die Strategien der Arbeitgeber, ob gezielt oder auf Vorurteilen basierend, sind vielfältig und nicht immer gleich erkennbar, aber sie alle haben das Ziel, Frauen aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. Nicht Frauen sind verantwortlich für die sehr niedrige weibliche Erwerbstätigkeitsquote in Deutschland, sondern die Ursache sind Mobbing und Diskriminierung.

Wie auch in ihrem Buch “Trauma unter der Geburt“ und „Regretting Motherhood“ arbeitet Christina Mundlos mit Erfahrungsberichten von betroffenen Frauen. 25 Frauen unterschiedlicher Berufe und Hintergründe schildern eindringlich, was ihnen gemeinsam ist, nämlich der Versuch von Arbeitgebern sie aus dem Beruf zu drängen. Individuelle Erfahrungen bezüglich Mobbing und Diskriminierung im Kontext von Schwangerschaft und der Rolle als Mutter bei der Arbeit kann als purer Zufall oder persönliche Schwächen abgetan werden, aber die überwältigende Anzahl der Berichte mit genau diesen Erfahrungen kann nicht mehr abgetan werden. Das Private wird sozusagen zum Politischen, denn wenn es so viele Frauen betrifft, dann kann es sich nur um ein strukturelles, gesellschaftliches Problem handeln.

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Bücher zum Thema Borderline Persönlichkeitsstörung bei Müttern

Ein Gastbeitrag von Juliane Beer

Innerhalb der letzten Jahre ist einiges rund um das gesellschaftliche Konstrukt Mutterschaft publiziert worden, beispielsweise zum Thema Bedauern der Mutterschaft, gewollte Kinderlosigkeit, Mutter-Tochter-Verhältnis usw.

Ein Thema kommt jedoch nach wie vor zu kurz, sowohl im Mainstream als auch in der feministischen Diskussion: psychisch kranke Mütter, die schwere Gewalt gegen ihre Kinder ausüben.

Woran liegt das?

Nach wie vor ist das Mutterbild unserer Gesellschaft vom Patriarchat konzipiert. Die ideale, die heilige Mutter ist die Frau, die Mutterschaft anstrebt und in der Pflege, Sorge und Erziehung ihrer Kinder aufgeht und diese liebt.

Die Erwartungen sind hoch. Berufstätigkeit oder Verzicht auf Mutterschaft muss vom Patriarchat zugestanden oder zumindest als Möglichkeit erwogen werden, sonst taucht eine Diskussion darüber erst gar nicht in den sogenannten meinungsbildenden Medien auf, bzw. wird, wie letztes Jahr geschehen beim Thema regretting motherhood (ausgelöst wurde die Diskussion durch die 2015 veröffentlichten Studie der israelischen Soziologin Orna Donath über Frauen, die es bereuen, Mutter geworden zu sei) als ´Rumgeheule narzisstischer Frauen, die sich beim Ichsein gestört fühlen ´ abgebügelt. Weiterlesen

Hysterektomie und Sterilisation – männliche Macht in der Gynäkologie

High-end operating room

By Keeve (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Die Unerfreulichkeit und auch Gewalt einer Geburt durch Dammschnitt oder Kaiserschnitt setzt sich ebenso bei anderen gynäkologischen Eingriffen und Interventionen fort. Das Patriarchat und somit männliche Medizin zeigt überall seine hässliche Fratze.

In Deutschland werden pro Jahr um die 150.000 Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien) durchgeführt. Dies ist unverändert die häufigste Operation in der Gynäkologie. In den USA hat sogar mehr als ein Drittel aller Frauen über 60 bereits diesen Eingriff hinter sich. Es ist bekannt, dass Hysterektomien unnötig sind und nur ca. 6 Prozent erforderlich sind. Alternative Behandlungsmethoden zum Beispiel bei Myomen sind aber langwieriger. Wieso aber, wenn bekannt ist, dass Hysterektomien viel zu häufig durchgeführt werden, verändern sich die Zahlen der Eingriffe nicht? Natürlich hat es etwas mit männlich dominierter Medizin zu tun. Frauen, denen angeraten wird, eine Hysterektomie durchführen zu lassen, sind in der Regel älter und somit uninteressant in Bezug auf ihre Sexualität. Die Gebärmutter erfüllt in der Medizin des Patriarchats und der kapitalistischen Verwertbarkeit keine Funktion mehr, also einfach rausschneiden, anstatt mühselig an einer Behandlung herumzulaborieren.

Früher meine ich übrigens gelesen zu haben, dass Frauen nach Hysterektomien zugenäht wurden, da sie sowieso älter seien und keinen Sex mehr hätten oder haben sollten. Leider finde ich hierzu jetzt keine Quelle mehr, aber es erscheint mir glaubwürdig. Wir alle kennen wahrscheinlich den Witz, in dem der Arzt nach einem Dammschnitt die Frage stellt, ob er es nicht für den Ehemann etwas enger nähen sollte. Zugenäht wird heute nach einer Hysterektomie zwar nicht mehr, aber allein, dass dieser Eingriff so häufig noch stattfindet, zeigt die Verachtung der Weiblichkeit.

Frauenverachtung in der Gynäkologie ist insgesamt kein Wunder, wenn wir bedenken, dass Forschungen und chirurgische Experimente an versklavten Frauen durchgeführt wurden und somit die moderne Gynäkologie entstand. Dr. Marion Sims führte in der Mitte des 19. Jahrhunderts chirurgische Operationen an Sklavinnen durch, ohne Anästhesie. Er versuchte vesico-vaginale Fistula zu behandeln, der Verlust von Urin und Stuhlgang als Folge schwerer Geburten. Erst nachdem er seine Experimente erfolgreich abgeschlossen hatte, setzte er seine Techniken bei weißen Frauen ein.

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Gewalt in der Gynäkologie: Geburt und Dammschnitt

Schema Hysterektomie

By Hic et nunc (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Gewalt in der Gynäkologie war in den 70er-Jahren ein sehr großes feministisches Thema, allerdings wurde durch den Neoliberalismus das Thema langsam, aber zuverlässig beerdigt. Vor kurzem hat endlich eine Frau in den Vereinigten Staaten wegen einer Episiotomie gegen ihren Willen ihren Arzt anzeigen wollen. Hoffentlich setzt sich das durch, denn immerhin konnte sie Widerstand leisten gegen diese Verstümmelung.

Die Gewalt, die in der Gynäkologie ausgeübt wird, umfasst Gewalt durch gynäkologische Eingriffe und Untersuchungen. Frauen haben gelernt, mehr oder weniger, diese Gewalt zu akzeptieren oder diese Gewalt nicht mal als Gewalt wahrzunehmen. Gerade für traumatisierte Frauen ist diese Form der Gewalt ein nochmals sensibleres Thema, aber es betrifft alle Frauen, denn im Patriarchat ist die Medizin von Männern geprägt und bestimmt. Die Gynäkologie ist keine Ausnahme, auch wenn immer mehr Frauen Medizin und Frauenheilkunde studieren. Das Wissen, die Ethik und die Wissensvermittlung sind unverändert männlich dominiert.
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Matrifokalität – die Idee, die Muttersippe wieder aufleben zu lassen

Frauenstatuetten aus Hacilar, Südost-Anatolien, Türkei

By Photo: Andreas Praefcke (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Vor einigen Monaten fand ich im Netz die Testpedition Gesetzliche Einführung eines alternativen Familienmodells.

Leider fand die Petition bislang nur wenig Unterstützung, was ich auf ein fehlendes Bewusstsein für die Bedeutung des Gedankens hinter dieser Petition zurückführe. Da ich mich bereits seit vielen Jahren mit diesem Thema befasse, nehme ich das zum Anlass dazu meine Gedanken niederzuschreiben und so zum Verständnis von Matrifokalität und der Idee des Matriclans beizutragen.

Familie im Patriarchat

Im Gegensatz zu herkömmlichen Meinungen gibt es imho keine alternativen Familienmodelle, sondern nur verschiedene Spielarten des Klassikers „Familie“. Die Grundlage der Familie ist immer das Paar auf der Grundlage von Sexualität und (romantischer) Liebe und, heute mehr denn je, unter Ausschluss der Herkunftsangehörigen – sprich unseren Blutsverwandten. Zwischen der Intention einer Familie und der wie neu daher kommenden Idee eines sogenannten Matriclan, der auf der konsanguinen* – der natürlichen Müttergemeinschaft fußt, liegen daher Welten.

Erinnern wir uns daran, was die „Familie“ einst eigentlich war – der Herrschaftsbereich eines privilegierten Mannes. Mag sich auch in unserer derzeitigen Kultur inzwischen diese Bedeutung verwischt haben und der modern daher kommende Trend hin zum partnerschaftlichen Paar gehen, es bleibt doch ein bestimmter Effekt bestehend: zwei Fremde verbinden sich per Bereitschaftserklärung zu einem Paar mit der Absicht in allen Bereichen ein gemeinsames Leben führen zu wollen. Das muss heutzutage nicht mehr unbedingt in einer bindenden Eheschließung enden, denn die unverbindlich-verbindliche Beziehung ist schon länger gesellschaftsfähig geworden. Manche probieren dabei ihr ganzes Leben lang aus, ob der Andere der „Richtige“ ist. Die meisten der Paare leben dann in einer seriellen Monogamie und betreiben dabei nebenbei eine Kleinfamilie. Unsere Gesellschaft ist heute außerdem zunehmend von der Familienspielart „Patchworkfamilie“ durchsetzt, in der die Kinder bereits die, von ihnen zukünftig erwartete, Flexibilität üben können, die das Wirtschaftsleben ausmacht.

Der Geist der Institution Familie besteht nach wie vor darin, den Mann als den Herr des Hauses vorauszusetzen, selbst wenn er nicht anwesend ist. Wenn beispielsweise drei erwachsene und mit einander verwandte Frauen eine Lebensgemeinschaft bilden, gelten sie trotzdem vor dem Gesetz als jeweils alleinstehend.

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