Ich find‘ das alles scheiße

Violence against women, we can stop it!

"Violence against women, we can stop it!" by European Parlament via Flickr, [CC BY-NC-ND 2.0]

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.
Inhaltshinweis: In diesem Artikel werden körperliche, sexuelle, psychische Gewalt oder auch Folter beschrieben.

Ein Beitrag von Anna W.

Ich finde das alles scheiße! Ich find das richtig scheiße! Jetzt, nach dem ich erst mal geheult habe und mich völlig beschämt und eingeschüchtert und verängstigt und was nicht alles gefühlt habe. Zum Glück kommt jetzt die Wut, sie fühlt sich nämlich viel besser an als die Scham und die Angst.

Aber von Anfang an. Ich wurde grade im Bus auf übelste Art und Weise beleidigt und bedroht.

Zwei Männer kommen in das obere Busstockwerk. Ich sitze dort fast alleine relativ weit vorne. Sie unterhalten sich. Einer von beiden setzte sich erst neben mich, der andere schräg vor mich, zwei Reihen weiter. Und in diesem Moment hab ich mich schon unwohl gefühlt. Ich habe mich gefragt, warum er sich neben mich setzt, wenn sie sich doch unterhalten wollen und überall Platz ist. Aber ich habe es ignoriert. Habe ihn ignoriert und mich sogar noch kurz schlecht gefühlt dafür, dass ich gleich negativ über einen fremden Mann denke. Er dreht sich immer zu mir, aber ich schaue nicht auf, ich lese. Er redet mit seinem Kumpel, steht dann auf und setzt sich zu ihm.

Und dann fing es an. Ich will ehrlich gesagt gar nicht im Einzelnen schreiben, was genau gesagt wurde. Es fing „harmlos“ an mit „guck mal die hässliche…Die Haare…Gesicht…Sollte sich nicht raus trauen“. Ist scheiße, fühlt sich auch nicht gut an, aber irgendwie hält man es erst mal kurz aus. Aber dann folgten Wörter wie: „Hässliche Fotze… kann man auch nichts anderes mit machen als ficken. Haha ,den ganzen Tag. Musst du mit der Faust, oder ‘nem riesen Dildo…Die muss man vergewaltigen…“.Ich tue so, als würde ich es nicht hören. Jetzt fängt er an, auf mich zu zeigen. „Ja ich meine dich.“ Sie unterhalten sich mal auf Deutsch mal auf einer anderen Sprache, die ich nicht verstehe. Es geht weiter um Schlampen und Nutten und ficken und vergewaltigen. Sie beschreiben, wie sie mich vergewaltigen würden. Ich will es gar nicht so genau wissen und erst recht nicht wiederholen. Er fängt an, mich mit Papierschnipseln zu bewerfen und zeigt immer wieder zu mir. Mir wird heiß, in meinen Ohren rauscht es und ich habe das Gefühl, dass ich gar nichts mehr machen kann. Ich denke nur, dass es nur noch ein paar Stationen sind. Einfach aufzustehen und zu gehen fällt mir gar nicht ein. Ich habe Pfefferspray in der Tasche und auch einen Schrill-Alarm. Aber ich denke, nein, wegen Pfefferspray werde dann noch ICH wegen Körperverletzung angezeigt und es ist wohl auch unverhältnismäßig. Ich muss eh an der nächsten Haltestelle aussteigen. Ich stehe auf, gehe die Treppe nach unten.

Mit Tränen in den Augen sage ich dem Busfahrer, dass die zwei Männer da oben „schlimme Sachen“ sagen, wiederhole ein paar Worte. Er fragt, was er da machen soll. Ich sage ich weiß nicht, ich wollte nur, dass sie das wissen. Er fragt, ob er die Polizei rufen soll. Ich sage: „Nein, was sollen die denn machen? Die Männer haben ja nichts verbrochen, oder?“ Wenn ich nicht die Polizei rufen will, kann er nichts machen. Ich kann vorne bei ihm stehen bleiben, sagt er. Ich sage, dass ich eh jetzt gleich aussteigen muss. Eine Frau kommt von oben runter und stellt sich zu mir. „Sagen Sie Bescheid, wegen der Männer da oben?“
„Ja“, sage ich. „Gut.“ sagt sie, „die sind abartig. Weinen sie deswegen?“
Ich sage: „Ja.“ „Müssen Sie nicht. Die sind widerlich“ (oder dumm).
Ich weiß nicht mehr genau was sie gesagt hat. Ich hätte Sie am liebsten umarmt. Ich gehe raus, schaue mich um, ob mir jemand folgt. Ich hole mein Handy raus und rufe meinen Freund an und breche endgültig in Tränen aus. Ich sage er soll bitte runter zur Tür kommen ich bin gleich da. Wenn ich so weine, fragt er gar nicht warum, er macht einfach. Ich laufe schnell, sehe ihn schon, warte aber noch an der Ampel. Ich falle ihm in den Arm und weine lauter. Er fragt erst mal nicht, danke. Ich erzähle ansatzweise in Stichworten was passiert ist. Er sagt auch sofort was von Polizei aber ich will das alles nicht und ein Arschloch zu sein ist nun mal keine Straftat.

Ich heule einige Zeit. Telefoniere mit meiner Mutter. Schreibe. Und rege mich auf, dass ich mir gleich anhören muss: du musst das machen und jenes darfst du nicht machen. Ich muss was machen? Wie wäre es wenn diese scheiß Arschlöcher etwas NICHT machen? Und zwar scheiße sein! Ich muss aufpassen, nicht so spät mit dem Bus fahren (ich kam von der Uni!). Natürlich denke ich: Wäre ich mal direkt nach dem Tutorium nach Hause gefahren und nicht auf diesen Vortrag gegangen, dann hätte ich in einem anderen Bus gesessen, hätte gar nicht… HALT! So nicht! Was soll der Scheiß? Was soll ich denn dagegen machen, dass andere scheiße sind? Bin ich dick, bin ich die fette Schlampe. Bin ich dünn, bin ich halt die dünne Schlampe. Bin ich hübsch bin ich die hübsche Schlampe und bin ich hässlich, bin ich halt die hässliche Schlampe. Fotze. Nutte. Sucht euch was aus.

Ich weiß auch, dass ich natürlich vorsichtig sein muss. Ich gehe selten abends alleine weg. Und wenn doch, holt mein Freund mich von der U-Bahn ab. Oder wir gehen halt zusammen. Ich habe immer Pfefferspray dabei, musste es noch nie benutzen…Nein falsch. Habe es noch nie benutzt. Es gab Situationen, da wäre es wohl gerechtfertigt gewesen (wenn auch verboten, aber sein wir mal ehrlich…). Das heißt aber noch lange nicht, dass ich das gut und natürlich und irgendwie normal finde. Ich bin ein Mensch wie jeder andere und ich will mich verdammt nochmal sicher fühlen dürfen. Auch alleine. Auch nachts. Auch mit fremden Männern. Einfach so, wenn man lebt. Ich bin so wütend darüber, dass ich Angst habe. Also nicht auf mich, sondern auf Menschen, vor denen ich Angst haben muss. Und ich sage es jetzt, es ist mir scheißegal ob das jetzt sexistisch klingt. Wütend auf Männer. Auf scheiß Männer. Nein, nicht auf dich, der du diesen Text liest und denkt „aber ich hab doch gar nichts gemacht“. Und auch nicht auf dich, der du das liest und denkst „aber nicht alle Männer, ich hab doch nicht…“. Nein. Hast du nicht. Deshalb brauchst du dich auch nicht angesprochen fühlen. Aber ich werde jetzt nicht sagen, danke, dass du nicht so einer bist, denn das ist ekelig. Es sollte selbstverständlich sein und alles andere eine arme, kümmerliche, abartige Ausnahme.
Es hilft mir auch nicht wirklich jetzt zu sagen, dass diese Typen eben dumm sind und ein kleines Ego haben und deswegen Frauen Angst machen, weil sie sich sonst nur klein und schwach fühlen. Das kann ja alles sein, ist mir aber egal.

Ich habe übrigens grad in den Spiegel geguckt. Sooo hässlich bin ich jetzt auch wieder nicht. Und selbst wenn. Ich weiß, darum geht es nicht. Darum ging es auch den Typen nicht.

Mein ursprünglicher Text war jetzt eigentlich zu Ende. Aber jetzt habe ich eine Nacht darüber geschlafen, bin am nächsten Morgen aufgewacht und denke leider immer noch darüber nach. Ich denke an die Worte, die mich so verletzt haben und die Angst die ich gefühlt habe. Und Scham. Warum schäme ich mich? Woher kommt dieses Gefühl? Wofür denn überhaupt? Ich habe gestern mit meinem Freund darüber geredet, und versucht ihm etwas zu erklären. Wenn ich einfach so mal beleidigt werde, als Mensch, dann ist das zwar nicht nett aber es fühlt sich anders an. Wenn man mal angegangen wird weil man ein scheiß Student ist, oder eine blöde Praktikantin, die eh nichts kann. Oder weil man im Supermarkt zu langsam läuft. Dann bin ich zwar immer erst ein wenig beleidigt, aber das verfliegt schnell. In diesem Fall wurde ich aber Opfer weil ich eine Frau bin. Gezielt mit Äußerungen, die Frauen Angst machen sollen und auch Angst machen. Und plötzlich schäme ich mich, weil ich eine Frau bin? Dafür, dass ich nur wegen meines Geschlechts angegriffen wurde und mich deswegen schuldig fühle. Obwohl ich ja noch nicht mal etwas dafür kann dass ich eine Frau bin. In einer Therapie habe ich mal gelernt, alle Gefühle und Gedanken zuzulassen und auszusprechen. Auch wenn sie nicht logisch sind oder irrational oder politisch nicht korrekt. Das klappt mal mehr und mal weniger. Dieses Gefühl der Scham ist mir unangenehm und es ist auch unangenehm es zu benennen. Aber ich glaube, das muss sein.

Ein Teil von mir fühlt sich schuldig und sucht nach etwas, dass ich hätte anders machen müssen oder sollen und dann wäre das alles nicht passiert Ich wüsste aber nicht, was ich hätte anders machen sollen. Außer aufstehen und gehen. Aber trotzdem, auch wenn ich „besser“ bzw. anders hätte handeln können, dass ändert nichts daran, dass die beiden schuld sind und sich falsch und abartig verhalten haben und NICHT ich. Das weiß ich, es fühlt sich nur (noch) nicht so an. Ich denke an all die ähnlichen Situationen und Grenzüberschreitungen, die ich bereits erlebt habe. Und ich denke an all die anderen Frauen, die ich kenne oder von denen ich gelesen und gehört habe, die sowas und schlimmeres erlebt haben. Und es erleben. Jeden Tag. Und ich denke an junge Mädchen, Kinder, die es erleben werden. Und ich werde wieder wütend. Ich will nicht in so einer Welt leben und ich will auch nicht, dass meine zukünftigen Kinder in so einer Welt leben müssen. Und der Teil in mir, der irgendwie politisch korrekt sein will und keine Vorurteile toleriert verurteilt den anderen Teil. Der denkt nämlich, warum sind alle Männer so scheiße!?! Ich meine, ich weiß ja, dass es nicht alle sind. Einer sitzt grad neben mir und ein andrer zwei Zimmer weiter. Aber ich habe trotzdem den Eindruck, dass es sehr viele sind.

Was soll man da noch sagen? Ich hatte heute Angst, mit dem Bus zu fahren. Mein Freund hat mich zur Bushaltestelle gebracht. Ich musste die ganze Fahrt mit den Tränen kämpfen und bin auf dem Rückweg von der Uni dann anders gefahren. Es wird jetzt besser und bald wird es wieder die „normale“ Angst sein, die viele Frauen habe, wenn sie alleine unterwegs sind. Aber das ist eigentlich nicht okay. Nein, es ist scheiße! Ganz uneigentlich.

14 Kommentare

  1. Liebe Anna, ich danke dir für deinen tollen Bericht. Ich kann die Angst, die Wut und den Scham zwischen den Zeilen selbst förmlich spüren. Und stelle fest, diese Scham kenne ich, ohne dass sie mir jemals so bewusst geworden ist. Da habe ich jetzt auch für mich etwas zum drüber nachdenken. Und ich bin bei dir, es ist scheiße! Es ist scheiße, dass solche Typen nicht bestraft werden. Was haben sie denn getan? Sie haben ja nur eine Frau beleidigt, entwürdigt, verängstigt und niedergemacht (Ironiemodus wieder aus). Es ist scheiße, dass die eigene Ohnmacht und Hilflosigkeit in solchen Situationen einem auch noch zusätzlich den letzten Schneid abkauft und frau sich dann noch kleiner fühlt. Es ist scheiße, dass du in den Spiegel gucken musst, um nachzuprüfen, dass du gar nicht hässlich bist. Hässlich sind nur die Seelen dieser übergriffigen Arschlöcher. Ich umärmel dich jetzt mal virtuell und hoffe, dass du diesen Vorfall bald loslassen kannst und dass es keine anderen Buslinien braucht, damit du dich wieder sicherer auf deinem Weg fühlst. Schön, dass es dich gibt!

  2. Anonymous

    Sei selbstbewusst schaue deinem Gegenueber immer direkt in die Augen mache dich gross, habe einen Schlagstock dabei und ueberlege nicht ob du ihn einsethen sollst

  3. Weltweit wird gerade „Jagd“ auf das letzte verbleibende „Gute“ gemacht!!!! Auf die Weiblichkeit und die weibliche Liebesfähigkeit. (Sie versuchen die weiblichen Gefühle und das weibliche Sein auszulöschen) Ohne diese, ist die Welt endgültig und viel schneller „abgewrackt“. Das Ganze ist ja nicht neu!
    Wir wissen alle, dass dies auch die herkömmlichen monotheistischen Religionen versucht haben.
    Und jetzt halt eben auf diesem Weg.

    Arme Dummheit!

    Mary Daly lesen!

  4. „Er sagt auch sofort was von Polizei aber ich will das alles nicht und ein Arschloch zu sein ist nun mal keine Straftat.“ Hallo????????? Schon mal was von Anzeige wegen Beleidigung gehört? Das, was die Typen von sich gegeben haben, ist sehr wohl eine Straftat! Und wenn jemand mich als Fotze bezeichnet und mit Vergewaltigung bedroht, dann kriegt der sowas von Pfeffer in die Fresse, das ist mir dann auch total egal ob ich eine Anzeige bekomme. Dann zahl ich halt die Strafe oder sitze das ab, aber ich bin mit mir selber im Reinen und Gerechtigkeit ist nun mal nicht gleich deutsches Recht. Aber ich Zweifelsfall bin ich nach vielen ähnlichen Erfahrungen bereit und willens, mir die Gerechtigkeit selber herzustellen und mich zu wehren, wenn der Staat mich nicht schützt!

  5. Oh mein Gott, wie schrecklich das ist, was du da erlebt hast. Es ist ein Albtraum.

    „Ich denke an die Worte, die mich so verletzt haben und die Angst die ich gefühlt habe. Und Scham. Warum schäme ich mich? Woher kommt dieses Gefühl? Wofür denn überhaupt? Ich habe gestern mit meinem Freund darüber geredet, und versucht ihm etwas zu erklären. Wenn ich einfach so mal beleidigt werde, als Mensch, dann ist das zwar nicht nett aber es fühlt sich anders an.“

    Ich denke auch oft darüber nach, warum mich die Nachrichten aus der Welt der Gewalt gegen Frauen immer wieder derart mitnehmen und warum es mich so mitnimmt, wenn ich dem selbst irgendwie nahe komme.

    Es ist ein Trauma. Ein altes Trauma. Ein kollektives Trauma, das uns alle betrifft. Wir reagieren besonders auf diese Traumareize und fürchten uns unser ganzes Leben vor „dem Moment“, vor einer Vergewaltigung oder vor den menschenverachtenden verbalen Attacken und Vergewaltigungen.

    Dein Gehirn hat diese Angstszenen durchgespielt, die dir diese kleinen W***** verbal aufgemalt haben. Du hast quasi gedanklich eine Vergewaltigung erlebt, weil sie dir verbal durch dieses Horror-Szenario ihres offenen gender-faschistischen Hasses eine aufgemalt haben.

    Und, ja, sie haben sich strafbar gemacht. Aber… ich würde es nicht so vorwurfsvoll (vielleicht auch einfach nur entsetzt) formulieren, wie mein/e Vorkommentator*in: Es ist normal, da nicht gleich zu schalen und es ist auch normal da Angst zu haben, vielleicht auch Angst die Polizei zu rufen. Das ist nichts, wofür frau sich schämen müsste.

    Und, die Scham: Nun, Scham ist ein soziales Gefühl. Anders als Schuld. Scham dient der Verhaltensregulierung innerhalb einer Gemeinschaft, um für sozial angepasstes Verhalten und die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft zu sorgen. Es ist ein sehr altes und starkes Gefühl, weil evolutionär gesehen der Ausschluss (besonders der aggressive Ausschluss) aus der Gemeinschaft, in uralten Zeiten den sicheren Tod eines Menschen bedeutete. Deshalb ist Mobbing und Diskriminierung ja auch eine Art „Seelenmord“. Dieses Gefühl der Scham kann ausgelöst werden, wenn jemand etws tut, was die Gemeinschaft nicht gut findet und das signalisiert, kann aber auch völlig ohne eigenes Zutun ausgelöst werden, indem die Gemeinschaft abwertende und beschämende Äußerungen und Handlungen gegenüber einer Person initiiiert. Die Person schämt sich, ohne irgendetwas dafür zu können (bei Mobbing und Diskriminerung alltäglich).

    Zugleich ist eine alte Scham in uns: Unsere Mütter und Großmütter wurden in dem geheimen Hintergrundgedanken innerhalb einer Gesellschaft erzogen, die suggerierte: Frauen sind weniger Wert als Männer. Frauen sind schmutzig. Frauen dürfen „benutzt“ werden. Frauen „lassen“ sich benutzen. Etc.

    Die allgemeine Abwertung der Frau löste kollektive Scham bei Frauen aus. Sie taten alles, um sich so zu verhalten, damit sie nicht als „Flittchen“, oder Sexualobjekt verurteilt wurden.

    Dieses jahrtausendelange Verhalten gegenüber Frauen war nichts als kollektives Mobbing. Dauerhaft, brutal, mitgefühllos.

    Der Grund ist eigentlich ganz simplel: Männer sind unfassbar abhängig von Frauen. Ihr ganzer Wert wird dadurch bestimmt, wie gut sie bei Frauen ankommen. Ihre Chancen ihre Gene weiterzugeben, hängt vom Wohl und Wehe der Wahl einer oder mehrerer Frauen ab. Sie brauen, lieben und identifizieren sich mit ihrer Mutter, nur um beim Erwachsenwerden zu merken, dass sie sich gegen das Weibliche abgrenzen müssen, um ihre gesellschaftliche Rolle und Identität zu finden. Sie haben keine eigene: Sie sind alles, was nicht „weiblich“ ist. Wir haben eine Gebährmutter, die Natur ähnelt uns, wir können das Wunder des Lebens in uns erzeugen. Wir haben komplizierte Eigenschaften und Möglichkeiten Gedanken und Gefühle zu vernetzen und die Jungs sind einfach nur verwirrt, wer sie sind, warum sie all das nicht können und wie sie das kompensieren können, um überhaupt was zu gelten. Sie fragen sich sonst zurecht: Wozu braucht man uns? Sie bauen riesige Phallussymbole in irgendwelche Städte, etc.

    Je patriarchaler nun eine Erziehung ist, desto mehr muss der Mann „groß“ sein, „großes“ vollbringen, „wichtig“ sein und „gelten“. Und desto stärker das Risiko, dass sich vor einem frustrierten Menschen mit großen Selbstzweifeln, ein riesengroßes äußeres Ego aufbaut, damit ja niemand entdeckt, wie wenig Chancen dieser Einzelne vielleicht in einer bestimmten Umgebung hat, seine oft auch besonderen patriarchalen Größenansprüche zu verwirklichen. Das Endergebnis ist Narzissmus in seiner übelsten Ausprägung: Mitgefühllose und drastische Abwertung, Beherrschung und Machtimpulse gegenüber andereren zur Erhöhung des eigenen, winzigen kleinen Selbstwertgefühls.

    Diese Männer, die dir das angetan haben, waren eventuell kulturell überformt mit einem besonders hohen patriarchalen Geltungsanpruch in dieser Welt ausgestattet. Sie waren besonders mitgefühllos und narzistisch dir gegenüber. Sie waren mit Sicherheit nicht im Reinen mit sich selbst oder im Frieden mit ihrer Umwelt und es ist NICHT ihre Umwelt, die dafür die Verantwortung trägt, sondern sie selbst.

    Sie haben nicht die geringste Ahnung, was sie Frauen damit antun. Sie wissen nicht, dass sie ein kollektives, uraltes Trauma wachrufen, das sich nicht so einfach abstreifen lässt, wie andere Beleidigungen, denn durch die Aufzeichnung einer Vergewaltigung vor deinem geistigen Auge, haben sie das aufgezeichnet, was Frauen seit jeher brechen soll. Was ihnen seit jeher auf grausamste Weise ihre Würde und ihre Selbstachtung verletzen soll. Was sie seit jeher klein machen und unter Kontrolle bringen soll.

    Denn, für solche Männer, sind Frauen häufig das _einzige_, was in ihren Augen noch unter ihnen steht.

    Ich finde deinen Hass und deine Wut mehr als verständlich und durch das kollektive Trauma, wird auch verständlich, warum du es auf Männer allgemein überträgst. Wir leben noch mitten in diesem Albtraum. Wir werden noch immer überall vergewaltigt und weltweit aufs Schändlichste gedemütigt. Es ist noch nicht vorbei. Umso verständlicher, wenn ein solch extrem verabschleuungswüdiges Verhalten von Männern (die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdienen), dich derart mitnimmt.

    Nimm das ernst: Sie haben dich traumatisiert. Du hattest unbewusst oder halbbewusst Angst, dass dir das passiert, was sie da recht offen als Drohung ausgesprochen haben, auch wenn sie es nicht direkt gemacht haben. Es war klar, dass sie dir damit Angst machen wollten und dich damit abwerten und beschämen wollten. Es war klar, dass sie sich damit ein Machtgefühl holen wollten, wenn sie dich damit verletzen.

    Vielleicht hat ihr Verhalten auch an alten Erfahrungen engedockt, was auch immer: Nimm es ruhig ernst. Such dir Möglichkeiten es zu bearbeiten und drüber zu sprechen und ja, sie haben sich strafbar gemacht, indem sie dich ansprachen und sagten: Ja, du bist gemeint und dann und davor von „hässlich“ und, dass solche Frauen zu nix als zum Vergewaltigen gut seien, etc. gesprochen haben. Sie haben ihren gesamten Hass auf dich abgelassen und dich damit bedroht. Das ist mehr als „nur“ eine Beleidigung. Das war auch vor dem Gesetz nicht erlaubt, was sie da getan haben.

    Sie haben soziale Regeln mit Füßen getreten. Sie haben darauf gespuckt. All die Scham, die sie spüren sollten, ist trotzdem irgendwie bei dir gelandet, weil ein uralter Albtraum jeder Frau damit wachgerufen wurde.

    Es tut mir wahnsinnig leid, was dir passiert ist. Es war furchtbares Unrecht. Eigentlich solltest du jetzt einen Ort bekommen, wo man dich eine Weile lang nur noch umsorgt und dir alle Wünsche von den Augen abliest, damit du spürst: Es war unrecht. Du bist zurecht seelisch verletzt und das wäre wie so eine Art seelisches „Heilen“, wo deine Wunden gepflegt werden und du merkst: Das hattest du nicht verdient. Ich weiß, du weißt das, aber irgendein Teil deiner Seele hat es „geschluckt“. Der müsste jetzt verarztet, gepflegt, jeden Tag der Wundverband gewechselt, geschohnt und mit allerlei Wohltaten umsorgt werden, damit du merkst: Sie waren ganz allein Schuld. Niemand sonst. <3

  6. Ich weiß, dass Beleidigung offiziell eine Straftat ist oder es da auf jedenfalls ein Gesetz gibt, die genauen juristische Termini sind mir jetzt nicht bekannt. Aber ich muss ganz ehrlich zugeben, ich hatte eben Angst. Ich hatte Angst,die Polizei zu rufen, Angst das die Täter dann wissen wie ich heiße und wo ich wohne und dass sie dann eh nur wenn überhaupt, mit einer Geldstrafe davon kommen aber dann erst recht sauer sind. Natürlich hätte ich mich anders verhalten können (wenn ich nicht vor Scham und Angst sowieso in einer Schockstarre gewesen wäre). Mal ganz davon absehen, dass ich nicht grade mit dem größten Selbstbewusstsein gesegnet wurde und grade ne vierjährige Therapie beendet habe. Klingt nach Rechtfertigung, soll es wohl auch sein, obwohl ich das eigentlich nicht will. Ich will ja auch darauf hinaus, dass wir anfangen nicht nur zu überlegen was kann frau anders machen sondern dieses abartige Verhalten verurteilen. Nächste mal, das es hoffentlich nicht gibt,traue ich mich vielleicht einfach, das Pfefferspray zu benutzen 😉

  7. PS: In Indien und anderswo sind Frauen übrigens kollektiv dazu übergegangen, diese Attacken in Bussen und öffentlichen Orten entweder zu filmen oder wenigstens mit ner Voice-Recorder-App in der Tasche auf dem Handy aufzuzeichnen und dann entweder online zu veröffentlichen und/oder der Polizei zu übergeben. Vielleicht sollten sich das Frauen weltweit angewöhnen und damit festhalten und dokumentieren: Wir sind nicht allein und, wir sind nicht hilflos. Ich könnte mir vorstellen, dass ein derartiges Öffentlichmachen eines solchen Verhaltens viel wirksamer ist, als alles andere.

  8. anna, du bist okay, dein verhalten war okay und all die taffen hier kennen deine situation nicht. bei „wer wird millionär“ wunder ich mich auch ganz oft, aber ich sitze nicht im studio, habe keine stresshormone und ich spiele auch nicht um mein geld. das ist eine völlig andere situatuion! bleib bitte bei dir und lass dir nicht erklären, was du besser machen sollst. du hats dich toll geschlagen und hattest dann noch den mut, deine geschichte mit uns zu teilen. ich hätte nicht mal pfefferspray dabei, aber das ist auch ein rat-schlag. genauso wie, gehe in wald und übe laut „feuer“ schreien. wäre mein motto, aber ob ich das kann, wenn´s brenzlig wird. keine ahnung! nochmal, du bist richtig, die anderen waren falsch!

  9. Karla Kekz

    @Susanna:
    „Sie brauen, lieben und identifizieren sich mit ihrer Mutter, nur um beim Erwachsenwerden zu merken, dass sie sich gegen das Weibliche abgrenzen müssen, um ihre gesellschaftliche Rolle und Identität zu finden. Sie haben keine eigene: Sie sind alles, was nicht „weiblich“ ist. Wir haben eine Gebährmutter, die Natur ähnelt uns, wir können das Wunder des Lebens in uns erzeugen. Wir haben komplizierte Eigenschaften und Möglichkeiten Gedanken und Gefühle zu vernetzen und die Jungs sind einfach nur verwirrt, wer sie sind, warum sie all das nicht können und wie sie das kompensieren können, um überhaupt was zu gelten.“
    Das liest sich als würdest du das als naturgegeben so betrachten. Ich möchte anmerken, dass dies eine Folge der Auslöschung des Weiblichen im Patriarchats und damit einhergehend der Abspaltung/Abwertung der Mutter ist. Alles entsteht aus dem Weiblichen. Auch Söhne werden von Frauen geboren und waren über eine Nabelschnur an sie gebunden. Dass Söhne sich von der Mutter trennen/sich abgrenzen müssen, ist ein patriarchaler Mythos, der einen Grundstein für das von dir beschriebene Verhalten legt. Würden Söhne/Männer sich nicht abgrenzen, sondern sich als Teil des Weiblichen verstehen, was sie ja als von Frauen Geborene sind, hätten wir, platt gesagt, diesen Ärger nicht.
    In matrifokalen Clans sind auch die Söhne und Brüder und Onkel gleichberechtigt in den mütterlichen Clan einbezogen ohne derartige Abspaltungstendenzen (und deren Folgen) zu zeigen. Die Abspaltung/Auslöschung der Mutter (und damit des Weiblichen) geht sowohl bei Söhnen als auch Töchtern mit Entfremdung und Abspaltung des eigenen Selbst einher. Was nach 10.000 Jahren dabei herauskommt, sehen wir heute.

    Daher schließe ich mich Yvonne an: „Mary Daly lesen!“
    … und füge noch Kirsten Armbrusters Bücher hinzu.

  10. Erst einmal aufrichtiges Mitgefühl. Ich weiß das um mich herum Sexismus tagtäglich stattfindet und auch bei uns Männern gibt es eine Art kollektives Schuldgefühl. Ich finde es bewundernswert das du in all deiner berechtigten Wut über diese Ungeheuerlichkeit, die meine GeschIechtsgenossen Dir angetan haben, du auch diejenigen berücksichtigst, die so etwas nicht machen würden. Ich finde das auch der Busfahrer sich besser hätte verhalten können, zumal du eine Zeugin für den Vorfall hattest. Leider gibt es noch keine allgemeinen Weiterbildungsangebote zu „wie verhalte ich mich bei Sexismus“ und viel zu wenig Zivilcourage.

  11. P.S. Das mit dem öffentlich machen von Videos halte ich für eine sehr gute Idee.

  12. Liebe Anna, du hast vollkommen Recht. Auch ich hätte in dem Moment vermutlich einfach nur Angst gehabt, dass sie sich an mir rächen. Völlig verständlich. Erst recht in der akuten Stresssituationen.

    Liebe Karla, ja du hast Recht. Bezog sich auf die patriarchale Ordnung (also, die Vorherrschende).

    Ich kenne all die Bücher. Zweifle jedoch immer mehr am einst friedlichen weltumspannenden Matriarchat. (Es gibt eindeutige archeologische Funde von 10.000 und 12.000 Jahre alten Schlachtfeldern, etc.)

    Ich glaube mehr und mehr, dass es so ähnlich gewesen sein könnte, wie in Nordamerika als die Weißen kamen: Es gab friedlichere und weniger friedliche Stämme. Matriarchalere und weniger matriarchale.

    Der Mensch hat sich aus verschiedenen Arten heraus entwickelt. Man stellt mehr und mehr fest, dass verschiedene Menschenarten, die man zuvor für Entwicklungsstufen hielt bestimmte Zeiten nebeneinander existierten bis die eine die andere verdrängt hatte.

    So ähnlich wie es verschiedene Affenarten gibt und diese völlig verschiedene Ernährungs- und Lebensgewohnheiten haben. Fleischfressende Arten sind dabei i.d.R. auch kriegerischer, d.h. sie überfallen auch andere Affengruppen. Zum Teil auch solche der gleichen Art. Dabei geht es meist um territoriale Ansprüche oder Neuverteilungen.

    Ich glaube inzwischen, diese weltumspannende matriarchale Traumwelt gab es nie.

    Was ich allerdings glaube, ist dass es mal ein stärkeres Gleichgewicht und ein Leben innerhalb der Gesetze der Natur gab und die Mutter, die Frau, als Abbild dessen eine größere Rolle in der offizellen Ordnung von vielen Stämmen spielte. Das was wir heute noch bei matriarchalen Völkern beobachten können, gab es weit häufiger.

    Ich fürchte allerdings, dass Menschen, Völker und Stämme schon immer sehr verschieden waren.

    Auch in Urzeiten dürften die Menschen sich schwer Verdauliches und Erklärliches in ihrem Bewusstsein mit Konstruktionen von Regelhaftigkeiten und Göttern/Göttinen z erklären versucht haben. Ordnung in der Verwirrung und Unerklärlichkeit schaffen um die Angst zu besiegen, die diese Verwirrung schafft.

    Diese frühen Religionen und Ideologien dürften – wie alles Denken – halbzufällige Konstrukte gewesen sein. Sie schufen immer größer werdende Unterschiede zwischen entfernt lebenden Völkern/Stämmen/Sippen.

    Da Unsicherheit Angst schafft, kämpft automatisch jeder für seine „Wahrheiten“, wenn jemand anderer diese in Gefahr bringt. Ist es nur eine/r, halb so schlimm. Kommen aber sie „Wahrheiten“ einer Community durch eine hohe Anzahl von Andersdenkenden in Gefahr, kann die Situation kippen, wenn es nicht viele sehr weise Akteure unter den Streitenden gibt.

    Der Mensch dürfte schon immer so gewesen sein. Ganz abgesehen von den Ressourcen-Unterschieden in verschiedenen Lebensräumen, die Wohlstandsgefälle schufen und schaffen.

    Der Mensch war nie nur edel, hilfreich und gut. Er war immer so verschieden, wie andere Pflanzen- und Tierarten es auch sind und auch innerhalb einer Art ebenso verschieden, wie Individuen innerhalb von Tierarten es auch sind.

    Es gibt keine „eigentliche“ Ordnung. Wir werden immer streiten, solange wir uns die Welt erklären wollen und Angst vor Unerklärlichem und Unbeherrschbarem (z.b. Tod) empfinden. Und damit, wird der Mensch nie aufhören. Große Religionen sind nicht der patriarchale Plan. Sie sind Kristallisationen zum damaligen Zeitpunkt lebendiger Traditionen. Und ihre Ausdehnung ist dem zunehmenden Kontakt unter den Menschen, ihrer Vernetzung und Mobilität geschuldet.

    Das Friedliche und das Aggressive waren seit Anbeginn Anteile des Menschen. Jedes Menschen, auch der Frauen. Nur, dass diese vermutlich durch ihre engere Verbindung zum Leben (die Fähigkeit zum Gebähren) seltener bis zum Letzen gehen und Leben vernichten oder vernichtend schädigen.

    Und… natürlich sind auch meine Erklärungen Konstrukte. Meine Idee ist: Wir leiden deshalb so viel am (anderen) Menschen und uns selbst, weil wir für alles eine Erklärung brauchen und die Banalitäten von bestimmten Lebenszusammenhängen für uns nicht so aushaltbar sind, wie für andere Tiere.

    (Eine etwas andere Perspektive aif die biblische Urlegende vom Baum der Erkenntnis. Auch so ein Erklär-Bär-Konstruktionen, hier mit Eva und der Verteuflung des Weiblichen. Im Grunde aber mit einer interessanten Grundidee, woher alles Unglücklichsein des Menschen stammen könnte: Daraus, dass wir in alles Sinn hinein konstruieren müssen und gar nicht anders können.)

  13. … und füge noch Barbara G. Walker „Das geheime Wissen der Frauen“ hinzu. („Religion“,Sprachuntersuchung,Patriarchat)

  14. Das ist furchtbar und es ist unfair, dass du mit deiner Angst leben musst.
    Es ist völlig klar, dass an deinem Verhalten nichts falsch ist!
    Ich kann mir aber gut vorstellen wie gelähmt und hilflos ich mich in der Situation fühlen würde. Aber du bist nicht hilflos! Und es ist wichtig, dass du trotzdem Bus fährst. Die Vermeidung vor Angst macht sie auf Dauer nur schlimmer und das so lange bis du wirklich stark in deinem Leben eingeschränkt bist.
    Du hast das Recht darauf, dass man dich mit Respekt behandelt!
    und für die konkrete Situation hilft nur Mut vortäuschen und sich Hilfe holen. Die Angst muss dabei nicht weg sein, sie kann dir sogar den nötigen Adrenalinschub dafür geben.
    Ich wünsche dir wirklich, dass es dir bald wieder besser geht!

  15. Maria Schmidt

    Ich empfehle alle Bücher von Angelika Aliti, vor allem aber die von Christa Mulack.

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