Julian Blanc wird zu Recht verurteilt – aber wer kritisiert die globale Wirtschaft für ihren Frauenhass?

Brass Rail Toronto

von Hard Seat Sleeper (The Brass Rail) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Es ist einfach, einen globalen und systematisch organisierten Zusammenhang auf „einige wenige böse Jungs” zu reduzieren. Das wird deutlich an Fällen wie dem „Dating-Ratgeber“ Julien Blanc. Blanc tourt durch die Welt, um Männern die Pick-Up-Kunst, (zu Deutsch etwa „Die Kunst des Abschleppens“) beizubringen. Er zeigt die Misogynie, die der Pick-Up-Szene innewohnt, indem er andere Männer in seinen Techniken aus Gewalt und emotionalem Missbrauch gegenüber Frauen unterrichtet. Nachdem es einen öffentlichen Aufschrei gegeben hatte, wurde Blanc aus Australien ausgewiesen, bevor er sein in Melbourne geplantes Seminar halten konnte. Seine Methoden beinhalten das Würgen von Frauen und ihre Gesichter gewaltsam in den Schoß zu ziehen – Verhalten, das typisch für Pornographie ist. Aber während Blanc zu Recht kritisiert wird, bleiben jene Institutionen, die von solchen Bildern profitieren, verschont.

Global betrachtet hat sexuelle Gewalt epische Ausmaße erreicht. Eine von drei Frauen ist betroffen. Während die sozialen Zusammenhänge häufig angesprochen werden, bleiben die ökonomischen und politischen Hintergründe unerwähnt. Diese Gewalt muss im Kontext der globalen Wirtschaft betrachtet werden. Bis die Betreiber sexueller Gewalt gestellt werden, werden uns Männer wie Blanc immer wieder begegnen. Tatsächlich ist Blanc nicht die Ausnahme der Regel, in einer globalisierten und misogynen Gesellschaft ist er eher die Normalität.


In den vergangenen Jahrzehnten konnten sich einzelne sexistische Trends nur innerhalb nationaler Grenzen und Gesellschaften ausbreiten. Heute, im Zuge der fortgeschrittenen Globalisierung, sind diese Grenzen weniger eindeutig. Männer wie Blanc, die aus Amerika stammen, können ihre frauenverachtenden Pick-Up-Seminare überall in der Welt verkaufen, und werden, bis auf wenige Ausnahmen, überall verstanden und begrüßt. Mehr als je zuvor werden Frauen einhellig als Objekte männlicher Eroberung betrachtet. Gewalt gegen Frauen und die sexuelle Objektifizierung florieren. Angetrieben von kolonialistischen Systemen wie dem Militär und dem Sextourismus, ist die sexuelle Ausbeutung kein Zufall der Globalisierung – sie ist eine ihrer Grundlagen.

Die Globalisierung ist ein Glücksfall für die Sexindustrie, erst durch das Militär-System der USA, später durch das internationale Bankensystem und die Wirtschaftspolitik, und dann über das Internet und durch den Tourismus. Frauenhass ist eine universale Sprache. Sex und Pornographie brauchen keine Übersetzung, keine Erklärung, keine besondere Landessprache. Die US-Industrie-Vereinigung “Adult Video News“ mag zwar Titel wie “I Wanna Buttf*ck Your Daughter” („Ich will deine Tochter in den A*** f***) oder “Ass Blasting Anal Whores” („Arschgesprengte Analhuren“) auszeichnen, aber global betrachtet sprechen die Bilder für sich selbst.

Die Ungleichheit der globalen Wirtschaft spielte schon vorher eine Rolle in der sexuellen Ausbeutung. Mit der Ausbreitung der Pornographie haben solche Dinge jedoch ihre große Bühne bekommen – und werden für immer mehr Profit ständig gefüttert. Wenn der Spruch “sex sells” stimmt, dann verkauft sich sexuelle Ausbeutung noch besser.

Pornographie stellt die Propaganda für die globale sexuelle Ausbeutung zur Verfügung und dient als Training für Missbrauch. Die meisten pornographischen Filme enthalten gewalttätige Akte gegen Frauen. 2010 zeigte eine Untersuchung, dass 88 Prozent der beliebtesten Porno-Videos Gewalt gegen Frauen zeigen. Vom Porno geprägte Trends wie “facial abuse“ („Gesichtsmissbrauch“) haben ein Klima gefährlicher sexueller Aggression geschaffen, verkörpert von Männern wie Blanc. Die Konsequenzen sind ernst – in Neuseeland haben 25 Prozent der Mädchen unter 14 bereits sexuelle Gewalt erlebt oder wurden vergewaltigt.

Jugendliche Mädchen berichten davon, dass von ihnen erwartet wird, Analverkehr zu haben. Das ist Teil des Porno-Repertoires, das offensichtlich keine Grenzen kennt. Snuff Porn (Pornos, in denen Frauen ermordet werden) und BDSM Pornos, gemeinsam mit anderen Praktiken wie “rosebudding“ (eine extrem gefährliche Variante des Analsex, bei dem der Darm aus dem Anus rutscht und wie eine „Rose“ aussieht) haben ein globales Narrativ necrokapitalistischer Praxis geschaffen. „Necrokapitalistisch“ in dem Sinne, dass beide, Konsumenten und Verkäufer, zu ihrem Höhepunkt durch Leid und Tod kommen. Sexuelle Gewalt wird in wachsender Form mit einvernehmlichem, zärtlichem Sex vermischt. Es wird oft als das Recht des Konsumenten auf ein Angebot betrachtet, doch wie die Gründerin von Sex Trafficking Survivors United Rebecca Mott gesagt hat:

Kein Mann stirbt durch einen Mangel an Sex, aber Millionen von Prostituierten sterben und sind bereits gestorben.

Wir leben in einer Welt, deren Wände mit pornographischen Bildern tapeziert sind, aber die Verbindung zu Ausbeutung wird entweder ignoriert oder verneint. Nutzer argumentieren sogar, dass die Sexindustrie Sexismus und Gewalt reduzieren könne. Das widerspricht der Analyse von 2010, zahlreichen Metaanalysen und der Überprüfung des Nordischen Modells, welche das genaue Gegenteil zeigen.

Die Kultur der westlichen Konsumenten reduziert diese Zusammenhänge auf eine Angelegenheit individueller „Entscheidung“, aber das ist falsch auf verschiedenen Ebenen. Zunächst ist der Handel mit Sex keine „sexuelle Entscheidung“, sondern eine globalisierte Institution mit bedeutender ökonomischer und politischer Macht. Zweitens können die Entscheidungen der Konsumenten die Rechte anderer einschränken oder verletzen.

In einigen UN-Staaten sind zwischen 60 und 90 Prozent der Frauen im Sexgewerbe Opfer von Menschenhandel und in Thailand macht die Kinderpornographie 40 Prozent der gesamten Sexindustrie aus, 90 Prozent des gesamten Sexgewerbes dort dreht sich um zwangsprostituierte, minderjährige Mädchen. Indigene Frauen werden ebenfalls überdurchschnittlich oft Opfer von Menschenhandel.

Während die USA die für sie kennzeichnende Ausbeutung sexueller Ausbeutung von Mädchen und Frauen auf den Philippinen, in Thailand, Südkorea und anderswo verstärkten, fingen amerikanische, liberale Feministinnen an die Rolle der „freien Wahl“ und „Agency“ der Ausgebeuteten zu diskutieren. Wer auch immer solche Konzepte kritisiert gilt als „anti Sex“ oder sogar „gegen Frauen“, die westliche Rhetorik der „freien Wahl“ arbeitet der Legitimation der Ausbeutung der ökonomisch Verletzlichen jedoch zu. Die Argumente der „freien Wahl“, „Agency“ oder des „feministischen Porno“ befördern die Ausweitung der Erlöse und nicht die Ethik.

Lydia Cacho zeigte in ihren Untersuchungen auf, dass Menschenhändler die Rhetorik der „freien Wahl“ benutzen um ihren Handel zu rechtfertigen. Im Alter von 18 Jahren werden aus ausgebeuteten Kindern angeblich freie und willige, erwachsene Arbeiterinnen. Dies lässt auf eine gefährliche Weise Linien verwischen, wenn man bedenkt, dass das „teen“ Genre nach wie vor das beliebteste in der Pornographie ist. Die Präferenz der Käufer für jüngere Frauen setzt den Rahmen für die sexuelle Benutzung von Kindern.

Entwicklungsländer haben weder die Ressourcen, noch die strukturelle Integrität um die sexuelle Benutzung von Kindern zu verfolgen. Die internationale Wirtschaftspolitik diktiert hohe Tourismusraten und die Gesetze gegen Menschenhandel bleiben lückenhaft – Austraslien hat eine entsprechende Gesetzgebung erst 2005 eingeführt. Was die Sachlage verschärft ist die Tatsache, dass männliche Sexkäufer zugeben, dass es sie nicht interessiert ob eine Frau gezwungen, gehandelt, oder sonstetwas wird. Mit wenigen Ausnahmen in ein paar nordischen Staaten können Kunden Sex überall in der Welt kaufen. Genau wie das Pick-Up-Unternehmen, sammelt sich der Sexhandel online. Es gibt spezielle Suchmaschinen, die „Sextouristen“ darüber aufklären, wie sie in den einzelnen Ländern am einfachsten Mädchen und Frauen (sexuell) ausbeuten können.

Linksgerichtete SexhandelsunterstützerInnen argumentiere gewöhnlich, dass alle Industrien. ausbeuterisch sind unter kapitalistischen Bedingungen, und dass deshalb die Sexindusrie eine Industrie wie jede andere ist. Diejenigen, die diese Industrie überlebt haben erzählen eine andere Geschichte – nämlich, dass die Degradierung und die lebenslangem Schmerzen nicht vergleichbar, nicht quantifiziertbar und unvorstellbar sind; dass ihr Leiden sich immer und immer wieder wiederholt, da die ihnen angetane Gewalt auf Film immer und immer wieder um die Welt geht. Die Raten posttraumatischer Belastungsstörungen attestieren dies, sind sie doch gleich hoch wie die von Kriegsveteranen. Diejenigen, die die seelenzerreissende Arbeit auf sich genommen haben ihre sexuelle Ausbeutung niederzuschreiben, werden als „anti-sex“ diffamiert, eingeschüchtert, schikaniert und online gestalked. Sexuelle Ausbeutung wird verteidigt als ginge es um sexuelle Liberalisierung. Diese Haltung wird verstärkt dadurch, dass der Sexhandel immer mehr in den Mainstream der Kultur, den Medien und die Geschäftswelt eingeführt wird, wo Männer wie Blanc sich entfalten können.

Die Industrie nutzt die globale Ungleichheit schamlos aus, deutet sexuelle Gewalt zu Unterhaltung um, befördert Gewalt und Degradierung, pflegt Rassismus und Sexismus und wird dennoch oft verteidigt als eine Art sexpositver Utopie. Dies ist die Akademie für Leute wie Blanc. Während Blanc wohlverdiente Kritik erntet, verdient auch die globale Industrie hinter dieser Haltung und die Praktiken, die sie befördert eine ernsthafte Kritik. Welchen Sinn macht es einen einzelnen Misogynisten (Frauenhasser) zu konfrontieren, wenn ein globaler, frauenverachtender Wirtschaftszweig weiterhin stillschweigend hingenommen wird.

Es ist besorgniserregender als einzelne Männer wie Julien Blanc, dass diese Haltungen nicht selten sind, sie wuchern aufgrund politisch erfolgreicher, transnationaler Unternehmen. Die Julien Blancs müssen wissen, dass sie nicht anspruchsberechtigt an Frauen sind, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie das lernen, solange unsere ökonomischem, gesetzlichen und politischen Institutionen das Gegenteil widerspiegeln. Konsumenten müssen ihre pornogetönten Brillen absetzen und die Industrie als das kritisieren was sie ist: ein globaler Handel von Menschenrechtsverletzungen, der sexuelle Benutzung von Frauen profitabel macht und mehr Männer wie Blanc unvermeidlich.

Laura McNally (Übersetzung mit freundlicher Genehmigung durch die Störenfriedas)

Dieser Beitrag erschien zuerst am 13. November 2014 auf www.feministicurrent.com.

1 Kommentare

  1. Im Forum „fight sexism“ auf dem Frauenpolitischen Ratschlag im Oktober in Chemnitz hat ein junges Mädchen vom REBELL diesen Beitrag gehalten, der, wie ich meine, den Artikel von Laura unterstützt und ergänzt. Die Forumsteinehmerinnen fanden ihn bemerkens- und bedenkenswert.
    „Sexismus in der Gesellschaft – Beitrag für Forum auf dem FPR
    Für den Kapitalismus ist die besondere Unterdrückung der Masse der Frauen charakteristisch. Die Ausbeutung der Sexualität von Frauen und Mädchen ist das Gegenstück zur bürgerlichen Familienordnung. „Solange die Lohnsklaverei besteht, wird unvermeidlich auch die Prostitution bestehen. Alle unterdrückten und ausgebeuteten Klassen in der Geschichte der menschlichen Gesellschaftsordnungen mussten stets (darin besteht ja ihre Ausbeutung) den Unterdrückern erstens ihre unbezahlte Arbeit und zweitens ihre Frauen als Beischläferinnen der »Herren« liefern. Die neben der ohnehin vorhandenen Unterdrückung der Massen, existiert eine besondere Unterdrückung aufgrund des Geschlechts als Frauen und Mädchen. Zentraler Bestandteil dieser besonderen Unterdrückung ist der Sexismus. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass er unter bürgerlichen, reaktionären Politikern und Monopolvertretern zum „guten Ton“ gehört. So hatte der israelische Ex-Präsident Moshe Katzav zwei Frauen vergewaltigt und mehrere Frauen sexuell belästigt. Dafür bekommt er dann noch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin Lob „Was für ein starker Kerl“. Offenbar merkte Putin nicht, dass angeschaltete Mikrofone in der Nähe waren.
    Der Sexismus wird heute bewusst von den Herrschenden eingesetzt. Die Wirkung national wie international ist, ob offen oder eher subtil ist unterschiedlich. Die Sexualität wird aus den zwischenmenschlichen Beziehungen gelöst, Männer finden Gefallen daran Frauen zu unterwerfen und gerade unter jungen Frauen findet sich häufig ein fast zwanghafter Wunsch, jedem zu gefallen. Dabei wird die Sexualität als übermäßiger Lebensinhalt hoch sterilisiert und von einer allseitigen Liebesbeziehung getrennt. Frauen und Männer werden dabei gespalten, indem man Frauen als Sexobjekte deklariert. Wenn Frauen und Mädchen, aber zunehmend auch Jungs und Männer auf ihre Sexualität reduziert werden, wird der Mensch zum Objekt und das Selbstbewusstsein massiv untergraben. Das gilt auch für Homosexuelle. In der Gesellschaft hat die allgegenwärtige Vermarktung fast jeder sexuellen Praktik, die Sexualisierung der Werbung, die Reduzierung von Frauen auf ihren Körper destruktive Auswirkungen. Wir vom REBELL unterscheiden zwischen Sexistischer Denkweise, die Vor allem von Herrschenden getragen wird und ihrer Wirkung die sich in der kleinbürgerlich-sexistischen Denkweise ausdrückt, die bei der Masse der Bevölkerung eine Rolle spielt. Die kleinbürgerlich-sexistischen Denkweise unter den Massen führt bei Männern zur sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern innerhalb der bürgerlichen Familienordnung und zur allgemeinen Erniedrigung von Frauen und Mädchen führt.

    Weltweite Kriege und Krisen der Kampf um die Weltmacht imperialistische Regierungen und Konzerne verschärfen auch die besondere Unterdrückung der Frauen. In Somalia wird die Vergewaltigungen von Frauen als Kriegswaffe eingesetzt, in Syrien und dem Irak nutzen Islamische Faschisten, feudale Verhältnisse, um vor allem Frauen bestialisch zu unterdrücken und zu Misshandeln, in Griechenland ist die Prostitution um 1500% gestiegen, als Folge der Krise durch Verarmung.

    Vor allem unter jungen Frauen spielt der Sexismus eine große Rolle. Junge Frauen sollen sich mit sich selbst beschäftigen. Wichtig ist wie man aussieht. Völlig unrealistische Körperformen und ein immer perfektes Aussehn, wird uns von Heidi Klum und Co. vorgelebt. Unglaublich, das Dieter Bohlen im Fernseher täglich die Frauen fertig macht. „Kannst zwar nicht singen, aber schön siehst du wenigstens aus.“ So gibt es auch die Meinung, Frauen sind selber schuld, wenn sie einen kurzen MINI- Rock tragen, wenn sie dann Sprüche bekommen. Es ist doch auch gut, und gehört zur Kultur wenn sich Frauen hübsch machen. Der Sexismus untergräbt bei jungen Frauen vor allem das selbstbewusst sein. Sich nichts zu zutrauen. Als Frau muss man sich immer doppelt durch kämpfen und sich erkämpfen auch vollkommen ernst genommen zu werden.
    Der Kapitalismus kann ohne die besondere Unterdrückung der Masse der Frauen nicht auskommen. Das gewachsene Frauenbewusstseins muss sich stärken, die Frauen müssen sich organisieren, die Männer müssen sich auf unsere Seite stellen und gemeinsam gegen ein Gesellschaft kämpfen in der Frauen besonders ausgebeutet und unterdrückt werden. Dazu gehört auch die weltanschauliche Auseinandersetzung gegen offenen und subtilen Sexismus, Macho- Gehabe gegen bürgerliche Doppelmoral und reaktionäre Frauenbild. Der REBELL steht für den echten Sozialismus. Wo wirklich die Menschen im Mittelpunkt stehen. Im damaligen Sozialistischen China, gab es gute Errungenschaften, wie Mann und Frau gleichberechtigt zusammen leben. Das stand unter dem Motto „Was eine Frau kann, kann auch ein Mann und anders rum.“ Im Sozialismus werden Kindererziehung, Haushalt, usw. gesellschaftlich organisiert.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert