Das Elend mit der Missy

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Nicht, dass nachfolgendes nicht schon in irgendeiner Form mal gesagt worden wäre, hier und da, aber es ist aktuell wirklich ein Punkt erreicht, wo man sich nur an den Kopp packen kann.

Es geht um das Missy Magazin, und nun sind hier gleich mehrere Baustellen ersichtlich: Zum einen die Inhalte, die nur die Leute zentrieren, deren Narrative das eigene Weltbild bedient. Will heißen: Wir werden bei Missy viel lesen über den kleinen Prozentsatz glücklicher Sexarbeiterinnen, wir werden aber nichts lesen über osteuropäische Frauen in Bordellen und Laufhäusern, die den Großteil der Frauen in der deutschen Prostitution ausmachen. Wir werden lesen von den Kübras und Emines dieser Welt, die sich voller Freude im Erwachsenenalter fürs Kopftuch entschieden, aber nichts über die Millionen von Frauen weltweit, die verfolgt und reglementiert werden von Sittenpolizei, wenn man ihr Haar sieht. Wir werden lesen von Leuten, die sich für “Fatshion” (sic!) und tumblr interessieren, von dicken Jungs in Comicpullis (no shit), aber nicht von Frauen in der Altersarmut, die nicht einmal so richtig wissen, was Blogs sind.

Ich habe Missy vor vielen Jahren gern gelesen, aber irgendwann festgestellt, dass sie inhaltlich substantiell abbauen, und so ging es vielen anderen Frauen, die ich kenne. Nun kann man das schon höchst bedauerlich finden für ein Magazin, das sich dem Feminismus widmet, aber immer mehr zum poppig-bunten Lifestyle-Blatt verkommt, das sich mehr für Identitäten als materielle Lebenswirklichkeiten marginalisierter Frauen interessiert, die keinen Zugang zur neuesten Liste von special Pronomen haben. Umso bedauerlicher mag dies erscheinen, wenn man bedenkt, dass Missy ein Blatt ist, das sich dem Antirassismus verschrieben hat und (angeblich) den Frauen, die eben nicht bessergestellt sind.

Schade ist allerdings, dass dieser Antirassismus die Frauen verrät und verkauft, die nicht mitmachen können und wollen bei der Leugnung und Relativierung von Gewalt, die von männlichen Refugees ausgeht. Hier wurde Missys “Antisexismus” lediglich als nützliches Vehikel instrumentalisiert, um die Narrative dieses falsch verstandenen Antirassismus weiterfahren zu können. Ebenso stellt sich heraus, dass Missys Antirassismus eher misogyne Strukturen islamischer Communities schützt als die davon betroffenen Frauen. Wenn die eigene Haltung ums Verrecken durchgesetzt werden muss, ohne Rücksicht zu nehmen auf die Lebensrealitäten der Leute, die diese Haltung betrifft, dann ist das nichts weiter als Reproduktion von Ideologie.

Das alleine ist – aus gegebenem Anlass – nicht einmal des Pudels Kern. Vielmehr geht es um die Art und Weise, wie missy oben genannte Ideologie fährt. Viele Leute in meiner Freundesliste haben schon auf der Missy-Seite diskutiert, nicht ohne Frustration, Erstaunen und unfreiwillige Komik zu erleben. Was macht das Diskutieren auf der Missy-Seite so anders, so besonders?

1. Beiträge, die der Redaktion nicht passen, werden gelöscht. Wir reden hier nicht von grob beleidigenden, diffamierenden Posts, sondern von Dissens zu dem, was Missy vertritt.
2. Wirklich grob beleidigende, diffamierende Posts werden stehengelassen, solange sie von Leuten kommen, die wiederum sehr gut zum eigenen Weltbild passen.
3. eine besonders perfide Form der Zensur: Die eigenen Beiträge werden “versteckt”, so dass man selbst und der Freundeskreis sie lesen kann, aber alle anderen nicht mehr. Man bleibt also im Glauben, dass Missy Debatte dulde, während das genaue Gegenteil der Fall ist.
4. der in diesen “Debatten” inflationär verwendete Gewaltbegriff, zb im Falle von Misgendern, während es völlig in Ordnung ist, debattierwilligen Leuten ein “verpiss dich” entgegenzuschmettern oder immer neue Akronyme wie TERF & SWERF, die mittlerweile, weil völlig inflationär verwendet, einfach gar nichts mehr bedeuten als auf Diffamierung betreffender (meist) Frauen abzuzielen. Inhaltliche Auseinandersetzung mit unerwünschten Positionen, Formulierung von Argumenten, die über Befindlichkeitsfloskeln und Herunterziehen auf individuelle Ebene hinausgehen: 0.
5. rasches Blocken von Personen, deren Haltung unerwünscht ist.

Jetzt kann man das natürlich einfach ärgerlich finden, würde Missy nicht so sehr für ein Großes Ganzes stehen. Für eine Safe Space-Attitüde, die die Konfrontation scheut, die Auseinandersetzung mit Inhalten, die dem eigenen Weltbild widersprechen. Die vielmehr auch ihren autoritären Charakter darin offenbart, diese Inhalte auszublenden und damit verbundene Leute stummzuschalten. Die individuelle Betroffenheiten vor jeglicher Klassenanalyse priorisiert, die jeden Dissens persönlich nimmt und ja, auch narzisstisch genug ist zu glauben, dass sich jede Kritik ums eigene Leben, um die eigene Identität dreht.

Missy steht für eine Ideologie, die zivilisatorische, westliche Errungenschaften wie Demokratie, wie Meinungspluralismus sabotiert und unterwandert. Ja, antizivilisatorisch ist ein großes Wort, doch nichts anderes trifft es so gut, um zu beschreiben, wieviel Sehnsucht nach Gesinnungsdiktat, nach Meinungshomogenität in o.g. Maßnahmen zum Ausdruck kommt. Diese Verfahrensweise ist dermaßen verblüffend, dass daneben die haarsträubenden Inhalte fast schon zur Nebensache verkommen. Diese Abwendung von westlich-universellen Werten spiegelt sich natürlich aber auch in den Inhalten, da wo reaktionäre Ideologien wie der politische Islam manchmal hofiert, mindestens aber verharmlost werden. Da, wo einem Vokabular wie “infantil” verboten wird, weil “kolonialrassistisch” (sic!). Da, wo intellektuelle Bankrotterklärungen verkauft werden als Protest gegen den Kolonialismus.

Selbstverständlich kann damit einhergehend auch kein universeller Wahrheitsanspruch verfolgt werden, dabei handelt es sich um “Eurozentrismus”, dieser ist das Produkt des weißen Mannes, es gibt nur noch “Narrative” und “Diskurse”. Wer etwas sagt, hat Priorität vor dem, WAS gesagt wird. Haltungen, die der eigenen ideologischen peer group unangenehm erscheinen, dürfen sowieso schon gar nicht geäußert werden. Eine solche Gesamtheit an Attitüden, an Vorgehensweisen ist als direkter Angriff auf alle zivilisatorischen Errungenschaften zu sehen, die in den letzten Jahrhunderten gewonnen wurden, nicht mehr und nicht weniger.

Naida Pintul

10 Kommentare

  1. Genau so sehe ich das auch! Je mehr “exclusion” desto verdächtiger….. da political correctness, resp. Sprache wichtiger als Inhalt.
    Also Maulkorb! Ich persönlich lese nur noch einige wenige blogs, wo ich sicher bin, dass sie weder unterwandert noch zensuriert, noch verdreht und vom wahren Inhalt entkernt sind, mit leeren Worthülsen und Nebelpetarden. Wischiwaschi halt.
    Cherryblossomlife samt Kommentaren ist; meiner bescheidenen Meinung nach, so. Störenfriedes natürlich auch!!!!

  2. Karin Schnitzlein-Liebhäuser

    Ich habe Missy die ersten Jahre auch gelesen, merkte dann aber, dass ich irgendwie zu alt für diesen “Popfeminismus” bin und habe dann mein Abo gekündigt. In allem, was Du schreibst, kann ich Dir zustimmen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das auch in der an.schläge so ist. Auch dort ist nur von Sexarbeit die Rede, alles wird mit Unterstrichen oder Sternchen geschrieben, kurz auch dort bleiben meiner Meinung nach die Frauen auf der Strecke und um die sollte es in einem feministischen Magazin ja wohl gehen. Seit vorgestern bin ich wieder EMMA-Abonnentin, auch wenn ich nicht immer einer Meinung mit Alice Schwarzer bin, so handelt es sich doch um ein politisches und nicht um ein LIfestyle-Magazin.

  3. Ich finde auch, dass ihr teilweise Recht habt. Ich habe das Missy Abo auch seit der ersten Stunde. Es gibt Zeiten, da bin ich begeistert und Zeiten, da bin ich enttäuscht.
    Ich sehe mich mittlerweile definitiv nicht mehr in der Zielgruppe des Missy Magazins, ich habe aber noch das Abo und tatsächlich verschenke ich es dieses Jahr auch an 2 Freundinnen,die ansonsten nicht wirklich feministisch unterwegs sind. Und da denke ich, setzt das Missy Magazin an. Sie holen diejenigen ab, die sich noch kaum oder gar keine Gedanken über diese Themen gemacht haben und zeigen andere Möglichkeiten auf.
    Hauptsächlich schätze ich die Lesenden auf Anfang zwanzig? Und das Missy Magazin schließt eine Lücke, bzw. baut eine Brücke durchden Popfeminismus hin zum politischen Feminismus. Und ja, manchmal gelingt es Ihnen leider nicht und es holpert und poltert.
    Ich persönlich finde es spannend die Entwicklung des Heftes weiter zu beobachten und außerdem sind häufig Konzerttipps dabei die ich ansonsten verpasst hätte.

    Ich finde es schade, dass die Macherinnen des Missy Magazins nicht offen für Kommentare sind und freue mich, dass ich vor der Löschung eures Links auf Facebook diesen Artikel geöffnet habe. Natürlich kannte ich die Störenfriedas, aber jeden Beitrag bekomme ich nicht mit.

  4. Es ist diese politisch korrekte Sprache und das wichtigtuerische Geschwurbel, das den ganzen klaren Ansatz des Feminismus einfach “nur” versenkt hat; und den patriarchalen Männern, (ebenfalls Wichtigtuer) voll in die Hände spielt. Was müssen die lachen ob diesem uneinheitlichen verdrehten, wichtigtuerischem Geschreibe. Da Newsspeak auch “menspeak” heissen könnte; wo aus einfachen Klarheiten grässlich komplizierte Gebilde werden; und das “reversal” vorausgesetzt werden kann, ist es einfach nur
    traurig und schädlich, was diesen neuen Popfeministinnen da absondern.

  5. Silvio Reindl

    Wow! Echt gut! Ja die wissenschaftliche Methode, eine Methode zur Trennung von Sinn und Unsinn ist auch eines der höchsten kulturellen Errungenschaften und wurde hier sehr gut formuliert. Jede darf eine Annahme oder Theorie in Frage stellen, sofern sie gute Argumente vorbringt und diejenige, die sich zu verteidigen hat, sollte diese Argumente wiederum entkräften können mit praktischen Beispielen und Erkenntnissen. Ein langer, anstrengender Prozess, doch ist es die einzige Möglichkeit, Sinn von Unsinn zu trennen. So wie hier beschrieben, wird dies bei Missy nicht so gehandhabt. Schade!

  6. tmi – habe die Missy sporadisch online gelesen.
    das kam mir so difus libfem-mässig vor und *ugh-meh*
    danke ! für deine analyse und zusammenfassung hier .
    LesRadFem xx

  7. Julia Massier

    Guter Text. Ich habe missy auch mal gelesen, weil ich sie ganz cool gemacht fand. Aber Infos bekommt man da nicht. Nur Ideologie, die sich gegen Frauen wendet. Ich habe mich schon mal gefragt,: woher kriegen die eigentlich die Kohle? Wer bezahlt den Druck des Heftes?
    Euch lfinde ich super : ) und seit ein paar Monaten lese ich übrigens EMMA. Und die finde ich richtig gut. Da sind die Themen drin, die mich interessieren.

  8. Da ich mir nicht vorstellen kann dass ein Magazin mit dem Namen eines Zwerghundes sonderlich feministisch ist habe ich “Missy” nie gelesen. Ich kenne allerdings die Szene, die sich im Pop-Feminismus verortet. Populärkultur ist halt immer Mainstream, deshalb kann ein sogenannter Pop-Feminismus auch nur ein “Feminimus light” sein. Die höchsten Werte in dieser pseudofeministischen Pop-Szene sind “Coolness” und “Hip Sein”, fade Musik und scheussliche Normcoregewänder. Es ist also kein Wunder wenn die entsprechenden Zeitschriften ebenfalls sinnentleert sind.

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