Frauen des globalen Südens haben sich bestimmte Rechte hart erkämpft: das Recht auf Abtreibung und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, das Recht auf Geburtenkontrolle (zum Beispiel durch die Pille oder die Pille danach) sind nur ein paar Beispiele.
Bei nüchterner Betrachtung müssen wir jedoch leider feststellen, dass zur Wahrheit dieser Erfolge auch eine unbequeme Erkenntnis dazu gehören muss: Frauen konnten sich diese Rechte nur deshalb erkämpfen, weil man uns ließ. Weil es der patriarchalen Verfügung über den weiblichen Körper dienlich war und ist.
Ein wichtiger Player diesbezüglich die die American Civil Liberties Union (ACLU), eine amerikanische Nichtregierungsorganisation, die im Jahr 1920 gegründet wurde. Sie setzt sich für den Liberalismus ein und ist vergleichbar mit der deutschen Humanistischen Union.
Leigh Ann Wheeler hat sich in ihrem Buch „How Sex became a Civil Liberty“ unter anderem ausführlich mit der Geschichte der ACLU auseinandergesetzt. Dabei erfährt der/die aufmerksame LeserIn spannende Details:
Die ACLU tat sich als eine einflussreiche Lobbygruppe mit großem Einfluss in alle gesellschaftlichen Bereiche hervor. Sie hat den Diskurs um Sexualität in den USA maßgeblich geprägt.
Die Mitgliedschaft der ACLU war ursprünglich sehr breit gefächert, so dass auch gegensätzliche Ansprüche aufeinander trafen: Zum Beispiel der Kampf gegen Pornographie versus dem Kampf für das Recht auf Konsum von Pornographie (seinerzeit insbesondere repräsentiert durch den Playboy)
Während sich feministische Anliegen wie das für eine Reform der Vergewaltigungsgesetzgebung zum Schutz von Frauen auf Widerstand innerhalb der Organisation stießen, fand der Kampf für mehr reproduktive Rechte mehr Gehör
Im Jahr 1969 wandte sich das Vorstandsmitglied Eleanor Holmes Norton an die Playboy Foundation mit der Bitte um Unterstützung für eine Kampagne zur Legalisierung der Abtreibung, da sie wusste, dass man dort ein Interesse an einer neuen Gesetzgebung hatte. Sie schrieb dazu einem Kollegen: „Gibt es irgendwelche Bunnies, die wir gewinnen können, die Einfluss auf das Management haben?“ („Are there some bunnies we can get who have particular influence with the management?“). Von Playboys Chefredakteur ist folgendes Angebot bekannt: „Es wäre sehr hilfreich… wenn ich Hefner mitteilen könnte, dass die ACLU nicht nur bezüglich der Abtreibungsgesetze mit der Playboy Foundation zusammenarbeiten möchte, sondern auch in Bezug auf eine Studie und für einen Kampf für eine Änderung bei einigen der Gesetze bezüglich konsensueller Sexualität“ („It would be immensely helpful… if I could tell Hefner that ACLU was willing to work with Playboy Foundation not only on abortion laws but in a study and challenge on some of the consensual sex laws“.)
Feministinnen hatten sich zu dieser Zeit schon weitgehend aus der Organisation zurückgezogen, nur sieben Prozent der Positionen waren von Frauen besetzt. Grund war unter anderem ein Fundraiser der ACLU in Hefners Mansion, der von heftigen Protesten von Feministinnen begleitet wurde. Die tonangebenden Männer machten in zahlreichen Statements deutlich, dass sie „keine Feministen“ waren. Dass es den aktiven Männern weniger um Frauenrechte ging zeigt beispielsweise eine Bemerkung von Philipp Hirschkop über seine Motivation: „Eine junge attraktive Frau nahm von der Rumhurerei Abstand aufgrund der Gefahr von Schwangerschaft, würde aber gerne Sex haben […] Oh was ich alles für BürgerInnenrechte und die Wissenschaft tue“ („a young attractive refrained from fornicating because of pregnacy but otherwise would screw […] Oh the things I do for civil liberties and science“)
Im Jahr 1970 erkannte der neue Geschäftsführer Aryeh Neier die Chance durch die erstarkende Frauenbewegung die Anliegen der Organisation weiterzubringen. Viele weibliche Mitglieder wurden angeworben und im Jahr 1972 wurde, mit großzügiger finanzieller Unterstützung der Playboy Foundation, das Women`s Rights Project (WRP) gestartet. Man setzte auf die weniger radikalen Feministinnen, denn wie Hefner über die radikalen Feministinnen sagte: „Diese Weiber sind unser natürlicher Fein. Sie wollen eine asexuelle Gesellschaft“(„These chicks are our natural enemy. The society they want is an asexual one“.) Hefner und ACLU setzten also auf den Mainstream-Feminismus und bekämpften die Radikalfeministinnen. Zahlreiche der ACLU-Frontkämpfer waren eng mit dem Playboy verbunden, lasen die Zeitschrift und schrieben Grußworte, die im Playboy veröffentlicht wurden. Im Gegenzug wurde ACLU-Anwalt Burton Joseph zum Verwaltungsratsmitglied des Playboy ernannt und darüber hinaus Berater der Playboy Foundation.
Mit Hilfe des Playboy Funds erhielt Neier innerhalb von kürzester Zeit Spenden in Höhe von 40.000 Dollar für Kampagnen zu Abtreibung, freiwilliger Sterilisation, Geburtskontrolle und „BH-Losigkeit“ („bralessness“). Die Playboy Foundation stellte Print-Dienstleistungen zur Verfügung und druckte mehrseite ACLU-Pamphlete ab. Ein Spendenaufruf in der Oktober-Ausgabe des Playboys 1971 wurde gestartet und eine Benefizveranstaltung brachte Spendeneinnahmen von 100.000 Dollar für die ACLU ein. Die Kritik innerhalb und außerhalb der Organisation für die Annahme dieses „Blutgeldes“ wurde ignoriert.
Der Kampf um Geburtenkontrolle für die Frau war für die ACLU immer verknüpft mit der Thematik der privaten, einvernehmlichen Sexualität zwischen Erwachsenen, sowie der „Freiheit der eigenen Wahl“ (freedom of choice) in die sich der Staat nicht einzumischen habe. Entsprechende Klagen an amerikanischen Gerichten wurden von der ACLU und ihren Anwälten begleitet und medial gepuscht. Zwischen 1973 und 1977 führte die ACLU mehr als 100 Klagen im Bereich der reproduktiven Rechte (Abtreibung, Sterilisierung, …)
Hugh Hefner behauptet von sich selbst bereits ein Feminist gewesen zu sein, bevor der Feminismus überhaupt bekannt gewesen sei. Dieser kurze Auszug der Geschichte der Zusammenarbeit der ACLU und des Playboy mahnt zur Vorsicht: Wenn Männer sich für Frauenrechte einsetzen, sollten wir uns immer fragen: Welchen Nutzen ziehen sie selbst daraus. Und wie können wir uns dagegen absichern, dass unsere Rechte von anderen ganz gegensätzlich zur ursprünglichen Intention genutzt werden? Vor allem mahnt uns dies auch zur Wachsamkeit wann immer von „sexueller Selbstbestimmung“ oder „freier Wahl“ die Rede ist. Denn oftmals geht es dabei insbesondere darum, dass Männer Frauen ohne Angst vor Konsequenzen vögeln können. Und nichts anderes.
Der Schlussfolgerung kann ich voll und ganz zustimmen. Genau darum geht es, vögeln ohne Konsequenzen.
Und was die Verhütungsmittel angeht, warum müssen wir dazu Chemie schlucken, die auch noch teuer ist? Warum bringt uns denn keiner bei wie nfp sicher funktioniert und wie man über Akupunktur zur Not auch eine Abtreibung vornehmen kann?
Eine Frau die ernsthaft nfp betreibt, die überlegt sich mehrmals ob sie mit nem Kerl ins Bett steigt. Und möglicherweise entscheidet sie, dass er es ihr nicht Wert ist. Die Pille setzt das nachdenken stark herab…
Zudem, muss man in einer Beziehung mit nfp als Verhütungsmethode auch kurz nachdenken ob es sicher ist oder nicht. Aber das kann zu einer viel tieferen Sexualität führen…
Das sind Methoden die Übung und ein gutes Gefühl für den eigenen Körper benötigen, aber sie sind fast kostenlos (zwei Bücher, ein Basalthermometer, Kopien der Blätter zum Aufzeichnen = 25 Euro) und ohne Nebenwirkungen.
„Denn oftmals geht es dabei insbesondere darum, dass Männer Frauen ohne Angst vor Konsequenzen vögeln können. Und nichts anderes.“
Das ist absolut zutreffend. Gerade so genannte „progressive“ Kreise verkaufen Prostitution und Pornografie, zwei sexistische, frauenfeindliche Institutionen, gerne scheinheilig als Ausdruck „sexueller Freiheit“ und „Selbstbestimmung – von FRAUEN, wohlgemerkt. In Wahrheit geht es einfach darum, den sexuellen Zugriff von MÄNNERN auf Frauen aufrechtzuerhalten und zu legitimieren. Tatsächlich verspüre ich gegen solche pseudofortschrittlichen Kreise häufig eine größere Abneigung als gegen Konservative.
Richtig! Die Emanzipation hat in erster Linie den Mann befreit. Der Marktwert der Frau stürzt seit dem einfach ab.
@Eva
„Der Schlussfolgerung kann ich voll und ganz zustimmen. Genau darum geht es, vögeln ohne Konsequenzen.“
Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, wieso diese Aussage genderspezifisch sein soll? Scheinbar ist es für manche nicht vorstellbar, dass es auch Heerscharen an Frauen gab und gibt, die die Option auf „vögeln ohne Konsequenzen“ für eine gute Sache und im Vergleich zu früheren Zeiten unkomplizierteren Spass halten.
@Senfgeber: Natürlich! Und das war für viele Frauen eine Befreiung. Aber hier geht es um die problematischen Seiten. Die vielen blutjungen Mädchen, die zum „einvernehmlichen“ Sex mit Männern aus ihrem Bekanntenkreis genötigt wurden, gerade in der „Liberation“-Zeit. „Hab dich nicht so, das gehört dazu“. Gleichzeitig die Pornografie, die verfügbare Frauen zeigt, die dann Spaß haben, wenn der Mann Spaß hat, egal wie ekelhaft oder brutal es ist – autonome weibliche Lust Fehlanzeige. Zur Liberation gehört auch die Prostitution, und egal wie freiwillig oder nicht, hier geht es wieder um die Befriedigung männlicher Lust ohne Konsequenzen, also keine partnerschaftliche Lust. Mit Liberation hat man also vor allem eine bestimmte Form von Sexualität „befreit“, die die Machtverhältnisse der Geschlechter wiederspiegelt. Autonome weibliche Lust hat nur partiell von der Liberation profitiert und ist durch den Backlash bedroht.