Schwestern, warum nur sind wir so zahm geworden?

Patriarchat bekämpfen (Demobild)

(c) Maria Schmidt

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Maria Schmidt aus Berlin empfiehlt die radikalfeministischen Bücher von Christa Mulack

„Natürlich sind Frauen nicht die besseren Menschen, Gott bewahre!“: Das ist landläufige Meinung, auch z.B. bei Emma. Ein altbekannter (Angst?)reflex von Frauen, auch frauenliebenden, Herrschaft, Macht und Taten von Männern, die Tag für Tag die gesamte Welt mit ihren Grausamkeiten und ihrer ungeheuerlichen Zerstörungswut in Atem halten, nicht als das Grundübel (an)zuerkennen.

„Frauen sind auch nicht besser“: Ich kann’s nicht mehr hören und ich glaub’s auch nicht. Jetzt endlich habe ich eine gedanken- und wortmächtige Schwester im Geiste gefunden und bin dabei, ihre Bücher zu verschlingen: Christa Mulack: 1.)„…und wieder fühle ich mich schuldig – Ursachen und Lösung eines weiblichen Problems“, 2.)„Natürlich weiblich – Die Heimatlosigkeit der Frau im Patriarchat“ und 3.) „Religion ist zu wichtig, um sie Männern zu überlassen“ sind die Titel dreier ihrer Bücher aus den 90er Jahren, die für mich wie eine Offenbarung sind. Ihre Bücher möchte ich allen ans Herz legen, die immer noch versuchen zu begreifen, warum die Welt für eine deutliche Verbesserung und Rettung vor ihrer eigenen Zerstörung offensichtlich unzugänglich ist. Für die, die Christa Mulacks bahnbrechenden und überaus wichtigen Thesen noch nicht kennen, zitiere ich aus Buch 3:

Das wesentlich höhere Niveau, auf dem Frauen sich überwiegend bewegen, die moralische Überlegenheit ihrer Verhaltensmuster werden in ihrem leben- und kulturschaffenden und -erhaltenden Wert kaum wahrgenommen und schon gar nicht gesellschaftlich honoriert. (S.13)

Statt sich mit dem eigenen Geschlecht zu verbünden, stellen Frauen an Frauen weitaus höhere ethische Anforderungen als an den Mann. (S.14)

Im matriarchalen Weltbild .. gilt es, den Status des Integriertseins in einen weiblichen Kontext anzuerkennen, wenn es zu einer umfassenden Erneuerung unseres Denkens und Wertens kommen soll. Das wird aber so lange nicht möglich sein, wie wir nicht den Wert des Weiblichen – jenseits patriarchaler Abwertungen – neu entdeckt und erfahren haben. (S.17)
Der ethische Bankrott…der bereits mit den neuzeitl. Frauenverbrennungen offenkundig wurde, hat seine Wurzeln in der Vorstellung von einem Gott, der den Menschen die Erkenntnis von Gut und Böse verbietet. (S.28)
Mit der Reduzierung und gleichzeitigen Verabsolutierung des Göttlichen auf männliche Vorstellungen vollzog sich eine Trennung von Wirklichkeit und Göttlichkeit, durch die der Wirklichkeitsbezug der Menschen zutiefst gestört – wenn nicht gar zerstört – wurde. (S.30)

Losgelöst von der Wirklickeit des Menschen und der Natur wurden Ethik und Moral immer einseitiger an männliche Bedürfnisse und Herrschaftsmacht gebunden. (S.32)

Die Folge diese Niedergangs ethischer Verbindlichkeiten ist die vielbeklagte Orientierungslosigkeit. Ihr wiederum entspringt das Bedürfnis nach autoritären Strukturen. Wie das erschreckende weltweite Anwachsen des Fundamentalismus zeigt, vermag der männlich-patriarchale Gott dieses Bedürfnis offensichtlich zu befriedigen und zu erhalten. (S.32f)
Solange aber die lebensfernen Strukturen und Gottesvorstellungen aufgrund ihres Absolutheitsanspruches nicht in Frage gestellt werden, können ihre Repräsentanten den Bankrott der Moral in ein bloßes „moralisches Versagen des Menschen“ (hier sind Frauen perfiderweise mitgemeint!- Sippenhaft!) oder auch in eine auf die Frau zurückgehende „Erbsünde“ ummünzen und damit die wahren Hintergründe verschleiern. (S.33)

Und aus dem Buch „…und wieder fühle ich mich schuldig“ auch einige wenige Zitate, die uns weiterbringen können in patriarchatskritischer Argumentation:

Ich verwahre mich dagegen, durch den Vorwurf, ich würde „dulden“ oder „zulassen, daß…“ ins Spiel gebracht zu werden, wenn Männer ihre Profit- und Machtgier, ihr Freund-Feind-Denken sowie ihr Imponiergehabe in politische Handlungen umsetzen. (..) Bin ich mitverantwortlich für Männerkriminalität? (..) Ich bin nie gefragt worden, ob ich damit einverstanden bin, und weigere mich, Verantwortung zu übernehmen für Dinge, die gegen meinen Willen geschehen. Ich weigere mich,zwangsverpflichtet zu werden, mein Leben damit verbringen zu müssen, den Poblemen hinterherzurennen, die Männer auf diesem Globus anrichten… Wo alle schuldig sind, werden die wahren Schuldigen verschleiert. Wo alle gleichermaßen Verantwortung tragen, ist am Ende niemand verantwortlich. (Mulack, S.81f.)

Wenn ich von „Tabuisierung“ und nicht von „Verdrängung“ männlicher Schuld spreche, geht es mir darum, die Affektgeladenheit hervorzuheben, die mit der Verletzung dieses Tabus einhergeht. Diese Affektgeladenheit wird dort am deutlichsten, wo männer- und patriarchatskritische Feministinnen vorschnell und in recht affektiver Weise als „Männerhasserinnen“ abgestempelt werden. (..) Wer Männer kritisiert, ihr korruptes, doppelbödiges, gewalttätiges, umwelt- und beziehungszerstörerisches Verhalten benennt, verletzt ein Tabu, dessen Übertretung angst- und damit auch aggressionsbesetzt ist. Auf dem Hintergrund der weiten Verbreitung männlichen (und weiblichen) Frauenhasses ist es äußerst erstaunlich, wie wenig Männerhaß es im allgemeinen unter Frauen gibt, wo ihnen doch von männlicher Seite ein solches Maß an Gewalt und Verachtung entgegenschlägt. (S.143)

Der biblische wie auch der griechische Mythenkreis lassen erkennen, daß zu Beginn des Patriarchats der weibliche Machtverlust mit einem Zuwachs an Schuld verbunden war. Umgekehrt ging männlicher Machtzuwachs mit der Schuldentlastung des Mannes einher. Diese Zusammenhänge lassen sich bis in unser Jahrhiundert hinein nachweisen. (S.159)

Nur selbstbewußte, heile Mütter könnten ihre Söhne vor der Zerstörung durch den Männlichkeitswahn bewahren. Doch dazu bedürften sie des Rückzugs in ein nicht patriarchales weibliches Milieu. (S.209)

Diese Zitate aus dem mir bisher wichtigsten Buch von Christa Mulack, die ich damals, vor mehr als 20 Jahren, als sie es schrieb, leider nicht las, sollen hier nur eine Kostprobe sein und Interesse wecken. Ich habe es gebraucht gleich dreimal gekauft (4oo Seiten, gebunden).

6 Kommentare

  1. Interessant,dieser Artikel. Von Christa Mulack habe ich schon gehört,aber noch kein Buch gelesen. Was die „Emma“ anbelangt: Sie befasst sich sehr wohl und wiederholt mit „toxischer Männlichkeit“!

  2. „Nur selbstbewußte, heile Mütter könnten ihre Söhne vor der Zerstörung durch den Männlichkeitswahn bewahren. Doch dazu bedürften sie des Rückzugs in ein nicht patriarchales weibliches Milieu.“

    Diesen Rückzugsort wird es vermutlich so schnell nicht geben, leider und doch ist es natürlich so, dass all dies nur gestoppt werden kann, wenn Männer anders sozialisiert werden und da sind wir letztlich alle in Pflicht, denn Sozialisation erfolgt ja nicht nur durch Eltern.

  3. ruth percht

    christa mulack radikal? finde ich nicht, bzw. sie geht mir nicht weit genug! dann schon eher mary daly:) … und ich mag mich nicht schon wieder mit männern beschäftigen! und mit den religiösen lehren. jede einzelne sollte den männern keine energie geben und die welt schaut anders aus:)

  4. Christa Mulack ist in der Tat eine Augenöffnerin. Ich habe ihre Bücher auch verschlungen und mir ist Vieles klar geworden. Seit Mama ante Portas, (der früheren Angelika Aliti), Christa Mulack und Mary Daly, suche ich nach einer „patriarchatsfreien Zone“. Habe sie noch nicht gefunden, von meiner Wohnung einmal abgesehen….. ständig schwappt das Patriarchat über meine Türschwelle, via TV, Zeitungen, Nachrichten, Verdrehungen, fake news, chaotischer Politik, Korruptionsmeldungen, Gräuelmeldungen, Kriegs- und Foltermeldungen, Tierquäler-Meldungen, Umweltsünden,
    Finanzspiele…… Es nimmt kein Ende. Wo bitte sehr gibt es noch ein wirklich lebenswertes Leben auch für Frauen? Ich will nicht mehr ständig durch SEINE Augen die Welt sehen müssen und auch noch erklärt bekommen.
    Ja, Christa Mulack hat dies benannt. Wo ist aber der Weg aus der patriarchalen Matrix? Und wo ist die patriarchatsfreie Zone?

  5. Ich frage mich, wie sinnvoll es ist, das Patriarchat anhand von Kategorien zu kritisieren, die ihren Ursprung gerade IM bürgerlichen / patriarchalen Denken (siehe „Moral“) oder aber im monotheistischen / patriarchalen (siehe „Schuld“) haben. Dieser Argumentationsansatz kommt mir recht zirkulär vor. Die „Emanzipation“ liegt dann ausschließlich in einer Absage an das Männliche? Soweit mir bekannt ist, ist auch die „moralische Frau“ ein Konstrukt des bürgerlichen Zeitalters (die Frau als Gegenstück zum Mann, die seine Schlechtigkeit balanciert und die heteronormative Ehe zum perfekten Lebensmodell idealisiert).
    Fragwürdig finde ich überhaupt die ausschließliche Verbindung von Patriarchat und Religion. Zweifellos diente diese zu allen Zeiten als Herrschaftsinstrument, aber warum dann keine allgemeine Herrschaftskritik? Herrschaft, die von Frauen ausgeübt wird, ist in Ordnung, weil ihre Religion eine naturverbundene/spirituelle ist und eben keine, die sich zwangsläufig auf ein höheres männliches Wesen bezieht?
    In beiden Fällen wird eine „Elite“ definiert (in diesem Fall anhand von Geschlechtervorurteilen), die es für sich beansprucht, mit den höheren Mächten der Welt in Verbindung zu stehen und daraus Herrschaftsansprüche legitimiert. So schafft man die Grundlage für Unterdrückung und schließt eine Gesellschaft, deren Mitglieder sich auf Augenhöhe begegnen, aus.
    Als Atheist geht mir jedes Verständnis dafür ab, warum Fiktion in einen Diskurs integriert werden sollte, der sich mit sehr realen Zuständen beschäftigt. Wozu der Umweg? Warum sich als Frau über ein Legitimationsmodell definieren, dem sich zuvor Männer Jahrtausende lang bedient haben? Warum nicht einfach auf dem Boden der Tatsachen bleiben?
    Schätze, ich gehöre wohl einfach der Front an: Männer und Frauen sind Menschen und keiner von beiden ein von Natur oder Gott privilegiertes Geschlecht.

  6. Habe jetzt „Und wieder fühle ich mich schuldig…“ gelesen,weil ich (leider) mit dem Titel sehr viel anfangen kann und fand das Buch sehr wohltuend. Danke für den Lesetipp! Und selbsr wenn man der Welt der Männerreligionen schon lange und sehr radikal den Rücken gekehrt hat,ja sogar ihnen den Krieg erklärt hat,weil man das unsägliche dumme und im Grunde bösartige Geschwätz einfach nicht mehr erträgt,so muss einem doch klar sein wie tief religiös (oder pseudo-religiös) gehirngewaschen wir undunsere „Kultur“ sind. Darauf muss im Zusammenhang mit „Schuld“ eingegangen werden,was Christa Mulack ja auch tut,genauso wie Mary Daly. Und Auswege aus den patriarchalen Strukturen? Mir genügt es schon (leider), wenn ich die uralten familiären Schuldzuweisungen für mich selbst zurückweisen kann,danke,Christa Mulack,und den Kopf ein wenig höher trage im Gegensatz zur allgegenwärtigen asexuellen Maria mit ihrem endlos gesenkten Kopf.

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