Schlagwort: Breitmachmacker

Manspreading – Keine Beine breit für Männer

Manspreading (Stockholm Metro)

By Peter Isotalo (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons

Seit einigen Tagen bekommt die geplante Werbekampagne der Metropolitan Transportation Authority (MTA) in New York sehr viel Aufmerksamkeit. Eigentlich ist es Zielsetzung dieser Werbekampagne  Höflichkeitsregeln, bei der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, wieder aufleben zu lassen und darauf hinzuweisen, dass man auf andere Mitreisende Rücksicht nehmen sollte. Der Slogan heißt: “…Courtesy Counts: Manners Make a Better Ride.“.. „.Höflichkeit zählt… Gutes Benehmen sorgt für eine bessere Fahrt“.  Ein Aspekt dieser Kampagne ist es, Männer dazu zu bekommen, nicht breitbeinig auf den Sitzplätzen zu sitzen und so mehrere Sitzplätze einzunehmen. Wie üblich, wenn das Recht von Männern eingeschränkt werden soll, egal wie groß oder wie klein diese Einschränkung sein mag, dann ist dies einen öffentlichen Aufschrei und einen Artikel in der New York Times wert. Die Welt geht unter, anscheinend, wenn Männer nicht mehr Frauenbeine berühren können oder Frauen gar zwingen können ganz eingequetscht in der Ecke zu sitzen.

In vielen Selbstverteidigungskursen oder Rethorikkursen wird Frauen seit Jahren beigebracht Männern, die ihre Beine auf Sitzplätzen breit machen, anzusprechen, in aller Deutlichkeit, und sie aufzufordern die eigenen Beine nicht zu berühren und ihren Raum auf einen Sitzplatz zu beschränken.

Trotz dieses Themas seit Jahren habe ich es noch nie erlebt, dass Frauen Männer im Bus, Bahn oder S-Bahn aufgefordert haben, ihre Beine nicht so auszubreiten.

Ich persönlich gebe zu, nur zwei Mal in meinem Leben Männer hierzu aufgefordert  zu haben. Vor Jahrzehnten war ich sehr erfolgreich mit der Aufforderung:..“ Nehmen Sie bitte ihre Beine zusammen. Ich sitze hier auch und möchte nicht berührt werden. Danke.!“. In den letzten Jahren habe ich eher meine Tasche oder meinen Rucksack zu Hilfe genommen und diese an meine Seite, teilweise, gelegt umso den männlichen Raum zu nehmen. Ich hatte mir auch überlegt, ob es sich in diesem Zusammenhang lohnen würde, Rucksäcke mit ausfahrbaren Nadeln zu produzieren, nur für Frauen. Ein kleiner Stich bei Bedarf, ein Aufschrei, und einen verwirrten und unschuldigen Blick von Frauenseite mit dem Kommentar…“Wie soll ich sie denn Bitte gestochen habe-ich sitze hier doch nur..“. Träume im öffentlichen Nahverkehr…

Zugegebenerweise habe und hatte ich in den letzten Jahren Angst verbal deutlich zu werden, wie viele, da niemand bei einer aggressiven Reaktion mir gegenüber reagieren würde. Ich hatte allerdings mehrfach das Problem, dass sich Männer zu mir auf einen breiteren Einzelplatz setzen wollten. Hier wurde ich schon verbal sehr deutlich, aber auch hier blicken Mitfahrende in der Regel nur glasig und starr vor sich hin, wie bei vielen kleinen und größeren Zwischenfällen im Nahverkehr.

Wer übrigens denkt, dass diese Kampagne der MTA die Zielsetzung hatte, sexuelle Belästigungen von Frauen durch Dominanzgehabe von Männern einzudämmen, der irrt sich. Es war und ist in dieser Werbekampagne nie Thema, wie Frauen sich fühlen, wenn sie Bein an Bein sitzen müssen oder sogar aufstehen müssen bei unangenehmen Berührungen. Frauen sind dazu sozialisiert, keine aggressiven Auseinandersetzungen einzugehen und freundlich und nachgiebig zu bleiben. Zusammen mit der eben erwähnten Ignoranz anderer, sorgt dies für Rückzugsverhalten.

Der eigentliche Grund für diese Kampagne war, dass immer mehr Menschen die New Yorker Subway nutzen. 2014 wurde die Subway von 6,1 Millionen Menschen genutzt. Zehn Jahre zuvor waren es nur 5,1 Millionen Menschen. New York selbst hat 8,4 Millionen Einwohner und so werden immer mehr Menschen auf immer engeren Raum zusammen gedrängt.

Philadelphia hat auch eine neue Werbekampagne gestartet mit: “Dude It’s Rude… Two Seats — Really?”..“ Mann, es ist unfreundlich…echt zwei Sitzplätze?..“.

Die Reaktionen von Männern, die bisher hierzu befragt wurden, war nicht gerade einsichtig. In der New York Times gab ein Mann von sich:“ Ich lege doch nicht meine Beine übereinander wie Frauen. Ich sitze so wie ich es will…“!.

In Kanada gab es, da eine ähnliche Kampagne geplant war, schon eine Gegenkampagne  seitens Männern, die behaupteten, Männer müssten breitbeinig sitzen, um ihre Hoden zu belüften. Die Canadian Association for Equality (CAFE) startete eine online Petition, um eine genderneutrale Kampagne zu fordern. Ihr Argument: auch Frauen haben das Recht Kinderwagen im öffentlichen Nahverkehr mitzunehmen, oder  ihre Kinder zu stillen. Aus diesem Grund haben Männer das Recht, ihre Beine breit zu machen. Die männliche Anatomie erfordere bequemes Sitzen. Merkwürdigerweise fokussiert sich diese Petition eigentlich auf Frauen, die mit Kindern den öffentlichen Nahverkehr nutzen müssen. Prinzipiell scheint sich diese Organisation also an Kindern zu stören.

Ich warte jetzt auf die Gegenkampagne dieser Gegenkampagne von Frauen, mit dem Hinweis, dass Frauen auch breitbeinig sitzen müssen um ihre Vaginas wegen  Periodenblut oder anderem Ausfluss zu belüften.  Das könnte zumindest Männern zukünftig Angst machen, wenn Frau sich auch breitbeinig hinsetzt.

Allen Artikeln oder Kampagnen zu diesem Thema haben in jedem Fall eins gemeinsam: das breitbeinige Sitzen von Männern wird nicht gesehen als das was es ist: männliches Dominanzverhalten um Raum einzunehmen und um eventuell Frauen durch Berührungen, Bein an Bein, zu belästigen. Es handelt sich sozusagen alles um Mansplaining zu Manspreading. Thema ist auch nicht, wie viele Frauen, unabhängig von diesem affenartigem Gehabe, im Gedränge berührt werden (es erregt manche Männer sexuell Frauen ungewollt im Gedränge zu berühren) oder wie viele Frauen schon Masturbation beobachten mussten, nur weil sie gezwungen waren den Bus oder die Bahn zu nutzen. Manspreading ist kein genderneutrales Thema und es kotzt mich an, dass es zu diesem gemacht wird. Im Kommentar der Chicago Tribune heißt es sogar, dass das Problem des “manspreading” bis vor der Kampagne unbekannt war und erst jetzt alle eines besseren belehrt wurden. Über so viel Ignoranz können Frauen wahrscheinlich nur schreien. Tatsache ist, das es für Männer nie ein Problem war und wer hat sich je dafür interessiert, was für Frauen unerfreulich war und als belästigend empfunden wurde…Einfach nicht so anstellen, wenn ein alter Sack debil grinsend sich freut, wenn er sich an einer jungen Frau reiben kann, Bein an Bein, und die langweilige Fahrt mit sexuellen Fantasien verbringen kann.

Um Dominanzverhalten entgegenzutreten, ist es erforderlich selbst körperlich zu agieren und Raum einzunehmen. Aber im Zusammenhang der sexuellen Komponente ist dies für Frauen natürlich sehr schwierig. Es scheint aber zu funktionieren. Vor vielen Jahren gab es Irritationen über eine Frau in der Nachbarschaft, die gerne ohne Unterwäsche im Rock sich breitbeinig vor Männer setzte und diese angrinste. Merkwürdigerweise bekamen diese alle Angst und flohen. Die Körpersprache dieser Frau orientierte sich an der männlichen Körpersprache, und so war die Wirkung ihres Verhaltens aggressiv, und nicht unterwürfig.

In jedem Fall, egal wie effektiv es in Deutschland wäre, würde ich mich trotzdem über eine ähnliche Kampagne gegen „manspreading“ freuen. Auch wenn es genderneutral gehalten werden würde. Ich bin mir sicher, dass auch so eine Diskussion in aller Deutlichkeit beginnen würde. Allerdings ist mir noch kein deutsches Wort für “manspreading” eingefallen, aber daran soll es nicht liegen.

 

http://www.nytimes.com/2014/12/21/nyregion/MTA-targets-manspreading-on-new-york-city-subways.html

http://www.chicagotribune.com/news/opinion/editorials/ct-manspreading-edit-0102-20141231-story.html

http://www.thestar.com/news/gta/2014/12/28/manspreading_a_transit_controversy_with_legs.html