Habt ihr ihn auch noch in den Ohren den Schlachtruf der letzten Wochen? „Satire darf alles!“ – Rassismus, Sexismus, Homophobie. Alles scheiss egal, ist halt Satire. Und wer das geschmacklos und nicht lustig findet, soll sich nicht so anstellen. Meinungsfreiheit und so.
Samstag in die Stadt zum Einkaufen gefahren und die bittere Erkenntnis: Fastnacht steht vor der Tür und es wird bald wieder Zeit für Menschen, die das Vergnügen haben in einer „Fastnachtshochburg“ zu leben, sich mindestens eine Woche zu Hause einzusperren um diesem Wahnsinn irgendwie halbwegs unbeschadet zu entgehen. Überall „lachten“ mich wieder unsägliche Plakate an. Rotlicht ist dieses Jahr offenbar wieder ein beliebtes Thema im Rhein-Main-Gebiet. Ob die 10. Auflage des „Mainzer Hurenballs“ oder in Wiesbaden die Neuauflage der Party „Rotlicht, Kiez und Leichtmatrosen“. Das Bühnenbild in Aulhausen zeigt die weit gespreizten, bestrapsten Beine einer Frau, Motto „Auf St. Auli brennt noch Licht“ (Danke an MS für den Hinweis). Sehr originell. Wirklich. Schade, dass es hier keinen „rollende-Augen-Smiley“ gibt.
Lassen wir mal außen vor, dass bei der Fastnacht die so genannten Elferräte fast ausschließlich männlich besetzt sind und Frauen sich in der Regel nur als Funkenmariechen oder im Prinzenpaar verdingen können. Obwohl okay, sie haben ja ihre „(Alt-)Weiber“-Fastnacht und dürfen Männern ihre Krawatte abschneiden. Vielleicht seh ich das einfach zu eng.
Schauen wir uns mal die genannten Veranstaltungen (exemplarisch) etwas näher an.
Die „Mega-Party“ „Rotlicht, Kiez und Leichtmatrosen“ wird wie folgt beworben:
„Ob Nutten und Luden, Matrosen und Showgirls – alles was auf dem Hamburger Kiez Rang und Namen hat feiert an diesem Fastnachtsfreitag bei uns in der Schmelze bis in die frühen Morgenstunden“
Die Rollenverteilung ist klar: Als Frau kann ich mich für eine Verkleidung (und Rolle) der „Nutte“ oder „Showgirl“ entscheiden. Ich stell mich wahrscheinlich einfach nur an, wenn das für mich irgendwie so keine Option sein will. Nicht mal als Verkleidung.
Beim „Mainzer Hurenball“ kann ich sogar noch einen Schritt weiter gehen und, wie so viele andere, im Netz eine Anzeige schalten „Wer will mich denn begleiten und es beim Hurenball wild treiben? TG (Taschengeld) erwünscht“
In der Ankündigung heißt es
„An 364 Tagen im Jahr verstehen Menschen das Wort „Hure“ eher negativ. Doch an Fastnacht ist alles ein bisschen anders. Denn der Mainzer Hurenball ist eine feste Institution zur Weiberfastnacht geworden.“
An Fastnacht darf Frau also mal einfach „Hure spielen“ – und wenn sie will das Video hinterher auf die einschlägigen Videoportale stellen. Unter dem Stichwort „Mainzer Hurenball“ finden sich zumindest zahlreiche Treffer von der „geilen Nathalie“, zu „besoffenen Piss-Exzessen“ und „drunken gang bang“ – alles dabei.
Dass die Fastnachtszeit auch eine beliebte Zeit für den Einsatz von KO-Tropfen und für Vergewaltigungen ist, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Im Zweifelsfall schiebt man das eben in bekannter Victim Blaming Manier den Opfern selbst in die Schuhe:
„Es gibt 14-, 15-Jährige, die werden Opfer sexueller Übergriffe, die wissen nicht mehr, was sie tun, wenn sie volltrunken auf dem Rosenmontagszug herumfallen.“ (Wiesbadener Kurier)
Problem gelöst: Jugendliche sollen einfach weniger trinken, nicht etwa Männer weniger sexuell übergriffig werden.
Nun zu einem anderen Aspekt: dem Rassismus
In Frankfurt beispielsweise gibt es einen Carnevalsverein, der sich „Die Kameruner“ nennt. Die hielten noch bis vor wenigen Jahren ihre „Negersitzung“ ab und sprangen braun angemalt im Baströckchen auf der Bühne herum.
Auch wenn die Sitzung, vor allem wegen des Protests der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ inzwischen umbenannt wurde in „Hulla Rumba Sitzung“ – wirklich verstanden wurde die Kritik nicht. Blackfacing findet nach wie vor statt – und der 1922 gegründete Verein macht natürlich auch keine Anleihen an den Kolonialismus der Deutschen in Kamerun. NEEEIEN, wer kommt denn auf solche abwegigen Ideen?
Laut Aussagen von Kostümläden sind die beliebtesten und am schnellsten vergriffenen Kostüme „Zigeunerin“ (klassisch und sexy), „der Mohr“, „Native American“ oder auch, Achtung kombiniert mit Homophobie, “die Afrotucken“.
Übrigens beim Kostüm der Zigeuner-Wahrsagerin schließt sich dann der Kreis wieder:
„Zu dieser Wahrsagerin kommen hauptsächlich männliche Kunden – und auch diese nur nebensächlich wegen Ratschlägen zu ihrer Zukunft.“ http://www.phaeoshop.de/fasching/Karnevalskost%25FCme%2BKlassiker/?seite=3
Interessant ist immer wieder festzustellen, dass selbst eingefleischte AntifaschistInnen von Kritik an diesen zweifelhaften Verhaltensmustern nichts wissen wollen. Wenn es um Fastnacht geht ist political correctness nicht besonders gefragt.
„Kein Narr will irgendwen beleidigen, alles Jux und Tollerei“ – ach was sind wir doch wieder für verklemmte und spießige Spaßbremsen.