Die Anzahl der Tierversuche insbesondere von Seiten der Pharmaindustrie ist hoch. Die Tiere werden oft selbst zur Verwendung gezüchtet, damit das wahre Ausmaß der Quälerei nicht bekannt wird. In jedem Fall werden jedes Jahr Millionen von Wirbeltieren zum angeblichen Zweck der Forschung „verbraucht“, zusätzlich zur industriellen Fleischproduktion.
Eine vergleichsweise neue Strategie des whitewashing ist es, Beagles aus Labors zu vermitteln, als ob dies ihr unendliches Leid und ihre Schmerzen, die sie in den Versuchslaboren erduldeten, verändern könnte. Nur wenige Beagle werden überhaupt aus den Labors vermittelt, denn die meisten werden direkt nach „Nutzung“ getötet. Aber die wenigen vermittelten Beagle erwecken den albernen und kranken Eindruck, als wenn die Pharmaindustrie sich für die Reduktion von Tierleid interessieren würde, oder mit Tierrechtsorganisationen zusammen arbeiten würde.
Merkwürdigerweise behauptet die Pharmaindustrie, keinen Einfluss auf die Gesetzeslage zu haben und Versuche durchführen zu müssen. Wenn man allerdings den Einfluss und die Macht der Pharmakonzerne betrachtet, erscheint dies äußerst lächerlich. Massiver Widerstand der Pharmakonzerne gegen Tierversuche sind den meisten TierrechtsaktivistInnen neu.
Die Pharmaindustrie, und hierfür beispielhaft Boehringer-Ingelheim sagt:
Wir können auf diese Tierversuche in absehbarer Zeit nicht verzichten. Aber wir können kontinuierlich daran arbeiten, Einsatz und Haltung unserer Tiere zu verbessern und die Entwicklung von Alternativmethoden voranzutreiben, die Tierversuche ersetzen oder ihre Anzahl verringern.http://www.verantwortlich-forschen.de/
Merkwürdigerweise, obwohl alles so nett und sauber ist, werden keine Statistiken veröffentlicht und keine Fotos und Versuchsanordnungen veröffentlicht. Es gibt aber doch nichts zu verbergen oder? Transparenz ist doch wichtig, wenn alles so sauber abläuft oder? Aus irgendwelchen Gründen hat es etwas ganz besonders grausames, wenn insbesondere Beagles gerne benutzt werden, denn sie sind durch ihr positives Sozialverhalten besonders gut verwendbar. Natürlich wäre die Quälerei von deutschen Schäferhunden genauso brutal, aber der Sadismus wird an Beaglen besonders deutlich demonstriert.
Wen wir aber zurückblicken in die deutsche Geschichte und die Zusammenhänge der NS-Medizin mit der Pharmaindustrie, insbesondere I.G. Farben und die weiter bestehenden Teilkonzerne, die personellen Verflechtungen und die brutalen Menschenversuche in den Konzentrationslagern, dann erstaunt nichts mehr. Auch das Fortbestehen brutaler Tierversuche erstaunt nicht.
Wenn meine Empathie tot ist für ein anderes Lebewesen, egal ob Mensch oder Tier, und diese Grenze überwunden wurde und das andere Wesen zu einem Objekt zur eigenen Bedürfnisbefriedigung geworden ist (auch Neugier ist ein Bedürfnis), dann macht es keinen Unterschied, nicht wirklich, ob ich an Menschen oder Tieren forsche und dies in Konzentrationslagern getan habe oder das Ganze in Tierversuchslaboren fortsetze. Der Unterschied ist graduell. Entweder ich kann es, oder ich kann es nicht. Und wenn ich es kann, dann ist ein Teil von mir gestorben. Und ich wage zu sagen, leidvolle Versuche können dann auch an Menschen durchgeführt werden. Das wurden sie ja auch, nicht wirklich überraschend.
Aber gehen wir in die Vergangenheit:
Viele der Überlebenden der Konzentrationslager berichteten nach ihrer Befreiung 1945 von grausamen Experimenten der Ärzte der Konzentrationslager mit Krankheitserregern und Drogen. Aber auch mit Kälte, sauerstoffarmer Luft, und Meerwasser. Die I.G. Farben waren an unzähligen Experimenten beteiligt, teilweise durch Lieferungen der zu testenden Medikamente (unter anderem Marfanilpuder und Mittel gegen Fleckfieber).
Parallel zu den Tests von Behringwerke und Bayer Leverkusen führte die chemisch-pharmazeutische und serologisch-bakteriologische Abteilung von Hoechst Experimente an Auschwitz-Gefangenen mit ihrem neuen Mittel gegen das Typhusfieber „3582“ durch. Die Ähnlichkeit zu Tierversuchen macht eine der wenigen beteiligten Ärztinnen deutlich. Oberheuser sagt bezüglich Versuchen zur Übertragung von Gasbrand auf lebende Frauen in Ravensbrück: „Mir war die Therapie und Betreuung der sogenannten Kaninchen im Revier 1 überlassen.“ (Klee, S.156). Die Zahl der Ärzte die an Versuchen in den Konzentrationslagern beteiligt waren und danach in der Pharmaindustrie tätig waren, ist endlos. Nahezu alle Beweisstücke wurden allerdings vernichtet (oder auch von den Alliierten unter Verschluss genommen).
Auf Schloss Kransberg im Taunus wurde nach dem Krieg die sogenannte „wissenschaftliche Elite“ des Nationalsozialismus inhaftiert und verhört (Operation Dustwind). Auch Experten, die in Dachau die Wirkung tödlicher Keime und Drogen an Menschen testeten, waren dabei. Einige wurden in den Nürnberger Prozessen freigesprochen, obwohl die vorgelegenen Beweise für eine Verurteilung hätten ausreichen müssen. Angeblich fand dann 1952 ein Treffen im IG-Farben Haus in Frankfurt statt, dem Sitz der CIA. Inhalt war hierbei das Projekt „Artichoke“, an dem auch Naziverbrecher beteiligt gewesen sein sollen.
Im Taunus soll ein geheimes Verhörzentrum, „Camp King“ existiert haben, in dem Menschenversuche der CIA zu Gehirnwäsche und Verhörmethoden mit verschiedenen Drogen, Elektroschocks und Folter durchgeführt worden sein sollten an inhaftierten Spionen und Überläufern. Ziel war es Manipulationstechniken zu verbessern und danach das Gedächtnis zu löschen. Die Experimente der Nazis in den Konzentrationslagern wurden sozusagen fortgesetzt. (http://www.3sat.de/page/?source=%2Fscobel%2F162186%2Findex.html).
Ein wirklicher Wertewandel fand nicht statt, ein wirkliches ethisches Umdenken mit neuen Handlungsoptionen wurde nie versucht. Es war eine Art Fortsetzung von altbewährtem-wissenschaftliche, angebliche Erkenntnis stand über allen anderen Werten. Auch in der damaligen Villa Schuster am Rande der Stadt Kronberg im Taunus, heute bekannt unter dem Namen Haus Waldhof, fanden Verhöre an Gefangenen statt, bei denen Folter, Drogen und Hypnose angewandt wurden. Aufzeichnungen belegen, wie sowjetischen Agenten Mittel verabreicht wurden, um sie einer Gehirnwäsche zu unterziehen und um so Geheimnisse und Informationen zu erlangen (https://sites.google.com/site/mcrais/bluebird).
In der Zeit von 1949 bis 1953 wurden demzufolge in der Bundesrepublik Deutschland wesentliche Voraussetzungen zur gesellschaftlichen Integration von früheren NS-Tätern geschaffen.
Auch im Unternehmen Grünenthal , das für den Conterganskandal verantwortlich war, arbeiteten nach Berichten der WAZ ab den 1950er Jahren unter anderem ehemalige nationalsozialistische Chemiker und Mediziner, die an Menschenvdrsuchen in den Konzentrationslagern beteiligt waren, wie zum Beispiel Otto Ambros, einer der Verantwortlichen für das KZ Auschwitz III, Heinz Baumkötter, Martin Staemmler (ab 1960) und Ernst Schenck (1964–1971). Auch dem Leiter damals der Forschungsabteilung, die Thalidomid entwickelte, Heinrich Mückter, warf die polnische Justiz medizinische Experimente an KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern während der NS-Zeit vor (http://www1.wdr.de/themen/archiv/sp_contergan/contergan166.html). Ein Sprecher der Firma Grünenthal äußerte sich früher dazu, das Unternehmen habe bisher sein Firmenarchiv nicht zur Aufarbeitung geöffnet und sehe keinen Anlass, Verbindungen zu NS-Verbrechern zu beleuchten, „da unsere Firma erst in der Nachkriegszeit gegründet wurde“. Das Unternehmen ist zudem Gründungsmitglied des Vereins für Freiwillige Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie.
Aber viele weitere personelle Verflechtungen ehemaliger NS-Ärzte mit der Pharmaindustrie waren bekannt. Und interessierten nie wirklich jemanden. Ernst Klee nennt noch Dr. Emil Schmitz und Fritz Fischer, die später für Boehringer arbeiteten. Gerhard Schrader wurde erst vom US- Army Chemical Corps abgeworben, aber ging dann zu Bayer. Der Nürnberger Kriegsverbrecherprozess spaltete IG Farben in Bayer, Hoechst und BASF auf. Im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess wurden tatsächlich insgesamt 24 Vorstandsmitglieder und Führungskräfte von IG Farben wegen Massenmord, Versklavung und anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Allerdings waren sie alle bis 1951 wieder frei und arbeiteten als Berater in deutschen Unternehmen.
Ernst Klee, der mehrere Bücher zur NS-Zeit veröffentlichte, fast die Situation passend zusammen: “Die deutsche Forschungsgemeinschaft, das zentrale Selbstverwaltungsorgan der Wissenschaft, beklagt 1996 in einer Denkschrift Behinderungen der Forschung, speziell bei Gentechnik und Embryonenforschung….in Ausschwitz wurde dieser Traum erfüllt: der absolute Zugriff auf lebende und auf werdende Menschen. Eine Orgie verbrauchender Forschung.“ (S.491).
Heute stehen nur noch Tiere zur Verfügung, die zwar leidensfähig, aber wehrlos sind. Wer entscheidet über den Wert des Lebens und was sagt es aus über uns, wenn wir die Entscheidung treffen welches Leben mehr oder weniger wert ist und für anderes Leben gefoltert werden muss.
Die Pharmaindustrie jedenfalls sollte diese Entscheidung nicht treffen können. Sie hat im ethischen Handeln kläglich versagt. Schon lange.
Die Diskussion zu Tierversuchen muss wieder geführt werden. Auch und insbesondere angesichts der deutschen Geschichte.
Quellen:
IG Farben, Von Anilin bis Zwangsarbeit, von Jörg Hunger und Paul Sander
Ausschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer, Ernst Klee, Fischer Verlag, 2008
http://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCnenthal_%28Unternehmen%29