Über Jackie Fuchs, Vergewaltigung und den „Bystander Effekt“

The Runaways logo

By Mercury Records (fanpop.com) [Public domain], via Wikimedia Commons

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Der englisch-sprachige Original-Artikel „On Jackie Fuchs’ rape and ‘the bystander effect’“ von Meghan Murphy erschien am 15. Juli 2015 bei Feminist Current, Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Nach der Lektüre von Jason Cherkis‘ beeindruckender Reportage über die Runaways, der Girl-Band, die Frauen wie Lita Ford und Joan Jett zu Rocklegenden machte, war ich sehr erschüttert. Das hat selbst mich überrascht. Im Rahmen meiner Arbeit sollte man meinen, dass solche Dinge keinen Schock und Entsetzen mehr auslösen –  Überraschung, Überraschung, pädokriminelle Täter waren im 70er-Jahre-Rock’n’Roll Gang und Gäbe. Erzählt mir etwas, das ich noch nicht weiß.

Letztes Jahr fiel ich in ein Internet-Wurmloch und las über die vielen Übergriffe durch unsere 70er-Jahre Rock-Helden. „Beziehungen“ zwischen erwachsenen Männern und jungen Frauen waren völlig normalisiert in der Szene und niemand verlor ein Wort über den Missbrauch und die Ausbeutung, die von ihnen ausging, man verbuchte es unter „Sex, Drugs und Rock’n’Roll“.

Ein paar Beispiele:

  • Jimmy Page entführte und vergriff sich an der 14-Jährigen Lori Maddox, die drei Jahre bei ihm blieb, ich vermute aufgrund einer Art Traumabindung oder Stockholm-Syndrom (Genau genommen war Maddox auf diesen Missbrauch bereits vorbereitet, sie hatte ihre Jungfräulichkeit mit 13 an David Bowie verloren.)
  • Cher traf Sonny Bono als er 27 war und sie 16
  • Iggy Pop hatte Sex mit dem „Baby Groupie“ Sable Starr, als diese 13 war
  • Rolling Stones Gitarrist Billy Wyman „datete“ die 13 Jahre alte Mandy Smith als er 47 war und heiratete sie schließlich
  • Mit 27 hatte Steven Tyler eine 14-Jährige „Freundin“, das heißt, er überzeugte die Mutter von Julia Holocomb, ihm das Sorgerecht zu überschreiben, damit er sie mit auf Tour durch die Vereinigten Staaten nehmen konnte. Über ihre Beziehung mit Tyler sagte Holocomb: „Ich unterstand ihm wie in einer Eltern-Kind-Beziehung und ich hatte das Gefühl, wenig Kontrolle über mein Leben zu haben“ Sie sagte auch, dass Tyler sie öffentlich hypersexualisierte, in seiner Biographie nannte er sie „meine kleine Oral-Annie“ („my Little Oral Annie“).
  • Mit 30 wurde Ted Nugent (der ein Lied darüber schrieb, wie er ein 13 Jahre altes Mädchen vergewaltigte) der rechtliche Vormund der 17-Jährigen Pele Massa, um nicht wegen Kindesmissbrauch angeklagt zu werden

Es gibt noch viel mehr solcher Storys. Wenn man sich mit bekannten „Groupies“ wie Bebe Buell und Pennie Trumble (die Frau, auf der die Rolle von Penny Lane in Almost Famous basiert) beschäftigt, findet man Geschichte auf Geschichte von minderjährigen Mädchen, auf die von erwachsenen Männern der Rock Szene Jagd gemacht wurde.

Manche romantisieren das und denken, diese Mädchen seien sexuell empowerte, wilde „Verführerinnen“ gewesen, die Rock Stars idealisierten und einfach nur ihren Helden nah sein wollten, aber der Fan-Kult eines Mädchens oder ihre „Reife“ machen es nicht ok für Männer, dies auszunutzen. Tatsächlich ist das Machtgefälle zwischen Fan und Idol an und für sich eher grotesk, wenn es um sexuelle Beziehungen geht. Von daher ist es mir völlig egal, ob diese Mädchen „sich entsprechend kleideten“ oder ob einige von ihnen einer Beziehung mit diesen Männern eigentlich „zustimmten“. Das nennt man Victim Blaming und es lässt ein Verständnis von Dingen wie Rolle von Macht und Zwang in missbräuchlichen Beziehungen vermissen. (Priscilla Presley zum Beispiel war 14 Jahre alt, als Elvis Presley anfing, ihr nachzugehen – zu diesem Zeitpunkt hat sie vielleicht geglaubt ihn zu „lieben“, aber in der Rückbetrachtung sagt sie: „Ich war seine Kreation. Ich war nur ein Kind und wurde von ihm konsumiert. Alles was ich mir ersehnte, war ihn nicht zu enttäuschen.“) Es ist die Verantwortung von Erwachsenen, keinen Sex mit Kindern zu haben. Dass diese Männer Jagd auf Frauen machten, die tatsächlich noch keine Frauen waren, zeigt nur dass es sich um missbrauchende Männer handelt, die getrieben waren von ihren Egos und einem Verlangen, jemanden unter ihrer Fuchtel und Kontrolle zu haben.

Während prominente Männer weiterhin ihre Vorteile aus ihren Machtpositionen ziehen und junge Frauen und Mädchen ausbeuten (zum Beispiel R. Kelly), scheint heutzutage die Bevölkerung mehrheitlich dieses Verhalten abzulehnen. Damals wurde das Täterverhalten scheinbar entweder ignoriert oder belächelt (Männer sind halt Männer!).

Was Cherkis in seiner Story ans Licht bringt, ist die Vergewaltigung des Bandmitglieds der Runaways, Jackie Fuchs (auch bekannt als Jackie Fox), die ihr durch den Bandmanager Kim Fowley angetan wurde. Der Übergriff ereignete sich auf einer Party, vor den Augen einer Reihe von Menschen, unter denen auch die damaligen Bandmitglieder Cherie Curie und Joan Jett waren. Fowley war 36, Fuchs war 16. Ihr waren Alkohol und Schlafmittel verabschreicht worden und sie war weggetreten. Cherkis schreibt:

Fowley lud andere Typen ein, Sex mit Jackie zu haben, bevor er seine eigenen Hosen runterzog und auf sie drauf kletterte. „Kim fickt jemanden!“ ertönte eine Stimme aus dem Motel-Zimmer in Richtung des Partyvolkes draußen, um sie zum Zusehen zu animieren. Arguelles kehrte in den Raum zurück um zu sehen, ob es sich um einen Scherz hielte.

Auf dem Bett spielte Fowley mit der Menge, fletschte mit den Zähnen und heulte wie ein Hund, während er Jackie vergewaltigte. Zwischenzeitlich stolzierte er mit geschwellter Brust im Raum umher, bevor er zu Jackies Körper zurückkehrte.

„Ich erinnere mich, dass ich meine Augen öffenete und Kim Fowley mich vergewaltigte und da waren Leute, die dabei zusahen“ sagt Jackie. Sie schaute sich im Zimmer um und sah wie Currie und Jett sie anstarrten. Sie sagt, dies ist die letzte Erinnerung an diese Nacht. Jett ließ ausrichten, dass sie das Erlebnis, wie hier beschrieben, beobachtet habe. Ihr Beauftragter verwies alle weiteren Fragen an Jackie „da es ihre Angelegenheit ist und sie für sich selbst sprechen kann.“

Fowley verbrachte sein Leben damit, minderjährigen, verletzlichen Mädchen nachzusteigen. Er ging damit offen um – ganz stolz sogar. Cherkis schreibt: „Wie Fowley selbst es in Queens of Noise formulierte, als er seine Vorliebe für verletzliche Frauen beschrieben: „Ich bin wie ein Hai. Ich kann ihr Blut riechen.“

Die Bassistin von Babes in Toyland, Maureen Herman, gibt eine Geschichte über Fowley wieder, die ihr Steve Silver erzählte, nachdem dieser eine 17 Jahre alte Musikerfreundin zu einer Party, bei der auch Fowley anwesend war, gebracht hatte:

Ich öffne eine Tür und meine Freundin ist da mit Fowley. Ich will den Rückzug antreten, weil ich denke, dass ich störe. Sie schreit „Steve, hilf mir! Schaff ihn mir vom Hals!“ Sie weint. Ich zerre ihn durch das Loft, er brüllt etwas von Fehlern. Ich hab ihm einen Arschtritt verpasst und ihn vor die Tür gesetzt. Das war noch zu einer Zeit, als der Teil der Sheridanstrtaße verdammt eklig war. Meine Freundin war in Tränen aufgelöst. Ich brachte sie raus zum Auto. Fowley, der auf der Straße in der Nähe einer Bushaltestellte stand, fing an zu brüllen „Fick dich, du Schlampe! Ich werde dafür sorgen, dass du niemals einen Plattenvertrag bekommst!“

Bevor Fuchs der Band beitrat, hatte Fowley auch die 14-jährige Kari Krome, eine aufstrebende Songschreiberin, sexuell missbraucht, die er hierzu gegroomed hatte seit sie 13 war.

„Ich wusste nicht, wie ich sagen sollte „Ich will das nicht tun“, sagt Krome. „Ich hatte nicht diese Stimme … Ich hatte auch Angst vor ihm. Er konnte sehr beängstigend sein“.

Fowley übte ihr gegenüber mehrere weitere Male sexuelle Gewalt aus, sagt Krome. „Seiner Ansicht nach hatte er eine sexuelle Beziehung zu mir wie eine romantische Beziehung“, sagt sie. „Es war ihm egal, was ich darüber dachte. Er entschied es einfach“.
Die Bandmitglieder Sandy West und Jett wussten von der stattfindenden Gewalt – Krome versuchte es ihnen zu sagen, in der Hoffnung, Unterstützung zu bekommen, aber ihr wurde mit leeren Blicken begegnet.

Ich kann mir nur vorstellen, wie viele mehr Opfer es gab. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie viele es gab … Was wir aber wissen, ist, dass diese Sorte Männer mit allem Möglichen, was geht, durchkommt, solange es ihnen erlaubt ist.

Aber obwohl diese Geschichte von den Taten eines Mannes handelt, geht es nicht wirklich nur um einen Mann. Es gab sehr viele wie ihn und viele mehr, die sein Verhalten ermöglichten.

Wir wissen, dass wir dem Täter die Schuld geben müssen, aber wir wissen auch, wenn es um mächtige, berühmte Männer geht, dass diese oft eine Gefolgschaft haben, die sie davor schützt, Rechenschaft ablegen zu müssen. Wir wissen, dass eine weitreichende Kultur, die   Männern beibringt, dass sie einen Anspruch auf Frauenkörper und auf Sex haben – wann immer und wie immer sie wollen – genauso schuldhaft ist. Wir wissen, dass die Sexualisierung von jungen Frauen und Mädchen in Pornos zu ihrer Fetischisierung und Gewalttätigkeiten ihnen gegenüber beiträgt.

Als Antwort schrieb Kathy Valentine, ein Mitglied der Go-Gos, auf Facebook: In den 70ern war die post-sexuelle Revolution in voller Kraft. Die Ausschweifung, die den Jahren der „freien Liebe“ direkt folgten, nahm verschiedene Formen an. Viele Frauen gaben ungewolltem Sex nach, da sie nicht als engstirnig und prüde gelten wollten. Porno verbreitete sich und versandte die Botschaft, dass Frauen „es wollten“ und es so richtig wollten.

Als Fowley Fuchs am Silvesterabend vergewaltigte, auf einer Party in einem Motelzimmer, war sie kaum bei Bewusstsein. Fowley trat für sein Publikum auf, von denen einige mit Fuchs befreundet waren. Sie sah Jett und Currie beide im Zimmer. Obwohl Jett bestreitet, dort gewesen zu sein, wurde die Vergewaltigung angeblich zu einem Witz unter den Bandmitgliederinnen, nachdem Fuchs einen Zusammenbruch erlitten hatte und aufhörte.
Krome war auch da, voller Abscheu, aber sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte angesichts des Angriffs. Sie wollte nicht die Polizei rufen – etwas, das wahrscheinlich nur darin resultieren würde, dass sie eine Unruhestifterin genannt werden würde oder Schlimmeres.

Ich kämpfte mit meinen Wutgefühlen, nachdem ich dieses Stück gelesen hatte. Ich wollte wirklich sehr, dass meine Abscheu und meine Wut dahin zielten, wohin sie gehörten – auf den Täter.

Zur selben Zeit konnte ich nicht anders als wütend zu sein auf diejenigen, die es wussten und nichts sagten. Gewalt ist traumatisierend genug, aber, wie viele von uns wissen, ist Schweigen und fehlende Unterstützung retraumatisierend und verstärkt die Zerstörung. Schweigen isoliert Opfer und stellt sicher, dass Männer weiter Frauen und Kinder angreifen können, unbehelligt.

Das, was mein Herz am meisten brach, war, dass nach Fuchs‘ Trauma niemand über diesen Vorfall sprach. Stellt Euch vor. Jede(r) sieht dabei zu, wie du vergewaltigt wirst, aber gibt vor, das nichts Ungewöhnliches passiert ist. Das macht verrückt. In der Folge schwieg Fuchs die ganze Zeit, in der Annahme, dass dies ihre einzige Option war. Cherkis schreibt:

Jackie verstand das Schweigen ihrer BandkollegInnen so, dass sie auch still bleiben sollte.“ Ich wusste nicht, ob jemand mich unterstützt hätte“, sagte sie. „Ich wusste, ich würde von der Polizei schrecklich behandelt werden – dass ich diejenige sein würde, die eher als Kim vor Gericht enden würde. Ich trug dieses Gefühl der Scham und dachte irgendwie jahrzehntelang, dass es meine Schuld gewesen war.

Fuchs scheint es geschafft zu haben, ihren FreundInnen, Bandkolleginnen und anderen ZeugInnen, die auf der Party waren, zu vergeben. Sie glaubt, dass der „Bystander-Effekt“ eine Rolle spielte, etwas das dafür sorgt, dass Einzelpersonen in Gruppen nicht intervenieren oder Opfern helfen.

Valentine erklärt, dass sie selbst Zeugin von ähnlichen Vorfällen als junger Teenager war – Jungen, die sich anstellten auf Parties zum „Gang Bang von bewusstlosen Mädchen“. „Ich weiß nicht, wieso ich nichts unternommen habe oder wieso ich verdammt noch mal weg ging“, schrieb sie, „denn es ist scheiß beängstigend“.

Angenommen sie entscheiden sich, auf mich loszugehen? Ich war oft die jüngste Person auf Partys, verzweifelt, genau hineinzupassen und dazuzugehören und diese Jungs waren beliebt und cool. Ich kannte das Mädchen nicht, dem es passierte und so viel ich wusste,  war es ihr vielleicht auch egal. Die Gefühle und die Gedankenprozesse eines sehr jungen Mädchens, das etwas wie dies wusste, sind sehr kompliziert. Dazu kommt noch stoned und betrunken gewesen zu sein und dann hat man die Anleitung für einen Teenager-Bystander.

Es ergibt einen Sinn, dass ein Haufen 14-jähriger Mädchen, die in einer Männerwelt gefangen waren und gegroomed wurden von einem Täter, nicht gewusst hat, wie sie intervenieren sollten oder die Vergewaltigen eines anderen Mädchens auf verantwortliche Art anzusprechen. Andere im Raum, sagte Cherkis in einem Interview, waren ebenso traumatisert und litten über die ganzen Jahre an enormen Schuldgefühlen.

So ging die Wut auf die „Bystanders“ etwas zurück, aber ich kämpfe noch damit, UnterstützerInnen und die, die weiterhin alles ignorieren und seit Jahrzehnten verleugnen, zu vergeben.

Meine Wut Jett gegenüber wuchs ganz besonders, als sie überdeutlich ihre Behauptung der Ignoranz verneinte (Victory Tischler-Blue, die der Band beitrat als Fuchs weg war, bestätigte, dass alle BandmitgliederInnen der Runaways „immer von diesem hässlichen Vorfall wussten„) – am Freitag veröffentlichte sie eine Aussage auf ihrer  Facebookseite, die besagte, sie habe kein Wissen über die Vergewaltigung von Fuchs und das sie nicht dabei stehen würde, ohne etwas zu tun, wenn sie so etwas als Zeugin gesehen hätte.

Sie fügte an, „dass es Beziehungen gab, die bizarr waren“ [Link zum Facebook-Post von Störenfriedas] in der Rockszene der 70er, was eine(n) zu der Frage führt, was sie genau mit „bizarr“ meint. Gewalttätige Männer, die Mädchen auflauern und vergewaltigen, konstituieren keine „bizarre Beziehung“. Diese Aussage an und für sich scheint mir ein Versuch zu sein, das Geschehene zu entschuldigen und eben nicht die Realität anzuerkennen und zu benennen.

Mein Herz zerbrach wieder als ich die Aussage von Fuchs las, die sie am Sonntag auf Facebook veröffentlichte. Sie hat sehr viel Unterstützung erhalten, aber schreibt auch:

„Ich dachte, ich hätte mich auf all die hasserfüllten Menschen vorbereitet – aber ich lag falsch. Ich war schockiert über manchen Dreck; mehr noch über die Tatsache, das fast alles von anderen Frauen kam.“ Trotz alledem ist das was folgt eine unglaublich vergebende und pointierte Mahnung an etwas, an das ich immer noch Schwierigkeiten habe, mich zu erinnern. Ich weiß, dass einigen Leute, die das sich entfaltende Onlinedrama beobachteten, der Mut genommen wurde aufgrund der fehlenden Unterstützung, die ich durch meine Bandkolleginnen erhielt. Dazu kann ich nur sagen, dass ich hoffe, dass ihr nie in ihren Schuhen laufen müsst. Meine Vergewaltigung war für alle traumatisch, nicht nur für mich, und jede(r) geht mit Trauma auf die eigene Art und Weise um und zur eigenen Zeit. Es bedurfte besonderen Mut für viele der ZeugInnen, um offen darüber zu sprechen, was sie fühlten. Die meisten haben sich bei mir entschuldigt für ihr Nichtstun in dieser Nacht – Entschuldigungen, die nicht notwendig, aber willkommen waren.

…Es konnte nicht leicht gewesen sein der Art und Weise zuzuhören, wie die Band mich behandelte, nachdem ich gegangen war (diese Behandlung war mir dankbarerweise damals nicht bekannt). Ich kann nur sagen, darüber, was gesagt wurde und getan wurde, ist, dass meine Bandkolleginnen Kinder waren, die etwas Kriminelles und Tragisches ansehen mussten. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie damit so gut sie konnten, umgingen. Sie hatten keine verantwortlichen Erwachsenen, die sie hätten anleiten können – nur den Vergewaltiger und seine Gefolgschaft.

Wenn ich über eine Sache enttäuscht bin, dann darüber, dass diese Geschichte zu einer wurde, in der es darum geht, wer was wann wusste und wer etwas unternahm oder nicht. Aber das ist überhaupt nicht die Geschichte.

Und sie hat mehr oder weniger Recht. Wenn es eine Person gibt, die Schuld hat, dann ist es Fowley (der leider der Verantwortung durch seinen Tod entkam, gefeiert als „exzentrisches Genie“). Ich glaube, dass unsere Wut auf die Zeugen, die den Vorfall leugneten oder sogar still blieben, trotzdem auf eine Art Sinn ergeben. Diese Wut gilt unserer Kultur und der Befähigung von Tätern.  Es geht darum, wer mit was davon kommt und wieso. Es geht auch um Verrat und um unsere Fähigkeit zu heilen. Wie können wir heilen, wenn wir noch nicht einmal anerkennen können, was uns passiert ist?

Ich schrieb letztes Jahr über die Inschutznahme von Camille Cosby von ihrem Mann, indem ich sagte, dass ich, obwohl ich angeekelt war von ihren Kommentaren über die Opfer der Vergewaltigungen, die Frauen als bösartige Lügnerinnen bezeichnete, ich auch ein gewisses Maß von Mitgefühl mit ihr verspürte (dieses Mitgefühl ist etwas versickert, jetzt, da sie die Verteidigungen fortführt und Opfern die Schuld gibt, trotz steigender Beweislast). Obwohl ich in keiner Weise denke, dass die Zugeständnisse von Frauen an die Vergewaltigungskultur auch nur in irgendeiner Weise ok sind, so erkenne ich an (und wir sehen das wieder im Fall Fuchs), dass Frauen beigebracht wurde, sich gegenseitig zu hassen – und in ihren Schwestern ihre Feindinnen zu sehen, nicht in den Männern. Um dieses Niveau an Frauenhass aushalten zu können, das wir in dieser Kultur erleben und bezeugen müssen, entscheiden sich viele Frauen dafür in einem Zustand der Verleugnung zu existieren, oft ihr ganzes Leben lang. Es gibt da ein Gefühl der Hilflosigkeit, das erlernt wurde – wenn wir sprechen, werden wir ignoriert, angegriffen oder im Stich gelassen, also hören wir einfach auf, offen zu sprechen.

Es gibt keine große Belohnung dafür, sich in unserer Kultur auf die Seite von anderen Frauen zu stellen. Das fast der ganze Dreck, der auf Fuchs geworfen wurde, von Frauen kam, seitdem sie ihre Geschichte öffentlich teilte, ist traurig, aber nicht überraschend. Nach meiner eigenen Erfahrung kommen die meisten Belästigungen und Angriffe online von Frauen.

Ich erinnere mich daran, dass ich, als ich ein Teenager war, Wut spürte auf weibliche Freunde, die Entschuldigungen machten für Vergewaltiger und stattdessen Opfer – unsere Freundinnen und Bekannte – als „Schlampen“ und Lügnerinnnen bezeichneten – Mädchen, die nur Aufmerksamkeit wollten oder die ihre Freunde stehlen wollten. Als ich die Wahrheit über meinen Täter vor Jahren sagte, waren es Frauen, die mir Vorwürfe machten, die mich als „verrückt“ bezeichneten und die andeuteten, dass die Gewalt meine Schuld war oder  „in beide Richtungen“ ging. Sie brachten mich sozusagen „vor Gericht“, testeten nach Ungenauigkeiten und suchten Motive, anstatt sein Verhalten in Frage zu stellen.

Ich weiß wirklich nicht, ob ich diesen Frauen allen vergeben kann. Ich versuche es.  Aber irgendwie fühlt es sich schlimmer an, im Stich gelassen zu werden von denen, die eigentlich genau wissen sollten, was du genau durchmachst – die auch Leid durch die Hände von Männern erlebt haben. Wir erwarten von Männern auf der Seite ihrer Brüder zu sein, aber es sind Frauen, die wir dringend an unserer Seite brauchen/tatsächlich brauchen wir Frauen dabei.

Ich hoffe, Jett wird irgendwie eine Erkenntnis haben und sehen, dass das Verleugnen nichts helfen wird. Es wird ihr nicht helfen mit was auch immer, was sie erlebte während ihrer Jahrzehnte in der Rockszene und auch nicht Opfern – nicht Fowleys, nicht Led Zeppelin’s „Groupies“ oder irgendeinem dieser anderen Mädchen, deren Geschichten wir wahrscheinlich nie hören werden. Die Schuldgefühle müssen enorm sein, aber je mehr wir alle offen sprechen, desto weniger Schuldgefühle werden wir noch haben, weil wir unsere Schwestern im Stich gelassen haben, aus welchem Grund auch immer wir dachten, dass wir das tun mussten.

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