Ich muss gestehen: Der Trend des „Pornorap“ in der Populärkultur ging vollkommen an mir vorbei. Weder interessiert mich generell die Musik, die in den Mainstream-Radios so rauf und runter gedudelt wird, noch habe ich Kinder im jugendlichen Alter die davon beeinflusst werden könnten, noch habe ich bisher wahrgenommen, dass dieses mit Frauenverachtung gespickte Sujet in feministischen Kreisen irgendeiner Weise kritisiert worden sei (mit Ausnahme von Bushido im Zusammenhang mit der ihm zuteil gewordenen Bambi-Ehrung, aber dazu später mehr).
Neben die Empörung darüber, dass nationalistische Rechtsrock-Bands wie Frei.Wild wochenlang kaum widersprochen die Albumcharts anführten, tritt die Empörung, dass dies auch für den hochgradig sexistischen und vor Frauenhass triefenden „Pornorap“ gilt.
Nehmen wir Kollegah, der erst im Mai alle Rekorde brach, mit 17 Songs in den Singlecharts und mit seinem Album King Platz 1 der Albumcharts eroberte.
Erstaunlich ist die Einschätzung seines Erfolges durch Wissenschaftler wie Heiner Barz vom Institut für Bildungsforschung und Bildungsmanagement an der Heinrich-Heine-Universität: „Kollegah ist ein Virtuose. Seine Techniken sowie seine Rhetorik sind Kunst, ja sogar eine Hochleistung“
Okay, die Musikgeschmäcker sind verschieden und da möchte ich auch niemandem meine subjektive Meinung aufdrücken. Und zugegeben: Ich verstehe nicht sehr viel von Rap. Aber wenn ich mir die Songs so anhöre, dann empfinde ich das schon rein musikalisch als Zumutung. Während man darüber aber vielleicht noch streiten kann, fehlt mir bei Betrachtung der Texte jedes Verständnis, wie Menschen das gut finden können. Die Texte, des Jura-Studenten (!), wimmeln nur so von „Bitch“, „Nutte“, „Hurensohn“, „Mutterficker“ und Rotlicht-Zuhälter-Allegorien.
Ein paar wenige Kostproben:
[ich] ficke deine Mutter mit dem Bullenpenis ohne Kondom und zerficke die Fut, und ich demoliere dann deine Bude (Rotlichtmassaker)
Alle meine bitches haben angst, wenn ich meinen Schwanz auspack. Denn ich ficke wie ein motherfucking Esel auf crack (Showtime)
Deine Crewmember seh’n mich und salutier’n, während die Bitches von ihnen im Bett meiner Villa mal eben die Beine für mich auseinandermachen wie beim Amputier’n […] Nutte, du sprichst mit dem King, der die ScheineStapelt, Rapper zerfickt und dann ihre Weiber nagelt (King)
Mags deine Kleine romantisch komm ich und box‘ dir ein Veilchen Du Mutterficker und das geht schneller als Düsenjäger fliegen (Jung, Brutal und Gutaussehend)
Nutte, ich fick nur Fotzen mit Brustimplantaten Deine Mutter darf blasen […] Sie wollen mein Rap indizieren, denn er sei randgruppenfeinlich? Weil er gegen Schwule hetzt und Frauen als Schlampen beleidigt? Zieh am Blunt, gebe kein Fick Und bleib mit den Lines weiterhin unter der Gürtellinie
Wie FRs Schwanz wenn er steif ist Kick die frauenverachtenden Parts (Gangbanger)
Ja Herr Barz, wahrlich eine rhetorische Meisterleistung! Misogynie als Stilmittel oder wie?
Kollegah ist natürlich nicht die Ausnahme. Er reiht sich ein in eine ganze Schar von Musikerkollegen, die mit der selben Masche ihr Geld verdienen.
Nehmen wir Bushido feat. King Orgasmus:
Ich hab Aggro gegen die Frauen!
Zieh dich nackig aus und fang an zu saugen!
Meine Wohnung soll sauber sein!
Nutte ich hab Hunger!
Nimm dein Kochlöffel und koch mir endlich Hummer!
Fotze!
Ich ficke dein Arsch während du kochst!
Wie siehst du eigentlich aus?
Geh ins Bad und mach dich hübsch!
Dumme Nutte!
Ich bin Frauenfeind!
King Orgasmus One Sonny Black Frank White!
Ich geh fremd, weil man lebt nur einmal!
Scheiss auf Beziehung jede Frau ist eine Hure!
Frauen schreien, wenn ich ihr Arschloch ficke!
Halt dein Maul sonst gibts gleich ne Schelle!
Mach was ich dir sage und zick hier nicht rum!
Leg dich hin und nimm mein Schwanz in den Mund! (Drogen, Sex und Gangbang)
Oder Farid Bang:
Du willst mit mir ficken du weißt ich mach unfassbar viel KohleDu willst Alimente haben, deshalb nutz ich die Kondome Also: Lutsch Sibi, Lutsch Sibi, Lutsch Sibi, Lutsch Sibi! […] Ey jo, ich sag‘ zu der Bitch, die da in Hotpants steht’Du sollst nicht sauer sein, doch ich will dich kochen seh’n‘ […] Ohne meinen Dick gäb‘ es weniger Hurentöchter (Lutsch)
K.I.Z.
Afterparty im Hotel Die Nutte ist nicht stubenrein. Ich halt sie fest im Bowlingkugelstyle. K.O.-Tropfen bringen dich drauf. Scheisse, sie wacht nicht mehr auf. Ab auf das Fensterbrett, Fledermaus-Mann ist ganz schnell weg […] Dann verführte ich den Grundschullehrer, pumpte ihm seinen Mund voll Sperma. Er erhang sich im Gefängnis, denn der Staat machte grundlos Ärger. Als Zivi betreute ich danach ein Mongo-Flittchen, fing an sie vollzuwichsen, lies sie danach im Rollstuhl sitzen (Ficki Ficki)
So ziemlich das abartigste findet sich bei Al-Gear (Das Plattenlabel trägt übrigens den vielsagenden Namen Milfhunter Records)
Es war einmal ein Typ […] sein Name war Harald. Mama war da, doch die fette Sau war ihm zu alt […] Er hat keinen Ausweg mehr gesehen. Denn Sex, das konnte seine Frau ihm nicht geben. Er hatte sowieso kein Bock mehr auf die selbe Frau. Ich fick Janine, ihre Mutter und ihr Selbstvertrauen. […] Harald ist jetzt Stiefvater. Janine hat sich echt in ihn verliebt, Alter. Sie wollt ihn als Liebhaber, setzte alles dran ihn zu bekommen. Und wie man sich Männer klärt, hat sie der Bravo entnommen. Harald sah sie vor ihrem Zimmer und sie rief ihn rein. Sie sagte sei so lieb und hilf mir mal mit diesem Kleid. Er hat sich nichts dabei gedacht, denn sie war ja noch jung. Doch die kleine Schlampe wollte, dass ihr Vater sie bumst. Sie sagte ihm, dass sie nicht mehr zu alt ist, für sie. Und kurze Zeit darauf vergewaltigt sie ihn. „Ich kann dir geben, was dir Mama nicht geben kann. Ich bin noch jung mein Freund, dass heißt sogar ein Leben lang. Zwischen Spinnweben und Kartons, hat er sie im Keller dann anal genommen (Harald)
Ich könnte diese Liste endlos weiterführen mit Frauenarzt, KC Rebell und wie sie alle heißen, aber das überlasse ich jeder und jedem selbst. Ich habe mich hier auf die frauenfeindlichen Passagen konzentriert, aber es finden sich ebenso erschreckende homophobe Äußerungen.
Die Frage die sich mir jetzt stellt ist: Warum sind diese „Künstler“ so erfolgreich. Eine einleuchtende Antwort gibt der amerikanische Anti-Male-Aktivist Jackson Katz, der 90er Jahren in diesem Gebiet arbeitet, in seinem Buch „Macho Komplex“:
Diese Musiker sind nicht erfolgreich TROTZ ihrer Frauenfeindlichkeit und Homophobie, sondern gerade DESHALB, denn die Popkultur ist Ausdruck der gesellschaftlichen Stimmung und zeigt was in den Psychen der Menschen vorgeht. Die Fans identifizieren sich mit dem Aggressor.
Die Gesellschaft übersieht nicht nur bereitwillig die Gewalt und die Kultur, die vergewaltigungsfördernd wirkt, sondern honoriert sie sogar mit Preisen. Newcomer Awards, Album National, Künstler National, usw. Interessanterweise gab es in der Diskussion um die Verleihung des Bambi- Integrationspreises (!) an Bushido in erster Linie Protest aus der LGBT-Bewegung – wo waren da eigentlich die ganze Feministinnen? Hier gab es nur vereinzelte kritische Stimmen.
Ich stelle mir die Frage ob diese „Künstler“ genauso mit eindeutig rassistischen und antisemitischen Texten durchkommen würden. Würde das auch unter die Kunstfreiheit fallen und als „Ironie“ akzeptiert werden? Und ich stelle mir die Frage ob eine Gesellschaft, die so etwas toleriert wirklich ernst genommen werden kann in ihrem Anliegen Sexismus und Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen?
Katz hat in seiner Arbeit mehrfach Texte von Rappern wie Eminem, die ähnlich frauenverachtend arbeiten, in Schulklassen verlesen und festgestellt, dass jugendliche Fans sich plötzlich, ohne die ganzen Beats und das drumherum, plötzlich gar nicht mehr so wohl damit fühlen. Dass manche Jugendliche, die Texte nicht ertragend, unter Tränen den Raum verlassen. Dass viele Mädchen sich ob der Popularität dieser Musiker schlecht fühlen, aber sich nicht trauen dagegen anzusprechen weil sie nicht als „uncool“ gelten wollen.
Ich bin überzeugt davon, dass diese Art von Rap, in der über sexuelle Gewalt Witze gemacht wird und der diese propagiert, junge Menschen desensibilisiert werden für die Menschlichkeit von Frauen, ebenso wie dem Schmerz und dem Trauma Betroffener sexueller Gewalt – der gleiche Effekt den wir auch bei der Pornographie erleben müssen. Verantwortung tragen hier nicht nur die Musiker, sondern auch ihre Plattenfirmen, Produzenten und Distributoren, die damit ebenfalls ihren Reibach machen. Nicht zuletzt die Gesellschaft, die diese Misogynie hinnimmt oder gar zur Kunst und rhetorischen Hochleistung hochstilisiert. Es ist Zeit das zu ändern!
Danke für diesen Text!
Es ist Unglaublich das solche Idioten auch noch Erfolg haben.Die Charts sind voll von diesem Menschenverachtenden Dreck, und kaum einen juckt es auch nur die Bohne.Hallo!?die singen einfach mal locker flockig wie sie Frauen vergewaltigen.Das läuft dann auch noch öffentlich und wird bewundert !Und wehe ich sage ja was dagegen das ich es abscheulich finde,wie prüde wäre dass denn..Das ist einfach Ekelhaft!Ich finde die Idee aber echt gut, diese Texte einfach mal ohne Sound vorzulesen.Ich glaube das es einfach direkt zum nachdenken anregt.
„Als Zivi betreute ich danach ein Mongo-Flittchen, fing an sie vollzuwichsen, lies sie danach im Rollstuhl sitzen (Ficki Ficki)“
Was zum…..?!Ich kann meinen Augen echt nicht trauen,ich bin fassungslos!Wie benebelt ist die Menschheit bitte um so was überhaupt erfolgreich werden zu lassen!
Man stelle sich vor, die würden so über die „Neueinwanderer“ texten. Die würde als Nazis aus dem Verkehr gezogen. Für IMMER! Aber bei Frauen? Irgendwie Irrelevant für die HERREN von Jury, Justiz und Politik. Absolut KEINE Empörung, KEIN Verbot, KEINE Auflagen wegen Menschenverachtung. Was ist hier los? Sind Frauen keine Menschen in deren Augen? Gefühllose Objekte? Sogar Tiere werden dank Tierschutz besser geschützt als Frauen. Diese allgemeine Verrohung (rapeculture) macht nur noch fassungslos.
Ich empfinde diesen Artikel als sehr wichtig und bin froh, dass die Verfasserin sich die Zeit genommen hat, niederzuschreiben, was ich mir im Alltag immer wieder denke. Dabei muss es nicht mal soweit gehen, dass es direkt frauenfeindliche Text-Passagen in Rapliedern sind, die das Ungleichgewicht der Geschlechter und damit die Unterscheidung zwischen“Frau“, „Mann“ und „anders“ nur noch mehr unnötig verstärken. Es reicht schon, sich die Repräsentation weiblicher (als auch männlicher) Vorbildfiguren in anderen weiter verbreiteten Bereichen der Popkultur anzusehen. Werbungen, die klischeehafte Rollenbilder als normal propagieren, oder Frauen als Parfüm-Püppchen oder sexy Dummerchen darstellen.
Die Problematik der Situation, in der sich unsere Gesellschaft im Gender-Diskurs befindet, ist tiefgreifend verankert. Wieso wird es Frauen so schwer gemacht zu ihrer Sexualität zu stehen und Begierden nach eigenem Verlangen und Wunsch nachzugehen, während Männer oft für offensichtliche Akte sexueller Belästigung gegenüber Frauen nicht einmal zur Rechenschaft gezogen werden?
Wie kann es sein, dass man uns in den Schulen beibringt, was „Gleichberechtigung“ bedeutet, ohne dass dieser Wert überhaupt in die Gesellschaft durchgedrungen ist? Da muss doch von früh auf schon bei den Kindern der Eindruck entstehen, eine eventuelle Benachteiligung müsse an ihrer eigenen Person liegen.
Auch hier wieder der Bezug zum Text: Kaum nimmt man die Inhalte (Textpassagen) aus der popkulturellen Einbettung (Beat und Musik), schon fällt es schwerer nicht betroffen zu sein von dem, was erzählt wird.
Ich persönlich musste lange suchen und befinde mich sicherlich noch immer auf der Suche nach meinem Umgang mit der (Ohn-)Macht der Geschlechter, und ein jeder Mensch wird wohl in irgendeiner Form zu Lebzeiten damit konfrontiert werden, doch mein Wunsch und Ziel ist es, dass die Generationen nach mir mit einem anderen, fortgeschrittenerem Startpunkt für ihre eigene Auseinandersetzung mit dem Thema starten können. Gerade deswegen ist es von so großer Bedeutung, dass über so etwas gesprochen, geschrieben und diskutiert wird.
Der Diskurs formt unsere Gesellschaft und wir bestimmen den Diskurs!
Also lasst uns Missstände ansprechen und für eine gleichberechtigtere Welt kämpfen, in der „Kunst“ nicht auf Kosten einer Gesellschaftsgruppe gemacht werden darf, um eine andere zu erhöhen.
Die Line mit den Brustimplantaten ist von Farid Bang, nicht von Kollegah.