Was wäre, wenn es toll wäre, eine Klitoris zu haben? Oder: Geschlechterzuschreibungen sind blöd-immer-und ich habe keine Lust mehr drauf. Eine Polemik.

Göreme Love Valley

wolfgangbeyer at the German language Wikipedia [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Geschlechterrollenzuschreibungen sind teilweise widersprüchlich und ergeben, auf andere oder anderes übertragen, oft wenig Sinn. Habt ihr euch auch schon gefragt, was wäre, wenn wir Frauen zum dominanten und bewunderten Geschlecht gehört hätten oder gehören würden? Wäre unser Leben anders verlaufen, denkt ihr? Wie wäre es gewesen oder würde es sein? Wie lächerlich sind Geschlechterrollenzuschreibungen?

Stellt Euch vor eine Klitoris zu haben, würde bedeuten, dass Euch Mut, Kraft und Stärke zugeschrieben werden würde, so wie es jetzt mit dem Penis der Fall ist und dem männlichen Geschlecht.

Die Größe der Klitoris, nach innen und außen, und ihre besondere Fähigkeiten, würde bewundert werden. Es würde gesagt werden, Mädchen sind einfach stärker, denn ihre Klitoris ist ein Wunderwerk der Sexualität, unbändig und immer zu befriedigen durch Männer oder Jungen, und sie würde das ganze Wesen positiv beeinflussen.

Alle handelnden und starken Vorbilder und Idole in Comics, Film und Fernsehen wären kleine Mädchen oder Frauen, natürlich unterstützt durch bewundernde und anhimmelnde Männer in den Nebenrollen. Ihr könntet Euch immer damit identifizieren, nacherleben und in der Realität einüben. Kleine Jungen hätten vielleicht als Vorbild und Idol Kacki Kurzstrumpf oder vielleicht auch Pilly, den Feenjungen, der mit seinem süßen Lächeln alle immer bezirzen würde und glitzernde blaue Deko ganz toll finden würde (entsprechend Pippi Langstrumpf und Lillyfee). Die Eltern müssten dann allen Jungen immer glitzernde, hellblaue Sachen als Kleidung und Deko kaufen. Mädchen würden diese Farbe sicherlich ablehnen, denn ihre Farbe wäre ein starkes Pink, leuchtend und stark entsprechend ihrem Geschlecht,  und nicht dieses verwässerte und schwache Hellblau. (Farbzuweisungen sind arbiträr-völlig, aber dienen der Gruppenidentität oder in diesem Fall der Zuweisung, oder auch Verdammung, in eine Gruppe).

Als kleine Mädchen würdet ihr von Euren Eltern liebevoll „kleine Frau“ genannt werden, damit ihr von klein auf begreifen könntet, dass ihr Dank Eures Geschlechtes sehr bald verantwortungsvollen Erwachsenenstatus habt. (Ich muss in der Realität Schreie ausstoßen, wenn ich höre wie dreijährige…“kleiner Mann..“ genannt werden, anstatt kleiner süßer Hase oder andere Verniedlichungen).

Im Kindergarten und in der Schule hättet ihr immer gelacht, wenn ein Junge etwas Dummes im Unterricht gesagt hätte und ihr hättet noch schmunzelnd gesagt… “ Jungen sind halt nicht so klug. Sie haben zwar Muskeln, aber das geht auf Kosten ihres Gehirns…“ Die LehrerInnen hätten dazu kommentiert… “also bitte, Jungen können doch auch vieles, zum Beispiel Traktor fahren und das ist ganz wichtig. Was würden wir denn nur machen, wenn niemand die Kartoffeln auf den Feldern für uns ernten würde?“ (umgekehrt habe ich ganz oft gehört, dass Hausfrau und Mutter eine sehr wichtige Aufgabe ist, oder vielleicht auch Krankenschwester oder Erzieherin. Natürlich wurde dies immer in einem herablassendem Ton gesagt, nach dem Motto, auch die dümmsten Trullas erfüllen eine gesellschaftliche Aufgabe, und zum Pflegen und unterstützen anderer reicht es gerade noch so. Frauen können halt keine Neurochirurginnen werden, aber sich um andere zu kümmern ist so wichtig und erfüllend).

Die LehrerInnen hätten Mädchen auch automatisch bessere Noten gegeben (Studien haben schon nachgewiesen, dass die Notengebung abhängig ist vom Geschlecht und in der Realität sind hier Mädchen erheblich im Nachteil. Ein männlicher Name reicht, ansonsten anonym, für eine bessere Bewertung aus). Sie hätten Mädchen auch im Unterricht viele mehr Aufmerksamkeit geschenkt und ihre Mitwirkung im Unterricht besonders hervorgehoben. Jungen würden viel weniger im Unterricht sprechen dürfen, und sie würden beim Melden meistens ignoriert werden, denn ihre inhaltlichen Beiträge wären sowieso nicht so interessant. Irgendwann würden sie lernen ruhiger zu sein, und dann könnte endlich gesagt werden, dass Jungen sich halt einfach weniger melden wollen (es gibt Studien zum unterschiedlichen Verhalten von LehrerInnen gegenüber Jungen und Mädchen im Unterricht).

Eure Eltern hätten Euch mit Puppen und Stofftieren spielen lassen, mit herausnehmbaren Organen, damit ihr früh lernt, wie ihr großartige Ärztinnen werdet und Wissenschaftlerinnen.

In der Grundschulzeit schon bekämen Mädchen von den Verwandten und Eltern immer tolle Laborsets geschenkt, denn früh übt sich, und Material für Operationen,  damit Mädchen ihre natürliche Feinmotorik weiter ausbauen könnten und sicherlich ihr wissenschaftliches Denken. (Ich war immer neidisch auf die Chemiesets von Jungen, aber mit Puppen hätte man auch Einiges lernen können.)

Jungen dürften immer mit Autos spielen, denn ihr grobes Wesen ließe nur grobes Spielzeug zu. Ihre Muskelkraft bedeutet ja leider weniger Kraft für die Entwicklung des Gehirns, sodass sie eher in unterbezahlten Muskeljobs Arbeit finden würden (Feuerwehrmann, Bauarbeiter, LKW-Fahrer). Durch die Kraft der Klitoris wären Mädchen natürlich für höher bezahlte Stellen eher geeignet (in Medizin, Forschung und Wissenschaft). Alle Erwachsenen hätten zu Euch gesagt… “Du bist ein Mädchen, Du wirst bestimmt Mal eine ganz tolle Neurochirurgin bei deiner Feinmotorik. Und zu Jungen würden sie sagen… “Du bist ja auch ganz intelligent. Wenn Du Dich ganz besonders anstrengst, und nicht so früh eine Partnerin und Kinder hast, um die du dich dann kümmern musst, dann kannst Du ja ein ganz guter Feuerwehrmann werden. Ist ja auch nicht schlecht, und das Gehalt ist ja ganz in Ordnung. Vielleicht findest du ja auch eine gutverdienende Wissenschaftlerin als Partnerin und dann bist Du auch abgesichert….“

Sexuell wären Frauen auch ganz glücklich. Alle Songs würden mehr oder weniger direkt davon handeln, dass sie geleckt werden müssten, an ihrer Superklitoris. Ein bekannter Sommer-Hit wäre zum Beispiel… “Leck meine Muschel“, angelehnt an Blow my Whistle. Im Rhythmus der Musik wären Schmatzgeräusche zu hören, anstatt das blöde Pfeifen des Originals. Und ein Junge im Video würde unschuldig in die Kamera lächeln, erfreut, dass er von der Sängerin lernen kann, wie er gut lecken muss. ( Hört sich das umgekehrt etwa komisch an? Für mich ist es jetzt schon komisch.)

In der Partnerschaft  würde gesagt werden, dass ihr als Mädchen/Frauen Euch halt eher für Wissenschaft und Medizin interessieren würdet und es Euch deshalb nicht zuzumuten wäre, sich mit dem Alltäglichen zu befassen. Es wäre die Aufgabe von Männern, Euch mit dem Groben zu versorgen (Haushalt, Kinder, Renovierungen und Reparaturen), denn die Feinmotorik von Mädchen und Frauen könnte ja nicht mit so etwas zerstört werden.

Leider aber habe ich in einer anderen Zeit gelebt und lebe immer noch in einer anderen. In meiner Welt mussten Mädchen mit Puppen spielen, um eine gute Mutter zu werden. Wieso eine angeblich natürliche Rolle jahrelang mühselig mit Puppen antrainiert werden muss, weiß ich nicht. Entweder etwas ist angeboren und natürlich, und dann müsste es nicht fast schon eingebläut werden. Oder es ist eben nicht natürlich, und dann muss es völlig getrenntes Spielzeug geben, schon von der Wiege an, wie es ja der Fall ist. Um dann schon im Kindergarten sagen zu können, dass Mädchen und Jungen halt anders sind und AbweichlerInnen übel bestraft werden, auf unterschiedliche Art und Weise.

In meiner Welt wurde Mädchen weniger Intelligenz zugeschrieben, fehlendes räumliches Denken und kein Verständnis für Zahlen. Deshalb durften Spielsachen auch in keinem Fall mit diesen Dingen etwas zu tun haben. Und falls die Eltern nicht oft genug gesagt haben, dass es leider als Mädchen ja an Verständnis für Mathe mangelt, dann wurde es an der Schule oft genug wiederholt, damit es auch das letzte aufgeweckte Mädchen kapierte.

Wenigstens aber wurde ich nicht in der heutigen Welt sozialisiert, in der junge Mädchen zwar arbeiten gehen sollen und dürfen, aber auch nicht in Führungspositionen. Es gibt genügend Artikel, die immer wiederholen, wieso Frauen in erfolgreichen Jobs unbedingt aussteigen wollen, damit auch hier jede Frau ihre Grenze erkennt und sieht, dass es besser ist auszusteigen, auch wenn sie zuvor durch sämtliche gläserne Decken durchgestoßen ist. Aber es ist halt einfach nichts für Frauen, denn sie sind einfach edlere Wesen, die immer nach dem Sinn des Ganzen suchen müssen und deshalb nicht viel Geld verdienen können.

Ich lebe auch in der heutigen Welt, in der schon junge Mädchen wissen, was blasen ist und sie dies in jedem Fall perfekt beherrschen müssen, denn ein guter Blow Job gehört zum Anrecht eines jeden Jungen und Mannes. Das Wort Blow Job ist übrigens auch schon sehr bezeichnend. BJ ist kein Teil von leidenschaftlichem Sex, sondern Arbeit, die Frauen leisten müssen. Blasarbeit halt.

Ein Mädchen, das nicht bald schnell auf die Knie geht, und gut bläst, ist leider nicht sexuell befreit und selbstbestimmt.

In meiner Zeit hieß schneller Sex, der Frauen nichts brachte, „Slam Bam Thank You Mam“, und wurde als abwertend gesehen. Und ja, das ist relevant, denn es gibt kaum einen Bereich, der in der heutigen Zeit die Geschlechterhierarchie deutlicher ausdrückt als dieser.

Frauen haben sich auch heute noch vornehmlich um Haushalt und Kinder zu kümmern. Alle Studien bezüglich der Verteilung der Aufgaben sind hier eindeutig.  Auch hier gibt es also keine Verbesserung im Vergleich zu früher.

Ich kann wirklich und eindeutig sagen, es ist im Großen und Ganzen schlimmer geworden. Der Penis ist König. Und Geschlechterrollenzuschreibungen und Zuschreibungen überhaupt sind völlig lächerlich und widersprüchlich. Frauen wurde schon immer eine bessere Feinmotorik zugeschrieben und wieso sind sie dann nicht alle hochbezahlte Chirurginnen? Im Patriarchat wird alles passend gemacht, so wie es günstig für die dominante Gruppe ist. Mal so und Mal so, Hauptsache die Geschlechterhierarchie bleibt erhalten. Weg damit. Ich habe keine Lust mehr auf Zuschreiben nach Gutdünken und fand es schon immer bekloppt. Es kotzte mich schon als Dreijährige an und es ist so geblieben. Es reicht – wirklich. Lasst uns alle kraftvoll zubeißen und diese Misere beenden.

Empfohlene Literatur: delusions of gender, the real science behind sex differences, von Cordelia Fine (iconbooks)

 

3 Kommentare

  1. Also mich als Neurowissenschaftlerin deprimiert ja dieser Geschlechter Essentialismus (dh die Aussage, dass es naturgegeben ist, dass Männer so und so sind) enorm. Die Neurowissenschaft ist selbst natürlich nicht frei von Bias, wie es die Wissenschaften ja nie waren. Dennoch, vieles das behauptet wird ist gar nicht haltbar, dass zB Testosteron und Sexualtrieb in Menschen korreliert sind, konnte mehrmals nicht gezeigt werden, und natürlich kommen uns heutzutage ältere Versuche, Frauen auf Grund der Hirnmasse als weniger intelligent einzustufen nur noch lächerlich vor. Es gibt aber auch gute News, z.B. gibts es Bereits Länder wie Island in denen Mädchen Jungs in Mathe überholt haben, was doch darauf hoffen lässt, dass ev. damit auch langsam die Stereotypen kritischer betrachtet werden. Hoffen wirs, und bis dann arbeiten wir wie du sagst auf eine bessere Welt hin.

  2. Als Chemikerin schließe ich mich Miaus Beitrag an. Im naturwissenschaftlichen Bereich stehen die Frauen den Männern an Verständnis und Können in keiner Weise nach. (Leider hapert es dann an den Aufstiegschancen. Zumindest gibt es bei uns an der Fakultät keine Professorinnen oder Dozentinnen, obwohl viele Doktorinnen ausgebildet werden. Wahrscheinlich kommt meist die Familienplanung und/oder die gläserne Decke dazwischen. Und auch simple Gespräche mit den Arbeitskollegen sind ein ständiger Kampf gegen Stereotype, aber nicht, was die Qualifikation betrifft, sondern eher alltäglich erwartete Verhaltensweisen und Ignorieren/Kleinreden von Diskriminierung und Sozialisierung.)

    Allerdings würde ich mir als Naturwissenschaftlerin auch wünschen, dass ihr in euren Beiträgen die Quellen angebt (z.B. bzgl. der genannten Studien zum Verhalten in der Schule und der Studien zur Aufgabenverteilung) – zum einen als Beleg, zum anderen zum genaueren Nachlesen. Erzählen kann ja ansonsten jeder viel. 😉 Auch Links oder Verweise auf angesprochene Artikel, Videos, etc. würde ich begrüßen.

  3. Wieso „wäre“ es toll, eine Klitoris zu haben? Es ist toll! Dutzende Male besser als so ein langweiliger Schwanz, der das Leben seines Trägers – oder sollte ich sagen: Anhängsels – bestimmt. Das wussten schon Bill Masters und seine kluge Mitstreiterin Virginia Johnson, und mit dieser Tatsache brüskierten sie die ach so überlegene Männerwelt aufs Abscheulichste 🙂

    Ansonsten musste ich bei dieser Umkehrgeschichte sehr schmunzeln und mehr als einmal an den feministischen Klassiker „Die Töchter Egalias“ denken. Wie es wohl Petronius Bram und seinen Gespielen heute erginge? 🙂

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