Herzlichen Dank, ihr Antifeministen!

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Als junges Mädchen in den achtziger Jahren war Feminismus für mich ein wichtiges Thema – wie so vieles, was mich als Jugendliche zu leidenschaftlichen Diskussionen bewegt hat. Sexismus war gerade in dieser Zeit des typisch jugendlichen Auflehnens gegen jede Form von Ungerechtigkeit ein großes Reizthema neben vielen anderen, beispielsweise der Atomkraft: ich wuchs ganz in der Nähe von Wackersdorf auf, wo die WAA (Wiederaufbereitungsanlage für Brennstäbe aus Kernreaktoren) entstehen sollte.

Mit der Zeit ebbten diese Interessen ab. Das Bauvorhaben der WAA wurde eingestellt, viele andere Dinge schienen sich in die aus meiner Sicht richtige Richtung zu bewegen, und auch feministische Themen verloren für mich zunehmend an Brisanz. Gesetzgebung, öffentliche Meinung und der Konsens in meinem unmittelbaren Umfeld hinterließen den Eindruck, alles sei oder werde bald gut, und die altersbedingt typische Rebellionsphase endete irgendwann. Sexisten waren lediglich ein paar ewig Gestrige, die recht bald altersbedingt aussterben würden. So sah ich das für viele Jahre.

Mit Mitte dreißig ging ich eine Beziehung zu einem Vater von drei Kindern ein, drei Jungs. Auf einmal erlebte ich Kinder bzw. Jugendliche, die sich wie die ewig Gestrigen verhielten – aber eben weit entfernt vom altersbedingten Aussterben. Alltäglicher Sexismus um mich herum, ein Rollenbild wie aus den 50er Jahren, für mich völlig fremdartig und absurd, drei Minimachos in Extrem-Lautstärke. Ich hätte ein Megaphon gebraucht, um mir Gehör zu verschaffen. Ich habe es trotzdem lange versucht, ohne Erfolg. Mir wurde bewusst, dass ich in ihren Augen ebenso seltsam war, wie sie in den meinen. Drei homophobe Hobbits, überzeugt, ganz normale Ansichten zu haben, bestärkt durch ihr größtenteils genauso denkendes Umfeld.

Ich versuchte, ihr Verhalten zu verstehen, begann, mich mit ihrer Situation auseinander zu setzen, las zum Rollenverständnis im 21. Jahrhundert, über männliche Adoleszenz, las soziologische und psychologische Studien. Irgendwann fing ich an, mich online umzusehen. Mäßig internetaffin wie ich war, stolperte ich in einen Blog hinein, der mir nach flüchtigem Hinsehen interessant erschien, weil er sich mit Rollenbildern befasste, vor allem aus männlicher Sicht. Ziemlich naiv hinterließ ich den ersten Kommentar meiner Online-Karriere in den Weiten des www, eben auf diesem Blog. Ich antwortete darin nett und freundlich auf einen anderen Kommentar, in dem die Gleichberechtigung der Geschlechter als längst erreicht und mittlerweile gegenstandslos abgetan wurde, und schrieb, diese sei in vielen Köpfen leider noch nicht recht angekommen.

Was dann passierte, traf mich absolut unerwartet: ich wurde für diesen kleinen, vollkommen harmlosen Kommentar beschimpft, mir wurde Gewalt angedroht, ich wurde mit Hass und Häme überzogen. Geschockt und vollkommen überrascht sah ich mich dann genauer dort um, las Artikel und Kommentare, besuchte verlinkte Seiten. Ich entdeckte etwas, dessen Existenz mir zuvor völlig unbekannt gewesen war: Antifeminismus.

Es war nicht die Tatsache, dass eine Gegenbewegung zum Feminismus existiert, was mich so verstörte. Es war der geballte Hass, die verbale Brutalität, die häufig geäußerte Bereitschaft zur Gewalt, und die enorme Präsenz der Antifeministen im www. Wie ich herausfand, war ich auf einer der noch eher gemäßigten Seiten gelandet, und fand daraufhin weitaus Übleres. Und mir wurde klar, dass es sich nicht um eine Gruppierung ohne Einfluss handelt, sondern eine, die sich überall im Netz tummelt und mit ihrer Aggression und Penetranz intensiv Stimmung für sich und gegen feministische Anliegen macht. Und zwar durchaus mit Erfolg, sichtbar unter anderem im deutlichen Backlash der letzten Jahre und Jahrzehnte: Der Antifeminismus hat ihn (mit) verursacht und ist gleichzeitig eine seiner Auswirkungen.

Das alles hat mich mit voller Wucht getroffen. Mitten in die Magengrube, könnte man sagen. Mir verging tatsächlich der Appetit, über mehrere Monate – ich nahm deutlich ab, bekam das alles nicht aus dem Kopf, versuchte, im Netz eine konstruktive Diskussionsebene mit Antifeministen zu erreichen, und scheiterte in den aller-allermeisten Fällen. Wenn mich jemand nun als Mimose bezeichnen möchte, von mir aus. Es ging mir jedenfalls sehr nah, und veränderte meine Sicht auf feministische Themen und die Geschlechterverhältnisse der Gegenwart grundlegend.

Ich fand zurück zum Feminismus – quasi zu meinem persönlichen Feminismus 2.0. Meine Wahrnehmung hat sich mittlerweile deutlich verändert, von Sexismen aller Art, Rollenbildern, Pornografie, Prostitution, allen Facetten im Verhältnis der Geschlechter. Viele blinde Flecken sind verschwunden, ich engagiere mich, bin politisch aktiv geworden. Ich bin Feministin, was ich vor ein paar Jahren niemals gesagt oder auch nur gedacht hätte.

Dafür ein großes Lob und herzliches Dankeschön an euch, ihr Antifeministen. Ohne euch wäre das höchstwahrscheinlich nicht passiert.

 

Ohne euch, ihr kleinen Mephistos.

Ihr seid, frei nach Johann Wolfgang, „ein Teil von jener Kraft,

die stets das Böse will und manchmal eben doch das Gute schafft.“

 

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