Ahmadiyya – oder die „guten“ Muslime

…oder wie es Nicht-Muslime schafften, als Körperschaft des öffentlichen Rechtes anerkannt zu werden. Als Muslime. Und was hat das mit Frauen zu tun?

Vor einiger Zeit besuchte ich Bekannte in Wiesbaden, die in einer der größeren deutschen Parteien aktiv sind. Sie fragten mich, ob ich sie nicht zur Grundsteinlegung der Moschee der Ahmadiyya begleiten wollte. Außerdem sei die Heiligkeit, der 5. Khalif Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, zu diesem Anlass in Wiesbaden. Ich hatte mich noch nie zuvor mit dieser Glaubensgemeinschaft beschäftigt, und so ging ich aus Interesse mit. Warum auch nicht.

In Deutschland hat die Ahmadiyya Gemeinde, laut ihrer eigenen Homepage, ungefähr 35000 Mitglieder und sie sind somit eine der größten organisierten muslimischen Gruppen. Auch dies ist interessant, da ja die Nicht-Organisation gerade auch den Islam definiert, und dies auch einer der Gründe war, für die Schwierigkeit PartnerInnen für bekenntnisorientierten Islamunterricht zu finden. Die Ahmadiyya haben 39 Moscheen mit Minarett und Kuppel in Deutschland, 225 lokale Gemeinden, und sogar einen Fernsehsender und einen Verlag.Seit 2013 haben sie in Deutschland den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts  und sind somit den großen Kirchen rechtlich gleichgestellt. Seit 2013 bieten sie als Partner des Landes Hessen den bekenntnisorientierten Islamunterricht an Grundschulen an. Außerdem nehmen sie seit 2014 an der vom Bundesinnenministerium einberufenen Deutschen Islam Konferenz teil.

Nach der Anmeldung zur Veranstaltung vor Ort, an einem Stand, wurden die Männer im Rahmen einer Sicherheitskontrolle abgetastet und die Frauen durften einfach so weiter gehen (Frauenbild?). Ich wurde mit meiner Bekannten in das Frauenzelt geleitet. Unser Bekannter durfte in das Männerzelt, beziehungsweise in das gemischte Zelt, denn wie wir von der Übertragungsleinwand im Frauenzelt feststellen konnten, waren einige vereinzelte Frauen im anderen Zelt. Vielleicht die wirklich wichtigen? Dies gab mir Rätsel auf, denn entweder es wird sich an die Geschlechtertrennung gehalten-oder nicht. Aber aus politischen Gründen könnte es sein, dass die wichtigen Frauen in das andere Zelt durften.

Die Ahmadiyya Frauen im Frauenzelt waren wirklich sehr freundlich bemüht um die Gäste. Eine Leinwand übertrug alles, wie gesagt, vom anderen Zelt. Die Ehefrau des Khalif Hadhrat Mirza Masroor Ahmad besuchte unser Zelt und hörte mit allen andächtig die Reden aller wirklich wichtigen Männer an. Sogar an Übersetzungsgeräte war gedacht für die nur deutschsprachigen Gäste. Die Ansprachen der Politiker wechselten sich ab mit Hymnen zu der hervorragenden Integrationsfähigkeit der Ahmadiyya.

Anschließend kam das weltweite Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Jamaat, der 5. Khalif Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, zu uns in das Zelt und überreichte den in einer Schlange geduldig anstehenden Frauen und Kindern jeweils ein Twix.

Der Personenkult ist im Islam prinzipiell auch verboten, und dies ist ein weiteres der relevanten Elemente des Islam, um Auseinandersetzungen zur Interpretationsmacht zu vermeiden.  Es geht im Islam um den Glauben an Allah, und nicht um die Anbetung von Interpreten/Heiligen/Propheten des Korans. Auch hier mag es aber andere Abweichungen geben, auch in anderen Richtungen des Islams. Die Ehefrau hatte schon zuvor vielen die Hand geschüttelt und das Zelt verlassen (sie war also wichtig durch ihre Ehe, wie früher die Frau Doktor zum Beispiel).

Mein Interesse an dieser Glaubensgemeinschaft war geweckt durch diese Veranstaltung, denn nur wenige Muslime schaffen es, von Politikern so umfassend gelobt zu werden. Dies kam mir sehr sehr sehr verdächtig vor.

Insbesondere wird oft der Beitrag der Ahmadiyya zur deutschen Gemeinschaft und ihre Integrationsfähigkeit gelobt. Sie sind auch in vielerlei Hinsicht sehr aktiv. In Deutschland, übergreifend in vielen Städten, finden sehr organisiert Baumpflanzungen, Blutspenden, Charity Walks, und Frühjahrsputz, beziehungsweise Neujahrsputz, durch die Ahmadiyya statt. Es gibt immer wieder überall Tage der offenen Tür und Vorträge (wie zum Beispiel Religion in der globalisierten Welt). Alle politischen Parteien, und die Betonung liegt hier auf alle, werden regelmäßig eingeladen. Große Veranstaltungen der Parteien werden ebenso pflichtgemäß von einer männlichen Delegation kurz besucht. Alleine diese sehr durchstrukturierte Vorgehensweise ist spannend. Durch die gegenseitigen Besuche politischer Veranstaltungen (Parteien laden die Ahmadiyya ein, aber nehmen selbst auch deren Einladungen an) kann sogar demonstriert werden, dass Deutschland gar nicht rassistisch ist, denn die integrationswilligen und angepassten Muslime (oder Nicht-Muslime, wie auch immer) bekommen ja ihre religiöse Anerkennung.

Sehr schön auch der Slogan der Ahmadiyya: „ Liebe für alle, Hass für keinen!“. Ja, so wollen wir sie haben die Muslime. Besser kann man nicht zusammenfassen, wie gute Muslime zu sein haben. Und die Ahmadiyya selbst stellen gerade diesen Slogan als Differenzierungskonzept in den Vordergrund, und nutzen es somit selbst als Abgrenzung von anderen Gruppen.

Es gibt eine Frauenorganisation und natürlich eine Männerorganisation, aber über die Bedeutung und Aufgaben der jeweiligen Strukturen ist kaum eine Information zu finden.

Die Ahmadyyia haben es also durch gezielte organisierte Strategien geschafft,  ihren Status in Deutschland abzusichern. Sie sind das Beispiel einer Gruppe, die es durch Anpassung und Unterordnung an die dominante Gruppe geschafft hat, sich hier zu verwurzeln. Aber auch nur durch die gewollte Abgrenzung von den anderen „bösen“ Muslimen.

Und dies scheint eine lange Geschichte zu haben. Der Prophet der Ahmadiy, Mirza Ghulam Ahmad soll schon zum Wohlwollen der britischen Besatzer die Anstrengung [dschihad] als militärischen Widerstand gegen Besatzer aufgehoben haben. Bei allen anderen Muslimen ist der Widerstand gegen Besatzer religiöse Verpflichtung [wadschib], u.U. auch militärischer Widerstand.

Wenn es die Gruppe der anderen, bösen, Muslime in Deutschland nicht gäbe, wäre es schwierig, vielleicht, mit der Strategie und der Akzeptanz, aber so gibt es in Deutschland eine Gruppe von guten Muslimen, die den anderen zeigen wie sich zu benehmen haben, entsprechend den Vorstellungen der dominanten kulturellen Gruppe.Die anderen muslimischen Gruppen, die Bösen, die sich von der deutschen dominanten Kultur versuchen abzugrenzen, auch als Folge des ständigen Alltagsrassismus, und die ungerechte Ressourcenverteilung, westliche Dominanz und Rassismus ansprechen, sind in Deutschland nicht willkommen, denn sie sind zu unbequem und sogar gefährlich, nach der Sichtweise vieler.

Ich ziehe hier eine Parallele zu Frauen als Gruppe, denn Frauen haben auch die Aufgabe sich ihrer untergeordneten Rolle entsprechend zu benehmen, dem Slogan entsprechend-hilfreich, edel und gut. Verständnisvoll und verzeihend, immer empathisch. In der heutigen Zeit natürlich auch noch sexuell verfügbar…. Auch Frauen wird eine andere, böse Gruppe von Frauen gegenübergestellt und diese wird oft lächerlich gemacht, damit auch alle wissen wie sie sich zu benehmen haben um kulturell akzeptiert zu werden, zu den Bedingungen der dominanten Gruppe. Wirklich gefährlich sind sie ja noch nicht, die anderen Frauen, noch nicht einmal Alice Schwarzer, zumindest nicht so wie Muslime, aber massive Abwertungen erleben auch nicht-konforme Frauen.

Es ist immer eine Überlebensstrategie vieler Mitglieder von untergeordneten Gruppen sich extrem anzupassen an die Anforderungen der dominanten Gruppe und sich untereinander auch zu spalten und in eine günstige Position zu bringen um im System besser zu überleben.

Auch in England findet eine ähnlich Strategie der Ahmadiyya statt. Ungefähr 5;000 Mitglieder der Ahmadiyya Muslim Youth Association (AMYA), eine der größten muslimischen Jugendgruppen in England, nahmen im Juni an einer Großveranstaltung teil zur Förderung des Dialogs zum Thema Frieden und um religiösen Extremismus abzulehnen. Die Ahmadiyya Jugend soll sich bei dieser Veranstaltung daran erinnern,  dass es ihre Pflicht als Muslime ist, ihrem Land zu dienen und eine positive Rolle in der Gesellschaft zu spielen (Al Jazeera).

Aber wieso werden die Ahmadiyya nicht als Muslime gesehen-von keiner der anderen muslimischen Zweige ((Sunni, Shia and Ibadi) oder der jeweiligen Rechtsschulen, die diese haben ((Hanafi, Maliki, Shafii, Hanbali, Zahiriri, Jafari, Zaidi, Nizari, Mustalii and Ibadi). Ahmadiyya dürfen an keinen der heiligen muslimischen Orte, und sie dürfen nicht an Gebeten oder Ritualen der anderen teilnehmen.

In vielen Ländern dürfen sie sich noch nicht mal Muslime nennen.

Es ist als Folge sehr befremdlich von der deutschen Regierung, die eigene Religionsdefinition aller muslimischen Glaubensrichtungen als Muslime nicht zu respektieren und völlig darüber hinwegzusehen. Wieso sollten auch Muslime wissen was Muslime ausmacht, und wen interessiert das überhaupt, da die ganze Glaubensrichtung ja völlig durchgedreht ist, könnte als Idee dahinterstehen, überspitzt gesagt.

Eine der grundlegenden, und wirklich grundlegenden, Dogmen des Islam ist es, das Muhammad (saw) der letzte Prophet war, es gibt niemanden nach ihm. Die Ahmadiyya aber sehen Mizra Ghulam Ahmad (1835-1908) als ihren Propheten und Messias. In anderen Worten, es ist so, als wenn im Ausland Menschen einer Glaubensrichtung sich Christen nennen könnten, wenn sie an Jesus, aber auch an den Nachfolger Hans-Peter glauben würden. Schwierig oder? Diese Glaubensgemeinschaft könnte sich dann die Hans-Peterianer nennen, aber wohl kaum Christen.  Die eigene Darstellung auf ihrer Internetseite lautet etwas anders: …..”Aufgrund ihrer zeitgemäßen Interpretation des Islam wird die AMJ von vielen orthodoxen Muslimen als häretisch gebrandmarkt und in fast allen islamischen Ländern verfolgt. Die muslimischen Geistlichen sehen in ihr die größte Gefährdung ihrer bestehenden Machtstrukturen, so dass die AMJ heute die am meisten verfolgte islamische Gemeinde der Welt ist. ..”

Auch hier finden wir die Definition von sich selbst als bessere Muslime und eine Abwertung anderer. JedeR kann von Religion halten, oder diese praktizieren, wie es den eigenen spirituellen Bedürfnissen entspricht, aber ein prinzipielles Dogma ist ein prinzipielles Dogma. Inwiefern absolute Anpassung an die Wünsche der dominanten kulturellen Gruppe durch “Frieden” Machtstrukturen bedroht, ist mir unklar. Friedfertig ist schließlich friedfertig.

Es ist sicherlich jedem und jeder selbst überlassen, an was er oder sie glaubt. Es geht nicht um eine Darstellung gegen die Ahmadiyya, sondern um die politischen Vorgänge,  involvierten Strategien und Anpassungsmechanismen einer Subkultur.

Laut Hiltrud Schröder (eine schwierige Quelle, aber Fakten sind Fakten)  wird man Mitglied der Ahmadiyya durch Geburt oder durch ein Gelöbnis, genannt Bai´at. Wer in die Ahmadiyya eintritt, gelobt mündlich und schriftlich lebenslangen Gehorsam gegenüber dem Gründer der Bewegung, dem Kalifen und dem Kalifat. Die Ahmadiyya selbst erklärt die Bedeutung des Wortes Bai´at folgendermaßen: „Ein Gelübde der Treue und des Gehorsams eines Jüngers an seinen geistlichen Lehrer. Wörtlich: Akt der Selbstverpfändung.“  Außerdem verpflichtet man sich schriftlich zur Zahlung eines monatlichen Mitgliedsbeitrags, der mindestens 1/16 des Nettoeinkommens beträgt, und weiterer „Pflicht-Chandas“ („Pflichtspenden“). Die Struktur scheint also sehr hierarchisch zu sein.

Es gab in der Vergangenheit eine Petition Religionsunterricht durch Sekten an deutschen Schulen, aber diese hatte keinen Erfolg. Es scheinen sich aber auch andere mit dieser Thematik zu befassen und es wird spannend sein, wie andere Muslime auf den Religionsunterricht durch Nicht-Muslime reagieren.

In der Nähe der Straße der Ahmadiyya Moschee in Wiesbaden gibt es übrigens noch zwei weitere Moscheen, zum einen die Tauhid Moschee, aber diese ist als Gemeinde sehr umstritten. Es gibt keine Minarette.

Aber auch wir sollten uns Gedanken machen über die gezielte Spaltung der Muslime in wünschenswertes Verhalten und in nicht wünschenswertes Verhalten, auch, aber nicht nur, da es uns als Frauen in dieser patriarchalen Gesellschaft betrifft in unserem Minderheitenstatus (den wir ja haben, obwohl wir in der Mehrheit sind). Auch Frauen werden gespalten, und lassen sich spalten, in die Guten (zum Beispiel die schönen, dünnen, jungen) und in die Schlechten (zum Beispiel die alten, hässlichen, fetten). Auch Frauen werden von der dominanten männlichen Gruppe bewertet und unterwerfen sich dieser Wertung oft durch Anpassung. Viele entscheiden sich an diesem Spiel mitzuwirken (wobei es eine andere Diskussion ist, was tatsächlich Entscheidungsfreiheit darstellt).

Inwieweit und wie lange dieser Anpassungsmechanismus wirklich Erfolg hat, ist fraglich. In jedem Fall ist dies nicht der Weg zu einer Veränderung gegenüber der dominanten Kultur. Die Ahmadiyya werden zwar als Nicht-Muslime von anderen Muslimen tatsächlich abgelehnt, aber die stark ausgeprägte Strategie der offensiven Anpassung wird diese Konfliktsituation nicht unbedingt verbessern.

Ich wünsche allen Menschen, die den Koran als ihre Glaubensrichtlinie und spirituelle Weisung sehen und leben möchten, alle Gute.

Ramadan Mubarak.

 

4 Kommentare

  1. Eine Person zur Nicht-Muslim/a erklären ist nach dem Koran eine äußerst schwierige Sache und meines Erachtens ziemlich anmaßend. Insbesondere da Sie sich in Ihrer Argumentation auf den Begriff Khatam un-Nabiyyin beziehen. Eine tiefere Analyse hätte ergeben, dass es auch nicht-Ahmadi Gelehrte gibt, welche dem Begriff die Bedeutung, Bester, Höchster etc. Zuschreiben.

  2. „wurden die Männer im Rahmen einer Sicherheitskontrolle abgetastet und die Frauen durften einfach so weiter gehen (Frauenbild?). “
    Gut das mal so zu erfahren. Es ist so enttäuschend dass auch in dieser Sekte der vermeintlich „Guten“ die übliche dominante Erwartungshaltung Frauen für unfähig oder schwach hält so dass sich eine Sicherheitskontrolle von Frauen erübrigt.

  3. Zu den Hans-Peterianern, den Nachfolger von Jesus gibt es tatsächlich und er heisst Joseph Smith. Seine Gemeinde heisst Mormonen (Heilige der Letzten Tage). Nach Wikipedia „Latter-Day Saints are represented by 7% of the Senate for 1.4% of the population.“ Übrigens „Jews are represented by 9% of the Senate for 1.7% of the population. “ Die friedfertigen Minderheiten der Mormonen und Juden sind in USA extrem mächtig. Sagte Marx nicht Religion ist Amphetamin für auserwählte Völker?

    „Inwiefern absolute Anpassung an die Wünsche der dominanten kulturellen Gruppe durch “Frieden” Machtstrukturen bedroht, ist mir unklar. Friedfertig ist schließlich friedfertig.“
    Die Ahmadiyya glauben wohl mit kapitalistischer Geldmachtstrategie als islamische Mormonen zur Reform des Islam mehr Erfolg zu haben als mit Pflastersteinwerfen. Männer und Frauen sollen „zusammen reich werden“ (siehe Deng Xiaoping) aber natürlich werden Frauen weiter dominiert für die dynastischen Phantasien der polygamen Männer.

    Juppiii hab grad im Netz gesucht und siehe da *Ahmadi Muslims Praise Mormons for Christ-like Example of Love*.

  4. Kathrin Pohl

    Dieser sehr gut geschriebene Artikel hilft meinem Verlobten in seinem Asylverfahren. Er ist Ahmadiyya und mußte Afrika wegen der Verfolgung verlassen. Auch mein Verständnis hat sich vertieft. Herzlichsten Dank

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