Das Missverständnis um die Intersektionalität – und die Konsequenzen daraus

Seit geraumer Zeit stellen wir immer wieder fest, dass das wichtige Konzept der Intersektionalität im Queer-/Liberalfeminismus in einer Art und Weise gebraucht wird, welches es in seinem ursprünglichen Sinn und Intention unbrauchbar macht. Wie so viele feministische Konzepte im Laufe der Zeit „geschrottet“ wurden, so erging es auch diesem.  

Ich konnte bisher nie so ganz greifen, was genau da schief gelaufen ist. Bis zu dieser Woche, bei einer Veranstaltung an der Uni Mainz mit der Taz- und Missy Magazin-Autorin Hengameh Yaghoobifarah. Bisher dachte ich nämlich immer, der Fehler in der Rezeption bestünde ausschließlich darin, dass Mehrfachdiskriminierungen von der Kategorie Geschlecht (im Sinne von „sex“, nicht „gender“) abgetrennt und munter aufaddiert würden. Tatsächlich habe ich jetzt verstanden, dass der Dritte Welle Feminismus einem grundlegenden Missverständnis aufgesessen ist, welches mir nun auch einige irritierende politische Aktionen aus diesen Reihen der letzten Jahre erklärt.  Aber dazu am Ende mehr.

Ursprung der Intersektionalität

Das Intersektionalitäts-Konzept wird in der Regel der US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw zugeschrieben, die im Jahr 1989 den Begriff „Intersektionalität“ prägte. Die Wurzeln dieser wichtigen feministischen Theorie liegen jedoch weit davor. So fragte die ehemalige Sklavin Sojourner Truth bereits im Jahr 1851 „Bin ich denn keine Frau?“ („Ain`t I a woman?“). Sie brachte damit zurecht zum Ausdruck, dass schwarze Frauen nicht nur als Frau, sondern zusätzlich aufgrund von Ethnie doppelt diskriminiert seien und nicht dementsprechend wahrgenommen würden. Ende des 19. Jahrhunderts kämpfte eine Gruppe afro-afrikanischer Frauen um Anna Julia Cooper, Feministinnen wie Mary Church Terrell, Nannie Burroughs und Fannie Barrier Williams um die Anerkennung der Tatsache, dass im Patriarchat schwarze Frauen sowohl sexistisch als auch rassistisch diskriminiert sind und ihre Position in der gesellschaftlichen Hierarchie noch unter der jener Frauen liegt, die keine Diskriminierung aufgrund von Ethnie erfahren müssen. Diese Feministinnen forderten ein, dass ihre spezifischen Lebenslagen und Problematiken in der „Global Sisterhood“ thematisiert und berücksichtigt werden. Ariane Panther hat sich diesen Ursprüngen bereits sehr ausführlich gewidmet.

Dass Hengameh es völlig versäumte in ihrer sehr selektiven Aufzählung der Verfehlungen privilegierter, unsoldidarischer „weißer“ Frauen, jene Frauen der ersten und zweiten Welle der Frauenbewegung zu erwähnen, die in vielerlei Hinsicht mit Rollenerwartungen brachen (als Frauen, die Frauen liebten; als Frauen, die prostituiert wurden; als Frauen, die unter den Nazis offen Solidarität mit Jüdinnen zeigten; usw). Dass sie die gegenüeber „weißen“ Frauen postulierte „Fehlerfreundlichkeit“ selbst sehr plastisch bei einer aus dem Publikum kommenden Kritik gegenüber Angela Davis praktizierte („Na, man muss sie ja nicht zitieren, wenn es um Israel geht, wenn man sie für Knastkritik heranzieht“): Geschenkt! So funktioniert halt Dogmatismus …

Geschlecht und nicht Ethnie (race) als zentrale Kategorie

Der Groschen der nun bei mir fiel, ist, dass Dritte Welle Feministinnen der Auffassung sind, dass Intersektionalität von der Ethnie als zentraler Unterdrückungskategorie ausgeht und nicht von Geschlecht.  Nach Hengamehs Definition stehen „weiße“ Frauen in der Hierarchie über schwarzen Männern und Frauen. Hierher rührt also der Mythos der „privilegierten, heterosexuellen, weißen Frau“. Nach dieser Lesart der gesellschaftlichen Verhältnisse stellen „weiße“ Frauen eine Gefahr für schwarze Männer da.  

Dies lässt sich zum Beispiel an von ihr getätigten Äußerungen ablesen, nach denen „weiße“ Frauen , die von Männern einer anderen Ethnie sexuell belästigt oder vergewaltigt würden, durch Anzeigen die Polizei auf diese „loshetzen“ (sic!) würden. Da die Polizei eine rassistische Institution und damit eine unfaire Behandlung der Täter vorprogrammiert sei, sollten betroffene Frauen ihr zufolge jedoch auf solche Anzeigen verzichten. Ist der Täter „weiß“ könne im Übrigen ebenfalls auf eine Anzeige verzichtet werden, denn mit einer Verurteilung sei ja angesichts der niedrigen Verurteilungsquoten eh nicht zu rechnen und Frau erspare sich so auch, dass sie sich nach der Vernehmung noch schlechter fühle als vorher. Das wurde tatsächlich so geäußert. Kein Witz. Warum das Publikum hierbei ruhig und gelassen blieb ist mir bis heute ein Rätsel. Aber das ist ein anderes Thema…

Weiterhin wurde die Kritik historischer afro-afrikanischer Feministinnen  so interpretiert, als hätten diese sich dem Grunde nach gegen einen „weißen Feminismus“ gewendet und nicht ihre adäquate Inklusion in die feministische Bewegung gefordert.  Besagte Gruppe definiert sich nach diesem Verständnis nach Ethnie und nicht nach Geschlecht.

Feminismus als Kampf von Frauen für Frauen

Ich hab dann noch einmal ein wenig bei den Klassikern der „Zweiten Welle“ nachgeschmökert und wurde bei Catharine MacKinnon fündig, um mir zu erklären wo hier die Schieflage entsteht. Ihren aufschlussreichen Text aus dem Jahr 1991 hierzu haben wir 2017 bereits in Auszügen übersetzt, ich fasse ihn noch einmal in Stichworten zusammen.

  • Als die AbolitionistInnen das Wahlrecht in den USA durchsetzten und Frauen jeglicher Coleur davon ausgeschlossen blieben, wurden schwarze Frauen nicht als ethnisch diskriminierte Menschen ausgeschlossen, sondern weil sie geschlechtsdiskriminierte Frauen waren.
  • Als die Afro-Amerikanerin Mechelle Vinson sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als Diskriminierung am Arbeitsplatz durchsetzte, tat sie dies als geschlechtsdiskriminierte Frau und nicht als rassistisch/ ethnisch diskriminierte Schwarze.
  • Als die Afro-Amerikanerin Lillian Garland ein Recht auf unbezahlten Urlaub im Falle von Schwangerschaft durchsetzte, tat sie dies als geschlechtsdiskriminierte Frau und nicht als rassistisch/ethnisch diskriminierte Schwarze

Voraussetzung für juristische Abhilfe in geschlechtsrelevanten Themen ist die Identifikation der Praxis gesetzwidriger Behandlungen auf der Tatsache, dass Frauen Frauen sind.

MacKinnon verweist auf die „kollektive, soziale Geschichte der Entmachtung, Ausbeutung und Unterordnung“, die alle Frauen bis in die Gegenwart hinein gemeinsam haben. Eine gemeinsame Geschichte, die empirisch belegbar ist und die kollektiv erfahren werden kann.

MacKinnon erkennt selbstverständlich Diskriminierungen aufgrund von Ethnizität an, diese sind ja kaum von der Hand zu weisen. Interessant findet sie jedoch, dass sowohl Hautfarbe als auch Geschlecht visuelle Zuweisungen sind, die jeweils Unterdrückung und damit Gemeinschaft beinhalten. Dass sich Women of Colour eher der Gemeinschaft der People of Colour in Bezug auf Diskriminierung wiederfinden (wollen) – bewusst oder unbewusst – als in der Gemeinschaft der Frauen (also aller Frauen, inklusive der „weißen“), dass „Menschen mehr Würde darin ausmachen, in einer Gruppe zu sein, die auch Männer beinhaltet“, als in einer Gruppe in der auch „weiße“ Frauen sind, da Frauen im Patriarchat per se minderwertig sind – und ihre Unterdrückung gesellschaftlich seltener anerkannt wird, als eine Unterdrückung, die auch Männer betrifft. Niemand will einfach „nur  Frau“ sein.

MacKinnon kommt zu dem Schluss,  dass feministische Theorie in der ein oder anderen Weise alle Frauen umfassen muss. Die genannten Gesetzesänderungen  konnten nur deshalb durchgesetzt werden, weil die Frauen, die sie durchsetzten, sich als Frauen diskriminiert fühlten und dies bei Gericht geltend machten.

„Das bedeutet nicht, dass ihre Ethnie irrelevant wäre und es bedeutet auch nicht, dass ihre Verletzungen außerhalb des rassistischen Kontextes verstanden werden können. Es bedeutet vielmehr, dass „Geschlecht“ sich aus den Erfahrungen aller Frauen ergibt, inklusive der ihren. […] Es bedeutet, dass jede Frau, auf ihre Weise, alle Frauen ist.“

Oder in den Worten von Audre Lorde:

„Schwarze Frauen sprechen als Frauen, weil wir Frauen sind.“

Das Konstrukt der „weißen“ Frau

Verstanden habe ich bei der erneuten Lektüre von MacKinnon auch, dass das Resultat der Zentrierung von Ethnizität im Intersektionalitäts-Verständnis, eben jenes sich selbst Kleinmachen „weißer“ Frauen ist, was wir allenthalben erleben.

Die „weiße“ Frau ist diesem Verständnis nach ökonomisch privilegiert, wird nicht ausgebeutet, schaut auf PoC herab, beschuldigt schwarze Männer sie vergewaltigt zu haben, während sie gleichzeitig über Sex mit ihnen fantasiert.

„Und als Krönung besitzt sie die Unverfrorenheit […] zu denken, dass sie befreit werden muss.“

Selbstverständlich wissen wir eigentlich alle, dass dies nicht stimmt. Wir wissen, dass es egal ist, wie „weiß“ oder „ökonomisch privilegiert“ wir sind. Dass wir in gleichem Ausmaß Gewalt durch Männer erfahren usw. usw. Wenn MacKinnon auf den offensichtlichen Rassismus in der Pornographie verweist, dann negiert sie die Diskriminierung aufgrund von Ethnizität eben nicht, sondern weist daraufhin, dass das was in der Pornographie den vermeintlich privilegiertesten Frauen, den „weißen“ Frauen, angetan wird, zeigt, was allen Frauen angetan werden kann: Und das reicht bereits von Sadismus/Masochismus bis hin zu Snuff.

 Wichtig ist, MacKinnons Feststellung:

 „Dies alles soll nicht heißen, dass es so etwas wie Privilegien aufgrund der Hautfarbe nicht geben würde, sondern eher, dass jene Privilegien “weiße” Frauen niemals vor der Brutalität und der Frauenverachtung der Männer, zumeist „weißen“ Männern bewahrt haben. […] In anderen Worten: Den „weißen Mädchen“ in dieser Theorie geht in der Realität der “weißen” Frauen und der Praxis der männlichen Vorherrschaft ziemlich viel ab.“ Nicht nur wird durch diese Auffassung die soziale Lage der „weißen“ Frau trivialisiert, sondern es wird im Grunde auch postuliert, dass es eigentlich gar keine Frauenunterdrückung gibt. […] Ungleich zu anderen Frauen teilt die “weiße” Frau, die nicht arm oder aus der ArbeiterInnenklasse ist, oder lesbisch, oder jüdisch, oder mit Behinderung, oder alt oder jung, ihre Unterdrückung nicht mit einem Mann.  Das macht ihren Zustand in keinster Weise maßgeblicher für die Definition von Frau, als die Situation irgendeiner anderen Frau. Ihre Unterdrückung jedoch zu trivialisieren, weil es nicht potentiell rassistisch oder klassenbasiert oder heterosexistisch oder antisemitisch ist, definiert die Bedeutung von „anti-Frau“ mit einer besonderen Klarheit. Die Vorstellung, Konstruktion und Behandlung der “weißen” Frau wird zu einem sehr sensitiven Indikator für das Maß in dem Frauen, als solche, verachtet werden.“

Konsequenzen für den zeitgenössischen Feminismus

Ich kann verstehen, dass das Benennen der Ethnizität von Tätern bei der Gewalt gegen Frauen, von Feministinnen als äußerst unangenehm empfunden wird. Ich teile dieses Unbehagen, weil jede von uns weiß, dass jede einzelne Tat von rechts sofort instrumentalisiert wird – aus rassistischer und nicht feministischer Motivation heraus.

Es ist richtig, dass Frauen Gewalt zumeist in ihrem Nahumfeld erfahren und  die Ethnizität der Männer bei den Tätern kaum eine Rolle spielt. Es gibt empirisch hierbei kaum nennenswerte Unterschiede.  Was wir jedoch immer wieder  beobachten ist doch, dass Gewalt durch „die anderen“ in der Regel gerne entweder durch die Gewalt „der einen“ relativiert wird. Oder dass in einem Abwehrreflex betont wird, dass ja „die einen/anderen“ auch xyz… Zu erinnern ist in diesem Kontext an unseren Appell als Reaktion auf die Initiative #ausnahmslos.

Die Intention ist nachvollziehbar: Kein Wasser auf die Mühlen der Rechten. Nicht nur jedoch, dass meines Erachtens so genau das Gegenteil von dem erreicht wird was eigentlich intendiert ist. Nein, es bedeutet vor allem eine Verkennung der zentralen Diskriminierung im Patriarchat: Der nach Geschlecht. Es bedeutet nicht nur eine Entsolidarisierung mit (de facto allen) Frauen, sondern eine Verkennung der gesellschaftlichen Hierarchien.

Der schmerzhafteste Satz , den ich in den letzten Jahren von einer langjährigen Mitstreiterin hören musste, lautete „Du hast ja Recht, aber da draußen brennt es. Es brennen Flüchtlingsunterkünfte, der Rassismus wächst“. In mir schrie es: „Verdammt noch mal, für uns als Frauen brennt es jeden verdammten Tag!“. Nie wurde ich so deutlich auf meinen unteren Platz in der Gesellschaftshierarchie zurechtgewiesen.  Ich bin mir sicher, der Mitstreiterin war es nicht bewusst. Ich habe mich jedoch in diesem Moment als Frau minderwertig und verraten gefühlt.

Angesichts dessen frage ich mich, wie es dann erst muslimischen Frauen gehen muss, die dem Kopftuch kritisch gegenüberstehen (oder wie im Iran unter Gefährdung ihres Lebens für eine Befreiung davon kämpfen) und sich (wie jüngst in Frankfurt bei der zeitgleich zu der von Hengameh stattfindenden Veranstaltung) selbst als ethnisch diskriminierte Frauen einen Rassismus-Vorwurf einhandeln

31 Kommentare

  1. Danke! Das war überfällig! Das undurchdringliche Dickicht und die Kraut und Rüben im Intersektionalen Neo-Feminismus machen einen klaren Durchblick fas unmöglich. Jedes saubere Benennen und Unterscheiden hilft jedoch enorm, aus dem Begriffs- und Wortsalat wieder aufzutauchen und zu schauen, wo man, resp. der Intersektionale Neo-Feminismus falsch abgebogen ist und sich im eigenen Wortdickicht verlief. Deshalb noch einmal Danke.

  2. Frauen-/Lesbenbewegungen haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder verschiedene Kategorien zusammengedacht und Mehrfachdiskriminierungen kritisiert, z. B. Klasse und Geschlecht. Da hieß aber anders. Nur weil in den Quellen der Frauen-/Lesbenbewegungen der Begriff „Intersektionalität“ nicht auftaucht, heißt das nicht, dass die Frauen/Lesben Mehrfachbetroffenheiten nicht auf den Schirm hatten!!! Diese Geschichtsvergessenheit ist einfach unerträglich!

  3. Manu Schon

    Hey! Ich weiß nicht, wer hier gerade Adressatin der Verärgerung und dem Vorwurf der Geschichtsvergessenheit ist. Vielleicht kannst du das nochmal erläutern?
    Denn: Ja, ich sehe das auch absolut so. Das sollte an zwei Stellen im Text klar geworden sein.
    Im Text ging es mir allerdings insbesondere darum zu erklären, warum Intersektionalität um Geschlecht als zentraler Unterdrückung zentriert ist (und bleiben muss). Tatsächlich geht es ja nicht einfach um Mehrfachdiskriminierungen, sondern um Mehrfachdiskriminierungen ausgehend von der zentralen Diskriminierung nach Geschlecht

  4. Habe ich den Punkt des Artikels richtig verstanden? Geschlecht als Diskrimierungskategorie trumpft andere. Sprich Frau-Sein führt insgesamt immer zu einem gesellschaftlichen Tiefstatus.
    Da weiss ich nicht so recht, ob das im Hinblick auf Schwule stimmt. Ob die „weisse“ Hetero-Frau nun tatsächlich stärker diskriminiert wird als der „weisse“ Homo-Mann, würde ich gerne empirisch belegt haben. Mir scheint es naheliegend, dass die vorherrschende Männlichkeitsnorm im Alltag nicht zwingend von Frauen bedroht wird, sondern durch das Ausleben einer anderen Männlichkeit, d.h. konkret auch die sexuelle Orientierung. Homosexualität unter Männern ruft gesamthaft eine stärkere Reaktion hervor als Frau-Sein und ist weniger geduldet als Homosexualität unter Frauen.
    https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Schwules-Paar-in-der-Silvesternacht-brutal-verpruegelt-12259333

    Der Verdienst der Intersektionalität ist meines Erachtens, dass es die Untersuchung unterschiedlicher Merkmalskombinationen konzeptionell fasst und nicht auf eine Ideologie zurückgreifen muss.

  5. Oh je, mein Kommentar richtete sich natürlich nicht gegen die Autorin!!! Meine Kritik ging an die Hengamehs und Co. Ich habe das in der Vergangenheit so oft erlebt, dass diese Leute ein auf schlau und aufgeklärt machen und dann von der hiesigen Frauen-/Lesbenbewegungsgeschichte keine Ahnung haben. Hierzu hat Ilse Lenz im Sammelband „Erinnern, vergessen, umdeuten?“ einen interessanten Aufsatz geschrieben. Darin kritisiert sie, dass das Gerede von der Bewegung von „weißen Cis-Mittelstandsfrauen“ das Engagement der Frauen of Color und der Migrantinnen unsichtbar macht.

  6. Manu Schon

    @Remo: Du fragst ernsthaft ob die „weiße“ Hetero-Frau stärker diskriminiert ist als der „weisse“ Homo-Mann? Und bringst dafür als Argument einen Fall von männlicher Gewalt gegen Männer?
    Die Debatten um Femizide, die Notwendigkeit einer Istanbul-Konvention sind dir wohl entgangen? Die Tatsache, dass „weiße Homo-Männer“ es einfacher im Berufsleben haben als Frauen? Die Tatsache, dass die Ausbeutung von Frauen durch Adoption, Leihmutterschaft und dergleichen vorangetrieben wird, damit homosexuelle Männer auch Kinder haben können? Wie viele Beispiele brauchst du? Ja, der Punkt ist, dass der schwarze oder homosexuelle Mann oder der Mann mit Behinderung etc etc. in unserer patriarchalen Gesellschaft über der Frau egal welcher Hautfarbe steht. Lass uns doch mal reden darüber, wie das Recht auf Prostitution verteidigt wird mit Verweis auf die „armen, behinderten Männer, die sonst ja keinen Sex haben können“. Lass uns doch mal reden darüber, wie selbst die „weißen“ Frauen, die als Sextouristinnen in der Karibik ihr Unwesen treiben, sich am Ende in Partnerschaften mit häuslicher Gewalt wiederfinden – obwohl der Aufenthaltsstatus der Männer von ihnen abängig ist. Als Lektüretipp empfehle ich Bourdieus „Die Männliche Herrschaft“. Wenn dir die vielen Arbeiten von Feministinenn nicht reichen, die das immer und immer wieder analysiert haben, überzeugt dich vielleicht ein Mann?

  7. Manu Schon

    Danke Lozen fürs nochmal erläutern. Ja, ich finde das auch frustrierend dieses mangelnde Geschichtsbewusstsein. Ich habe in der Veranstaltung zum Beispiel die vielen Frauen der ersten Frauenbewegung erwähnt, die in Frauenpartnerschaften lebten. Oder Anna Pappritz, die aufgrund ihrer Abscheu gegen die Nazis ihren Vorsitz in der Abolitionistischen Föderation niederlegen wollte, weil jüdischen Menschen die Vereinsmitgliedschaft untersagt wurde, und dies ihren ethischen Grundwerten zuwiderlief. Dass ihre jüdischen Mistreiterinnen sie überreden mussten weiterzumachen, dem Kampf gegen Prostitution und die männliche Nachfrage wegen. Oder Andrea Dworkin, eine Jüdin, die sich prostituieren musste als sie in Frankreich wohnungslos war. Oder das die Jüdin Bertha Pappenheim sich um jüdische prostituierte Frauen kümmerte und deutlich machte, dass die Zuhälter und Menschenhändler männliche Familienmitglieder waren und dass sie für ihr Engagement bei der Gestapo antanzen musste und die Einwohnerinnen und Mitarbeiterinnen ihres Heims ins KZ kamen. Hengameh faselte dann was von, das seien schlechte Beispiele, weil die Nazis ja Prostitutierte stigmatisiert und verfolgt hätten und man ja Sexarbeit und Prostitution trennen müsste. Total am Thema vorbei. Da fällt einer doch nix mehr ein…

  8. Liebe Manu, ich wünsch dir ja wirklich keine doofen Abende. Aber wenn solche Texte dabei rauskommen (wo ich permanent „ja genau!“ schreien will)….?

  9. @Manu
    Ui, da hab ich wohl jemand vor den Kopf gestossen. Das war nicht meine Absicht. Sorry. Meine Frage stellt weder die Istanbul-Konvention in Frage noch all das Leid, welches Frauen über sich ergehen lassen müssen.
    Die Vermischung so vieler Themen und Fragen in deiner Reaktion, zwingt mich in die Defensive, sind aber keine Belege (Hinweise auf empirische Untersuchungen) für deinen Standpunkt. Leider sind es zu einem guten Teil ideologisch aufgeladene Behauptungen (wrnn nicht, dann lasse ich mich gerne mit Belegen, Daten und so belehren).
    Zu unterstellen, Schwule würden Frauen per se aufgrund von Kinderwünschen (Adoption ist heute in der Schweiz nicht möglich) in die Prostitution drängen, finde ich dann schon dicke Post.
    Aber, ich habe da wohl einfach keine Ahnung (da Mann).

  10. Manu Schon

    Ehm. Ich sprach von behinderten Männern und nicht von homosexuellen Männern, wenn du mal genau liest.
    Zur Leihmutterschaft: Catharina MacKinnon beschreibt in ihrem Text ja, dass Feminismus eine Bewegung ist, bei der die Praxis zur Theorie leitet. Ich empfehle dir diesbezüglich einfach mal zu schauen, wer hier welche Gesetzesänderungen mit welcher Motivation vorangetrieben hat. Pro-Tipp: Feministinnen haben das seit den 1970er Jahren bereits analysiert und aufgeschrieben. Du künntest mit Gena Corea anfangen. Aktuell hat gerade die tolle Renate Klein (lesbisch übrigens) ein Buch über Leihmutterschaft rausgegeben, indem sie ebenfalls darauf eingeht.

    Wenn du die feministische Grundlagenliteratur nicht lesen möchtest, warum forderst du dann von mir „empirische Beweise“ für meine Feststellungen ein. Als Soziologin könnte ich das, aber ist es nicht vielmehr so, dass wenn du gegenteiliger Meinung bist, dass du in der Bringschuld bist empirische Belege dafür zu bringen, dass der homosexuelle Mann mehr Diskriminierungen erfährt als die „weiße“ heterosexuelle Frau?

    Ach so schnell bin ich nicht „vor den Kopf gestoßen. Ich lass mich auch gerne von guten Argumenten überzeugen, deshalb und in diesem Sinne: Ich freue mich auf deine empirischen Daten 🙂

  11. Manu Schon

    Aber komm, ich will mal nicht so sein und poste dir mal ein ganz konkretes Beispiel für Ausbeutung von Frauen im genannten Kontext:

    https://www.japantimes.co.jp/news/2019/12/23/asia-pacific/social-issues-asia-pacific/gay-marriage-law-passes-taiwan-emerges-new-market-lgbt-surrogacy/#.XiXyyiNCeM8

    „Taiwan became the first place in Asia to legalize gay marriage in May and more than 2,000 same sex couples have since wed, prompting a rush of commercial surrogacy agencies to head to Taiwan to help more LGBT+ couples seeking to start families. Globally, the popularity of surrogacy — where a surrogate mother is either implanted with a sperm and egg or becomes pregnant using her own egg — is soaring, particularly among LGBT+ couples who want to become parents. […]This has been encouraged by the arrival of commercial surrogacy agencies, mainly from the United States, in Taiwan where hundreds of gay couples are willing to pay up to $140,000 to start a family — almost 10 times the average annual salary. […] About 320 people attended, forcing the organizers to request a space twice the size of the room originally booked.“

  12. Liebe Manu
    Vielen Dank für deine Hinweise. Die Literatur schaue ich mir gerne an (Bourdieu habe ich schon gelesen). Mir war nicht bewusst, dass der Massstab deiner Ausführungen global ist. Global gebe ich dir vollkommen recht. In dieser Hinsicht, ist der Mann egal welcher Färbung, sexueller Orientierung, Bildungsstand, Einkommen etc. wohl immer der Netto-Sozialgewinner gegenüber die Frau. Sieht es anders aus, wenn der Massstab national, kommunal oder lokal ist?
    Ich habe eben noch mit der Frau, die mich geheiratet hat („meine“ Frau, finde ich eine unmögliche Beschreibung, habe aber noch keine gute Alternative gefunden) über das Thema diskutiert. Es hängt wohl davon ab, worauf wir uns beziehen (Entmachtung, Diskrimierung, Exklusion, offensichtliche oder subtile Abwertung im Alltag, Leiden etc.) und wen wir mit wem vergleichen.
    Eine Bemerkung kann ich mir dann doch nicht verklemmen (vielleicht wieder so ein männliches Unterdrückungsmanöver ;-)). Da ich nichts behauptet habe, sondern lediglich eine Frage gestellt habe, bin ich nicht in einer Bringschuld.

  13. Manu Schon

    Ich sehe ehrlich gesagt nicht, dass es „lokal“ oder „kommunal“ anders aussieht. In fast allen Kommunalparlamenten gibt es Frauenausschüsse, ich war selbst Mitglied in einem als ich Stadtverordnete war. Glaub mir: Die Themen gehen einem/einer da leider nicht aus…

  14. Für mich ist es n i c h t nachvollziehbar, warum Frauen bei sexueller Belästigung durch PoC-Männer mehr Skrupel haben sollten, Anzeige bei der Polizei zu erstatten.
    Das geht mir nicht so.
    Es drückt nur aus, wie schwer es Frauen offenbar fällt, bei sich selbst zu bleiben und sich selbst an erste Stelle zu setzen. Im Grunde setzen sich Frauen damit selber zurück, das braucht dann kein Mann mehr zu machen.

    Statt sich nach einem solchen Angriff sich sebst zuzuwenden und gut für sich selber zu sorgen, kommt diese Fürsorge wieder nur Männern zugute.
    Es ist eine Rationalisierung, so zu argumentieren: für mich selber will ich nicht sorgen, das bin ich mir nicht wert; aber Männer, diesmal eben welche of Colour, haben meine Fürsorge und meinen Schutz (vor der Polizei) jederzeit verdient.
    Alter Wein in neuen – vermeintlich anti-rassistischen – Schläuchen.
    Was ist mir schlecht!

  15. Zur Frage, welche Kategorie in Herrschaftsdiskursen mehr im Zentrum steht – Geschlecht oder Ethnie – sollten noch gerne mehr fundierte Argumente zusammengetragen werden. Das wäre hilfreich, wenn frau in derart unerquickliche Diskussionen hineingerät, in denen stillschweigende Einigkeit darüber herrscht, dass Rassismus die „Mutter“ aller Unterdrückung ist.

    Gut, dass diese falsche Grundannahme hier aufgedeckt wurde.

  16. Vielleicht sich nochmal etwas ausführlicher mit der Schwarzen Feminismusbewegung beschäftigen…

  17. Anna Hoheide

    @Hanna Vielleicht nochmal etwas ausführlicher mit dem Text beschäftigen 😉

  18. Im Text gibt es einige Argumentationen, die ich sehr fragwürdig finde. Zum einen ist der Grundgedanke, dass Unterdrückungen (rassistische, sexistische und klassistische etc.) ein hierarchisches Verhältnis zu einander haben. Die Idee von sich durchkreuzenden intersektionalen Diskriminierungen ist es doch, dass sie nicht in einem hierarchischen Modell betrachtet werden? Es gibt kein erstens Frau, zweitens Woman of Color, drittens behindert, viertens arm… Die Idee, dass es eine hierarchische Ordnung unter den Unterdrückungsformen gäbe, ist an sich doch ein patriarchaler Effekt, oder nicht? Das Patriarchat braucht hierarchische Positionen; warum also diese „Ordnung“ der Gesellschaft übernehmen? Daraus ergibt sich auch, dass ich nicht verstehe, wieso die weiße Frau die ‚unterdrückteste‘ von allen sein kann.
    Dass Diskriminierungen, die mit Männern geteilt werden (z.B. Rassismus), Schwarze Frauen dazu veranlassen sich ‚mehr‘ rassistisch diskriminiert zu fühlen als sexistisch, macht für mich keinen Sinn. Ganz einfach: Solidarität macht in meinem Verständnis nur Sinn, da es ja nicht um mich persönlich geht. Kämpfe ich für mich (und andere, die sind wie ich), ist das sicherlich richtig, aber nicht solidarisch. Solidarität zeige ich doch, wenn ich mich als Allierte z.B. gegen Antisemitismus einsetze, ohne selbst jüdisch zu sein. Es hindert die weiße Frau also nichts daran, sich auch solidarisch mit Schwarzen Frauen oder Männern gegen Rassismus zu zeigen.

  19. Manu Schon

    Genau diese Hierarchisierung halte ich für relevant: Die radikalfeministische Analyse wäre, dass alle -ismen, ob Klassismus, Rassismus, … Folge des Patriarchats sind. Das schließt nicht aus, dass auch Männer im Patriarchat unterdrückt werden, aber die zentrale Kategorie ist das Geschlecht.

    In Bezug auf „Es hindert die weiße Frau also nichts daran, sich auch solidarisch mit Schwarzen Frauen oder Männern gegen Rassismus zu zeigen.“ bedeutet das: Der Kampf gegen das Patriarchat sit gleichzeitig ein Kampf gegen alle daraus resultierenden Unterdrückungsstrukturen. Also natürlich, schließt es das nicht aus.

    Nun gibt es Leute die haben andere Analysen, darüber kann man ja sachlich diskutieren…

  20. @Manu Schon: Wenn die zentrale Kategorie das Geschlecht wäre, ist es dann nicht möglich, dass Frauen misogyn sind z.B.? Oder rassistisch? Diese Phänomene machen für mich nur dann Sinn, wenn wir nicht vom biologischen Geschlecht sprechen.

    Die Angabe, dass weiße Frauen sich auch solidarisch mit Schwarzen zeigen können, war als Argument gegen MacKinnons Sichtweise gemeint: Sie sieht – und so hatte ich auch deine Interpretation verstanden – die weiße Frau in einer besonders verletzlichen Situation, weil sie sich nicht mit unterdrückten Männern (z.B. durch Rassismus) solidarisieren könne. Nein, das sehe ich nicht so: Sie kann und sollte sich mit anderen Unterdrückten solidarisieren. Und weil sie das kann, macht es für mich keinen Sinn, dass sie schlechter gestellt ist als eine rassistisch diskriminierte Frau etwa.

    Was genau meinst du mit den „andere[n] Analysen“? Möchtest du darauf näher eingehen?

  21. Manu Schon

    Mir scheint du hast da etwas mißverstanden, Maria. In dem Text steht nirgends die weiße Frau sei in einer besonders verletztlichen Situation.
    Da steht:
    1) ALLE Frauen sind im Patriarchat in der Hiearachie unter ALLEN Männern, da Geschlecht die zentrale Unterdrückungskategegorie ist (und Kapitalismus, Rassismus, … Symptome des Patriarchats sind und aus diesem verhorgegangen, was mitunter auch Männern schadet)
    2) Es gibt Frauen, die unterdrückt sind und solche, die unterdrückt sind und noch von weiteren Unterdrückungsmechanismen (zusätzlich!) betroffen sind – und es wird betont, dass diese zusätzlichen Unterdrückungen außerordentlich relevant sind
    3) Wenn wir uns den Status der „weißen“ Frau ansehen und ihren starken Grad der Unterdrückung uns vor Augen führen, dann können wir nur erahnen, wie es WoC im Patriarchat geht, die zusäzlich zur Bürde Frau, noch anderes Gepäck an Diskriminierung mit sich rumtragen müssen
    4) Wer sagt, dass irgendwer gehindert daran ist mit WoC solidarisch zu sein? Du wirst hier bei uns viele Texte finden, die genau die besonderen Lebenslagen von WoC, lesbischen Frauen, … zum Thema haben. Natürlich kann man auch mit Männern solidarisch sein, die von irgendeinem -ismus betroffen sind.
    Das einzige was ich sagte war, dass es absurd ist, die eigene Unterdrückung nicht zu thematisieren und zu bekämpfen, wenn der Täter nun mal ein PoC ist. Wo ist das Verständnisproblem dabei?

    Mit andere Analysen meine ich radikalfeministische Analysen (übrigens später wundervoll soziologisch fundiert bei Pierre Bourdieu – Die männliche Herrschaft aufgegriffen), nicht liberal- /queefeministische oder marxistische. Das sind Sichtweisen auf die Welt.

    Ach ja und natürlich können auch Frauen rassistisch oder was auch immer sein. Das Patriarchat ist ja nicht gottgegeben und männliche Identifikation ist geradezu typisch für Frauen im Patriarchat (im Übrigem eben besonders im dritte Welle Feminismus, lies dich gerne mal dazu ein)

  22. Danke nochmals für die Antwort. Ich verstehe: Meine Interpretation, dass der Text mit MacKinnon die weiße Frau als besonders unterdrückt darstellt, kommt von dieser Passage aus dem MacKinnon-Zitat:
    –Ungleich zu anderen Frauen teilt die “weiße” Frau, die nicht arm oder aus der ArbeiterInnenklasse ist, oder lesbisch, oder jüdisch, oder mit Behinderung, oder alt oder jung, ihre Unterdrückung nicht mit einem Mann. Das macht ihren Zustand in keinster Weise maßgeblicher für die Definition von Frau, als die Situation irgendeiner anderen Frau. Ihre Unterdrückung jedoch zu trivialisieren, weil es nicht potentiell rassistisch oder klassenbasiert oder heterosexistisch oder antisemitisch ist, definiert die Bedeutung von „anti-Frau“ mit einer besonderen Klarheit.–
    Außerdem schreibst du weiter oben zu MacKinnon: –Interessant findet sie jedoch, dass sowohl Hautfarbe als auch Geschlecht visuelle Zuweisungen sind, die jeweils Unterdrückung und damit Gemeinschaft beinhalten. Dass sich Women of Colour eher der Gemeinschaft der People of Colour in Bezug auf Diskriminierung wiederfinden (wollen) – bewusst oder unbewusst – als in der Gemeinschaft der Frauen (also aller Frauen, inklusive der „weißen“), dass „Menschen mehr Würde darin ausmachen, in einer Gruppe zu sein, die auch Männer beinhaltet“, als in einer Gruppe in der auch „weiße“ Frauen sind, da Frauen im Patriarchat per se minderwertig sind – und ihre Unterdrückung gesellschaftlich seltener anerkannt wird, als eine Unterdrückung, die auch Männer betrifft. Niemand will einfach „nur Frau“ sein.–
    Diese Zitate haben meine Schlüsse motiviert.
    Hierzu: –Das einzige was ich sagte war, dass es absurd ist, die eigene Unterdrückung nicht zu thematisieren und zu bekämpfen, wenn der Täter nun mal ein PoC ist. Wo ist das Verständnisproblem dabei?–
    Ich denke, Hengameh hat – ohne den Vortrag selbst gehört zu haben -, ihre Aussagen durchaus satirisch gemeint; zumindest wird das aus deinen Beschreibungen für mich deutlich. Es macht keinen Sinn, dass eine Queerfeminist*in glaubt, weiße Frauen hätten keine legitimen Kämpfe. Häusliche Gewalt oder das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und viele, viele Themen im Feminismus mehr, sind Themen für alle.

    An sich habe ich den Eindruck, dass mein Verständnisproblem aus einem Widerspruch kommt, den ich nicht durchdringen kann: Die Theorie, dass Frauen „die zentrale Kategorie“ der Unterdrückung sind, scheint mir eurozentrisch. Rassistische Zuschreibungen, um bei dem Beispiel zu bleiben, erscheinen oft in Verbindung mit sexistischen Zuschreibungen: Verdinglichend oder vermännlichend und entmenschlichend. Warum sollte Frau-Sein hier eine zentralere Rolle spielen, wenn sich eine Schwarze Frau in einer westlichen Gesellschaft bewegt? Mehr noch, es können nicht alle Frauen der Welt – die in kolonialer Vergangenheit und postkolonialer Abhängigkeit leben – sich mit dem Narrativ der weißen und westlichen Frau identifizieren? Zu behaupten, dass alle Frauen gleichermaßen ihr Frau-Sein miteinander teilen, macht jedenfalls aus einer Schwarzen Perspektive keinen Sinn: Eine Schwarze Frau zu sein ist nicht vergleichbar damit eine weiße zu sein. Anstatt die Vorstellung eines gemeinsamen Nenners zu bemühen, muss erkannt werden, dass die beiden Lebenssituationen sehr unterschiedliche Implikationen haben. Nur in diesem Kontext findet letztlich Rassismus statt, der sich von weißen Feminist*innen gegen Schwarze richten kann.
    Leider erklärst du in deinem Beitrag nicht, warum queerfeministsiche oder marxistische Analysen nicht „weiterhelfen“ bzw. warum sie ein Gegenkonzept zum Radikalfeminismus darstellen.
    Weshalb kommt Rassismus etwa im „Dritte-Welle-Feminismus“ (wahrscheinlich ist damit Queerfeminismus gemeint?) eher vor? Oder habe ich den letzten Punkt falsch verstanden, weil es nur ein Beispiel war?
    Meine Beiträge hier habe ich vor allem verfasst, weil ich nicht verstehe, wie Radikalfeminist*innen sich vom Queerfeminismus so abgetrennt fühlen.

  23. Manu Schon

    In dem von dir zitierten Teil ging es darum aufzuzeigen, wie der liberale Feminismus in seinen Argumentationen von den vermeintlichen Privilegien der „weißen“ Frau, suggeriert, dass diese eigentlich gar nicht unterdrückt ist und wie dies dazu beiträgt die gemeinsame Unterdrückung als soziale Klasse Frau zu übersehen. Die „weiße Frau“ ist ein Konstrukt, darum geht es auch bei den visuellen Zuweisung. Der Kampf gegen die sexuelle Versklavung der Frau hieß in den ersten Dokumenten des Völkerbundes noch „white slavery“ (in Anlehnung an die Abschaffung der „black slavery“). Nun war das einerseits potentiell anschlußfähig für Rasissten („die die Ehre der reinen, weißen Frau verteidigen wollten) und andererseits auch irrefühend, wurden doch vor allem zum Beispiel osteuropäische Frauen (darunter insbesondere Jüdinnen) z.B. nach Südamerika gehandelt. Es geht nicht darum abzustreiten, dass in der Geschichte der Frauenbewebung Mehrfachdiskriminierungen nicht ausreichend berücksichtigt wurden oder werden (das ist ja zweifellos der Fall), sondern es geht darum, dass die Zuweisung von Privilegien (seien es in diesem Kontext vermeintliche Privilegien aufgrund von Hautfarbe, sozioökonomischer Herkunft (demonstriert z.B. in Aussagen über die „privilegierte „weiße“ Sexarbeiterin, die aus reichem Elternhaus kommt und sich nur neben ihrem Studium ein paar Euro verdient – übrigens auch in Radfem-Kreisen nach wie vor weit verbreitet), … ähnlich absurd sind wie in der Gender-Debatte die Zuweisung von vermeitlichen Cis-Privilegien (sie kann im Gegensatz zur Transfrau (MtF) menstruieren, gebären, …), wo genau diese Dinge (siehe Gena Corea – Muttermaschine und andere) gemeinsam mit der sexuellen Benutzung doch GERADE der Ursprung unserer Unterdrückung ALS FRAU (und das völlig irrelevant welche Hautfarbe wir haben, ob unsere Eltern reich sind oder nicht, usw usw)

    Worauf Kinnon verweist in Bezug auf WoC erstrittenen Urteile gegen Diskriminierung, ist die Tatsache, dass sie diese Klagen gewonnen haben, weil sie Frauen waren und alle Frauen dieser Geschlechterdiskriminierung unterlagen – und eben nicht weil sie WoC waren. Also geht es darum die Kategorien der Unterdrückung sauber auseinanderzuhalten. Zum Beispiel in dem wir uns vor Augen führen, dass die Einführung der Bürgerrechte der Frankreich tatsächlich Bürgerrechte und nicht BürgerInnenrechte meinte, oder die Einführung des Wahlrechts fast überall de facto zunächst die Einführung eines Männerwahlrechts war.

    Der zweite Punkt ist der der Unterdrückungsgemeinschaft, der man sich lieber zugehörig fühlt. Es ist eine Feststellung aber kein Vorwurf, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass es sich als unterdrückte Frau im Patriarchat besser Seite an Seite mit unterdrückten Männern kämpft (die mit uns die Unterdrückung als beispielsweise PoC, oder homosexuelle Person, oder als arme Person, ….) teilen, aber dennoch dem herrschenden Geschlecht im Patriarchat angehören und damit eher gehört werden (was ihre anderen Unterdrückungen mitnichten trivialisieren soll), als an der Seite von Frauen, die im Patriarchat eh alle Huren und minderwertig sind. So verständlich also die Positionierung ist, zeigt die Praxis aber auch, dass dies Frauen am Ende wenig bringt (WoC thematisieren und thematisierten zu Hauf wie wenig ihre PoC-Brüder sich de facto mit ihnen und ihren genuinen Problematiken als WoC solidarisieren, wie sie in PoC Bewegungen sexuelle oder andere Gewalt erfahren, Leseben wie wenig relevant sie in der LGB-Bewegung sind, arme Frauen wie sehr die Sozialbewegungen um das männliche Normalarbeitsverhältnis zentriert sind ….) Hier spielt sicherlich auch die „männliche Identifikation“, also die Identifikation mit dem Unterdrücker und die verinnerlichte Misogynie eine Rolle dabei, die eigene Unterdrückung als Frau, die man so schwer ändern kann, zu negieren, zu verdrängen oder gar durch Umdeutungen versuchen „das Beste“ daraus zu machen und aktiv an der Rolle zu partizieren, wie wir das in vielen Kontexten sehen)

    Ok, du sagst selbst du warst nicht im Vortrag und lass dir sagen: es ist nett, dass du versuchst in diese Äußerung eine „Satire“ zu interpretieren, aber so war die Situation nicht. Ausgangspunkt war die Erklärung, dass die Polizei als rassistische Organisation gegründet worden sei, zur Repression gegen Roma, und sich bis heute diesen rassistischen Charakter erhalten habe (also nicht „es gibt Rassismus oder Rassisten bei der Polizei“, sondern „die Organisation ist durch und durch rassistisch“). Hieraus resultierten die zitierten Aussagen und auch auf ungläubige Nachfrage ob das wirklich so gemeint war, wurde es erneut bestätigt. Und wenn man sich die aktuellen Aussagen der Referentin zur Polizei (natürlich als satirisch gekennzeichnet) anschaut, dann merkt man hier schon eine gewisse Haltung.
    Im Übrigen sei in dem Zusammenhang darauf verwiesen, dass genau aus jener Ecke in der Debatte um Köln eine Solidarisierung gegen die rassistische Verfolgung von PoC Männern erfolgte und die Gewalt, die Frauen angetan wurde, eine nachrangige Rolle spielte (siehe dazu auch: https://fr16a.stoerenfriedas.de/ausnahmslos-alle-opfer-sexueller-gewalt-benennen-frauenfrieden-jetzt/). Es ist also ein gewisses Muster zu erkennen.

    Wenn du verstehen möchtest, warum zweite und dritte Welle (Radikal- und Liberal / Queefeminismus) sich so grundlegend unterscheiden, dann gäbe es viele Lesehinweise
    Spezifisch für die linke Debatte würde ich auf Cinzia Arruza: Dangerous Liaisons: The marriages and divorces of Marxism and Feminism verweisen wollen (da gibt es ein Kapitel um die Frage der sozialen und ökonomischen Klassen)
    Aus radikalfeministischer Sicht bekommst du für ein paar Euro antiquarisch bei ZVAB einige der Klassiker von Andrea Dworkin – Pornographie, Kathleen Barry: Sexuelle Versklavung von Frauen, Kate Millett: Sexus und Herrschaft; außerdem helfen sicher Mary Daly – Gyn/Ökologie oder Gerda Lerner – die Entstehung der Patriarchats um nachvollziehen zu können, warum wir Geschlecht als zentrale Unterdrückungskategorie sehen.

    Dass so unterschiedlich die Unterdrückung nicht ist, sieht man in Sheila Jeffreys: Beauty and Misogny, die sehr gut aufzeigt, wie alle frauenfeindlichen kulturellen Praktiken ihr jeweiliges Pendant haben

    Und generell möchte ich zum Abschluss den Unterscheid zwischen Radikal- und Liberalfeminismus nochmal am Beispiel der Prostitution verdeutlichen
    Radikalfeminismus: Prostitution ist eine gesellschaftliche Institution, in der Frauen zum egoistischen männlichen Gebrauch sexuell versklavt werden: Von der Ehehure (rechte Männer) zur öffentlichen Hure (linke Männer). Prostitution schadet allen Frauen, weil sie den niedrigen Status der Frau zum einen widerspiegelt, ihn aber auch reproduziert. Die marginalisiertesten Frauen sind besonders gefährdet für Prostitution (zum Beispiel arme Romnija oder bulgarische Türkinnen hier bei uns, in Canada die First Nations, in Australien die Maori, in den USA die WoC, ….), deshalb bekämpfen wir Prostitution als eine sexistische, rassistische und klassistische Institution. Ökonomische Zwänge sind auch Zwänge. Wir sind nicht frei, wenn nicht alle Frauen frei sind

    Liberalfeminismus:
    Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Das kann zwischen erwachsenen Menschen individuell ausgehandelt werden. Wir schreiben ethnisch diskriminierten Frauen nicht vor was sie zu tun oder zu lassen haben. Es ist rassistisch und sexistisch ihnen ihre Handlungsfähigkeit abzusprechen: Sie sind keine passiven Opfer sondern aktiv Handelnde, die freie Entscheidungen treffen. „vielleicht aus der Perspektive einer Romafrau, die im Elend lebt und rassistisch verfolgt wird, tatsächlich selbstbestimmt an(fühlt), in Deutschland als Sexarbeiterin zu arbeiten.“ (Missy Magazine) und „vielleicht wäre es besser, jenen, die weniger privilegiert sind, als wir selbst zu überlassen, wo die Grenzen ihrer Menschenwürde verlaufen.“ (ebd) Außerdem tragen sie mit ihrem Einkommen zum Wohlstand der Familie im Heimatland bei und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Stärkung ihrer Volkswirtschaft.
    (Ach und übrigens: Generell sollte man Betroffene von sexueller Gewalt nicht Opfer nennen, sondern Erlebende, denn sie als Opfer zu bezeichnen ist bereits eine unzulässige Wertung darüber wie sie das empfunden haben (Mithu Sanyal) und auch wenn eine Frau Vergewaltigungsopfer war, kann sie doch trotzdem „eine wichtige Akteurin des Blowjobs sein“ (Mädchenmannschaft))

    Meine Meinung ist: Der vermeintlich so stark sensibilisierte Liberalfeminismus fällt WoC massiv in den Rücken, wenn sie von Rassismus in der Prostitution oder Pornographie betroffen sind und er leistet an vielen Stellen einen aktiven Beitrag daran, Sexismus gegen Frauen im allgemeinen zu legitimieren, indem er strukturelle Unterdrückungsmechanismen ins Reich der Individualität verschiebt.

  24. Danke für deinen langen Beitrag. Ich hatte tatsächlich einen Aha-Moment in Bezug auf Hengamehs Vortrag: Vielleicht habe ich es überlesen oder nicht beachtet – in dem Vortrag ging es schwerpunktmäßig um Polizeigewalt. Dann machen die Aussagen für mich Sinn. Ja, die Polizei ist ein Herrschaftsmittel, dass kategorisch rassistisch handelt (Racial Profiling z.B. macht das sehr deutlich; und natürlich die gegenwärtigen Vorkommnisse um Floyd etwa; sehr interessant dazu ist das ethnographische Buch von Fassin: Enforcing Order: An Ethnography of Urban Policing – darin zeigt er auf, dass die Polizei nicht einzelne Rassist*innen beherbergt, sondern systematisch rassistisch vorgeht). Aus queeren Überlegungen habe ich gelesen, dass das Strafsystem und die Polizei als sicherndes System der Gesellschaft durchaus in Frage gestellt werden kann. Die Frage, wie Menschen sich in sichere soziale Strukturen einbetten können, ist damit auf dem Tisch und kann heiß diskutiert werden… Jedenfalls verstehe ich die Aussagen Hengamehs in diesem Kontext.
    Die Argumentation im Text ist mir klar, auch MacKinnons. Mein Problem mit den Textpassagen kommt vielmehr daher, dass sie Folgen und Implikationen haben. Diese Folgen und Implikationen sind durchaus rassistische, klassistische etc.
    Ansprechen möchte ich noch die Zusammenlegung von Liberalfeminismus und Queerfeminismus: Ich habe zunächst nicht verstanden, dass beides für dich das Gleiche zu sein scheint. Der Queerfeminismus, den ich kenne, hat jedoch einen stark ausgeprägten postkolonialen und kapitalismuskritischen Bestandteil, der nicht davon abgetrennt werden kann.
    Darüber hinaus teile ich die Haltung, vom Begriff „Opfer“ wegzukommen. Auch Prostitution ist keine legitime Bezeichnung für Frauen, die Sexarbeit leisten. Stattdessen kenne ich beide Begriffe: Prostitution bezeichnet Gewalt, die Frauen gegen ihren Willen zwingt. Sexarbeit ist eine selbstbestimmte Handlung. Prostitution ist natürlich ein Gewaltakt gegen Frauen. Nur gibt es auch genug Frauen, die selbstbestimmt Sexarbeit verrichten. Es ist wichtig, diese Unterscheidung zu kennen, wenn man sich mit Äußerungen des Missy Magazins z.B. auseinandersetzt.
    Ich danke dir für deine ausführlichen Entgegnungen; das hier ist mein letzter Beitrag.
    Ich finde es sehr schade, dass Radikalfeminist*innen sich vom feministischen Diskurs abgetrennt haben.
    Feminismus muss rot sein. Feminismus muss queer sein.
    Alles Gute

  25. Manu Schon

    Hallo Maria,
    klar ist Liberalfeminismus und Queerfeminismus nicht das Gleicht – in der individualisierenden Argumentation (statt struktureller Analyse beim Radikalfeminismus) sind sich beide aber einig und auch ansonsten gibt es einige Schnittmengen.
    Angesichts dieser Argumentation würde ich dir die Lektüre der benannten Bücher besonders empfehlen.
    Ansonsten einigen wir uns einfach auf ein „Agree to disagree“, denn mit diesen Argumentationen kann icht nichts anfangen – und unsere Leserinnen auch nicht.

  26. „Zu behaupten, dass alle Frauen gleichermaßen ihr Frau-Sein miteinander teilen, macht jedenfalls aus einer Schwarzen Perspektive keinen Sinn: Eine Schwarze Frau zu sein ist nicht vergleichbar damit eine weiße zu sein. Anstatt die Vorstellung eines gemeinsamen Nenners zu bemühen, muss erkannt werden, dass die beiden Lebenssituationen sehr unterschiedliche Implikationen haben.“

    Na ja, (fast) ALLE Frauen teilen die Erfahrung, innerhalb ihrer Kultur weniger wert zu sein als die Männer, weniger materielle Güter, Rechte und/oder Handlungsfreiheit zu haben, als „Dienstleisterin“ für das Wohlergehen, Selbstwertgefühl und die Wünsche von Männer herhalten zu müssen. Sie teilen das Stigma, einen weiblichen Körper zu besitzen: zu menstruieren, Brüste zu haben, schwanger werden zu können. Sie teilen, dass ebendieser Körper in seiner Körperlichkeit wie seinem Aussehen nicht ihr eigener Verfügungsbereich ist, sondern in vielen Aspekten ein Gegenstand öffentlichen Interesses. Sie teilen die Gefahr, aufgrund ihres Körpers verfolgt, beleidigt, misshandelt, verletzt, vergewaltigt, etc. zu werden – egal wie sie sich persönlich „identifizieren“. Sie teilen die Gefahr, ungewollt schwanger zu werden. Natürlich geschieht das jeweils unter ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Aber ich finde schon, dass bei so vielen Gemeinsamkeiten in Bezug auf grundlegende Erfahrungen eine gewisse Vergleichbarkeit vorliegt.

    So gesehen kann man ansonsten niemanden miteinander vergleichen. Es ist auch etwas ganz anderes, PoC in Europa oder den USA zu sein, oder Afrika oder Indien oder Australien. Völlig andere Lebenswelten. Dennoch ist man sich in der Linken weitgehend einig, dass diese Menschen jeweils dadurch geeint sind, durch Weiße unterdrückt zu werden. Wieso fällt das beim Thema Frauen so schwer?

  27. Triggerwarnung – explizit

    „vielleicht wäre es besser, jenen, die weniger privilegiert sind, als wir selbst zu überlassen, wo die Grenzen ihrer Menschenwürde verlaufen.”

    Dabei stellen sich mir echt die Nackenhaare auf…. Das heißt doch im Endeffekt bloß, das man mit armen/ diskriminierten Menschen machen können soll, was man(n) will. Wenn sie nur verzweifelt genug sind oder man ihnen geschickt suggeriert, dass sie das alles eigentlich selbst möchten.
    Wie sieht es denn dann aus mit Organhandel, freiwilliger und im Voraus vertraglich geregelter Leibeigenschaft, moderner Sklaverei, prekären Arbeitsverhältnissen? Auch da wissen die Leute zum Teil, was sie erwartet und lassen sich trotzdem darauf ein. Ist/ wäre das deswegen ok? Es gibt sicher Menschen in Entwicklungsländern oder auch Mitglieder diskriminierter Minderheiten in Deutschland, die gerne z.B. eine Niere abgeben würden, wenn sie damit der Armut entkämen. Und viele Menschen, die dringend eine bräuchten. Sollen wir den Handel nicht legalisieren, damit die Diskriminierten eine Chance für sich und ihre Familien erhalten und darüber hinaus noch die Wirtschaft in ihren Heimatländern ankurbeln? Erwachsene Menschen müssen doch wohl selbst entscheiden können, was sie mit ihrem Körper tun. Wenn sie den als wertvolle Organressource vermarkten können, schenkt es ihnen vielleicht sogar Selbstbewusstsein und Stolz sowie das wertvolle Gefühl, etwas für andere zu tun. Sie würden immehrin essentielle menschliche Grundbedürfnisse zu sichern. / Ironie off

    Wirklich. Ich verweise dabei gerne auf die diversen internationalen Urteile zum Thema „Zwergenwurf“. Tenor: ein Mensch kann NICHT freiwillig auf seine Menschenwürde verzichten. Das gilt auch, wenn die Betroffenen es selbst möchten und damit z.B. Geld erwirtschaften.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Zwergenwerfen

    https://rechtsanwalt.forsthuber.at/index.php/aktuelles/item/294-zwergenweitwurf.html

    Dass dies für den Begriff und die Tätigkeit „Zwergenwurf“ gilt, finde ich gut. Dass dies nicht für Veranstaltungen/ Titel wie „Dickärschiges Teenie mitgenommen und brutal durchgefickt“, „Omas von der Müllhalde – Exzesse mit alten Schabracken! “ und „100 Girls, solange du willst“ (Puffwerbung, lange Zeit hier überall aufgestellt), etc. gilt, ist mir unverständlich.
    Das heißt wohl entweder, dass Menschenwürde beim Thema (kommerziell ausgeschlachteter) Sex generell keine Rollen spielen muss oder, dass Frauen an sich weniger Menschenwürde haben, sodass diese Dinge nichts verletzen können. Wtf. Ich halte es leider für notwendig, hier mit Zitaten zu arbeiten, damit die Relationen klar sind um die es hier geht.

  28. @Remo
    Sie zweifeln, ob Schwule nicht genauso diskriminiert werden wie Frauen und fragen nach Belegen. Ich glaub da machen Sie keinen Stich: Homosexuelle haben im Schnitt höhere Bildungssabschlüsse, höheres Einkommen und höheren sozialen Status als der Durchschnitt der Bevölkerung (!). Männer wie Frauen. Anders ausgedrückt: Heterosexuell sein ist ein Armutsrisiko.

    Okay wir wollen fair bleiben: Homosexuelle haben im Schnitt auch einen etwas höheren IQ. Aber der wirkt sich eben auch aus im erhöhten Einkommen und Status! Dass Frauen und Männer einen gleichen IQ-Durchschnitt haben, wirkt sich NICHT im gleichen Einkommen aus. Dass sich dieser Vorteil so liquide in zählbares Einkommen umsetzt, beweist, dass Homosexualität nicht ganz oben als Unterdrückungsdeterminante mitspielt. Sorry 😉

    Ich hab aber den schwarzen Mann ins Auge gefasst. Vielleicht hat der Chancen.

  29. Ich fand das Beispiel, dass ein schwarzer Mann einer weißen Frau gegenüber von der Polizei eindeutig benachteiligt wird, einen guten Beleg für die These.

    Wenn man dieses Hierarchiefeld aufmacht, wäre es interessant mal durchzusubsumieren, welche Benachteiligungen welche Gruppe erfährt.

    Da wir ja hier die Hypothese haben, Geschlecht ist die zentrale Diskriminierungsdeterminante, fang ich mal mit den Ähnlichkeiten an:

    Ein schwarzer Mann wird grundsätzlich als dümmer, weniger kompetent, weniger „geeignet“ als ein weißer wahrgenommen. Das geht uns auch so.

    Einkommen, Bildung, Status liegen unter dem der weißen Männer. Kennen wir.

    Ich nehme mal an, dass schwarze Männer weniger sexualisierte Gewalt und Gewalt im Innenraum erleiden, aber mehr polizeiliche. Ich glaube die Arten von Gewalt, die Frauen erfahren sind entscheidender.

    Schwarze werden öfter zu Tode verurteilt als Weiße.

    Schwarze werden insgesamt als weniger wert angesehen. Das ist bei uns auch so.

    Die Würde der Schwarzen ist auch antastbar (es gibt Sprüche!! Die möcht ich hier nicht wiederholen), aber es ist bei Weitem nicht so gegenwärtig, so gesellschaftlich sanktioniert und normal wie bei Frauen, sie über ihr Geschlecht lächerlich zu machen.

    Kultur /Geschichtsschreibung: Da sind Schwarze und Frauen gleichermaßen ziemlich am Arsch.

    Das Selbstbestimmungsrecht über den Körper eines Schwarzen steht nicht zur Debatte. Das kennen wir leider nicht. Bei uns redet ja jede-r mit.

    Es gibt keinen Menschenhandel mit schwarzen Männern oder Prostitution.

    Bis jetzt nach Punkten liegt nach meiner Einschätzung Geschlecht als Unterdrückungsfaktor vorne. Fallen jemandem andere Punkte ein?

    Ich glaub nicht, dass so eine Bewertung sinnvoll ist, aber es hat mich gereizt.

    Und vor allem glaub ich nicht, egal was bei so einer Betrachtung rauskommt, dass man immer alles Mögliche mitdenken muss. Wenn man sich für Feminismus einsetzt, setzt man sich für Feminismus ein. Punkt. Der Feminismus muss nicht PoC, sexuelle Orientierung, Armut, Klima, Tierwohl und die Weltmeere mitdenken 😉

    Ich glaube Feminismus muss einfach sein und tolerant.

  30. @Remo: Die Diskriminierung homosexueller Männer beruht auf der von Frauen. Nur, wo Frauen diskriminierte und verachtet werden, geschieht dies auch mit schwulen Männern. Denn wer das Weibliche abwertet, wertet automatisch auch Männern ab, die Männer lieben – denn da wird mindestens ein Teil der Männer als sich selbst freiwillig verweiblichend angesehen, durch die Art des Geschlechtsverkehrs, bei dem ein Teil passiv ist. Und passiv gilt als weiblich. Das ist die Grundlage der Diskriminerung schwuler Männer durch andere Männer.

  31. Ich stimme dem Text voll zu bis auf die Aussage, dass die Erwähnung der Ethnie in Polizeiberichten problematisch ist. Sie ist absolut wichtig, denn nur so kann man Rückschlüsse auf die Art der Kriminalität ziehen – und auch auf mögliche Lösungsansätze im Vorfeld. Die Öffentlichkeit hat auch jedes Recht, hierüber Bescheid zu wissen. Zudem muss ich anmerken, dass tatsächlich Zuwanderer eine erhöhte Rate an Gewaltverbrechen, auch gegen Frauen, aufweisen, was hier ebenfalls falsch dargestellt wurde. Und es lässt sich schwerlich bestreiten, dass in Ländern anderer Kulturen wie der des Islams Frauen oftmals noch mehr abgewertet werden als hier.

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