Hey girl, where is my cookie?

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Dies wird wieder einer dieser Texte, für die mensch sich sicher nicht gerade beliebt macht. Aber manche Dinge müssen einfach mal gesagt/geschrieben werden. Weil es eine beschäftigt. Weil es eine schier zur Verzweiflung bringt. Weil etwas irgendwie total strange verläuft. Die hier niedergeschriebenen Gedanken sind nicht fertig. So sind sie auch zu behandeln: Als Ermutigung zur Diskussion. Als Einladung zum Nachdenken. Sicher finde ich irgendwann einen Text einer klugen Feministin, die all das schon vor langer Zeit viel besser und prägnanter aufgeschrieben hat. Ähnlich habe ich es natürlich schon bei Shulie (Shulamith Firestone) gelesen. Nichtsdestotrotz hier mein eigener Versuch:

Juni 2014, Nordiskt Forum, Malmö/Schweden im Anti-Porn-Workshop mit Gail Dines: Ein Mann meldet sich zu Wort, im ganzen prall gefüllten Raum sind vielleicht insgesamt maximal 10 Männer anwesend. „Ich und mein Kumpel hier wir schauen ja keine Pornos …“. Applaus. Kein Witz.

April 2015, Marburg, Veranstaltung zu „Stop Sexkauf“: Männer werden applaudiert, weil sie bei einer Veranstaltung zu Prostitution A N W E S E N D sind. Ebenfalls kein Witz.

L E I D E R  K E I N  W I T Z.

Liegt die Messlatte für einen Mann im Patriarchat wirklich so niedrig? Ein Bekenntnis, sich kein frauenhassendes Entertainment reinzuziehen (wer kann eigentlich überprüfen, ob die Aussage auch stimmt)? Eine Teilnahme an einer Veranstaltung (die noch gar nichts über die eigene Einstellung zur Thematik aussagt) – DAS reicht wirklich schon aus?

Man stelle sich mal folgendes Szenario vor:

Ich, als „weißes“, privilegiertes Mitglied der Mehrheitsgesellschaft besuche eine Veranstaltung zum Thema Rassismus. Weil ich will, dass das endlich aufhört. Weil ich es nicht ertragen kann, dass Menschen aufgrund ihrer anderen Hautfarbe, Religion oder Herkunft diskriminiert und gedemütigt werden. Und das ohne selbst betroffen zu sein. Ich brauche keine eigene Rassismuserfahrung, um Empathie für Sinti, Roma, Juden, Muslime, … zu empfinden. Ich gehe also zu der Veranstaltung und bekomme Applaus dafür, alleine dafür, dass ich anwesend bin. Ohne auch nur einen Mucks von mir gegeben zu haben. Ohne dass jemand weiß, ob ich nicht vielleicht doch die neue Vorsitzende des Rings Nationaler Frauen bin und vielleicht nur pöbeln will. Ganz ehrlich? Wenn ich, auch mit den besten Absichten teilnehmend, für meine bloße Anwesenheit Applaus bekommen würde, ich würde mich in Grund und Boden schämen und diesen Applaus entschieden zurückweisen. Es kommt mitunter vor, dass mir Rassismus-Betroffene dafür danken, dass ich meine Stimme erhebe, wenn sie rassistisch diskriminiert werden. Meine Reaktion ist immer die Gleiche: Bitte kein Dank für etwas, das selbstverständlich sein sollte – und ja, es leider nicht ist. Die Tatsache, dass solches Handeln eher die Ausnahme als die Regel ist, rechtfertigt es nicht, mir Anerkennung und Dank zu zollen, denn ich habe mal gelernt: Wer schweigt, stimmt zu!

Übertragen auf die sexistische Unterdrückung von Frauen durch Männer bedeutet das:

Es ist eine Schande, dass bei solchen Veranstaltungen Feministinnen zusammen sitzen und nicht Männer als Gruppe der Täter. Veranstaltungen zu Rassismus werden ganz selbstverständlich von Mitgliedern der privilegierten Mehrheitsgesellschaft organisiert. Und das zu Recht. Die Frage muss doch lauten: Männer wo seid ihr? Warum organisiert ihr solche Veranstaltungen nicht, weil ihr entsetzt seid, was eure Geschlechtsgenossen, Mitglieder eurer peer group, Frauen antun?

Es ist unerträglich, dass es nicht mal einer besonderen Haltung bedarf, um anerkannt zu werden. Was soll das? Wollen wir nicht vielleicht noch Männern überschwänglich um den Hals fallen, die sagen, sie seien keine Vergewaltiger? E R N S T H A F T jetzt?

Es gibt leider nur wenige Männer, die erkannt haben, dass SIE diejenigen sind, die eigentlich aktiv werden müssen, und dass MÄNNLICHE GEWALT GEGEN FRAUEN eben KEINE FRAUENANGELEGENHEIT, sondern im Gegenteil eine MÄNNERANGELEGENHEIT ist. Jackson Katz arbeitet nun seit mehr als 25 Jahren mit Männern zusammen und sensibilisiert sie für deren Macht: Ein Mann, der einen anderen Mann zurechtweist, dass sexistische Sprüche nicht okay sind, ein Mann, der seinem besten Kumpel die Freundschaft aufkündigt weil dieser seine Frau schlägt, usw: Das sind die Dinge, die Veränderung schaffen. Er nennt dies Bystander-Approach. Gesellschaftliche Sanktionierung für Fehlverhalten – ganz ehrlich: wenn hier alle mitziehen würden: Wir bräuchten verdammt nochmal keine Gesetze mehr zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Wer schon mal in einem Dorf gewohnt hat weiß vielleicht wie effektiv soziale Kontrolle sein kann.

Keine Frage: Unsere patriarchale Gesellschaft übt auch Druck auf Männer aus. Nicht beim Ausflug in den Puff partizipieren, bei sexistischen Witzen den „Spielverderber“ mimen und sagen, dass das überhaupt nicht cool ist, … ist sicherlich nicht einfach. Nicht-Konformität führt auch für Männer zu Repressionen, genau wie Kritik an Rassismus einen zur Outsiderin machen kann. Aber rechtfertigt dies implizierte Zustimmung durch Schweigen und Nichtstun? N I C H T   W I R K L I C H!

Und auch wir als Frauen müssen uns überlegen, wo wir unsere Grenzen ziehen. Solange Männer nicht verstehen, dass sie hier am Zug sind und sie die Veränderung sein können, indem sie andere Männer auf deren Fehlverhalten hinweisen und diese bei Fehlverhalten sanktionieren (zum Beispiel durch Freundschaftsentzug), haben wir als Frauen zu Widerstand nur wenige Möglichkeiten: Wir können lautstark und kollektiv unsere Stimme erheben, immerhin sind wir zahlenmäßig stärker als die Männer. Frauensolidarität kann man aber leider nicht befehlen.

Widerstand kann sich nach Albert Hirschmann in erster Linie in zwei Formen ausdrücken: exit (Abwanderung) oder voice (Protest). Für letzteres ist man auf genügend Mitstreiterinnen angewiesen, um letztendlich schlagkräftig zu sein, exit kann jedoch jede in ihrem eigenen Umfeld ausprobieren, auch ohne Migration:

Warum eigentlich dulden wir in unserem Freundes- und Bekanntenkreis Männer, die frauenhassendes Entertainment (Pornographie, Prostitution, Strip ….) konsumieren? Wieso geben wir unseren Vätern, Brüdern, Partnern, Freunden, nicht zu verstehen, dass es Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen, wollen sie sich unserer Liebe, Zuneigung, Freundschaft versichert wissen? Ich weiß, es klingt hart, ich weiß es ist nicht einfach – ich übe ja selbst noch – aber welcher Schwarze Mensch würde sich wohl fühlen in einer (wie auch immer gearteten) Beziehung/Freundschaft mit einem Mitglied des Ku-Klux-Clans? Und welcher Jude/welche Jüdin wäre gleichgültig ob antisemitischer Ressentiments? USW USW USW

Männer sollten sich ihrer Macht bewusst sein, sexistisches Verhalten unter Ihresgleichen nicht gutzuheißen. Solange dies nicht geschieht, müssen wir unser Umfeld soweit es eben geht frei halten von toxischen Beziehungszusammenhängen. Und ich weiß verdammt noch mal, wie schwer das ist. Denn immerhin gibt es Gründe, warum wir zu einer Person in Beziehung stehen und vielleicht schätzen wir an diesen Menschen auch Dinge sehr und ärgern uns nur regelmäßig über deren bewussten oder unbewussten Sexismus. Und natürlich können wir auch nicht einfach unseren Job kündigen, nur weil ein Kollege ständig sexistisch ist. Aber wir sollten uns wirklich häufiger überlegen, konsequent zu sein und uns zu überlegen, wer unsere Freundschaft, Sorge, unser Vertrauen verdient und wer eben nicht.

P.S.: Bevor irgendwelche Mißverständnisse entstehen: Ich bin den Organisatorinnen und Partizipierenden der beiden genannten Veranstaltungen außerordentlich dankbar dafür, dass sie sie gemacht haben.

Manuela Schon

8 Kommentare

  1. esther burkert

    danke für den artikel! aus ganzem herzen ja! klare worte…. es gibt nichts zu danken, und nix zum beim sich-profilieren helfen, wenn ein mann sich nicht explizit sexistisch verhält…. heute kam eine kollegin von einer veranstaltung zum thema gewalt gegen frauen zurück… und wieder ist sie gefragt worden…. und die betroffenen männer, was tut ihr für männer, sind denn nicht männer auch betroffen… vielleicht nicht dasselbe… aber doch in einem gewissen zusammenhang stehend… will noch nachdenken, in welchem

  2. Käsestulle

    “Männer sollten sich ihrer Macht bewusst sein, sexistisches Verhalten unter Ihresgleichen nicht gutzuheißen.”

    Ich find immer problematisch, wenn andere meine Interessen vertreten sollen.
    Warum sollen nicht Frauen sich ihrer Macht bewusst werden, sexistisches Verhalten unter Ihresgleichen – ja, das gibts! – nicht gutzuheißen? Warum sollen Männer den Job von Frauen machen, den Ritter auf dem weißen Pferd spielen und sie “befreien”?

  3. Käsestulle

    “Es geht darum, dass Männer diejenigen sind die Gewalt ausüben und damit auch diejenigen sind, die sie beenden können.”

    Männer üben Gewalt aus (Frauen übrigens auch). Aber die Annahme, dass aus diesem Grund nur Männer Gewalt beenden können, halte ich für falsch.
    Wir sollten endlich darüber reden, was Frauen tun können, um das gewaltbereite, sexistische Klima in der Gesellschaft zu beenden, und natürlich auch über ihrem Anteil an diesem Klima und ihre “Mittäterschaft”.
    Katz spricht wichtige Punkte an, die in unserer Kultur Gewalt befördern. Im aktuellen netz-/queer-feministischen Diskurs werden diese Punkte (z.b. Pornografie, Prostitution) allerdings als für Frauen (sex-)positiv und “empowernd” diskutiert.
    Ich würde es begrüßen, wenn mehr Frauen diesen Stimmen widersprechen würden, statt sich darum zu kümmern, was Männer Männern sagen sollten.

  4. Das ist das schöne und unbequeme der störenfriedas. – Es werden mir immer wieder die Augen geöffnet und … oh Schreck, der Spiegel vorgehalten.
    danke Paul

  5. Alex Preußner

    @Käsestulle: Es geht doch weniger darum, was Männer Männern sagen sollen, sondern darum, dass sie für die (selbstverständliche, menschliche) Ablehnung von Gewalt gegen Frauen keinen Applaus erwarten sollten.
    Das sexistische Klima in der Gesellschaft wird sicher von einigen Frauen unterstützt, vor allem von denen, die Prostitution und Pornografie für “empowernd” halten, aber das gros der Täter ist männlich, die Industrie bedient Männer, und nur wenn Männer diese Dienste ablehnen werden sie aussterben. Das kann frau natürlich durch Engagement und Gesetze unterstützen, aber die Handlungsmacht, bzw. das Unterlassen liegt hier ganz klar bei den Männern.

  6. Zabruuu

    “Das sexistische Klima in der Gesellschaft wird sicher von einigen Frauen unterstützt, vor allem von denen, die Prostitution und Pornografie für “empowernd” halten […]”

    Was unter anderem aber auch daran liegt, dass weder alle Menschen noch alle FeministInnen die gleiche Definition von “sexistisch” haben.

    “aber welcher Schwarze Mensch würde sich wohl fühlen in einer (wie auch immer gearteten) Beziehung/Freundschaft mit einem Mitglied des Ku-Klux-Clans? Und welcher Jude/welche Jüdin wäre gleichgültig ob antisemitischer Ressentiments? USW USW USW”

    Wobei das in kleinerem Rahmen doch völlig alltäglich ist. Ich zumindest gehe davon aus, dass bspw. nicht wenige MigrantInnen gibt, deren Freunde dem üblichen “Stammtischrassismus” anhängen. Und das scheint mir in diesem Kontext ein deutlich zutreffenderer Vergleich.

    Mitgliedschaft im Klan oder der NPD würde sich dann in diesem Zusammenhang eher auf ähnlicher Ebene mit tatsächlichen sexuellen Übergriffen befinden (das sind dann nämlich beides Dinge, bei denen es viel vorstellbarer ist, dass nicht wenige Menschen den Kontakt zu den betreffenden Personen abbrechen).

  7. Wenn’s nur nicht so scheusslich wäre! Können solche Männer eigentlich ihren Schwestern, Müttern und Töchter in die Augen sehen? Merken sie überhaupt wie abartig sie sind? Ist ihr Ego und ihr Pimmel das Wichtigste auf Erden? (Nebst Geld natürlich!) Sind Männer verrückt?

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