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Oder: Die Zwangsprostituierte und die „freiwillige“ Prostituierte
Oder: What the fuck
Zwei Dinge kamen in Diskussionen um Prostitution neuerdings immer wieder auf.
- Es gehe nicht um die „weiße, freiwillige deutsche Prostituierte, die sich nebenbei ein Taschengeld verdient“, sondern um Zwangsprostituierte und Frauen, die sich aus Notlagen heraus prostituieren.
- Die Forderung, bis wir das Nordische Modell durchgesetzt hätten, müssten wir auf die straffe Umsetzung des ProstSchG pochen, denn dies sei wenigstens etwas und besser als nichts.
Dazu habe ich als ehemals prostituierte Frau Folgendes zu sagen:
Ich möchte Prostitution abschaffen.
Und will sie keiner einzigen Frau zumuten. Ich wiederhole: keiner.
Auch nicht der „Freiwilligen“ oder der, die sagt, sie habe ein Recht dazu, sie wolle das so, auch nicht der weißen deutschen Studentin, die sich damit ihr Studium finanziert. Weil es keinen Unterschied macht.
„Ja, aber die weiße deutsche „freiwillige“ Prostituierte …“
Ja, was aber?
Selbstverständlich respektiere ich die Frau, die das sagt und ihre „Entscheidung“. Aber ich spiele das damit verbundene Leid nicht herunter – auch wenn sie es gegenwärtig noch anders sieht. Ich weiß um die Umstände, die so eine „Entscheidung“ bedingen, es könnte sich – by the way – um Zwang handeln – ich sag’s ja nur.
Fangen wir ernsthaft diese Diskussion (wieder) an? Auszuklamüsieren, was nun Zwang ist und was nicht?
Wann habe ich angefangen zu pennen, um nicht mitzukriegen, dass wir uns ob der Basics immer noch nicht klar respektive einig sind?
So zu tun, als leite sich aus Parametern wie weiß, Sprachkenntnisse, deutsche Staatsangehörigkeit die Legitimation einer Zweispaltung ab, nämlich in arme ausgebeutete Zwangs-Prostituierte vs. „gut situierte“ (oder wie auch immer andere) Prostituierte, ist naiv, zynisch und entbehrt jeder feministischen und wissenschaftlichen Grundlage. Sie lässt Faktoren außen vor, die maßgeblich mitbedingen, ob wir prostituiert werden.
Wissen wir eigentlich auch schon längst – dachte ich.
Prostitution ist etwas, was keiner Frau zugemutet werden darf.
Sie muss weg.
Es gibt objektive Kriterien, die definieren, was sexuelle Ausbeutung ist. Prostitution ist sexuelle Ausbeutung. Durch eine Umdefinition, die im Grunde das Ende des Herunterbrechens auf die subjektive Ebene ist, nämlich: ich fühle mich nicht ausgebeutet (ich finde es empowernd, ich mache das gerne, etc.), wird die Ausbeutung nicht weniger Ausbeutung. Durch die Spaltung von außen in die, die zwangsprostituiert wird und die, die es „freiwillig tut“, wird die Ausbeutung auch nicht weniger Ausbeutung. So oder so: die Folgen für die Frau und nicht zuletzt für die Gesellschaft bleiben gravierend, ja katastrophal.
Prostitution schadet. Prostitution tötet. Prostitution macht den Körper und die Seele kaputt. Oft ein Leben lang.
Diese Dichotomie ist gewaltvoll, denn sie impliziert, dass es eben ein Teil Frauen gibt, denen das zugemutet werden darf. Ergo: auch euch, dir, der (weißen) deutschen Frau neben dir, deiner weißen deutschen Mitaktivistin, die noch studiert und super toll Deutsch spricht und/oder sich mit dem „Spaßfaktor“, sich ficken zu lassen, ihr Essen und ein Bett zum Schlafen finanziert – mit rauschenden Nebeneinkünften (ernsthaft?) – euch, dir, ihr, uns darf das zugemutet werden. Oder durfte uns zugemutet werden oder darf uns gegenwärtig zugemutet werden. Oder woher wisst ihr, dass die Frau neben euch nicht auch prostituiert wurde/wird. Ist euch das eigentlich klar?
Natürlich ist es wichtig, die Faktoren zu benennen, die Frauen mehrheitlich in die Prostitution bringen. Natürlich ist es wichtig der Tatsache ins Auge zu sehen, welche Frauen mehrheitlich in der Prostitution sind. Das machen wir aber auch schon seit gefühlt hundert Jahren (Prostitution: Mehrfachunterdrückung par excellence) und das hat, zumindest in „unseren Reihen“ niemand negiert. Es wäre nahezu bescheuert und grenzenlos ignorant, das zu tun.
Aber heißt eben nicht ohne Grund Mehrfachdiskriminierung.
Prostitutionsüberlebende und PsychotraumatologInnen schreiben sich dazu die Finger wund, aber was hat es gebracht?
Zwei Freundinnen von mir haben vor knapp 14 Jahren Suizid begangen, beide waren in ihrer Kindheit/Jugend unermesslicher sexueller, körperlicher und anderweitiger sadistischer Gewalt ausgesetzt, beide hatten eine komplexe PTBS, die eine in der Ausprägung einer Borderline-Störung, die andere in der Ausprägung einer DIS. Die eine kam aus „gut-bürgerlichen“ Verhältnissen, die andere aus der Armutsklasse. Was sie sich teilten, war ihr Geschlecht und ihre verinnerlichten Gewaltdynamiken, über deren Reinszenierung in der Prostitution sie sich u. a. die Kontrolle zurück versprachen. Eine andere junge Frau, der oberen Mittelklasse entstammend, Vater CDU-Politiker, schwere neurologische Behinderung (der Vater hatte sie an die Wand geworfen), war, nachdem sie von zu Hause weggelaufen war, einfach durch das soziale Netz gefallen. Was lag da näher, als sich zu prostituieren? Alle 3 weiß, deutsche Muttersprachlerinnen, zwei mit hohem Bildungsabschluss, eine Medizinstudentin.
10 Jahre später erst sollte ich begreifen, was das eigentlich bedeutete, was sie – mir – gesagt/gezeigt hatten – auch für mich. Es ist nicht schön, das zu erkennen – es ist der Horror.
Ihr alle solltet das tun: Begreifen, dass diese Geschichten euch alle betreffen, ob ihr wollt oder nicht, und diese Geschichten zur Gewaltseite der Prostitution dazugehören. Unausweichlich.
Was soll ich jetzt also damit anfangen, dass in epischer Breite erklärt wird, wo die ach so fetten Unterschiede zwischen diesen zwei Schubladen sind, in die man prostituierte Frauen auf Teufel komm raus reinstecken will?
Eine Sache habe ich genannt, ich (als weiße deutsche Frau, die fließend Deutsch spricht) darf dem Prostitutionsmarkt zum Fraß vorgeworfen werden. Der Ausstieg? Naja, schon auch so‘n bisschen schwer, aber diese unfassbaren Möglichkeiten!!
Grandiose Aussichten – so ’ne Schwanzlutscherei gegen Geld. So als Privilegierte, mit Zugang zum Sozialsystem… ist das so, ja? Betrachten wir HartzIV jetzt als „soziale Hängematte“? Obwohl HartzIV für viele Frauen bedeutet, in die Prostitution einsteigen zu müssen, um halbwegs zurechtzukommen? Wo bitteschön ist der Anspruch auf Bafög lebensunterhaltssichernd, wenn einem das soziale Netz fehlt und man keinen Menschen hat, der einen unterstützt, vielleicht auch nicht fähig ist, nebenbei zu arbeiten oder noch ehr zu arbeiten? Was sagt das denn aus, ob eine Frau hierzulande Anspruch auf HartzIV, Bafög, Rente oder sonstwas hat? Reicht das zum leben? Wird es auch ordentlich durchgesetzt? Was sagt das überhaupt aus, Anspruch zu haben? Wann werden wir begreifen, dass ein Anspruch auf dem Papier oft eben auch nur auf dem Papier bleibt und dass viele „Hilfeleistungen“ in Wirklichkeit Regelung GEGEN Bedürftige sind?
Können wir mal wieder über die Klasse Frau sprechen?
Das zweite ist eine Schlussfolgerung, die ich schon sehr sehr lange mit mir herumtrage und Mira hat darüber auch schon einmal geschrieben. Ich nehme an, es liegt an der mangelnden Selbstreflexion, dass es jede von uns treffen könnte oder jede von uns hätte treffen können. Mit der ganz bestimmten Konstellation hätten wir alle, du, sie neben dir, deine Mitaktivistin, deine Freundin, deine Mutter, deine Tochter auch gegen Geld Schwänze lutschen müssen. Aber mir scheint, dass das einigen so dermaßen fremd und fern erscheint. Ich lese das zwischen den Zeilen, immer dann, wenn dieses _ihr_ und _wir_ so überproportional betont wird. Ihr da, ihr Anderen aus der Sphäre der Gesellschaft, die wir nie betreten würden, die es nicht auf die Kette gekriegt haben, was _mir_ ja niemals passieren könnte. Also _mir_ könnte sowas nie passieren.
Ich sehe dich zwar, aber zwischen uns ist eine Wand, die unsere Leben fein säuberlich voneinander trennt.
Eher mache ich sonst was, als meine Würde zu verkaufen – wurde auch schon so gesagt.
Irgendwas stimmt hier nicht, Leute.
Oder sagt ihr im allgemeinen Kontext sexueller Gewalt, „sie hat es so gewollt“? Na, dann … so als Feministin.
Eines ist mir einmal mehr klar geworden: Wir sind am Anfang. Und damit meine ich gar nicht die Bewegung allgemein und das, was sich in den letzten 4 Jahren getan hat – es hat sich eine Menge getan. Ich meine, wir oder eher einige stehen am Anfang von dem, was es heißt zu begreifen, eine Schwester zu sein. Die Empathie für einander aufzubringen. Die Empathie für diese „Anderen“ aufzubringen oder für die, bei der wir kein großartiges Problem sehen – wenn sie sich beispielsweise prostituiert.
Über Consciousness Raising ist Gras gewachsen.
Und was das Prostituierten“schutz“gesetz angeht: Habt ihr da wirklich irgendwelche nennenswerten – echten – Änderungen kommen sehen? Die real etwas verändern an dem Status Quo dieses unfassbaren Leidens? Nicht, dass ich das nicht verstehen würde, ich habe das oft auch gedacht, gehofft, gehofft, gehofft, erst das und dann machen wir das große Ganze. Es ist ein riesengroßer Irrtum.
Ich werde nicht an einem durch und durch kranken Regulationsapparat rumfeilen, Forderungen an ihn stellen, denn es gibt Unterdrückungsverhältnisse, die lassen sich nicht besser oder erträglich machen oder bisschen weniger schlimm, dass man sich eben wenigstens einrichten kann – das geht nicht, mit nichts auf der Welt – Prostitution ist so ein Verhältnis. Das Prostitutionsgesetz als neuer Hoffnungsanker im Abolitionismus – es schmerzt mich, wo wir hingekommen sind bzw. zu erkennen, wo wir stehengeblieben sind – und ich es nicht mal bemerkt habe.
Prostitution muss weg. An der Nachfrage muss angesetzt werden, die Freier gehören bestraft und geächtet, die prostituierten Frauen entkriminalisiert und nach allen Kräften unterstützt … großflächige Anti-Sexismus-Kampagnen müssen her. Und so weiter. Das Maßnahmenpaket nennt sich das Schwedische (oder auch Nordische) Modell.
Das brauchen wir.
Alles andere ist fadenscheinige Makulatur, und diesen Weg, den geht ihr ohne mich.
Weil ich weiß, dass er abgrundtief falsch ist.
Und jede Frau in der Prostitution eine zuviel ist.
In diesem Artikel ist alles gesagt was es zu sagen gibt. Danke!
Liebe Edda, ja voll und ganz bin ich da auf deiner Seite! Etwas morden ja, aber bitte nicht ganz morden ist keine Position, schon erst recht keine Politische.
medial wird dies aber von morgens bis abends in die Köpfe gedroschen durch die öffentlichen Medien, und das bleibt vorwiegend bei den jüngeren Frauen hängen, die sich hiermit nicht mehr befassen wollen, um nicht aufzufallen. das erlebe ich persönlich sehr häufig. auch unter meinen Studentinnen.
Kann ich alles so unterstreichen und ja, leider haben wir es mit der pseudo-feministischen sogenannten „Sex-Worker“ Bewegung zu tun, die argumentieren, dass es ihr feministisches Recht ist, diesen Weg zu wählen, denn schließlich geht es ja im Feminismus um Chancen zu haben und zu nutzen. Ich habe schon so oft solche Argumente gehört und habe immer wieder ins Feld gebracht, dass diese Bewegung letztlich eine Kapitulation vor dem Patriarchat ist, bzw. ein Weg, sich mit ihm zu arrangieren.
Die „Sex-Arbeiterin“ als selbständige Managerin, bei Ver.di organisiert, ist letztlich nur eine moderne Märe. Es mag immer Frauen geben, die so etwas tatsächlich freiwillig machen, es gibt auch Frauen, die sich gerne im BDSM Kontext „abgesprochen“ vergewaltigen lassen, und doch sind dies Ausnahmen und können wahrlich nicht all das Leid negieren, was tagtäglich so viele Frauen auf der ganzen Welt erleiden müssen, weil sie dazu gezwungen wurden, finanziell und/oder physisch durch Menschenhändlern. Und bei all der Gewalt, die sie oft schon in ihrer frühen Kindheit erfahren haben und nach wie vor erfahren, ist es nicht nur ein Hohn, sondern ein permanenter Tritt in den Unterleib, wenn einige Personen sich erdreisten, von einer Arbeit wie jeder anderen zu sprechen. Traurig ist, das diese Libertinage es nie verstehen wird bzw. will, weil sie sich nur für sich selbst interessiert. Doch so ermüdend dies ist, wir dürfen uns hier nicht zurückziehen und diesen Pseudo-Feministinnen das Wort überlassen.
Wirklich ein guter Beitrag! ich danke dir sehr dafür.
Liebe Grüße
Liebe Edda, vielen herzlichen Dank für diese klaren Worte. Das hat es gebraucht. Ich glaub, ich hab was gelernt. Bleib bitte mit uns dran.
Nur zum Punkt der Gleichheit:
Ja, wir sind alle Schwestern und alle gleich. Schließlich sind wir alle von patriarchaler Gewalt betroffen. Wenn auch in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen.
Wir sind alle gleich, und trotzdem bin ich sehr sehr froh, dass ich nicht in einem afrikanischen Land geboren wurde und mich womöglich jetzt, falls ich es überlebt hätte, mit den Folgen meiner Genitalverstümmelung auseinandersetzen zu muss.
Klar sind wir alle gleich. So grundsätzlich. Weil wir alle Frauen sind. Und trotzdem unterscheiden sich unsere Lebensrealitäten mitunter riesig. Das zu leugnen wäre rassistisch, arrogant und unmenschlich.
Seit bald fünfundzwanzig Jahren begleite ich Frauen unterschiedlichster Nationalität beim Ausstieg. Und mein Alltag ist davon geprägt, dass sich die Praxis einen Scheiß an meine AllesindgleichTräume hält. Verstärkt in den letzten zehn Jahren.
Der Ausstieg von osteuropäischen Armutsprostituierten muss, aufgrund der bestehenden Ungleichheit, in relevanten Bereichen ganz anders laufen, als der einer Deutschen.
Nichts von dem was für Deutsche (hier stellvertretend für Leistungsberechtigte) selbstverständlich ist, gilt für die Osteuropäerin (hier stellvertretend für Nicht-Leistungsberechtigte). Eine Osteuropäerin hat in aller Regel keinen privaten Wohnraum, keine Krankenversicherung, kein Geld zum Essen kaufen. Und, im Gegensatz zur Deutschen, bekomme ich nichts davon von irgendeinem Amt. Sie ist nicht leistungsberechtigt. Gleich zu sein, bedeutet beim Ausstieg nichts. In diesem Land, mit diesen Gesetzen, sind sie nämlich ganz praktisch nicht gleich!
Mit einer jungen Deutschen gehe ich zum JC, zur ARGE, und wir schauen, wie es beruflich weiter gehen kann. Wenn sie kann und mag. Wenn sie nicht kann, weil die Schädigungen durch die Prostitution das nicht zulassen, dann suchen wir nach psychologischer oder psychiatrischer Hilfe. Sie hat eine Krankenkarte, die sie vorzeigen kann. Und ich helfe dabei, dass sie krankgeschrieben wird, und eben erst mal nicht arbeiten gehen muss. Oder wir machen irgendwas anderes: sie hat das ganze Spektrum unseres Hilfesystems zur Verfügung. Und da ist viel möglich. Und das alles trotzdem kein Spaziergang ist, sondern oft ein verdammt harter Weg, brauche ich hier niemandem zu erzählen.
Der Ausstieg einer Osteuropäerin sieht anders aus. Sie bekommt nämlich von keinem Amt ein Dach über den Kopf bezahlt, kein Geld für den Lebensunterhalt, keine medizinische Versorgung und von einer Therapie, um die Schäden der Prostitution zu bearbeiten, kann sie bloß träumen. Da geht nichts. Sie ist nämlich nicht leistungsberechtigt. Was sie bekommen kann, ist eine Notübernachtung, vielleicht auch zwei, wenn gerade irgendwo ein Bett frei ist, und ein Ticket ins Heimatland. Nicht ins Dorf aus dem sie kommt, sondern über die Grenze. Das war’s dann auch. Und wenn sie nicht zurück kann, weil da nämlich diejenigen sind, denen sie ihren Prostitutionserwerb geschickt hat, und die den gern weiter hätten, dann kann sie nicht zurück. Und jetzt?
Damit sie, die Osteuropäerin, die gleichen Chancen zum Ausstieg wie eine Deutsche hat, finanziert SISTERS Unterkunft, Lebensunterhalt und oft auch die notwendigen Medikamente. Damit sie ein bisschen gleicher ist!
Und damit SISTERS genügend Geld hat, um für dieses bisschen Gleichheit zu sorgen, lasse ich nicht davon ab, von der Lebensrealität der osteuropäischen Armutsprostituierten zu erzählen und auf deren besondere Lebenslage aufmerksam zu machen. Immer und überall.
(Und,so unter uns, jenseits der Fragen um die Leistungsberechtigkeit gibt es noch andere Unterschiede, die die Gleichheit vehement stören und die zu beschreiben ich jetzt weder Zeit noch Lust habe.)
Solveig hat mir eben erklärt, dass sie für den Welteinheitslohn ist. Ich hab‘ das verstanden und bin da jetzt auch dafür. Aber so wie sie nicht nur dafür, sondern auch für die Abschaffung des Ehegattensplittings ist, und die Einführung eines Kindersplittings, bin ich fürs Sexkaufverbot und mache ich mich trotzdem für die paar kleinen Verbesserungen stark, die das ProstSchG für die nicht leistungsberechtigten prostituierten Frauen jetzt bringen kann. Weil jedes „bisschen besser“ heute für eine Frau ein bisschen weniger Schmerz bedeuten kann. Und das ist es mir wert.
Sabine,
du liest den Text nicht, verstehst ihn nicht oder bist ob deiner Berufstätigkeit durch ihn so persönlich beleidigt, dass du eben nicht anders kannst, als all das nicht zu lesen, was da steht. Sei’s drum.
Es geht darum, dass ihr, die permanent diese Zweiteilung vornehmt, impliziert, dass es eine Gruppe Frauen gibt, denen es zugemutet werden darf, in den Arsch, in die Fotze und ins Maul gefickt zu werden. Denen es zugemutet werden darf, von der Gesellschaft alleine gelassen zu werden, weil ihnen ja – hinterher (wann ist eigentlich dieses „hinterher“?) „das ganze Spektrum“ zur Verfügung steht. Mir bleibt mein bitteres Lachen im Hals stecken, wenn ich an die Frauen denke, bei denen das angeblich so gewesen sein soll.
Übrigens steht da oben, dass es wichtig ist, sich die Konstellationen der Mehrfachunterdrückung anzusehen. Ich war nur so frei, das nicht weiter zu spezifizieren, weil es verdammt nochmaler Konsens ist.
Du dichtest in hochpotenter Penetranz die Unterdrückung der Klasse Frau, die ich unabdinglich ins Zentrum stelle, um in eine irgendwie angeblich gemeinte, ausgedrückte, (vermeintliche) „Gleichheit“. Deine Replik ist eine Antwort auf eine von dir uminterpretierte Aussage meinerseits, die du mir einfach zeilenlang ins Maul stopfst, obwohl ich nicht davon gesprochen habe. Denkst du eigentlich, ich bin bescheuert? Denkst du eigentlich, ich kenne diese Scheißwelt nicht und wie sie für Frauen auf der ganzen Welt aussieht? Du drehst mir nicht nur Worte im Mund um, du implizierst, dass ich – vermutlich aufgrund meines gepuderten Hinterns – keine Ahnung von Frauen und ihren Lebenskontexten habe. Darf ich dich daran erinnern, dass ich in der Prostitution war?
Und mal davon abgesehen, was tut dieses Derailing eigentlich zur Sache? Der Text hat eine Grundaussage. Und sorry, du bist nicht so blöd, dass du das nicht kapierst, was da steht. Du bist schlicht persönlich beleidigt.
Ich schätze dein Engagement sehr, ich schätze sehr, wie du auf die Lage, insbesondere der Osteuropäerinnen aufmerksam machst. Das ist wichtig. Und das tue ich im Übrigen auch. Ständig.
Nur lenkst du eben mit deinem ganzen Kommentar ab von der Aussage, die diesen Text durchzieht.
Es freut mich, dass es den deutschen Frauen, die ins La Strada kommen, so unfassbar gut geht, mit ihrem „ganzen Spektrum“ an Möglichkeiten. Nur ist eben das La Strada erstens in Stuttgart und nicht überall und zweitens weiß ich einfach nicht, wovon du sprichst, wenn ich mir all jene (wenn auch nur rückblickend) ansehe, die in diesem Milieu mit ihren ganzen unfassbaren Möglichkeiten dringesteckt haben, entweder sind sie heute tot, krank, arm, behindert oder eine Kombi davon.
Tu mir einen Gefallen und mach nicht den Fehler, nur, weil da eine Ausgestiegene den Finger in die Wunde legt, das als persönlichen Affront gegen dich aufzufassen. Anders kann ich mir nämlich deinen epischen Kommentar eigentlich nicht erklären.
Du wirst nicht verhindern, dass wir weiter unser scheiß privilegiertes Maul aufmachen.
Und du wirst nicht verhindern, dass wir bei eurem Schönregulierungsansatz nicht mitmachen.
Du darfst weiter versuchen uns zu spalten, aber ich lasse das nicht zu.
Dagegen verwahre ich mich.
Edda
Ich kann Euren Konflikt von beiden Seiten verstehen-unabhängig vom jeweils durchklingenden “persönlich-angekiekst-seine
Letztendlich bin ich bei Edda, weil ich verstehe, dass sie das Große ganze meint, das weg muss. Und es klingt deutlich durch, in Deinem Text, Edda, dass Du die einzelne Frau und ihr Einzelschicksal schwesterlich im Blick hast, wenn Du (und wir) forderst, dass die Grundumständensich gefälligst zu ändern haben-und kein schönfärbendes “herumdoktern” daran.
Ein früherer Freund hat Lehramt studiert und wollte ausschließlich im Regelschulbetrieb landen. Ich konnte das nicht verstehen, hätte grundsätzlich nur in der Reformpädagogik arbeiten wollen und versuchte, ihn zu überzeugen-es gelang mir nicht. Er wollte einer jener Lehrer werden, die richtig gut sind (trotz des elendigen Schulsystems) und die für manche Schüler ein absoluter Rettungsanker in diesem Schulwahnsinn sind.
Ja, diese Lehrer sind wichtig. Und gleichzeitig muss das schlechte System weg.
Werde ich jetzt einer der wichtigen Lehrer, helfe ich dem Schulsystem, ohne es zu wollen: ich verlängere das Leiden derjenigen Schüler, die drin sind insgesamt.
Mein Argument, mit dem ich versuchte, ihn zu überzeugen, war : stecke die selbe Kraft und Energie, die Du im (schlechten, für alle Beteiligten kräftezehrenden) Schul-System bräuchtest doch in die Reformpädagogik, dann hilfst Du mit, den eigentlichen Wandel zu bewirken!
Dass die Reformpädagogik hier für das Nordische Modell steht ist klar, oder? Das bedeutet in meinen Augen nicht, die Einzelschicksale aus den saugen zu verlieren, man kann sich weiterhin individuell unterstützend einbringen und gleichzeitig für einen kompletten Systemwandel stimmen und ihn unterstützen!
Man kann, so wie Du es so genau auf den Punkt gebracht hast, Edda, das große Ganze sehen, und die Prostitution auch für diejenigen, die selbst noch zu verstrickt sind um überhaupt den Wunsch zu entwickeln, sich befreien zu wollen, beenden wollen. Und das ist nicht anmaßend, falls das jemand so empfindet, sondern meiner Ansicht nach zutiefst empathisch- schwesterlich mitfühlend und menschlich.