Eine radikalfeministische Perspektive auf die ‚freie Wahl‘

Feministisches Symbol

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Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Ein Gastbeitrag von Ines

Früher hielt ich, wie viele Menschen das tun, BDSM für eine Facette des privaten Sexlebens, die man ausleben kann oder auch nicht. Die meisten verbinden damit die gängigen Utensilien wie Peitschen, Handschellen und Fetischoutfits, auf die man sich in der Gesellschaft teils humorvoll teils verschämt bezieht. Deutlich seltener kommen die zugrundeliegenden Mechanismen von Unterwerfung und Unterworfenwerden öffentlich zur Sprache. Diese symbollastige Verklärung sorgt dafür, dass BDSM gemeinhin als eine Frage des persönlichen Geschmacks deklariert wird. Auch der Nachdruck, mit dem von BDSM-Seite bisweilen auf den Unterschied zwischen den BDSM-Praktiken und dem ‚eigentlichen Leben‘ hingewiesen wird, den sogenannte Vanillas nicht richtig verstünden, verstärkt diesen Eindruck. Setzt man sich mit BDSM (theoretisch oder auch praktisch in der Szene) auseinander, wird einem allerdings bewusst, dass dort ähnliche asymmetrische Geschlechterverhältnisse bestehen, wie man sie von clichéhaftem Vanilla-Sex und auch grundsätzlich in den Gesellschaftsstrukturen kennt.

Leider gibt es wenige aussagekräftige Statistiken zu dem Thema – was meine Annahme, dass BDSM als Privatsache gilt, verstärkt –, daher muss ich mich auf meine Eindrücke und die anderer, in BDSM involvierter Menschen sowie die spärlichen zur Verfügung stehenden Quellen zum Thema und gängigen Portale (fetlife, joyclub) beziehen. Dabei erhärtet sich der Eindruck, dass sich mehr Männer relativ gesehen zum (insgesamt größeren1) männlichen Anteil in der BDSM-Szene als „(extrem) dominant und sadistisch“ beschreiben, hingegen deutlich mehr Frauen2 relativ gesehen zum (insgesamt kleineren) weiblichen Anteil in der BDSM-Szene sich als „(extrem) devot und masochistisch“ beschreiben.3 Noch signifikanter wird die Asymmetrie, wenn man nur heterosexuelle Menschen berücksichtigt. Manche Quellen, die etwas vereinfacht in dominante und submissive Rollen unterschieden, sprechen von einer 75%igen dominanten Präferenz bei Männern und gar bis zu 96%igen submissiven Präferenz bei Frauen4 – ein Verhältnis, das ungeachtet der genauen Zahlen meinen Eindruck der beiden Tendenzen bestätigt.

So sehr unterscheidet sich das Bild der BDSM-Szene also auch nicht von den anderweitig anzutreffenden stereotypen Rollenverteilungen. Dass es auch sogenannten außererotischen BDSM gibt, macht zudem deutlich, dass BDSM keineswegs nur eine sexuelle Präferenz ist, sondern mit dem ‚eigentlichen Leben‘ fest verwoben ist. Die Besonderheit von BDSM liegt vielmehr darin, dass Verhaltensweisen und Machtverhältnisse, die man aus dem alltäglichen Leben kennt, im BDSM explizit gemacht werden. Hierin sehe ich übrigens den großen Vorteil von BDSM gegenüber den impliziten alltäglichen Formen, Menschen zu unterwerfen oder sich ihnen zu unterwerfen: Die Machtverhältnisse werden expliziert und somit verhandelbar. Aber wo werden diese Machtverhältnisse und ihr Kontext zum alltäglichen Leben letztlich verhandelt? Erstaunlich selten wie mir scheint.

Auf einen Text, der diese Zusammenhänge erläutert, bin ich vor einer Weile auf dieser Seite gestoßen: „Eine radikalfeministische Perspektive auf BDSM“5. Darin wird die These aufgestellt, dass es sich bei Frauen erniedrigenden Praktiken, wie sie unter anderen im BDSM vorkommen, um ein strukturelles Problem handelt und nicht um eine einfache Privatsache. Es wird also die Forderung der 68er wieder aktualisiert: „Das Private ist das Politische.“ Dass dieser Leitspruch auch Jahrzehnte später noch nicht ausgedient hat, zeigt sich beispielsweise daran, dass auch Vergewaltigung in der Ehe bis 1997 als Privatsache galt statt als Straftatbestand. Wieso sollte es also heute, wiederum zwei Jahrzehnte später, nicht auch blinde Flecken geben, wo gesamtgesellschaftlich relevante Handlungen und Strukturen irrtümlich dem Privatbereich zugeordnet werden? In dem genannten Text zur kritischen Beleuchtung von BDSM werden also nach wie vor wichtige Fragen dazu aufgeworfen, wen was betrifft und etwas angeht: Wieso werden, wenn sexuelles Begehren und überhaupt Sexualität zum großen Teil kulturell konstruiert ist, einige sexuelle Spielarten von der gesellschaftlichen Analyse weitgehend ausgenommen? Wieso sollten die im Patriarchat bzw. Virilichat6 erlebten Kräfteverhältnisse und männlichen Phantasien nicht auch von Frauen verinnerlicht worden sein und wiederum deren eigenes Begehren beeinflussen? Kann wirklich im Modus des Konsenses‘ aus einer Körperverletzung eine persönliche Vorliebe werden, nach deren Ursachen zu fragen niemand Außenstehendes sich aufschwingen darf?

Ich habe diesen Text mit Menschen in den gängigen sozialen Medien geteilt; nicht, weil ich allem bis ins Detail zustimme, sondern weil mir der Kerngedanke richtig erscheint und weil sehr gründlich und umfassend Gesellschaftskritik geübt wird. Darauf haben einige mit Wut reagiert; Wut, die sich erst nur auf den Artikel, dann völlig unsachlich auf meine Person erstreckt hat. Es wurde sogar gefordert, die Verlinkung auf meinem eigenen Profil zu löschen.7 Es ging vor allem um die Ablehnung der Idee, dass Menschen sich ins Privatleben anderer einmischen. Der Slogan der 68er hat also schlechte Konjunktur: Die Verknüpfung der privaten und der poltisch-öffentlichen Sphäre ist verpönt. In einer Zeit von zunehmender Video- und digitaler Überwachung inklusive der Analyse personenbezogener Daten und des Konsumverhaltens ist einerseits die Angst, jeglichen privaten (Denk-)Raum zu verlieren, sehr berechtigt. Andererseits kann es meines Erachtens nicht die Lösung sein, alle Menschen sich selbst und ihrem Gutdünken zu überlassen. Denn damit würde alles, was nicht in offensichtlicher Weise eine Mehrheit der Bevölkerung betrifft, ins Private verdrängt.

Wenn man andererseits als reine Privatsache nur gelten lässt, was nicht strukturell ist, das heißt, was nicht mit Geschlecht, Hautfarbe und anderen von Diskriminierung betroffenen Merkmalen korreliert, bleibt tatsächlich erstaunlich wenig übrig: Nicht einmal banale Präferenzen wie die Lieblingsfarbe sind unabhängig vom Geschlecht, geschweige denn von Epoche, geografischem Raum und anderen Faktoren. Die entscheidende Frage ist daher vielleicht nicht, welche Sachen bis zu welchem Grad zur Privatsphäre gehören, sondern welche Konsequenzen aus dem Label „privat“ gezogen werden, und wer als Bedrohung dieser „Privatsphäre“ imaginiert wird. Ist es eine staatliche Institution zur Datenzentralisierung oder gar ein einzig an Profit orientiertes Unternehmen, sodass Privatsphäre den Schutz des Individuums bedeutet, ist diese natürlich wichtig. Wird allerdings schon die gesellschaftliche Thematisierung und Analyse von überindividuell vielfach gelebten Verhaltensweisen als Angriff auf Individuen gewertet, kann die Funktion von Privatsphäre auch schnell in Richtung Schutz und Erhalt von regressiven und gewaltsamen Umständen kippen.

Diese rückwärtige Verdrängung ins Private ist allerdings sehr populär, da sie dem Zeitgeist der Individualisierung entspricht. Dieser äußert sich in vielfältigen Erscheinungsformen des neoliberalen Glaubens an die freie Entscheidung und die eigene Optimierung durch eben diese freien Entscheidungen, bis hin zur Quantified-Self-Technologie. Wir haben die Wahl zwischen 24 Kaffeesorten bei Starbucks, allerlei create-your-own-(Burger/Sneakers/…)-Marketing, und die Produkte, die wir konsumieren, stellen wir in Form selbstinszenierender Fotocollagen auf Instagramm hoch, und vergessen dabei, dass genau das die Masse tut, auf die diese Produkte auch ausgerichtet sind.

Und so ist auch die so deklarierte persönliche Sphäre von den Machtstrukturen und Zwängen des Neoliberalismus durchdrungen. Ein zentraler Aspekt dieser liberalistischen8 Logik zeigte sich auch in den Reaktionen auf meine Verbreitung des eingangs erwähnten Artikels: die Abwehr gegen jegliche Form von Urteil. Und zwar meine ich Urteil im ursprünglich positiven Sinne als (so bspw. im Duden) „prüfende kritische Beurteilung“ bzw. „abwägende Stellungnahme“; also als Meinung, der eine sorgfältige Reflexion vorangeht.9 Am häufigsten wurde nämlich kritisiert, dass der Artikel die Menschen, über die er spreche, „verurteile“, anstatt ihnen „zuzuhören“. Weswegen also fühlen sich Menschen angegriffen, von einem Text, der BDSM kritisch beleuchtet? Zum einen sehen sie sich persönlich angegriffen in ihrer Lebensführung; zum anderen – und das ist viel wichtiger – in ihrer Grundeinstellung zum Neoliberalismus, den zu bejahen sie verinnerlicht haben. Um sich also mit der zentralen Problematik nicht auseinandersetzen zu müssen, wird alle Kritik auf das vermeintliche persönliche Verurteilen gelenkt.

Hierbei bemerke ich immer häufiger die Verwechslung von urteilen und verurteilen; so auch im Kontext der Rezeption des genannten Artikels, obwohl dieser mehrfach betonte, es ginge nicht darum, Individuen zu verurteilen, sondern über die gesellschaftlichen Bedingungen zu reflektieren: „Es geht zum Beispiel NICHT darum, Frauen vorzuwerfen, dass sie an BDSM partizipieren, sondern zu verstehen, welche Rahmenbedingungen dazu führen, dass sie es tun. Es geht schlichtweg um eine Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und biographischen Faktoren, die Sexualität konstruieren.“ Diese Verwechslung von urteilen und verurteilen halte ich insofern nicht für versehentliche Einzelfälle. Vielmehr wird heute urteilen und verurteilen immer mehr gleichgesetzt, mit dem absurden unterschwelligen Ziel, das Urteilen über Sachverhalte, was nun mal mit einer Analyse einhergeht, mit dem ach so bösen Verurteilen von Individuen in einem Zuge zu diskreditieren.

An brenzligen Themen wie dem Kopftuch, der Pornografie, dem BDSM oder der Prostitution, welche die feministischen Lager spalten, zeigt sich, dass auch (und vielleicht gerade?) die queerfeministische Linke nicht von der schädlichen Seite der neoliberalen Logik verschont geblieben ist. Alles wird dem Paradigma der freien Entscheidung untergeordnet: Jede Frau könne sich für oder gegen ein Kopftuch entscheiden. Sie könne sich für oder gegen das Mitwirken an stereotyper Pornografie entscheiden. Sie könne sich für oder gegen die Verletzung und / oder Unterordnung des Selbst durch BDSM-Praktiken entscheiden. Sie könne sich für oder gegen die Prostitution des eigenen Körpers – bis zur wiederum schwammigen Grenze des offenkundigen Menschenhandels – entscheiden. (Hier markiert im Übrigen schon die Wahl des Terminus‘ das eigene Lager: Spricht man von mit Blick auf die frauenverachtende Geschichte von Prostitution oder eher affirmativ von Sex Work.) Natürlich kann jede Frau Entscheidungen treffen – aber wir müssen doch reflektieren unter welchen Voraussetzungen!

Bei dieser neoliberalen Betrachtungsweise kommt es stets zu einer anderen folgeträchtigen Verwechslung, und zwar der von der Wahl zwischen zwei mehr oder weniger schlechten Alternativen und wirklicher Freiheit von Zwängen. Auf die Verwischung dieses Unterschieds im Neoliberalismus geht auch Laurie Penny ein (wenngleich sie gerade die Prostitutionsfrage anders bewertet als ich es nahelege): „The choice between this boss and that, the choice between marriage and penury, the choice between shame and self-denial, the choice between degrading work and debilitating poverty, all of these choices are meaningful, but they are not the same as liberty.“10 11

Diese Beobachtung bezieht sich also nicht nur auf Situationen, in denen beide Alternativen offensichtlich nicht wünschenswert sind, sondern auch auf marriage vs. penury, also Heirat und wirtschaftliche Not. Ebenso sollte man sich bei der Frage nach Kopftuch, Pornografie, BDSM und Prostitution vor Augen führen, dass verschiedene Wahlmöglichkeiten schon in einem System von suggestiven Zwängen und Prägungen von Menschen verstrickt sind: Das junge Mädchen, das den Wünschen seiner Eltern gemäß das Kopftuch trägt, wird sich vielleicht nicht mehr umzugewöhnen wagen. Eine Frau, die durch Missbrauchserlebnisse gelernt hat, ihre körperliche Sensitivität von der Sexualität abzuspalten, wird eher dazu neigen, ihren Körper für Geld zu verkaufen. Die Frage ist also, wie frei Entscheidungen unter welchen Prämissen sind. Welche Frau entscheidet sich für Prostitution? Etwa die alleinerziehende Mutter, die weder vom Staat noch möglicherweise vom Kindesvater finanziell angemessen unterstützt wird? Bloß weil sie das Bordell der akuten wirtschaftlichen Not vorzieht? Welche Frau entscheidet sich für Frauen erniedrigende Praktiken beim Sex? Etwa die, die schon als Teenager Pornografie verseuchte Phantasien entwickelt, die zufällig das Pendant zu den Pornografie verseuchten Phantasien ihres Partners bilden?

Es sollte zugleich nicht pauschal geurteilt werden und die vier beispielhaft genannten Phänomene (Kopftuch, Pornografie, BDSM und Prostitution) sind keinesfalls gleich zu betrachten. Allein schon, weil sich mit dem Kopftuch oder der Prostitution gegebenenfalls viel konkretere gesellschaftliche Macht manifestieren kann als bei BDSM; beim Kopftuch oder der Prostitution wirken nämlich nicht bloß diffuse gesellschaftliche Strukturen, sondern womöglich eine konkrete Person als unterdrückende Instanz (Patriarch, Zuhälter/in). Und sicherlich gibt es auch für alles Gegenbeispiele. Im Kontext BDSM beispielsweise gibt es auch Frauen, die sadistisches Verlangen entwickeln, und Männer, die Demütigung suchen (bspw. der vielzitierte Manager, als Ausgleich für seine umfassende Verantwortung und Macht). Und bestimmt gibt es auch Menschen, die einfach Faszination für extreme Erfahrungen haben, die Abwechslung suchen und die vielleicht das kindliche Rollenspiel, das Erwachsenen so oft versagt ist, auf einer anderen Ebene erfahren wollen. Aber das allein erklärt nicht, warum es zu so eklatanten, zwei Tendenzen ausbildenden Unterschieden zwischen dem Begehren von Männern und dem von Frauen kommt.

Es geht also nicht um ein Generalurteil, sondern darum, dass sich an den Diskursen über diese verschiedenen Bereiche in ähnlicher Weise der neoliberale Mythos von der freien Wahl aufzeigen lässt. Und dieser Mythos ist gefährlich, da die offensichtliche Asymmetrie zwischen den Rollen, die Frauen und Männern in unserer Gesellschaft zukommen, ungerechtfertigt ist. Kopftücher werden nun mal fast immer von Frauen getragen und zumeist aus Gründen der Verhüllung vor männlichen Blicken, die Mainstream-Pornografie wird zum mit Abstand größten Teil von Männern konsumiert, Prostitution wird zum erheblich größeren Teil von Frauen angeboten, und in der (prostititionsunabhängigen) BDSM-Landschaft machen Frauen den Großteil der Submissiven aus. (Man verschaffe sich einmal einen Eindruck der Zahlenverhältnisse auf der bekanntesten Szene-Homepage https://fetlife.com/, gegebenenfalls mit Accounts verschiedener Kombinationen von Geschlecht und Vorliebe.)

Für all diese Asymmetrien gibt es keine Erklärung in der „Natur“, sondern vielmehr in der (Un-)Kultur, also als Resultat der selbst völlig schiefen und asymmetrischen gesellschaftlichen Konstruktion der zwei Geschlechter und ihrer Rollen. Den Diskurs über diese Konstruktion und ihre Konsequenzen, insbesondere im Hinblick auf vermeintlich freie Entscheidungen, lebendig zu halten, ist eine Notwendigkeit. Natürlich kann und soll es nicht Ziel sein, Menschen ihr Begehren und ihre Wünsche auszureden, denn sie sind real. Aber man kann zur Auseinandersetzung mit BDSM und dessen Ursachen anregen. In jedem Fall dürfen all solche geschlechter-asymmetrischen Phänomene nicht mit dem Argument einer (fehlinterpretierten) Privatheit vor der gesellschaftlichen Analyse abgeschirmt werden.


1 Es ist nicht zu vernachlässigen, dass homosexuelle Männer oder Männer mit homoerotischer Neigung einen gewissen Anteil der BDSM-Szene ausmachen.

2 Ich verzichte hier bewusst fast überall auf das Gendersternchen, da es in meinem Text vorrangig und cis-hetero-Frauen und cis-hetero-Männer geht.

6 Im ursprünglichen Wortsinne halte ich das Patriarchat, also die Herrschaft von Vaterfiguren, nicht mehr für aktuell. Heute sind es vielmehr maskuline Verhaltensweisen, die populär sind. Auch Frauen können sich durchsetzen und den Ton angeben, wenn sie nur (wie beispielsweise für Bewerbungsgespräche oft empfohlen) selbstüberzeugt, fordernd und mit Ellenbogen vorgehen. Diese Veränderung möchte ich (ähnlich zu Raewyn Connells „hegemonialer Männlichkeit“) mit dem Begriff „Virilichat“ einfangen, von dem bspw. auch die Feministin Clémentine Autain spricht.

7 Es ist schade, dass viele linke Stimmen angesichts von Zeiten der AfD-typischen Parole „das wird man ja noch sagen dürfen“ oft voreilig mit Forderungen nach Verboten reagieren, anstatt falsche Ansichten mit Argumenten zu entkräften.

8 Mit ‚liberalistisch‘ meine ich dem Liberalismus verschriebene Auffassungen. Mit Freiheit und freier Entwicklung, also dem ursprünglich positiven Begriff von ‚liberal‘, hat das oft nicht mehr viel zu tun.

9 Die Abwehr gegen das Urteil ist eine Entwicklung, die außerdem mit einem gleichzeitigen Hype der ‚eigenen Meinung‘ einhergeht. Das zeigt sich insbesondere bei jungen Menschen und in den Medien und Shows, die sie konsumieren. Es geht aber auch bei Erwachsenen so weit, dass zum Beispiel der Rechtspopulismus seine diskriminierenden Äußerungen bzw. Hetze und hate speech immer mehr hinter dem (in seiner ursprünglichen Funktion wertvollen) Gut der freien Meinungsäußerung versteckt.

10 Laurie Penny: Unspeakable Things. 2014. S. 243/244. Auf Deutsch etwa: „Die Wahl zwischen diesem und jenem Chef, die Wahl zwischen Heirat und wirtschaftlicher Not, die Wahl zwischen Scham und Selbstverleugnung, die Wahl zwischen herabwürdigender Arbeit und entkräftender Armut, all diese Fragen sind bedeutsam, aber sie sind nicht dasselbe wie Freiheit.“

11 Hier klingt natürlich auch die Frage an, wie frei ich oder andere Autor*innen in ihren BDSM kritischen Positionen sind, da auch wir nicht in einer Blase leben, sondern kulturell geprägt sind. Allerdings rüttelt diese Art von Skepsis schon fast an der grundsätzlichen Willensfreiheit bzw. der Freiheit von deterministischen Abläufen – einem Diskurs, der diese Fragen unnötig verkompliziert. Mir geht es hier um die (Un-)Freiheit von expliziten gesellschaftlichen Zwängen und Erwartungshaltungen; das ist etwas anderes als die Möglichkeit, mittels Information und Reflexion zu einer Erkenntnis zu gelangen.

3 Kommentare

  1. BDSM sind verinnerlichte gesellschaftlich anerkannte und körperlich ausgelebte Gewaltverhältnisse. Oftmals Trauma-Wiederholungen für die Frauen. (Stockholm-syndrom?) In MEINEN Augen ist dies krank. Wer um alles in der Welt, sollte „Lust“ empfinden, Schmerzen zuzufügen, oder zu erdulden? Abartig und gefährlich, wenn dies auch „normalisiert“ wird, wie „rapeculture“, Pornographie, und sonstige sexuellen „Spielereien“. Was ist dann mit Pädophile? Bald wird alles verharmlost und in die private Ecke abgeschoben. Mahlzeit!

  2. Bei BDSM befürchte ich bei Menschen in der submissiven bzw. massochistischen Rolle, dass diese entweder Phantasien ausleben, aus einer sexuellen Prägung heraus, welche ein Trauma oder sehr schlechter Sex (oder zuviel Pornokonsum als Frau im Teenageralter – ohne echten Sex als kompensation?) ergeben haben (z.B. Die Koppelung von sexueller Erregung mit Demütigung und Ekel) oder dass sie Dinge als (Pseudo…-)Skill nutzen um Flashbacks zu vermeiden. Also z.B. Durch extreme Schmerzen es sich ermöglichen, in der Realität zu bleiben.

    Bei Sexualität und sexuellen Wünschen wird immer noch so getan:
    A) als würde das alles einfach zufällig und unvermeidlich vom Himmel auf einen hinabfallen. Das ist Non-Sense. Und
    B) Als gäbe es überhaupt gar keinen Zusammenhang zwischen im Bett und außerhalb vom Bett. Also z.B. Im Bett = jemanden nach strich und faden Verprügeln und dabei geil werden? Alles in Ordnung! Viel Spass dabei! Die Verprügelte vergisst auch sofort nach dem sie das Bett verlässt zuverlässig, was ihr angetan wurde. Oder im Bett jemanden als verfi*** Nutte, Schlampe, Drecksau, … Beschimpfen und beleidigen? Die so eine halbe Stunde am Stück Beschimpfte und Beleidigte wird sich dadurch wie eine Göttin fühlen nach dem Sex….

  3. Also ich als devoter Mann habe 15 Jahre Erfahrung im BDSM und finde solche Artikel schwer, denn es ist so facettenreich, nicht nur in Ausdrucksform sondern auch im persönlichen Hintergrund. Leider ist Femdom, also die (be)herrschende Frau, oftmals nur Erfüllungsgehilfin männlicher Fantasien, der „Sklave?“ regiert von unten, indem er Geld bietet und sich seine Wünsche erfüllen lässt, dies wird dann als Herrschaft der Frau verkauft.
    Da ich dieses Spiel ziemlich früh durchschaut habe und immer echten Femdom leben wollte, habe ich gelernt das so leben, und zwar ohne jede Verpflichtung für die Frau, ich mache was sie will, zahle was sie will und benehme mich normal fernab der klassischen Klischees. Die Frauen sind begeistert und empfehlen mich sogar ihren Freundinnen weiter, was mich sehr stolz macht, mir aber auch zeigt wieviel Arbeit noch gemacht werden muss, bis wahrer Femdom herrscht.

    Es ist aber mitnichten so, dass im BDSM ein Gros der Männer dominant und Frauen devot auftreten. Das halte ich für eine sehr gewollte Analyse.

    Alles in allem liebe ich eure Seite, macht weiter so ihr seid echt stark. 🙂

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