Weibliche Genitalverstümmelung hat nichts mit Kultur, Tradition oder Religion zu tun. Sie ist Folter und ein Verbrechen, das bekämpft werden muss.
Female Genital Mutilation (FGM), auch geläufig unter dem Begriff weibliche Genitalverstümmelung, ist ein schreckliches Verbrechen, dem weltweit jährlich etwa 3 Millionen Mädchen insbesondere in Afrika, Asien, aber auch den USA oder Europa zum Opfer fallen. Dabei werden die weiblichen Geschlechtsteile teilweise oder ganz entfernt oder verletzt. Weltweit sind schätzungsweise mehr als 125 Millionen Frauen und Mädchen betroffen. Nach eine Bericht von UNICEF gibt es 14 afrikanische Staaten wo gar mehr als 50% der weiblichen Bevölkerung betroffen sind (darunter Somalia 98%, Guinea 96%, Djibouti 93%, Ägypten und Mali 89%, …)
Nun machte Ende letzter Woche eine Schlagzeile weltweit die Runde, nach der die FGM in Schweden angeblich so weit verbreitet sei, dass Ärzte eine ganze Klasse von 28 genitalverstümmelten Mädchen entdeckt hätten. Das las sich dann etwa so:
Ärzte decken auf. Schweden: Ganze Mädchenklasse genitalverstümmelt (Kronenzeitung, Österreich)
Swedish health authorities discover every girl in one class had undergone genital mutilation: report (New York Daily, USA)
FGM in Sweden: School where every single girl in one class underwent procedure exposed (Independent, Großbritannien)
Dies sind nur drei Beispiele von Dutzenden. Nicht nur eigentlich als relativ seriös bekannte Medien berichten von der genitalverstümmelten Mädchenklasse, sondern auch und insbesondere so genannte islamkritische, man könnte auch sagen rassistische, Internetblogs. Auch in den sozialen Netzwerken verbreitete sich die Meldung wie ein Lauffeuer.
Was ist im schwedischen Norrköping nun wirklich passiert? Beim schwedischen Lokalblatt Nörrköping Tidningar (der Ursprungsquelle) liest sich das so:
Anissa Mohammed Hassan, die selber aus Somalia stammt, arbeitet bei der Kreisverwaltung von Östergötland und klärt in einer Kampagne seit Monaten Beschäftigte in Schulen, Sozialarbeit, Gesundheitsbereich und der Polizei über FGM und ihre Folgen für die Mädchen und Frauen auf. Auch eine Aufklärungsveranstaltung in einem Klassenraum einer Schule, an der 30 Mädchen unterschiedlichen Alters aus den hauptsächlich von FGM betroffenen Kulturkreisen teilnahmen, wurde durchgeführt. Na, ahnt ihr schon was jetzt kommt? Auf die Frage von Hassan wer von den Anwesenden denn Betroffene sei gingen alle Hände nach oben. Hassan klärte die Mädchen über die Folgen der FGM auf, unter anderem brachten einige der Anwesenden erlittene Schmerzen nun erstmals mit der FGM in Verbindung. Die Hilfen im schwedischen Gesundheitssystem wurden erläutert und Möglichkeiten zur „Öffnung“ der Vagina nahe gebracht, Beratungsstellen genannt. Auch die Schilderung der rechtlichen Situation in Schweden (striktes Verbot von FGM, auch wenn Eltern ihre Kinder ins Ausland bringen um den Eingriff dort durchzuführen werden sie bestraft) gehörte zum Programm.
Anissa Mohammed Hassan sieht die Aufmerksamkeit die ihrer Kampagne nun weltweit zuteilwird mit gemischten Gefühlen: Zum einen ist sie froh, dass dieses Thema in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Zum anderen befürchtet sie, dass die falschen Kräfte es nun für ihre Propaganda benutzen. Eine Befürchtung, die offensichtlich nicht unbegründet ist. Eine weitere Frage die sich stellt: Gibt es ihn noch den seriös recherchierten Journalismus, oder schreiben die wirklich einfach alle munter voneinander ab ohne die Fakten zu checken?