Islamischer Feminismus oder feministischer Islam und wieso ein dringlicher Versuch hierzu notwendig ist Teil II

Women in Islam

By Petar Milošević (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Teil 2: 

Der feministische Islam ist untergegangen, fast, aus den in Teil 1 genannten politischen Gründen, aber vor allem wegen dem Patriarchat.

Aber was ist der feministische Islam überhaupt und wieso kann der Islam feministisch sein?

Der Islamische Feminismus ist eine Form des Feminismus und befasst sich mit der Rolle der Frau in der islamischen Gesellschaft. Er zielt auf die Gleichheit aller Muslime, ungeachtet des Geschlechts, im öffentlichen und privaten Leben. Muslimische Feministinnen vertreten Frauenrechte, Gleichberechtigung von Mann und Frau und soziale Gerechtigkeit in der islamischen Gesellschaft. Obwohl im Islam verwurzelt, haben die Pioniere der Bewegung auch säkulare und westliche Diskurse verwendet und sie sehen die Rolle des islamischen Feminismus als Teil einer weltweiten feministischen Bewegung. Vertreterinnen und Vertreter der Bewegung betonen die tief verwurzelten Lehren der Gleichheit im Koran und ermutigen dazu, die patriarchalische Interpretation der islamischen Lehren durch den Koran (Wort Gottes), Hadith (Überlieferungen über Mohammed) und die Schari’a (das islamische Gesetz) zu hinterfragen bezüglich einer egalitäreren und gerechteren Gesellschafthttp://de.wikipedia.org/wiki/Islamischer_Feminismus

Zur Argumentation im feministischen Kontext wird das Gottesbild im Islam genommen. Allah, Gott, repräsentiert keinen Mann oder Vater, und es ist verboten Vergleiche mit Gott zu machen. Gott ist weder Mann, noch Frau. Weder Vater noch Vaterschaft sind heilig (im Gegensatz zum Christentum und dem Vaterunser).

Der Koran warnt auch davor,

dass das in die Fußstapfen der Vorväter treten Menschen von Gottesweg abringen kann.

Das kann so interpretiert werden, dass der Tradition nicht immer zu folgen ist (also dem Patriarchat).

Der Koran sagt ebenso wenig aus, dass Männer mehr wert sind als Frauen oder das sie über sie herrschen dürfen. Im Gegenteil, Männer und Frauen sollen sich gegenseitig anleiten (awliya) und die Ehe soll auf Liebe und Gegenseitigkeit beruhen (sukun).

Auch die Entstehung des Menschen beruht auf sexueller Gleichheit, denn beide wurden aus einem geschaffen (nafs). Die Schaffung des Menschen, von Mann und Frau, ist gleich. Es gab weder Mann, noch Frau, zuerst. Außerdem hat weder Mann noch Frau Eigenschaften, die das andere Geschlecht nicht hat. Es gibt keine männlichen oder weiblichen Geschlechterrollen im Kontext von Charakter oder Verhalten.  Geschlecht hat keinen Zusammenhang zu Gender. Biologische Unterschiede werden anerkannt, aber keinem Verhalten zugeordnet. Mann und Frau werden nicht als unterschiedlich voneinander beschrieben.

Es stimmt, dass der Koran Männer und Frauen unterschiedlich anspricht in Bezug auf einige Themen, aber Frauen werden nicht als minderwertig beschrieben. Männer werden im Koran zwar direkt angesprochen, aber die Gesellschaft war damals zutiefst patriarchal.

Auch die Sexualität von Mann und Frau ist gleich. Sexuelle Bedürfnisse werden anerkannt und müssen erfüllt werden, allerdings im Zusammenhang von Vorgaben, aber die Standards und Regeln hierfür gelten für beide Geschlechter (was Männer und das Patriachat gerne vergessen). (Sachiko Murata, The Tao of Islam: A Sourcebook on Gender Relationships in Islamic Thought).

Nur die Stärke des Glaubens unterscheidet Menschen, nicht das Geschlecht. Ein ethisch aufrichtig gelebtes  Leben ist die Bewertungsgrundlage nach der Menschen beurteilt werden.

Diese feministische Interpretation betrachtet vor allem das theologische Gottesbild das dargestellt wird.

Der Koran bezeichnet Gott als gerecht und nicht als „zulm“ ausführend (Zulm: Rechte von Menschen überschreitend). Als Folge kann interpretiert werden, dass Gott das Partriachat nicht sanktioniert, denn dieses verletzt die Rechte von Frauen.

Natürlich ist die Frage berechtigt wieso der Koran nicht als emanzipatorischer Text verstanden wird von den meisten. Das meiste was heute befolgt wird, wurde von einer Gruppe von Männern vor hunderten von Jahren interpretiert. Der direkte Koran wird weniger genutzt. Übersetzungen sind auch problematisch, da viele Wörter mehrere  Bedeutungen besitzen. Es gibt aber mutige Wissenschaftlerinnen, wie zum Beispiel Asma Barlas, die zum Koran zurückkehren um diesen feministisch zu  interpretieren, anstatt weg vom Koran zu gehen für feministische Ansätze.

Der Prophet Mohammad lebte im sechsten Jahrhundert. Sowohl christliche, wie auch jüdische Texte beinhalten misogynistische Inhalte, aber wenige Menschen behaupten, dass es ein Widerspruch ist Christin und auch Feministin zu sein.

Auch dieser damalige  gesellschaftliche Kontext wird bei der feministischen Interpretation berücksichtigt. Die Essenz des Korans soll in diesem Kontext verstanden werden.Viele Verbesserungen für Frauen wurden durch den Koran geschaffen. Tötungen von weiblichen Säuglingen waren verboten, Erbrecht wurde eingeführt und die Ehe wurde als Vertrag geschaffen. Vorher waren Frauen wertlos.

Ein Beispiel für die männliche Auslegung des Korans ist der Ausdruck `aura , der sich darauf bezieht, was am Körper das andere Geschlecht anzieht, (Vers 24:31). Dieser wurde nur auf Frauen bezogen, und Kleidung und Schmuck wurden mit einbezogen. Frauen wurden an dieser Auslegung nicht beteiligt, sonst könnten Männer heute nicht halbnackt am Strand vor ihnen schwimmen.

Sexualität hat nichts im alltäglichen Leben verloren, deshalb ist nicht sexualisierte Kleidung Ziel. Allerding sollen sowohl Männer, wie auch Frauen, ihre Augen senken und somit sind belästigende Blicke von Männern unter allen Umständen untersagt. Und auch halbnackte Männer am Strand können für Frauen unter Umständen sexuell anziehend sein also wäre hier auch Kleidung angesagt. Wenn schon denn schon, denn was gut ist für die Gans ist auch gut für den Gänserich…“(what`s good fort he goose is good fort he gander“).

Als Hinweis auf Gleichberechtigung wird gerne die Sure: …“Der Mann ist der Mantel der Frau und die Frau ist der Mantel des Mannes (2:187) herangezogen. Deutlicher geht es tatsächlich eigentlich nicht und auch die Grundhaltung wird mit dieser Sure sehr deutlich.

Die Betrachtung von Sex ist auch etwas anders als im Christentum, denn Sex wird als Wohltat gesehen. Das Recht auf Orgasmus besteht für Mann und Frau und fehlende sexuelle Erfüllung ist für Frauen ein Scheidungsgrund.

Frauen haben Rechte wie Pflichten auf gleichberechtigte Art und Weise (2:228).

Oder der Prophet soll gesagt haben:

wenn einer von euch Sex mit seiner Frau hat, soll er ihr gegenüber wahrhaftig sein. Wenn er seinen Spaß vor ihr hat, dann sollte er sie nicht hetzen bis sie auch ihren Spaß hatte (Anas)

Da sexuelle Erfüllung für beide Geschlechter erfolgen muss, ist weibliche Beschneidung nicht erlaubt, da es die sexuelle Lust reduziert. Außerdem sind körperliche Veränderungen verboten. Es gibt nur eine sehr schwache Hadith, die angeblich Beschneidung erlaubt.

Das Thema Menstruation ist auch wichtig, da oft behauptet wird, Frauen werden als unrein betrachtet wegen ihrer Menstruation. Es gibt einige Hadith bezüglich der Menstruation. Der Koran bezieht sich nur in einer Sure darauf (2:222), in der die Menstruation als verletzlicher Zustand beschrieben wird, und Sex untersagt ist. Die Betrachtung der Menstruation als unreiner Zustand ist als solches nicht gegeben, da der Prophet auch auf der Kleidung einer menstruierenden Ehefrau gebetet hat. Fasten oder beten findet während der Periode nicht statt, entsprechend einiger Hadithen. Allerdings ist die Periode nicht als Zustand der Unreinheit zu sehen, sondern als Beeinträchtigung, denn auch Kranke oder Reisende fasten nicht. Es ist untersagt, den Koran in unsauberem Zustand anzufassen, und im Patriarchat wurde dies auch auf die Menstruation bezogen. Aber dies steht nicht im Koran. Und Feministinnen stellen berechtigterweise die Frage wieso Gott selbst einen unreinen Zustand geschaffen haben sollte…Frauen wurden schließlich mit der Menstruation erschaffen. Zu bedenken ist, dass Frauen früher ihr Blut frei laufen lassen mussten und somit Einschränkungen damals als Rücksichtnahme zu interpretieren sind.  Bei starken Blutungen war dies dann schon eine nicht so einfache Angelegenheit für Frauen und erhebliche Beeinträchtigung. Sex während der Periode war auch eher für Frauen damals ungünstig, denn durch die Erweiterung des Muttermundes während der Periode erhöht sich beim Sex das Infektionsrisiko durch Bakterien.

Analverkehr ist untersagt, aber abgesehen vom Sex während der Periode oder Analverkehr gibt es keine Einschränkungen im Islam.

Reproduktionsrechte sind für Frauen und Feminismus von äußerster Bedeutung. Im Islam sind Verhütungsmittel erlaubt, da Sex auch andere Funktionen erfüllt, abgesehen von der Funktion der Fortpflanzung. In der Zeit des Propheten war die Verhütungsmethode Coitus Interruptus, aber dies wird heute auf andere Verhütungsmittel übertragen. Abtreibung ist auch erlaubt nach einigen Interpretationen, zumindest bis zum 120 Tag. Sterilisation ist auch erlaubt, da das einzigste Argument, das dagegen benutzt wird, das Verbot von Schönheitsoperationen (körperlichen Veränderungen) ist, aber Sterilisation kaum hierunter fällt.

Auch der Zwang zur Nachweisbarkeit der Jungfräulichkeit  bei Frauen ist eine patriarchale Interpretation. Beide Geschlechter müssen jungfräulich in die Ehe, und ein Nachweis ist nur gegenüber Gott notwendig, denn jedER ist nur gegenüber Gott für das eigene Handeln verantwortlich.

Sex außerhalb der Ehe ist Männern (!!!) wie Frauen streng verboten (Zina), aber damit es überhaupt zu einer Bestrafung kommen könnte, muss es während der Handlung vier Augenzeugen gegeben haben. Hmm. Einige innovative Männer im Iran haben kurze Scheinehen erfunden um sich ihre Bedürfnisse durch Prostitution zu erfüllen, aber im ethischen Gesamtkontext ist dies in keiner Weise im Sinne des Korans.

Und zum leidigen Thema Polygamie: wir beziehen dieses Konzept aus dem sechsten Jahrhundert und die Ehefrau muss mit einer polygamen Ehe einverstanden sein. Außerdem müssen alle Frauen komplett gleich behandelt werden, was kaum möglich ist, und somit einem Verbot durch die Hintertür gleichkommt.

Interessanterweise findet auch kaum die Beziehung und Ehe des Propheten Mohammed zu Khadija Erwähnung, da sie wohl weniger in das Konzept von vielen passt. Khadija war die erste Ehefrau von Mohammed, sie war um einiges älter und eine reiche Geschäftsfrau. Die Ehe war monogam, und erst nach ihrem Tod kam es zur polygamen Ehe.

Die Ehe von muslimischen Männern mit nicht-muslimischen Frauen ist erlaubt. Frauen werden nicht erwähnt, aber als Folge männlicher Interpretation wurde ein Verbot der Ehe zwischen muslimischer Frau und nicht-muslimischem Mann gefolgert. Eine Konvertierung ist im Islam allerdings sehr einfach, denn es reicht das Aufsagen des Glaubensbekenntnisses. Kein Muslim/Muslima darf die Gläubigkeit eines/einer anderen in Frage stellen, denn die Verantwortlichkeit ist individuell gegenüber Gott. Das Konvertierung heute nur zu den Salafiten (so ungefähr) gesehen wird, ist auch relativ neu.

Es gibt also insgesamt einiges im Islam was im Rahmen des Patriarchats nicht so ganz von Männern praktiziert wird (oder erwähnt) wird, aber von Frauen erwartet wird. Auch deshalb ist ein sicherer Kenntnisstand hilfreich. Ohne eine Systemveränderung  wird es natürlich nicht zu einer grundsätzlichen Veränderung kommen (Ausnahmen bestätigen immer die Regel), aber irritierte  und verängstigte Blicke von Männern bei Konfrontation mit religiösen Inhalten sind auch manchmal ganz nett.

Völlig davon abgesehen, dass in der jetzigen eskalierenden Situation ein Grundwissen hilfreich ist. Es ist wichtig als Frau zu wissen, was mir Männer als Islam verkaufen möchten, oder was mir islamfeindliche Menschen als Islam verkaufen möchten.

Besonders zu erwähnen ist noch die Organisation Musawah. Musawah ist eine internationale Organisation, mit der Zielsetzung einer gleichberechtigten Diskussion und Interpretation der Schariah und des Korans. Musawah arbeitet mit Frauen in verschiedenen islamischen Ländern um Reformen durchzusetzen.

Die Zeiten werden sicherlich noch schlimmer, gerade für uns Frauen als untere Sex-Kaste. Es wird ein Konflikt zwischen radikalen Islamisten und dem Westen stilisiert, obwohl es eigentlich nur um Ressourcenbeschaffung für einige wenige reiche Männer geht, vereinfacht ausgedrückt.

Religion ist oft nur das Mittel zum Zweck, egal ob als Feindbild oder als Ideologie des „Wirs“.

Unser, als Frauen, gemeinsames Problem heißt Patriarchat.

Susanne Rotmaier-Slamani


 

2 Kommentare

  1. Secular Humanist

    Was ist denn z.B. mit Sure 4:34?

    „Die Männer stehen den Frauen in Verantwortung vor, weil Allah sie (von Natur vor diesen) ausgezeichnet hat und wegen der Ausgaben, die sie von ihrem Vermögen (als Morgengabe für die Frauen) gemacht haben. Und die rechtschaffenen Frauen sind (Allah) demütig ergeben und geben acht mit Allahs Hilfe auf das, was (den Außenstehenden) verborgen ist. Und wenn ihr fürchtet, daß (irgendwelche) Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch (daraufhin wieder) gehorchen, dann unternehmt (weiter) nichts gegen sie! Allah ist erhaben und groß.“

    Ich denke eindeutiger kann ein patriarchaler Anspruch doch kaum formuliert werden.
    Der Koran beinhaltet eine reaktionäre Ideologie, in welcher Frauen klar unter den Männern stehen und sexuelle Freiheit nicht denkbar ist.

    Auch das Leben des Propheten bietet nicht viel positives.Sei es nun die Ehe mit einer 6-Jährigen oder die Kriegstreiberei.

    Wenn wir das Patriarchat abschaffen wollen, führt kein Weg daran vorbei uns auch mit den großen Weltreligionen kritisch auseinander zu setzen.

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