Schlagwort: frauentag

Feminismus 2020. Bestandsaufnahme anlässlich des 8. März in Berlin.

Bild- Text: „Dies ist keine Fiktion. Dies ist real. Die Freiheit der Rede für Frauen beginnt mit ihrer körperlichen Integrität, die wahr und real und ehrlich und absolut ist. Es gibt keine Ausnahmen.“
„Es gibt keine Ausnahmen für Männer, die privilegiert sind, um einzudringen. Und es gibt keine Ausnahmen für Frauen, wo gesagt wird: ‚Ach ja, das darfst Du nicht mit dieser Frau machen, aber siehst du die da drüben? Ja, das ist okay, mach es mit ihr. Die vermisst keine.‘ “ Wir vermissen sie. Wir wollen sie zurück. Andrea Dworkin, zu Pornografie und „Redefreiheit“.

Frauenbezogene Kontroversen 2020: „Wir entschuldigen uns für die Existenz anderer Meinungen“ …. zum „Frauen*kampftag“ in Berlin

Der Internationale Frauenkampftag hat eine stolze Geschichte. Er begann mit Gewalt gegen politisch aktive Frauen:

Am 8. März 1909 wurde er das erste Mal als Tag der Rechte von Arbeiterinnen und der Frauenrechte in den USA abgehalten. Organisiert hatte ihn die Socialist Party of America, die damit an den 8-tägigen Streik der Textilarbeiterinnen aus dem Jahr 1908 erinnerte, der wiederum der Streiktage von Textilarbeiterinnen aus den Jahren 1857 und 1858, ebenfalls in New York, gedachte. 1857 brach während des Streiks in der Fabrik ein Brand aus, und da die Türen und Notausgänge verschlossen waren, um eine Zusammenarbeit der Frauen mit anderen Arbeitern während des Streiks zu verhindern, starben 129 Textilarbeiterinnen im Feuer.  (1)

1910 schlug die deutsche Sozialistin Luise Zietz (2) auf dem 8. Internationalen Sozialistenkongress der Sozialistischen Internationalen (3) in Kopenhagen vor, diesen Tag grundsätzlich zum Internationalen Tag der Frau zu erklären. Die Delegierten, darunter 100 Frauen aus 17 Ländern, verpflichteten sich gleiche Rechte für Frauen und das Frauenwahlrecht zu unterstützen. Vorausgegangen war Ende August die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz (4), auf der Clara Zetkin (5) die Einführung eines internationalen Frauentags eingebracht hatte. Am 19. März 1911 wurde der Internationale Tag der Frau erstmalig in Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz abgehalten, über 1 Million Frauen und Männer nahmen daran teil. 1913 organisierten Frauen in Russland ihren ersten internationalen Frauentag, am 8. März 1914 demonstrierten Frauen europaweit für Solidarität und Frieden, 1917 hielten wieder russische Frauen einen Tag für „Brot und Frieden“ ab.  Holland, Frankreich, Schweden und nach 1918 die damalige Tschechoslowakei zogen nach. In den 20er-Jahren gewann der Internationale Frauentag als Kampftag immer mehr an Bedeutung und es kamen Länder der ganzen Erde dazu: China, Japan, England, Finnland, Estland, Litauen, Polen, Bulgarien, Rumänien, Türkei und Iran. Zu Beginn der 30er-Jahre wurden die Internationalen Frauentage angesichts der drohenden faschistischen Gefahr ein Sammelbecken gegen den Faschismus. Unter den faschistischen Diktaturen in Europa wurde der Internationale Frauentag verboten. (6)

Die UN zog nach, als sie 1975 als das Internationale Jahr der Frau und den 8. März zum internationalen Tag der Frau (und des Friedens) ausriefen.  Der Song dazu kam von Helen Reddy: I’m a woman, hear me roar. (7)

Nun zu Berlin, Deutschland, 2020.

Da die Frauenbewegung idealerweise aus sehr vielen Frauen mit vielen verschiedenen Erfahrungen besteht, die durch ihre verschiedenen Positionen innerhalb der patriarchalen Gesellschaft sehr unterschiedliche Wahrnehmungen mitbringen und sehr verschiedene Einblicke deutlich machen können, sind Meinungsverschiedenheiten zu erwarten und vor allem zu wünschen: Wie sollte eine Bewegung alle Frauen erreichen und ihre Ziele einbinden, wie könnten wir zu echten Gemeinsamkeiten kommen, wenn es diese Kontroversen nicht gäbe? Und was bedeutet es für uns, wenn solche Kontroversen nicht engagiert, aber dennoch vernünftig ausgetragen werden können?

Die Organisator*innen des 8. März in Berlin haben in ihrem Statement nach der Demonstration befunden, dass Schilder mit Aufschriften zur Abschaffung der Prostitution und gegen die Essentialisierung von Geschlechterrollen eine schlimmere Gewalt darstellen als eine auf Frauen geworfene Glasflasche.

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Ich bin eine Frau – nicht nur am Frauentag

Ich bin eine Frau. Dieser Satz ist ebenso simpel wie allumfassend. Er bestimmt mein ganzes Leben und auch das meines Umfeldes. Ich werde als Frau wahrgenommen, als Frau behandelt, wurde als Frau geboren, werde als Frau sterben.

Die Hälfte der Weltbevölkerung besteht aus Frauen. Trotzdem ist vielen nicht bewusst, was das eigentlich bedeutet: eine Frau zu sein. Mein Umfeld meldet mir häufig zurück, ich solle mich nicht so sehr darauf versteifen, denn ich wäre ja noch viel mehr als eine Frau. Bin ich das?

Natürlich, es gibt vieles, was mich ausmacht. Ich bin Erziehungswissenschaftlerin, Studentin, Läuferin, Hundebesitzerin. Ich bin lesbisch. Ich bin manchmal wild entschlossen, manchmal sprachlos, mal laut, mal leise. Ich bin hitzköpfig, denke über alles endlos nach, bin zielstrebig und ehrgeizig. Und all das bin ich: als Frau.

Erst seit ein paar Jahren ist mir bewusst, was das in seiner Gänze bedeutet. Als ich ein Mädchen war, wusste ich natürlich, dass ich irgendwann mal eine Frau werden würde. Ich hörte einmal, wie sich meine Mutter mit einer Freundin darüber austauschte, ob ihre Töchter denn schon ihre Tage hätten. Das wäre ja ein wichtiger Schritt, damit würde sich nun vieles ändern. Wenn du deine Tage hast, bist du deinem Schritt zur Frau ein gutes Stück näher gekommen. Du wirst bald mit Männern Sex haben, du kannst nun schwanger werden. Das ist es, was dich als Frau ausmacht.

Etwa im gleichen Alter gab es in der Schule unter uns Mädchen nur ein Thema: unsere Zukunft. Den wenigsten ging es dabei darum, die eigenen Stärken auszubauen und zu verwirklichen. Nein, Zukunft bedeutete, sich auszumalen, wie der künftige Ehemann aussehen sollte, wie viele Kinder man mit ihm zeugen würde und wie das Einfamilienhaus auszusehen hätte.

Kurze Zeit später wurde mir auch physisch bewusst, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Meine Brüste waren nun deutlich wahrnehmbar, und auch ich nahm mich anders wahr. Mir wurde mit voller Wucht bewusst, dass dieser Körper nicht mir gehörte. Er war ein Buffet: Männer bedienten sich an verschiedenen Stellen, wie es ihnen gerade genehm war. Und ich sollte mich daran erfreuen. Denn ich war ja eine Außenseiterin, aber plötzlich hatte ich große Brüste und damit doch eine Chance auf Aufstieg.

Die Schule hatte großen Anteil daran, dieses Gerüst aufrechtzuerhalten. Es war so selbstverständlich, dass es immer nur um Männer ging, dass es niemandem von uns auffiel. Dass es immer wieder Frauenbewegungen gab, dass wichtige Philosophinnen, Ärztinnen und Naturwissenschaftlerinnen Geschichte geschrieben haben, das lernte ich erst im Studium.

Dass sich Männer, und zwar ganz besonders Männer in Machtpositionen, alles erlauben dürfen, das lernte ich hingegen schon in der Schule. Ich erinnere mich noch gut an einen Lehrer, der Schülerinnen regelmäßig zu nah kam. Wenn wir Gruppenarbeit machten oder eine Frage stellten, kniete er sich vor unsere Tische, so dass sein Gesicht nur wenige Zentimeter von unserem entfernt war. Als dies auf einem Elternabend thematisiert wurde, grinste besagter Lehrer breit und süffisant und belehrte unsere Mütter, so wäre das eben in dem Alter, wir würden uns das eben alle wünschen und uns deshalb einbilden, es würde passieren. Die Allmachtsfantasien eines Junglehrers: eine ganze Klasse 14-jähriger Mädchen fährt voll auf ihn ab.

Es passierte natürlich nichts weiter und die Botschaft an uns lautete: So ist er eben. Müssen wir mit umgehen. Pech gehabt.

Eine Botschaft, die sich durch mein Leben als Frau zieht. Ich habe Pech gehabt. Ich gehöre zu der Hälfte der Weltbevölkerung, die keine Rechte hat. Dieser Gedanke, wenn man ihn einmal wirklich zulässt, ist ein vernichtender. Mich hat er in eine tiefe Krise gestürzt. Ich verstehe, warum ihn so viele Frauen nicht zulassen und zu Ende denken möchten. Aber nur das kann uns letztendlich befreien. Wir müssen konsequent zu Ende denken. Wir müssen uns mit unserer Geschichte als Frauen beschäftigen. Wir müssen verstehen, und zwar wirklich verstehen, bis in die letzte Zelle unseres Körpers, was es bedeutet, im Patriarchat eine Frau zu sein.

Morgen ist Frauentag und ich habe lange überlegt, auf eine Demo in meiner Stadt zu gehen. Letztlich habe ich mich dagegen entschieden. Im Veranstaltungstext heißt es, man gehe auf die Straße, um sich gegen alle möglichen Diskriminierungsformen zu positionieren. Wir stellen die Hälfte der Weltbevölkerung, aber nicht einmal an einem einzigen Tag im Jahr dürfen wir einfach nur für uns auf die Straße gehen? Niemand käme auf die Idee, bei einer Demo gegen die Macht von Großbanken darauf zu bestehen, gleichzeitig auch für die Rechte von nicht-binären Personen zu demonstrieren. Selbstverständlich ist die Demo außerdem offen für alle, die sich solidarisch zeigen möchten. Macht ja aber ohnehin keinen Unterschied mehr, wenn ohnehin alle eingeschlossen sind, die sich als Frauen identifizieren.

Meine feministische Vision ist eine andere. Ich möchte nicht am Frauentag gemeinsam mit Männern auf die Straße gehen in der Hoffnung, dass wir ja in naher Zukunft ganz gleichberechtigt nebeneinander leben könnten. Es wird nicht passieren, denn Männer haben nicht das geringste Interesse daran. Sie alle profitieren vom Patriarchat. Frauen sind die einzige unterdrückte Gruppe, die mit der Überzeugung aufwächst, dass ihr Unterdrücker zum wichtigsten Menschen ihres Lebens werden muss. Dass sie Kinder mit ihrem Unterdrücker haben, ihn lieben und als ihren Retter ansehen soll.

Solange wir mit Männern zusammen leben, sie uns wichtiger sind und wir uns solidarischer mit ihnen zeigen als mit anderen Frauen, ja, als mit uns selbst, solange wird sich außer ein paar Schönheitsoperationen am Patriarchat nichts ändern. Das haben mich die feministischen Klassiker, unsere Vordenkerinnen, gelehrt. Das System Patriarchat kann nur dann nicht mehr funktionieren, wenn Frauen nicht mehr mitmachen. Wenn Frauen eigene Kulturen bilden, nicht mehr mit ihrem Unterdrücker zusammen leben, sondern sich gegenseitig ihr Leben und Wirken widmen. Das ist eine unpopuläre Position, selbst in feministischen Kreisen, und ich rechne auch dieses Mal wieder mit viel Kritik dafür. Denn diese Position bedeutet, alles neu denken zu müssen, auch bestimmte Dinge aufgeben zu müssen. Aber sich einem System zu verweigern, das unser ganzes Leben bestimmt, erfordert nun einmal drastische Maßnahmen.

Ich werde es mir morgen bei mir zu Hause gemütlich machen. Mit meiner Hündin, auf meinem Sofa, mit Büchern von Mary Daly, Audre Lorde und Sheila Jeffreys. Für meinen persönlichen Frauentag.

#Sisterhood: Zeichen der Solidarität am #Frauentag

Kaum ein Tag ist für die Frauenbewegung so symbolträchtig wie der 8. März. Der Weltfrauentag ist der Tag, an dem Frauen, Feministinnen und die, die sie in ihren Kämpfen unterstützen, zusammen kommen, demonstrieren, feiern und an die zurückliegenden und die zukünftigen Kämpfe denken. Weltweit macht gerade die Idee eines internationalen Frauenstreiks zum 8. März von sich reden, zu dem sich verschiedene Bündnisse bereits positioniert haben. Überall auf der Welt, auch in Deutschland gibt es Lesungen, Demos, Kundgebungen.

Es ist leicht zu sagen, der 8. März sei eine Art „Feiertag“ für den Feminismus. Den Feminismus gibt es nämlich gar nicht, schon seit jeher ist der Feminismus gespalten, früher in bürgerliche und proletarische, heute in radikale und liberale Feministinnen. Häufig ist Feminismus gekennzeichnet von heftigen, inneren Debatten, in denen es um Diskurshoheit, um Öffentlichkeit und auch um ganz eigene Interessen geht.

Wir möchten den 8. März als Anlass nehmen, ein altes, feministisches Konzept – Sisterhood – wiederzubeleben und statt der ständigen Konflikte die Gemeinsamkeiten betonen: Den Kampf um Frauenrechte, um Freiheit und Sicherheit für alle Frauen auf dieser Welt.

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Internationaler Frauentag 2016: Wir müssen entschlossener und vernetzter werden

"If I had a hammer… I'd SMASH Patriarchy"

T via Flickr, [CC BY 2.0] I FOUND IT!

Da ist er wieder, der 8. März und der Internationale Frauentag. Der/Die oder andere erinnert sich mal wieder, dass da doch irgendetwas war mit Mädchen- und Frauenrechten. Es werden ein paar Rosen verteilt und man „wünscht“ sich gegenseitig einen guten Frauentag.

Jedes Jahr werden die gleichen Forderungen in den Raum gestellt, von guter Kinderbetreuung über gleiche Bezahlung über Quoten in Aufsichtsräten. Bei manchen findet man auch mal zumindest die Erwähnung von sexueller oder häuslicher Gewalt, konkret wird es jedoch selten. In der Detail-Diskussion stellt sich dann leicht raus, dass die Frauensolidarität leider nicht wirklich weit geht. Dabei ist vor allem interessant, was in den Forderungskatalogen und Aufrufen fehlt:

Wer gegen Rassismus, Sexismus und Kapitalismus ist, darf zu Prostitution und Pornographie nicht schweigen. Denn es sind überwiegend Frauen und Mädchen ethnischer Minderheiten aus den Armenhäusern dieser Welt, die in Deutschland – wie überall anders auch – in der Prostitution ausgebeutet werden.

Generell häusliche und sexuelle Gewalt: Die Resonanz zu diesen Themen ist, selbst in feministischen Kreisen, extrem niedrig. Solidaritäts- und Unterstützungsaufrufe werden kaum geteilt und Aktionen sind spärlich besucht.

Während in vielen Ländern (wieder) Bewegungen gegen Leihmutterschaft entstehen, bleibt es in Deutschland nach wie vor weitgehend ruhig.

Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass im Zuge der Institutionalisierung früherer autonomer Frauenprojekte, diese häufig ihren radikalen Kern verloren haben und weiter verlieren. Es ist in Vergessenheit geraten, welche harten Kämpfe dafür gefochten wurden. Aus Solidaritätsprojekten gegen das Patriarchat wurden Sozialeinrichtungen mit professionellem Personal, welches häufig keinen Bezug mehr zu den Frauenkämpfen von früher hat und sich nicht zwangsläufig (radikal) feministisch verorten muss. (Radikaler) Feminismus ist in Frauenprojekten entbehrlich geworden.

Aus Frauenforschung wurde Gender Studies – statt Geschlechterrollen zu hinterfragen, werden diese von FeministInnen kritiklos reproduziert.

Die LGBTI-Bewegung wird weitgehend von Männern dominiert. Lesben und ihre Kämpfe von früher sind weitgehend unsichtbar und irrelevant.

Die hiesigen Kämpfe der 70er-90er Jahre gegen Reproduktions- und Gentechnik sind weitgehend in Vergessenheit geraten. Bereitwillig partizipieren Frauen daran. Individuelle Wünsche treten mehr und mehr in den Vordergrund gegenüber einer kritischen Betrachtung von vermeintlichem Fortschritt.

Überhaupt: Kritisches Denken wird im Bildungssystem zunehmend abtrainiert. Statt kritisch zu hinterfragen, werden hegemoniale Denkmuster kritiklos übernommen.

Um sich selbst im Lohnarbeitssystem einzugliedern und Karriere zu machen, greifen viele Frauen bereitwillig auf die Ausbeutung von Frauen aus ärmeren Ländern zurück (Beispiel: Pflege von Familienangehörigen).

Feministinnen zelebrieren die Militarisierung von Frauen als befreiend und fortschrittlich, selbst dann, wenn im Hintergrund sexistische und essentialistische Rollenverständnisse stehen (Stichwort: YPG).

Frauenkämpfe aus anderen Ländern sind uns generell nur wenig bekannt, wenn dann meist vorgefiltert durch die Brille von Dritten – eine globale Vernetzung und direkte Kontakte gibt es kaum.

Die Liste könnte endlos weitergeführt werden.

„Wir wollen nicht die Hälfte vom Kuchen. Wir wollen gar nichts von eurem vergifteten Kuchen.“ Gail Dines

Man kann sagen: Große Teil der Frauenbewegung, so man überhaupt noch von einer solchen in Deutschland sprechen möchte, wurden entpolitisiert. Sie wurden in den neoliberalen, kapitalistischen Apparat integriert. Statt Herrschaftsverhältnisse in Frage zu stellen, werden sie bereitwillig mit zementiert.

Es ist an der Zeit, dass wir an den Kämpfen vergangener Zeiten anknüpfen und radikaler werden in unseren Forderungen, vielleicht auch in unseren Methoden.

Wir leben in einer Zeit, in der ziviler Ungehorsam fasst schon verpönt ist und der Wille auch einmal ein Risiko einzugehen extrem gering. Das meint nicht, dass wir uns an der Militanz früherer Zeiten orientieren sollten – die Zeiten sind andere, und das ist nicht unbedingt negativ gemeint.

Es meint jedoch, dass wir entschlossener werden müssen. Wenn wir nur wünschen und fordern, werden wir kaum Schritt halten können mit jenen Kräften, die gegen uns arbeiten.

Feminismus heute kommt überwiegend halbnackt, auf Absätzen und an der Pole-Dance-Stange daher. Statt für Frauenbefreiung zu kämpfen, sollen Frauen „empowert“ werden, sich in das kapitalistische System möglichst geräuschlos einzugliedern. An die Stelle vom Kampf gegen Ausbeutung und Patriarchat ist deren Legitimierung und Bagatellisierung getreten. Frau kämpft gegen gläserne Decken und nicht mehr gegen das System.

Wir müssen aufhören, auf wohlwollende Gesetze und den Staat zu warten und brauchen wieder mehr selbst verwaltete Projekte, in denen konkrete Solidarität geleistet wird. Wir brauchen autonome Räume, in denen wir uns selbst verwirklichen können. Orte, an denen wir kritisch diskutieren können und gemeinsam Lösungen entwickeln für die drängendsten Fragen unserer Zeit.

Nicht zuletzt müssen wir hinter unseren Bildschirmen hervor kommen und wieder raus auf die Straßen. Mit Flugschriften, mit Infotischen und Diskussionsangeboten. Eine neue, echte Bewegung wird es digital nicht geben – sie ist angewiesen auf persönliche Kontakte, Vertrauen und gemeinsame Aktion. Lasst uns Samenkörner an möglichst vielen Orten säen.