Wie verlogen ist die Debatte um Prostitution in Deutschland?

Girls in Red

Trey Ratcliff via Flickr, [CC BY-NC-SA 2.0]

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Ich verfolge die Medienberichte zum Thema Prostitution seit 2012 sehr aufmerksam und mir ist aufgefallen, dass bis ungefähr November 2013 die großen Zeitungen und Sender relativ kritisch eingestellt waren.

Beispiele für eher kritische Sendungen und Berichterstattungen:

Doch dann änderte sich der Tenor der Artikel allmählich, siehe hier:

„DIE ZEIT (online)“ verwendete plötzlich den Begriff „Sexarbeit“ und brachte drei Artikel „Lieber Sexarbeit als Hartz 4“ am 12. November 2013 und „Eine Stunde Tanja“ und „Wo bleibt die Kundschaft“ im Herbst 2013, in dem so getan wurde, als ob ein Freier eine Art „Mitspracherecht“ in der Prostitutionsdebatte bräuchte. Das ist in etwa so, als ob ein Wolf über die Sicherheit auf einer Lämmerweide mitsprechen wollte – bildlich gesprochen. Wieso auf einmal dieser Umschwung? Kamen da Briefe von Anwälten? Mein Unbehagen wuchs, als ich am 25. November das Interview „Sexarbeit wegen fehlender Perspektiven“ www.zeit.de/wirtschaft/2013-11/prostitution-freier-zwang-interview las, das so beiläufig die Information lieferte, dass es „4000 bis 40000“ Zwangsprostituierte in Deutschland gibt. Die befragte „Forscherin“ Sabine Grenz, schien über diese ungeheuerliche Zahl nicht besonders empört zu sein. Ihre vorherrschenden Thesen, die auch im Untertitel des Artikels standen, waren: „Manche Frauen entscheiden sich bewusst für die Prostitution“ und „die Debatte müsse sachlicher werden“. Man muss schon zweimal hinschauen, um den Zynismus hinter diesen verschleiernden Aussagen zu entdecken: Wie kann es sein, dass eine Forscherin, die sich mit dem Thema Prostitution beschäftigt, angesichts einer Zwangsprostituierung von 4000 bis 40 000 Frauen in Deutschland keine Empörung formuliert, sondern auf freiwillige Entscheidung „mancher“ hinweist und angesichts des Ungeheuerlichen für „Sachlichkeit“ plädiert?

Aber dieser herunterspielenden Argumentationsweise begegnete ich öfters: Die bedrückenden Fakten werden zwar gestreift, aber nebenher kommt der Aufruf, sich nicht so aufzuregen. Eine solche, manipulative Beschwichtigungstaktik ist bezeichnend für die ganze Prostitutionsdebatte.
Seit Ende letzten Jahres beobachte ich eine Zunahme von Artikeln in den großen Zeitungen und großen Sendern, die Fakten verschleiern, die von „selbstbestimmten“ und „freiwilligen“ Prostituierten berichten, die sagen, man habe keine verlässlichen Zahlen bezüglich der Zwangsprostitution, die nur eine Minderheit innerhalb der Prostitution darstellten, etc., etc., etc,.
Kleinere Zeitungen allerdings, schreiben nach wie vor sehr kritisch über Prostitution. Ich fühle mich, in Bezug auf das Thema Prostitution, wie in der DDR: Man muss zwischen den Zeilen lesen lernen und Quellen außerhalb der Mainstream-Medien heranziehen, um die Wahrheit innerhalb all der manipulativen Artikel und Medienbeiträge herauszufinden.

Hier ist eine Auswahl von kleineren Zeitungen, die meiner Ansicht nach die erschütternde Wahrheit schreiben:

Und ich habe noch eine gravierende Meldung in einer kleinen Zeitung gefunden: Der Stadtanzeiger Kirchheim brachte am Mittwoch, den 19. Februar 2014 einen Artikel mit dem Titel: „Wie Rocker und Bordelle kooperieren – Aufsehenerregender Bericht des SWR. Ein Kripo-Ermittler über Gesetzmäßigkeiten der Rotlicht-Szene“. Hier ist der Link dazu: http://www.stadtanzeiger-im-netz.de/sites/default/files/calameo/2014_02_19/output_1.pdf.

Der Artikel (Stadtanzeiger) bezieht sich auf eine Sendung des SWR und beginnt mit folgenden Worten:

Region. Der Südwestrundfunk hat mit einem Bericht über oftmals enge geschäftliche Beziehungen zwischen Bordellbetreibern und Rockerbanden ein heißes Eisen angefasst. Vor allem gehe es dabei um die „Beschaffung von Prostituierten, sagte dem SWR ein Rotlicht- Ermittler der Region Esslingen. Auch im Blickfeld: Das „Paradise“ in Echterdingen. Aus dem Bericht zitieren wir im Folgenden mit Genehmigung des SWR…“ Michael Gerg, Rotlicht-Ermittler bei der Kripo Esslingen sagt, es gäbe direkte Kontakte ins Rockermilieu: Bei der Beschaffung „helfen Rockerbanden gerne weiter“, sagt Gerg: “Es gibt einen Bedarf an Frauen aus verschiedenen Nationen. Wir wissen, dass hier eine geschäftliche Beziehung zwischen Bordellen und solchen rockerähnlichen Gruppierungen besteht.

Bordellbetreiber Jürgen Rudloff soll sich, so heißt es im Bericht des SWR, auf Mallorca

mit führenden Mitgliedern der Hells Angels getroffen haben.

Michael Beretin, der in Saarbrücken ein Großbordell leitet, sagte in einem Artikel der Sylter Rundschau vom 21. März 2014, solche Kontakte wären in seiner Branche „ganz normal“. Ganz normal? Soll ich etwa als „ganz normal“ akzeptieren, dass ein „Hotelier“, der sich seriös gibt und in Talkshows eingeladen wird, sich mit einer Rocker-Organisation trifft, deren gravierende Frauenverachtung schon seit Bestehen ihrer Gründung bekannt ist? Von der bekannt ist, dass sie Prostituierte für sich „arbeiten“ lässt?

Beretin beteuert im Zeit Online-Text : „Das Saarland zieht die Freier an“ vom 12. März 2014, in seinem Bordell würde es keine Zwangsprostituierten geben. www.shz.de/lokales/sylter-rundschau/hells-angels-kontakte-sind-in-unserer-branche-ganz-normal-id5431626.html
www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-03/saarland-prostitution-frankreich-probleme

Doch ich hake nach: Wie „beschaffen“ die Rockergruppen den „Bedarf“ an Frauen aus „verschiedenen Nationen“ für die Großbordelle? Rollen sie in ihren vertrauenerweckenden Outfits auf ihren schweren Maschinen über die Grenzen, um dort junge Frauen anzuwerben: „Kommt in unsere sauberen Bordelle, zahlt nur 60 € bis 80 € Eintritt und eine Übernachtungsgebühr, sowie die Steuer an den deutschen Staat und habt dann, als freiberuflich arbeitende Prostituierte, „Sex“ für eine Entlohnung von 30,- Euro – und Kleider braucht ihr im „Wellness-Club“ auch nicht“ ?

Welche junge Frau aus anderen Nationen würde wohl darauf eingehen? Ist es nicht vielmehr so, dass die Rockergruppen bei der „Beschaffung“ von Frauen aus „verschiedenen Nationen“ auf die „Dienste“ der in den „verschiedenen Nationen“ bereits bestehenden „Organisationen“ zurückgreifen, sprich auf die organisierte Kriminalität? Schalten wir unser Denken ein und erkennen wir: Es geht nicht mit rechten Dingen zu.
Aber man hat nicht mehr viel von den Verbindungen der Rockerbanden mit Großbordellen gehört. Wieso wurde über diesen Skandal nicht von sämtlichen Medien, Nachrichtensendern und im Internet berichtet? Wieso verlief es im Sande? „Ein heißes Eisen“? Was läuft hier – wer schützt die Prostitutionsindustrie? Ich begreife es nicht.

Jüngstes Beispiel für die Verharmlosung der Prostitution ist die Sendung „Sex gegen Geld“ von Gert Scobel auf 3sat vom 16.10.2014: www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=46899 Gert Scobels Gäste: Mechthild Eickel, Mitarbeiterin der Bochumer Beratungsstelle “Madonna”, Norbert Brockmeyer, Mediziner und Udo Gerheim, Soziologe.

Zentrale Aussagen d. Sendung: Freier sind ein Querschnitt der Gesellschaft. Aber: Der übergroße Teil der Männer geht nicht zu Prostituierten. Dann wurden die verschiedenen Motive der Freier beleuchtet, indem zwei Freier anonym zu Wort kamen. Scobel sagte in der Sendung, es werde über das Thema viel theoretisiert, aber man ließe „Sexarbeiterinnen“ nicht selbst zu Wort kommen. Sie sollten in die Politik und die Bewertung von Gesetzen einbezogen werden. Er äußerte Kritik am „älteren Feminismus“, insbes. an Alice Schwarzer, die Prostituierte entweder „als Opfer oder als Täterinnen“ ansehe. Alice Schwarzer hat sich jedoch schon in den 60er Jahren mit Prostituierten zusammengesetzt. Sie hat mit vielen Prostituierten gesprochen, was Herr Scobel wüsste, wenn er „Prostitution, ein deutscher Skandal“ und die EMMA- Ausgaben der letzten Jahre gelesen hätte. Scobel macht also in der Sendung Aussagen über Alice Schwarzer, die nicht mit den Fakten übereinstimmen. Das ist unseriös.

M. Eickel hat meiner Ansicht nach in dieser Sendung die Zahlen der Zwangsprostitution heruntergespielt. Sie vertritt die Position, es sei alles nicht so schlimm, man dürfe Prostituierte nicht entmündigen und die meisten seien selbstbestimmt und freiwillig, der Straßenstrich mache nur zehn Prozent aus und selbst da gäbe es „selbstbestimmte“ Prostituierte, die die Straße einem Bordell vorzögen, da sie keine Mieten zahlen müssten und – man lese und staune – „selbstständiger“ arbeiten könnten (und das angesichts der einschüchternden, muskelbepackten Männer, die am Straßenstrich herumlungern und jeden vertreiben, der irritiert auf wippende Autos blickt?). Eickel beklagte die Stigmatisierung, unter der die Prostituierten zu leiden hätten und forderte von der Politik, dass der Komfort im Straßenstrich ausgebaut werde.

Meine Fragen und Kommentare dazu: Was heißt das konkret: Noch mehr, vom Steuerzahler finanzierte Verrichtungsboxen, sanitäre Anlagen (womöglich von öffentlichen Diensten gereinigt) und Betreuer-Organisationen, wie „Madonna“ vor Ort? Mir scheint, diese Organisation will die Prostitution erhalten und ausbauen. Es ist schon demütigend, dass das Geld der Steuerzahlerinnen für etwas verwendet werden soll, was Frauen ausbeutet. Der Befriedigung männlicher sexueller Wünsche wird eine solche Wichtigkeit beigemessen, dass das Leid und die Demütigung von Prostituierten in Kauf genommen wird.

Es ist mir schon öfters aufgefallen, dass Prostitutionsbefürworterinnen die „Stigmatisierung“ der Prostituierten beklagen. Man versucht, Kritiker oder Kritikerinnen des „Berufsbildes Prostitution“ eine Abwertungsabsicht der Prostituierten als Person zu unterstellen. Doch das tatsächliche Ziel hinter dieser Strategie ist, Kritiker mundtot zu machen und sie in die Ecke: „konservativ“, „rechts“, „diskriminierend“ zu stellen und sie dadurch zu diskreditieren. Das ist der Versuch der Prostitutionsbefürworter, politische Ziele durch Einflößen von Schuldgefühlen durchzusetzen.
Doch ich finde: Eine ehrliche Debatte würde das Stigma nicht auf angebliche Kriminalisierung und Tabuisierung zurückführen und damit der „bürgerlichen Gesellschaft“ und den „Prostitutionskritikern“ in die Schuhe schieben, wie einige es tun, sondern denen, die wirklich schuld am Stigma sind: Nämlich den Freiern, die unappetitliche Praktiken verlangen und den Zuhältern, die die Prostituierten zwingen, diese unappetitlichen Praktiken zu machen und denen, die diese gravierenden Würdeverletzungen verharmlosen, wie z. B. gewisse Hurenorganisationen. Es macht mich wütend, dass Prostituierte durch Armut, Zwang, massenhafte Konkurrenz oder Gewalt dazu gezwungen werden, Dinge zu tun, die menschenunwürdig sind. Sie können sich, aus Scham, kaum wehren, weil, wer gibt schon gerne zu, dass er solche Wünsche erfüllt? Doch genau mit diesem beschämten Schweigen rechnen die Unterdrücker. Damit hat der Unterdrücker, sei er Zuhälter, Menschenhändler, Großbordellier oder Freier, noch ein weiteres Machtmittel: Die Scham. Die Prostituierte schweigt über das, was ihr angetan wurde, weil sie sich schämt.

Es existiert von Seiten der Freier und Zuhälter, meines Erachtens, gar kein echtes Interesse daran, das Stigma, das auf der Prostituierten lastet, abzubauen. Ja, es existiert auch gar kein echtes Interesse, wirklich selbstbestimmte und starke Prostituierte zu haben, denn: die Freier würden sie viel zu sehr fürchten. Eine Prostituierte weiß nämlich mehr über die „bizarren“ Seiten eines Freiers, als dessen eigene Mutter. Käme etwas davon an die Öffentlichkeit, wäre er gesellschaftlich erledigt, seine Karriere dahin, seine Kinder würden sich vor ihm ekeln. Niemand würde mehr einen Unternehmenschef oder einen Politiker respektieren, wenn herauskäme, dass er „seltsame sexuelle Vorlieben“ hat.

Eine wahrhaft freie Prostituierte hätte eine zu große Macht über so manchen mächtigen Mann. Deshalb dürften die wenigsten „frei“ und „selbstbestimmt“ sein – das wäre ein viel zu großes Risiko für die gutsituierten Freier. Diskretion ist in dieser „Branche“ oberstes Gebot und sie dürfte brachial durchgesetzt werden. Deshalb dürfte es manchen Freiern auch ganz recht sein, wenn die Mädchen die Sprache nicht können, alles anonym ist und die Mädchen aus den Wohnungsbordellen nach wenigen Wochen in einen anderen Teil Deutschlands gebracht werden. Die Chance, dass er ihr wieder begegnet, ist gering…

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass von gewissen „halbseidenen“ Kreisen versucht wird, Einfluss zu nehmen auf Leute aus Medien, Politik, Verwaltung und Jurisprudenz. Ich hoffe nicht, dass das der Fall ist, aber: Warum dieser Umschwung in den großen Medien, den ich beobachtet habe, dass die Medien plötzlich verharmlosend über Prostitution schreiben oder senden? Warum verhalten sich manche Richter so, dass sie Prostitution zu schützen scheinen?

In der Sendung kamen durch eingespielte Filme drei Prostituierte zu Wort, die dem Bild, das Frau Eickel zeichnete, absolut nicht entsprachen: Eine drogenabhängige Prostituierte, die heute über vierzig ist und mit 16 (!) begann – und die sehr, sehr unglücklich wirkte. Es kamen ferner zu Wort drei osteuropäische Zwangsprostituierte, die deutlich von ihrem Ekel sprachen und dass die Freier Verantwortung hätten, aber die meisten nur ihre Befriedigung im Sinne hätten. Erschütternd auch die Aussagen von Elvira Niesner von der Hilfs-Organisation „FIM“:

Man muss einfach feststellen, dass wir heute im Vergleich zu vor zehn Jahren wesentlich mehr erzwungene Prostitution haben, weil wir eine ganz andere globale und europäische Situation haben, weil wir die Armutsprostitution aus den osteuropäischen Ländern haben, weil die Frauen aus ihrer biographischen Situation heraus nicht fähig sind oder nicht die Möglichkeit haben, sich selbst hier zu organisieren, weil wir das Prostitutions-Gesetz haben, das derzeit alles offen lässt für die Betreiber und für die Leute, die da viel Geld verdienen wollen und weil wir in dem Zusammenhang ganz viel kriminelle Energie in diesem Feld haben.

Elvira Niesner kritisiert zu Recht:

Männer kaufen Frauen, kaufen Sexualität, kaufen Körper von Frauen und dass dieses Verhältnis, das Grundverhältnis was dahinter liegt, das ja ein patriarchalisches ist – dass das überhaupt nicht mehr zur Diskussion steht – da sind wir als Frauen und Menschenrechtsorganisation ganz klar positioniert: Prostitution ist keine Arbeit wie jede andere.

Doch die Männerstimme, die durch die Sendung führte, ging nicht auf Frau Niesners Kritik ein, sondern sagte:

Dies wird so bleiben, solange Prostitution mit Freiheitsberaubung und Gewalt zu tun hat.

Doch Frau Niesner geht es um mehr – so wie auch mir und vielen anderen Frauen in diesem Land.

Worum es mir geht: Es geht darum, dass der „Kauf“ von Sex an sich ein ethisches Problem darstellt, denn er degradiert eine unveräußerliche Fähigkeit des Menschen zur „Ware“ zur vergüteten Dienstleistung. Das ist nicht im Einklang mit der „unantastbaren Würde des Menschen“. Das Grundproblem beim käuflichen Sex ist das Machtproblem – doch als U. Gerheim das in der Sendung mehrmals ansprechen wollte, wurde er von M. Eickel abgekanzelt, er habe ja nicht mit so vielen Prostituierten gesprochen, wie sie. Als ob das ein Grund ist, nicht moralphilosophische gesellschaftliche Grundsatzfragen stellen zu dürfen. Scobel kommt am Ende der Sendung zu einem wirtschaftlich nüchternen Fazit, das ich bei diesem moralischen Thema nicht für angemessen halte: Bordellbetreiber, Sexarbeiter und Banken in die Diskussion mit einzubeziehen und – jetzt kommts: man solle

vorschnellen Zahlen und leider auch Medienberichten nicht trauen.

Ich dachte: Was läuft hier? Obwohl er doch die Aussagen der Prostituierten und von Elvira Niesner gehört hat, glaubt er immer noch den Verharmlosungen von Mechthild Eickel. Das ist ein ähnlicher Manipulationsversuch, wie oben in dem ZEIT-Artikel, worin eine Forscherin für „mehr Sachlichkeit“ angesichts einer Zahl von 4000 bis 40 000 Zwangsprostituierten plädierte.
M. Eickel behauptete, Frauen aus anderen Ländern hätten sich selbstständig auf den weiten Weg nach Deutschland gemacht und könnten hervorragend für sich selbst sorgen. Jetzt weiß ich aber aus Texten von Manfred Paulus, einen Polizeihauptkommissar a.D. der ein Buch über die organisierte Kriminalität und den Frauenhandel geschrieben hat, dass keine mittellose Frau aus Osteuropa sich „selbstständig“ aufmachen kann, um nach Mitteleuropa zu kommen – dazu fehlen ihr das Geld, das eigene Auto und die Sprachkenntnisse. Da stecken vielmehr Wucherpreise verlangende Schlepperbanden der organisierten Kriminalität dahinter, doch darüber verlor Mechthild Eickel kein Wort. Auch über Zuhälter sprach sie nicht.

Mechthild Eickel scheint wesentlich die Diskussion am Runden Tisch zur Prostitution in NRW mitbestimmt – und somit auch Einfluss auf die Politik genommen zu haben. Zieht man den Gedanken hinzu, dass Prostitution und vor allem ihre negativen Begleiterscheinungen, wie „bizarre“ Freierwünsche, kriminell organisierte „Vermittlung“, überteuerte Bordellbetriebe und „Arbeitgeber“ (die de facto Zuhälter sind) ethisch äußerst fragwürdig sind, so finde ich es verhängnisvoll, wenn diese Leute Einfluss auf die Politik nehmen. Das versuchen aber nicht nur Leute, die verharmlosen, sondern sogar Großbordelliers – sie erwarten sogar „Dankbarkeit“, weil sie „Arbeitsplätze“ schafften. Sie werden in Sendungen eingeladen und in Artikeln großer Zeitungen interviewt.

Aufschlussreich ist es, sich einmal durchzulesen, was in der Programmankündigung der ARD zur Sendung von Gert Scobel steht: www.programm.ard.de/TV/Programm/Suche/?sendung=2800712994927298

Unter diesem Link der ARD, der die Sendung: „Sex gegen Geld“ von Gert Scobel ankündigte, wird, wenn man „Details“ anklickt, mit verblüffender Offenheit der wahre Grund angesprochen, warum man sich nicht entschiedener gegen die Prostitution stellen will:

Dabei ist fraglich, wie verlässlich die statistischen Daten über Prostitutionsgeschäfte sind.
Auch müssten in der derzeitigen Debatte die möglicherweise antiquierten gesellschaftlichen Moralvorstellungen hinterfragt werden. In der “scobel”-Sendung “Sex gegen Geld” diskutieren die Gäste über Zwangsprostitution, Straßenstrich und die wenig beachtete Rolle der Freier. Dabei werfen sie einen Blick auf Nachbarländer: So hat Schweden die Prostitution seit 2000 verboten, und auch Frankreich erwägt, in Zukunft die Freier zu bestrafen. Die Gesprächsrunde erörtert den Sinn und die Wirksamkeit derartiger Verbote und Sanktionen, zumal Prostitution nicht nur ein Geschäft für Prostituierte, Zuhälter und Bordellbesitzer ist, sondern auch für den Staat und die Banken.

Aha, das also ist des Pudels Kern: „möglicherweise antiquierte gesellschaftliche Moralvorstellungen“ „hinterfragen… „zumal Prostitution nicht nur ein Geschäft für Prostituierte (für die noch am wenigsten), Zuhälter und Bordellbesitzer (für die schon viel mehr) ist, sondern auch für den Staat und die Banken (für die also auch!).

Hier wird ganz unverblümt ausgedrückt: Geld stinkt nicht. Das Zitat kümmert sich nicht darum, welche Folgen Prostitution für die Seelen und Körper der Prostituierten hat, denn das Haupt-Argument ist: Es bringt Geld. Für Geld nimmt man die Sex-Sklaverei in Deutschland, die Zwangsprostitution in Kauf – spielt sie herunter, sagt, sie sei „freiwillig“ und „selbstbestimmt“ und blendet das Leid aus, das sie schafft. Man echauffiert sich über versklavende Islamisten, aber man echauffiert sich nicht darüber, dass deutsche und europäische Männer mit Mädchen und Frauen ebenfalls das tun, was Elvira Niesner oben aufzählt: Männer kaufen Frauen (die Menschenhändler) Männer kaufen Sexualität von Frauen (die Freier, die Sex als „Dienstleistung“ kaufen), Männer kaufen die Körper von Frauen (die Zuhälter, die sich ihren „Schutz“ und die „Vermittlung“ teuer bezahlen lassen). Und der deutsche Staat und die Banken mischen mit? Hat man die Prostitution als Faktor für das BIP und für die Auffrischung der Steuerkassen entdeckt?

Ein Gastbeitrag von Angelika Eberl

1 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Artikel! – Habe mich auch sehr über die Scobel-Sendung geärgert und den unverschämten Ausdruck “Prostitution ist ein Beruf wie jeder andere”. Das diskreditiert JEDEN erlernten Beruf,vom HandwerkerIn bis zum AkademikerIn!

  2. Es ist doch völlig klar,dass die Scham da der Hauptakteur ist. Und es ist auch klar,dass die Freier diese Scham nicht abbauen wollen. Wozu? Dann fehlt ja ein wichtiges Machtinstrument. Die Arbeit mit der Scham funktioniert ja bei Vergewaltigung und Missbrauch auch sehr gut.
    Erschreckend ist doch,dass bei zunehmender Unabhängigkeit der Frau die Zahl der Prostituierten steigt.
    Das Argument das Prostitution andere Frauen schützt ist leider vor nem halben Jahr wieder im Radio von einem Kriminalkommissar wiederholt worden. Dem ist aber doch nicht so. Dann dürfte es keine Vergewaltigungen und sowas wie Köln an Silvester mehr geben. Dieses Argument ist für mich das schlimmste. Warum musste ich dann erleben,dass mein Opa mich nackt sehen wollte,wenn mich Prostitution vor sowas schützen soll? Zudem kann sich nicht jeder Mann den gang zu einer prostituierten leisten. Bekommen harzt IV Empfänger dann Zusatzleistungen für Bordell besuche?
    Alle Menschen die behaupten Prostitution sei ein ganz normaler Beruf, die sollte man mal fragen warum sie dann bei so guten Verdienstmöglichkeiten selbst noch keine Prostituierte/Prostituierter sind. Und das ganze bildlich ausschmücken. Wie sie es so fänden,so einen ganz normalen Arbeitstag.

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