Aus der Idee einer Rentnerin aus Hawaii wurde kurz nach Trumps Wahlsieg eine weltweite Bewegung. Nachdem das Ergebnis der USA Wahl fest stand, postete Teressa Shook auf Facebook die Worte „I think we should march“. Innerhalb weniger Stunden verbreitete sich dieser Aufruf in den sozialen Netzwerken viele tausende Male und am Ende stand eine Bewegung, die einen Tag nach der Amtseinführung Donald Trumps als 45. Präsident der USA weltweit knapp eine Million Frauen auf die Straße brachte. Zum „Women’s March on Washington“ kamen fast 500.000 Frauen, sie protestierten gegen den Sexismus Donald Trumps und für eine freie und liberale Gesellschaft.
Sowohl Popstar Madonna als auch die Feministin Gloria Steinem hielten flammende Reden, in denen sie sich für Solidarität einsetzten. „Make America kind again“ war einer der Slogans, den man auf vielen Schildern las – im Gegensatz zur Forderung in Trumps Wahlkampf „Make America great again“. Gloria Steinem sagte, wenn Trump seine Idee Muslime registrieren zu lassen, durchsetze, würden sich eben alle Muslime registrieren lassen. Trotzige Solidarität und entschlossener Widerstand war überall zu spüren – und die Bereitschaft, den öffentlichen Diskurs nicht durch den Hass dominieren zu lassen. Zwar verstand sich der Marsch ausdrücklich inklusiv, doch eine klare frauenkämpferische Attitüde war nicht nur in Washington, sondern auch auf den 200 weltweit stattfindenden Schwestermärschen zu spüren.
Schon im Vorfeld machten Fotos auf Twitter die Runde, die ganze Flugzeuge nur mit Frauen auf dem Weg zum Marsch nach Washington zeigten, ein Flug von Southwest Airlines schaltete aus Solidarität sogar die Bord-Beleuchtung auf Pink.
In Berlin, Heidelberg, Frankfurt und Karlsruhe fanden ebenfalls Schwester-Märsche statt, organisiert von „Democrats Abroad“, dem Ableger der US-amerikanischen Demokraten weltweit. Wir haben Fotos und Stimmen von Frauen gesammelt, die an den Demonstrationen teilnahmen.
Anne aus Berlin schrieb:
Es war einfach total schön.. Lauter laute Frauen 😉 und Mädchen!! Zwei Mädchen mit den Schildern „FEMALES ARE STRONG AS HELL“ und „I’m a Woman, What’s your Superpower?“.. die waren vielleicht zehn, zwölf Jahre alt und haben laut mitgerufen — Liebe Frauen, ich hab Hoffnung.
Besonders erwärmend fand ich auch den Schlachtruf „women united will never be divided“.. und „standing united, side by side, eyes open wide, arms open wide“.. Aber es waren auch radikalere Sachen da: „We are the granddaughters of the witches you didn’t burn“ hat wohl die größte Wahrheit ausgesprochen.. So, Grüße aus Berlin.
Ein Ruf der Protestmärsche war: „Build Bridges, not Walls!“ – die Berliner Frauen sandten eine Botschaft zu den Schwestern nach Washington: „Wir wissen, dass Mauern nicht funktionieren“.
Inge aus München schrieb:
Die Demonstration in München kam kurz im ARD. Diejenigen, die auf solche Demos gegangen sind, sind wohl noch da (oder tauen gerade auf) – Danke aus Solidarität und Sisterhood.
Ich glaube nicht, dass die Proteste an sich etwas bewirken werden. Sie werden so viel bewirken wie die Frauendemonstration 1979 in Teheran. Der letzte Moment der Freiheit, den diese Frauen hatten.
Wenn sie etwas bringen, dann woanders. Frauen, die wissen, wen sie anrufen können.
Der Protest in München wurde von zwei Frauen von „Democrats abroad“ organisiert – also keine feministische Gruppe. Dafür waren die meisten Botschaften und Poster feministisch. Null Sexwork Zeug, einige Frauen für Lesben – das wären dann die, die ich kannte. Also von den LGBTusw waren nur die L da, keine Trans gegen Frauen, die Schilder hatten das auch nicht. Rassismus, die Umwelt und Wissenschaft waren die Themen der weiteren Schilder. Und die haben das organisiert und nicht ich. Also wieso sollte ich mich beschweren. Songs: Stand by me, This land is your land, und skandiert wurde: hey hey ho ho, misogyny has got to go (bigotry, racism, nepotism has got to go) und This is what democracy looks like. Die Lautsprecher funktionierten nicht und so konnte ich nur die letzte Rede hören. Die Frau sagte das, was ich seit November 2016 sage – sich kennenlernen, sich gegenseitig gewissermaßen Solidarität schwören, und sichtbar sein. Sie sprach die AmerikanerInnen an und sprach von Kommunikation, Sichtbarkeit … die Tatsache nutzen, dass sie in München seien, denn da wüssten die Leute wo es ist und würden vielleicht hinhören.
Ich habe viel über politische Solidarität nachgedacht. Und – duh – sie wird von denjenigen definiert, die sie brauchen, nicht denjenigen, die sie anbieten oder von ihr reden oder erklären, warum hier nicht ….
In Koblenz fand ein internationaler Kongress von Naziparteien statt. Vor ein paar Tagen hat ein Mann einer dieser Parteien, Höcke, AfD eine Art Sportpalastrede gehalten. In der Türkei hat Erdogan gerade das Land noch weiter in die Richtung eines Gesetzes geschubst, dass jede Macht, den Präsidenten zu kontrollieren, beendet. Wenn die Volksabstimmung vorbei ist, und es sieht so aus, als habe die Mehrheit kein Problem damit, ihre Freiheit abzuschaffen, kann er das Parlament auflösen und alleine Gesetze machen. Frankreich wird in einem Wahlkampf gefangen sein, bei dem ein schrecklicher Konservativer und eine absolute Faschistin gegeneinander stehen. Die Franzosen haben Verantwortungsgefühl, sie werden genauso wie vor einigen Jahren, als es schon einmal passierte, den Konservativen wählen.
Die Zeiten werden schlimmer. Und wir werden Solidarität brauchen und Zusammenarbeit.
Auch in Hamburg protestierten zahlreiche Frauen:
„A Woman’s Place is in the Resistance“ hieß es auch in Frankfurt am Main, wo bei strahlendem Sonnenschein 2100 Menschen zusammen kamen.
Ein kleines Mädchen auf den Schultern ihres Vaters fragte: „Daddy, why is Trump President?“ – Ihr Vater antwortete: „You can’t understand how Trump could become President? Daddy can’t understand that either, honey.“
Die Stimmung in Frankfurt war toll und kämpferisch, bei der Abschlusskundgebung am Römer ging es aber dann auf einmal nicht mehr um Frauenrechte, sondern in einer der Reden – immerhin fast 10 Minuten lang – ausschließlich um Antirassismus. Silvester wurde erwähnt – aber nur in Zusammenhang mit Racial Profiling. Sätze zum Recht auf Abtreibung, dem Frauenwahlrecht und andere feministische Kämpfe der Vergangenheit und Gegenwart fehlten, im Gegenteil:
Behauptet wurde, die 1. Frauenbewegung habe in rassistischer Ignoranz die Sklaverei nicht als Problem erkannt und benannt, was historisch schlichtweg unwahr ist: Die 1. Frauenbewegung entstand gerade erst aus dem Abolitionismus. Über Rassismus wurde viel geredet, Prostitution kam dann aber zynischerweise wieder nur als Sexarbeiterrechte vor. Die meisten Zuhörer hatten die beiden – deutschen Rednerinnen – da aber ohnehin schon abgehängt.
Gegen die Pro-Sexwork Agenda des Women’s March regte sich schon im Vorfeld Widerstand. In einem Gastbeitrag kritisierte Manuela Schon hier, wer und für was der Women’s March mobilisiert.
Weltweit kritisierten Überlebende der Prostitution und Aktivistinnen für ein Sexkaufverbot die Art und Weise, mit der ihre Stimmen in diesem Protest unsichtbar gemacht werden sollten.
Sie verfassten einen offenen Brief. Darin heißt es:
The Women’s March and its supporters are being hoodwinked into listening to the minority of those who report neutral experiences within the sex trade and are being tricked into believing that to be “pro-sex work” is a human rights approach. This is not, in fact, a human rights approach, but rather an approach which perpetuates the status quo of women as commodified goods; i.e. men’s property. It is a thoroughly anti-feminist stance.
und weiter:
We urge those drafting the Women’s March policy position to educate themselves, to alter their stance on this issue, to disavow the sex trade, and to move toward a position which puts the voices of sex trade survivors front and center. We ask this in our own names, as women who survived, and in the names of those who tried to survive.
Die bewusste Ausklammerung der Stimmen von Frauen, die Prostitution erlebt haben und sich gegen sie aussprechen beziehungsweise die euphemistische Bezeichnung „Sex Work“ wollten viele Feministinnen nicht hinnehmen und protestierten weltweit für das Nordische Modell und das Sexkaufverbot:
Dänemark schaffte es sogar bis in das Fernsehen:
London:
Danielle aus Heidelberg schrieb:
The Heidelberg Women’s March was an inspiring, emotional and peaceful event. I felt proud to stand in solidarity with my fellow women, men and children in Heidelberg, Germany to protest injustice. The organizers did a fantastic job, leading the movement with powerful speeches and songs. As we marched through the streets, chanting and holding aloft heartfelt signs, we sent a message that we will not tolerate continued oppression against marginalized groups. Today, we combined our voices calling for action to those of 500,000 marchers in Washington DC and 2.5 million people in over 600 sister marches around the world. This is only the beginning of our resistance. The people united will never be divided!
Australien:
Der „Women’s March“ als weltweite Bewegung wird historisch nachwirken. Neue Bündnisse haben sich gefunden und zeigen: Feminismus geht auch wieder kämpferisch und schafft es, auch politisch eher weniger aktive Frauen auf die Straße zu bringen. Das macht Hoffnung. Wir und viele andere werden sich dafür einsetzen, dass die Forderungen nach Freiheit und Gleichheit nicht diejenigen ausklammern, die von sexueller Ausbeutung betroffen sind.Wer den Kampf für Frauenrechte und gegen Rassisus ernst meint, darf die Augen nicht vor der rassistischen Strukturierung der Prostitution verschließen: In den Bordellen und auf den Straßenstrichs stehen nämlich nicht die Frauen der weißen Elite und Mittelschicht, sondern vor allem Migrantinnen aus armen Ländern und Angehörige von Minderheiten.
Um mit der am heutigen Tag häufig zitierten Audre Lordes zu schließen:
„I am not free while any woman is unfree, even when her shackles are very different from my own.“