Andrea Dworkin: Es braucht ein Dorf…

Andrea Dworkin

By Open Media Ltd. (Uploaded by Open Media Ltd. (AnOpenMedium)) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Nachfolgend ein Ausschnitt aus “Heartbreak:The Political Memoir of a Feminist Militant” von Andrea Dworkin (2002)

Es passiert so oft, dass man, zumindest ich, nicht Schritt halten kann. Einer Frau wird nur dann geglaubt, wenn auch andere Frauen vortreten und sagen, dass der Mann oder die Männer, sie auch vergewaltigt hat / haben. Die Sonderbarkeit sollte offensichtlich sein: wenn ich ausgeraubt werde und mein Nachbar nicht, dann wurde ich trotzdem ausgeraubt – es gibt keine gesetzliche oder soziale Vereinbarung, dass auch meine NachbarInnen ausgeraubt werden müssen, damit mir, dem Opfer eines Raubes, geglaubt wird.

[…]

Es braucht ein ganzes Dorf von Frauen um einen Vergewaltiger festzunageln. Manche Vergewaltiger haben Hunderte von Kindern belästigt oder ihnen sexuelle Gewalt angetan, bevor sie erstmals gefasst werden. Vergewaltiger von Frauen sind intellektuell oder unterbemittelt, weiße oder schwarze Unterschicht, geschickt und brutal, schlau und dumm; manche haben viel erreicht im Leben; manche sind reich; manche sind berühmt. Weil immer die Frau vor Gericht steht – diesmal, damit ihre Glaubwürdigkeit evaluiert werden kann – braucht es immer mehr als eine, um die Verhaltensmuster des Täters zu bezeugen.

[…]

Das Glaubwürdigkeitsthema ist geschlechtsspezifisch: Es ist faszinierend, dass es bei all diesen Vergewaltigungen nur so wenige Vergewaltiger gibt. […] Ein Rat an junge Frauen: versucht nicht die Erste zu sein, denn dann gibt es keine anderen, die eure Geschichte bestätigen können. Ihr könnt euch Glaubwürdigkeit nicht verdienen; ihr könnt sie nicht kaufen; ihr könnt sie nicht faken; und ihr seid Närrinen, wenn ihr denkt, ihr hättet sie.

5 Kommentare

  1. Als Worte noch klar und deutlich ausgesprochen wurden; ………….
    ganz ohne empörte Relativierungen, Geschwurbel, Nebelpetarden, Besserwissereien, Mitleid mit Tätern, Wortabänderungen, Frauen sind keine Opfer – Relativierungen, Opferabo-Unterstellungen, Feigheits-Unterstellungen, Unwichtigkeits-Erklärungen; kurz, als wir noch nicht in der postfaktischen, pornographischen, Männer-Bedürfnis-zentrierten Welt leben mussten, wo jeder Zuhälter sich Unternehmer nennen darf und der Handel mit Frauen völlig normal und total lifstyle-hip ist.

  2. Erinnert auch an die Sharia, in der das Wort einer Frau nicht so viel zählt wie das Wort eines Mannes. Aber sooo lange ist es bei uns ja auch noch gar nicht her.

    Und Andrea? Genial wie immer und zeitlos. Letzteres leider.

  3. Gabypsilon

    Das Dorf formiert sich wohl gerade um den alten Mann, der sich, wen wundert es, als Opfer inszeniert und als DER deutsche Star-Regisseur gefeiert wurde/ wird.

  4. So ganz korrekt ist der Vergleich mit Einbrüchen allerdings nicht. Dann beim Einbruch kann die Polizei Einbruchsspuren feststellen, bei Vergewaltigung nicht unbedingt – und dann steht halt Aussage gegen Aussage. Die dann umso wahrscheinlicher wahr ist, je mehr Frauen ähnliche Erlebnisse berichten.

    Mich wundert immer, wie leichtfertig viele Feministinnen die Errungenschaften des Rechtsstaats ignorieren. Dass einem Täter seine Tag bewiesen werden muss, gehört zu den Basics. Stellt Euch doch mal ernsthaft eine Welt vor, in der das nicht mehr so ist – Nordkorea und sogar China lassen grüßen!

  5. @Leonie

    Das ist schon richtig, doch warum bedarf es das Wort mehrerer Frauen um einen Mann zu überführen? Okay, damit es nicht Aussage gegen Aussage steht, sollten dann wohl zwei Frauen genügen, jedoch kein ganzes Dorf.

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