Unter #50shadesisabuse rollt die Kampagne gegen den zweiten Teil von 50 Shades of Grey, der am 14. Februar 2017 – Valentinstag – in die Kinos kommt. Wir haben mit Caitlin Roper von Collective Shout ein Interview zur Kampagne geführt.
Die Störenfriedas: Hallo Caitlin! Du bist die Gründerin von Collective Shout. Kannst du uns etwas über diese Organisation erzählen?
Caitlin Roper: Collective Shout ist eine australische, landesweite Graswurzelbewegung, die sich gegen die Objektifizierung von Frauen und die Sexualisierung von Mädchen in den Medien, der Werbung und der Populärkultur wendet. Wir kämpfen gegen die Sexindustei und die Kommerzialisierung von Frauenkörpern, inklusive Pornographie, Prostitution und Menschenhandel.
Nur um das klarzustellen, ich bin nicht die Gründerin – Collective Shout wurde von einer Gruppe von Frauen gegründet, denen diese Themen am Herzen lagen und ich stieß etwa ein Jahr später dazu. Ich bin die Kampagnen-Managerin.
Die Störenfriedas: Am 14. Februar kommt der nächste Teil von Fifty Shades of Grey inCaitlin Roper
die Kinos. Unter dem Hashtag #50shadesisabuse (50 Shades ist Misshandlung) formiert sich eine weltweite Protestbewegung – erneut, wie nach dem ersten Teil im Jahr 2015. Wie trägt 50 Shades zur Normalisierung von sexueller Gewalt und häuslicher Gewalt bei?
Caitlin Roper: Bei der Fifty Shades Serie geht es im Wesentlichen um die Geschichte eines Täters, der eine junge Frau auf sexuelle Gewalt und Misshandlung vorbereitet, aber dies wird als Liebesgeschichte geframed. WissenschaftlerInnen haben dargestellt, dass die “romantische” Liebesbeziehung zwischen Christian Grey und Ana durch intime Partnerschaftsgewalt charakterisiert ist. Emotionale und sexuelle Gewalt druchdringen den gesamten Film, in Form von Isolierung, Einschüchterung, Stalking, Manipulation und erzwungener Sex – alles übereinstimmend mit einer missbräuchlichen Beziehung.
Die Trilogie kommt in der Tat gut bei Frauen an, wurde sie doch als Romanze vermarktet (und der Starttermin absichtlich auf den Valentinstag gelegt) oder als ein bisschen spaßvoller Sex, oder sogar als empowernd für Frauen. Sie stellt männliche Gewalt gegen Frauen als sexy und erstrebenswert an, als etwas was Frauen sich insgeheim wünschen und genießen.
Die Störenfriedas: Siehst du eine Verbindung zur Porno Kultur, und der Tatsache, dass Pornographie von Jahr zu Jahr immer gewalttätiger wird?
Caitlin Roper: In der Porno Kultur sind Frauen sexuelle Objekte, die von Männern benutzt werden können. Sie sind immerzu verfügbar und willig, und sie sagen niemals nein. Sie genießen sogar für sie schmerzhaften und erniedrigende Sexhandlungen.
Fifty Shades of Grey verkauft männliche sexuelle Aggression gegen Frauen als sexuelle Befreiung und weibliches Empowerment. Frauen sollen diese missbräuchliche Behandlung nicht nur akzeptieren, sondern wir sollen sie auch begeistert annehmen und uns dadurch ermächtigen von Männern dominiert und brutal behandelt zu werden. Fifty Shades unterstreicht wie effektiv Pornographie den Mainstream bereits durchdrungen hat, und wie bereitwillig Frauen ihre sexuelle untergeordnete Position akzeptieren.
Meme aus der Kampagne #50shadesisabuse
Die Störenfriedas: Was befürchtest du werden die Konsequenzen dieser Normalisierung sein?
Caitlin Roper: Ich denke die Normalisierung der sexuellen Gewalt gegen Frauen, oder die Erotisierung männlicher Gewalt gegen Frauen sendet die Botschaft aus, dass die missbräuchliche Behandlung von Frauen sowohl sexy als auch erstrebenswert ist und das Frauen sich heimlich danach sehnen. Wir wissen bereits wie sehr die Pornographie die Sexualität junger Menschen prägt, und welchen Schock und Verwirrung junge Männer erleben, wenn Frauen im echten Leben die gewalttätigen und vom Porno inspirierten Sexualakte genießen – und das junge Mädchen beschreiben, dass sie dazu gedrängt und gezwungen werden schmerzhaften und ungewollten Sex zu akzeptieren.
Die Störenfriedas: Was glaubst du warum sind diese Bücher und Filme so erfolgreich – sogar oder vor allem bei Frauen?
Caitlin Roper: Ich denke für manche Frauen bedeutet Fifty Shades so etwas wie Rebellion – weil es anders ist, und artig und (offenbar) sexy. Mainstream Pornographie wird typischerweise bei einem heterosexuellen, männlichen Publikum vermarktet, und Fifty Shades wird als “Porno für Frauen” vermarktet, und öffnet Frauen für den Konsum von Pornos.
Während es sich bei Fifty Shades sicherlich um ein erfolgreiches weltweites Phänomen handelt, muss auch der Kontext aus dem es kommt berücksichtigt werden, als eine Medien- und Populärkultur, die dazu tendiert männliche Macht und Dominanz, insbesondere gegen Frauen, zu sexualisieren, und männliche Aggression und weibliche Passivität als sexy darzustellen. Frauen sollen über kräftige Männer fantasieren, den “stillen, starken Typen”, und sie werden ermuntert diese Eigenschaften attraktiv zu finden.
Die Störenfriedas: Welche Personen und Organisationen stecken hinter der Kampagne #50shadesisabuse?
Caitlin Roper: Die Kampagne wurde ursprünglich von Culture Reframed aus den USA gestartet und hat sich dann weiter verbreitet zu einem Netzwerk von Frauenrechtsgruppen, zu dem auch Collective Shout in Australien gehören, oder das London Abused Women`s Centre in Canada oder das National Centre on Sexual Exploitation (NCOSE) in den USA.
Die Störenfriedas: Wen wollt ihr mit der Kampagne erreichen?
Caitlin Roper: Wir verfolgen damit mehrere Ziele – zum einen wollen wir die Diskussion um Fifty Shades verändern zu einer in der intime Partnerschaftsgewalt eine Rolle spielt, damit die Leute den Zusammenhang herstellen zwischen der Glorifizierung und Romantisierung von männlicher Gewalt in der Medien- und Populärkultur und der tatsächlichen Gewalt gegen Frauen. Wir können nicht auf der einen Seite häusliche Gewalt verurteilen und sie gleichzeitig als “Romanze” oder “Fiktion” herunterspielen oder rechtfertigen wenn sie sexualisiert daherkommt.
Wir erhoffen uns natürlich auch Spenden für Frauenhäuser und Organisationen, die sich gegen häusliche Gewalt engagieren – jene unterfinanzierten Unterstützungsangebote, die an vorderster Front Frauen wie Ana unterstützen, und auf die sehr viele vulnerable Frauen dringend angewiesen sind.
Caitlin Roper: Was haltet ihr von BDSM? Können Gewalt und Erniedrigung einfach alsMeme aus der Kampagne #50shadesisabuse
eine individuelle Sexualpräferenz betrachtet werden?
Auch ohne die Diskussion über BDSM und die Sexualpraktiken in Fifty Shades gibt es da bereits genug Beweise für das Vorliegen von häuslicher Misshandlung um Kampagnen wie unsere zu rechtfertigen. Viele BefürworterInnen von BDSM haben die Auffassung zurückgewiesen, dass Fifty Shades BDSM darstellt, weil sie sagen, dass hier der für BDSM konstitutive Konsens in der Geschichte nicht vorliegt.
Es ist manchmal schwierig BDSM oder andere “Rand”- Sexualpraktiken zu beleuchten, weil eine kritische Analyse ganz schnell zum Vorwurf der Beschämung führt. Ich denke die Diskussion über Sexualpraktiken wird zu häufig reduziert auf die Frage von “choice” und “Konsens”, wobei das Argument lautet, dass jede Sexualpraktik klargeht, egal ob sie gewalttätig, demütgend oder was auch immer ist, so lange sich die PartnerInnen dazu entscheiden. Choice und Konsens sind meines Erachtens jedoch allzu simpel um Sexualpraktiken zu analysieren, weil die Realität der Welt in der wir leben eben nicht durch gleichen Zugang zu Rechten und Macht für alle gekennzeichnet ist und Entscheidungen nur in diesem Rahmen getroffen werden können.
Ich denke es ist problematisch, wenn Leidenschaft mit ungleichen Machtverhältnissen gleichgesetzt wird, als könnte Leidenschaft nur dann entstehen, wenn der eine Partner dominant ist und der andere ihm unterworfen, vor allem dann wenn diese Unterwerfung physische Gewalt und Erniedrigung beinhaltet. Das gilt umso mehr wenn von Frauen erwartet wird, dass sie eine unterworfene Rolle annehmen, entsprechend ihrem untergeordneten Status in der Gesamtkultur. Es wird immer so getan, als könne man so den traditionellen Sexualpraktiken ein Schnippchen schlagen, aber irgendwie spielt es doch genau jenen Machtrollen für Männer und Frauen in die Hände.
Die Störenfriedas: Wie können Frauen oder andere den Protest gegen 50 Shades of Grey unterstützen?
Meme aus der Kampagne #50shadesisabuse
Caitlin Roper: Zum Beispiel indem sie den Film boykottieren und, wenn sie dazu in der Lage sind, 50 Dollar (oder welchen Betrag auch immer) an Organisationen gegen häusliche Gewalt zu spenden. Ihr könnt unsere Facebookseite https://www.facebook.com/50dollarsnotfiftyshades liken oder euch in den sozialen Medien beteiligen, indem ihr die Hashtags #50dollarsnot50shades oder #FiftyShadesIsAbuse benutzt, oder unsere Mediengrafiken verwendet, die ihr auf http://fiftyshadesisabuse.com. findet
Die Störenfriedas: Wir danken dir für das Gespräch und freuen uns, euch bei der Kampagne zu unterstützen.