Die Störenfrieda des Monats: Vandana Shiva

Dr. Vandana Shiva

Augustus Binu [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Wir brauchen eine neue Bewegung, die uns von der dominanten, alles durchdringenden Kultur der Gewalt, der Zerstörung und des Todes wegbringt hin zu einer Kultur der Gewaltlosigkeit, des Lebens und kreativen Friedens.Vandana Shiva

Vandana Shiva wurde am 5. November 1952 als Tochter eines Forstbeamten und einer Schulrätin in Dehradun, am Fuße des Himalayas in Indien geboren.

Ihre Eltern quittierten den Staatsdient und ließen sich später als Bauern nieder. Inspiriert durch diese lernte sie die Natur lieben und realisierte sehr früh die gravierenden Folgen der wirtschaftlichen Erschließung auf die Umwelt.

Vandana Shiva absolvierte zunächst ein Physikstudium und schloss das Studium mit einer Promotion in Quantenphysik ab. Sie arbeitete anschließend im ersten Kernreaktor ihres Heimatlandes, ohne sich über die gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlenwirkung bewusst zu sein – im Studium lernte man darüber nichts. Gespräche mit ihrer Schwester, einer Ärztin, zu dieser Thematik führten zu einem Wendepunkt. [1]

In den 1970er Jahren schloss sich Vandana Shiva der ersten großen Umweltschutzbewegung Indiens, der Chipko-Bewegung, an und kämpfte gemeinsam mit vor allem Dorfbewohnerinnen gegen die kommerzielle Abholzung des Waldes, in dem sie aufgewachsen war und den ihr Vater als Förster bewirtschaftet hatte sowie gegen die daraus resultierende Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Die Frauen ketteten sich an Bäumen fest, um die Abholzung zu verhindern – mit Erfolg.

„Durch Patente und Gentechnik werden neue Kolonien geschaffen. Das Land, die Wälder, die Flüsse, die Ozeane, die Atmosphäre – alle sind sie kolonialisiert, ausgelaugt und verschmutzt. Jetzt braucht das Kapital neue Kolonien, in die es für seine weitere Akkumulation eindringen und die es ausbeuten kann. Diese neuen Kolonien sind sind aus meiner Perspektive die Innenräume der Körper von Frauen, Pflanzen und Tieren.“ Vandana Shiva [2]

Später richtete Vandana Shiva ein Umweltinstitut im Kuhstall ihrer Eltern ein, um Artenvielfalt zu erforschen. Sie erstellte ihre Umwelt- und Sozialstudien in enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung und sozialen Organisationen und sie erlangten hohes Ansehen.

Sie widmete sich in ihren aktivistischen Tätigkeiten und Publikationen insbesondere den Bereichen der Biodiversität, Biotechnologie und Bioethik, kämpfte gegen neoliberale Wirtschaftspolitik, Produktpiraterie und Genfood und machte sich für einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft stark [3].

Gemeinsam mit Maria Mies veröffentliche sie 1993 das Buch „Ecofeminism“, in dem die Autorinnen die Aufmerksamkeit der Welt auf die herausragende Rolle der Frauen in Entwicklungsländern richteten und Frauen und Ökologie in das Zentrum des modernen Diskurses um Entwicklungshilfe stellten [4]. Sie stellten außerdem heraus,

„dass das Verhältnis, dass Männer in patriarchalisch-kapitalistischen Gesellschaften zu Frauen haben, dem Verhältnis entspricht, das Menschen allgemein zur Natur haben. Sie schreiben darin über den Zusammenhang zwischen Gewalt von Männern gegen Frauen und der Gewalt gegen die Natur und andere Länder.“ [5]

In einem Interview aus dem Jahre 2004 sprach sie sich ausdrücklich gegen die Legalisierung der Prostitution aus:

„In certain situations where this new corporate agriculture and globalization is destroying farming and agriculture, employment is collapsing and we are finding that there is an absolute explosion of prostitution. … [W]omen are selling their bodies to survive. And this growth in prostitution is not a choice that women are making. It’s the ultimate destitution into which they are being pushed by the forces of globalization. … There’s two kinds of survival – there’s survival with dignity, simplicity, and autonomy and then there’s the kind of survival that globalization is pushing people into – survival with violence, indignity, and total destitution.“

„In bestimmten Verhältnissen, in denen dieser neue kommerzielle Agrarsektor und die Globalisierung Landwirtschaft und Agrarwirtschaft zerstört, bricht der Beschäftigungssektor zusammen und wir stellen fest, dass dort eine absolute Explosion der Prostitution stattfindet. … Frauen verkaufen ihre Körper, um zu überleben. Und dieser Anstieg der Prostitution ist keine Wahl, die Frauen treffen. Es ist das ultimative Elend, in das sie durch die Kräfte der Globalisierung gezwängt werden. Es gibt zwei Formen des Überlebens – es gibt Überleben in Würde, Unbeschwertheit und Unabhängigkeit und es gibt das Überleben, in das die Globalisierung Menschen zwingt – das Überleben mit Gewalt, Demütigung und absolutem Elend.“ Vandana Shiva [6]

Vandana Shiva lebt heute gemeinsam mit ihrer Familie auf dem elterlichen Bauernhof. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet und veröffentlichte zahlreiche Bücher.


Fußnoten

[1] [5] Vandana Shiva – Biografie bei fembio, abgerufen am 06.06.2016

[2] Vandana Shiva: Biopiraterie – Kolonialismus im 21. Jahrhundert. Eine Einführung, UNRAST, 2002

[3] [4] Dr. Vandana Shiva: Lebenslauf, erschienen bei ethecon, Stiftung Ethik & Ökonomie, abgerufen am 06.06.2016

[6] Vandana Shiva, „Prostitution“ – Interview mit Teen Talking Circles Project, Zitat auf ProCon.org, 2004, abgerufen am 06.06.2016, sinngemäße Übersetzung von der Autorin

Weitere Quellen

  • Eintrag „Shiva, Vandana“ in Munzinger Online/Personen – Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000027778 (abgerufen am 6.6.2016)
    Alle Rechte vorbehalten. © Munzinger-Archiv GmbH, Ravensburg

Publikationen von Vandana Shiva

 

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