Liebesbrief an F. oder warum Feministinnen (keinen) Sex haben

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Feministinnen können ja gar keinen Sex haben, weil sie Männer hassen. Die will doch eh kein Mann, hab ich recht?

Die Unterstellung, dass man als Feministin keinen Sex haben kann, weil man Männer natürlich kategorisch ablehne, habe ich leider schon zu oft wahrgenommen. Ein neues Level erreichte dies jedoch, als ich neulich mal wieder auf meiner heiß geliebten Datingplattform Tinder unterwegs war, denn dort traf ich einen jungen Mann namens F.

F. war 22 und gab mir in seiner Beschreibung schon die essentielle und interessante Information, eine wilde Zeit hinter sich zu haben (wie gesagt er ist 22 nicht 52) und es daher versaut im Bett zu mögen. Da bin ich natürlich direkt drauf angesprungen, welche Frau kann bei so einer Beschreibung schon widerstehen – Jackpot! Ich fragte mich, was das bedeuten würde „eine wilde Zeit“. Nach einem kurzen Gespräch mit F. stellt sich heraus, dass er so wild sei, weil er – natürlich – in Berlin aufgewachsen ist und 5 Jahre angeblich als DJ gearbeitet hat. Puh, mit 22 schon so viel erlebt. Ich meine die 2000er in Berlin waren ja fast wie die 60er in San Francisco – voller Aufbruch, Sex, Drugs und Rock´n´Roll. Es war einfach eine wilde Zeit damals, als wir Kinder der 90er noch jung waren. Mir ist nun einiges klar geworden, denn jeder, einfach jeder Mensch aus Berlin ist natürlich wild und versaut. Daraufhin entgleist das Gespräch auch schon und F. unterstellt mir abwertend, ich sei wohl Femen-Aktivistin (nein) und Emma-Abonnentin (nein) und hätte daher auch keinen Spaß im Bett, doch er würde ja viele – Zitat – dumme Mädchen in seinem Bett ficken und hätte daher natürlich auch mehr Spaß im Leben als ich. Weil Feministinnen will ja keiner im Bett haben, oder? Nicht nur, dass ich feministisch eingestellt bin, nein ich bin auch noch in einer Kleinstadt aufgewachsen, was meine Chancen auf Sex wohl eher gen Null laufen lassen, oder F.?

Feministinnen haben nämlich keinen Sex, weil sie Männer, ja alle Männer hassen und Sex ist ja eh total unfeministisch, nicht wahr F.? Weil… ja warum denn eigentlich? Warum sollte sich das denn ausschließen? Mehr und mehr drängt sich mir der Gedanke auf, dass F.´s eigentliches Problem mit Feministinnen wahrscheinlich ist, dass diese seine „dummen Mädchen“ beeinflussen könnten und diese vielleicht gar nicht so dumm sind und dann gar nicht mehr mit ihm ficken wollen. Dennoch bleibt die Frage, warum Feminismus und Sex sich ausschließen sollten. Warum sollte das so sein? Weil Feministinnen für Frauenrechte und gegen die Benachteiligung von Frauen kämpfen? Weil sie die privilegierte Rolle vieler Männer in unserer Gesellschaft kritisieren, die sie nur haben, weil sie ein Mann sind?

Feministinnen können und sollen ihre Sexualität genauso frei entfalten und ausleben, wie jede andere Frau es sollte. Und ja, um die Frage zu beantworten, auch als Frau, die sich für Frauen einsetzt, kann man Sex haben, sogar versaut, wenn man mag. Wobei die Definition über wild und versaut nebenbei höchst individuell ist und man F. sicherlich nicht als Maßstab für den Faktor wild und versaut nehmen sollte, denn dann werden wir alle nur noch unheimlich schlechten, enttäuschenden Sex haben. Zudem finden ziemlich viele Männer im Gegensatz zu F. Intelligenz unheimlich anziehend und attraktiv.

Feminismus und Sex mit Männern schließen sich in keiner Weise aus. Intelligenz, mein lieber F. und Sex mit Männern schließen sich noch weniger aus. Ja und auch ein Emma-Abonnement oder Femen-Aktivistin sein und Sex mit Männern schließen sich nicht aus. Nur weil eine Frau gerne und aus Überzeugung gegen bestimmte Dinge, in denen Männer noch immer privilegierter sind als Frauen, kämpft, sich für Veränderungen in unserer Gesellschaft einsetzt, sich für starke Frauen ausspricht, kann sie dennoch ein erfülltes Sexleben mit Männern haben und enorm viel Spaß in ihrem Leben. Wer hätte das gedacht, aber auch Feministinnen können verschiedene, wechselnde Sexualpartner haben – ja, das ist möglich. Denn Feministin zu sein heißt nicht Männer zu hassen. Feministin zu sein heißt nicht im Zölibat zu leben, seine sexuellen Fantasien aufzugeben oder Sex mit Männern abzuschwören. Tatsächlich gibt es sogar viele Männer, die es attraktiv finden, wenn eine Frau zu ihrer Meinung steht, wenn sie sich für ihre Rechte und die anderer Frauen einsetzt. Um es nochmal deutlich zu machen F. und alle anderen da draußen, die es immer noch nicht verstanden haben: Eine Frau kann für Frauen kämpfen, Männer kritisieren und dennoch Sex mit Männern haben, der ihr sogar extrem viel Spaß machen kann. Ja, so sieht die harte Realität aus – Sex kann allen Menschen Spaß machen, auch Feministinnen, Sex sollte auch allen Menschen Spaß bereiten. Davon werden Feministinnen nicht ausgeschlossen.

Lieber F., wer so abwertend und beleidigend über Frauen, mit denen er schläft vor anderen Frauen spricht, der hat eindeutig ein größeres Problem mit Frauen und sich selbst, als ich und andere Feministinnen angeblich mit Männern und unserer Sexualität.

Feministische Grüße,

Lena

Lena von Felde

12 Kommentare

  1. Liebe Lena,
    Genial! Danke!
    Feministische Grüße zurück ?

  2. Liebe Lena,
    Genial! Danke

    Feministische Grüße
    Carina

  3. Na ja, Feminismus und rein männlich-orientiert-versauter-Rein-Raus-Sex können sich in der Tat ausschliessen. Vor allem, wenn der Mann meint gewisse Porno-Stellungen „nachspielen“ zu müssen (wollen) und Frau als seine „Gummi-Susi“ missbraucht. Es empfiehlt sich daher, seine Einstellung zu Frauen vorher abzuklären. Mein Feminismus geht ihn zu diesem Zeitpunkt eh nichts an. So wenig wie meine Religion, Philosophie, Bankkonto oder mein gefüllter Kühlschrank. Oder sehe ich da was falsch?
    Wobei: Wie komme ich dazu bei „Tinder“ zu suchen? Bin ja schon mit Herrn Krethi von rechts und Herrn Plethi von links über- resp. unterfordert.
    Ich muss dann immer gähnen und schlafe bereits bei der ersten Kontaktanbahnung ein, da er nur von sich und seinen sexuellen Wünschen und Erfahrungen spricht. Gähn!

  4. Silvio Reindl

    Geil! Na dann bin ich ja froh das ich (EMMA Abonent) auf Feministinnen stehe, auch wenn sie sich manchmal selbst so nicht gar nicht sehen und völlig erstaunt sind wenn ich Ihnen erkläre das Sie hervorragend feministische Positionen vertreten. Besonders stolz bin ich auf die guten Freundschaften mit meinen Expartnerinnen.

  5. emeralda

    Warum mit sonem 22 jährigen aufhalten? Der hat doch null Ahnung! In dem Alter sind Männer auf ihrem hormonellen und narzissitschen Höhepunkt, sie kennen die Welt und sie gehört ihnen auch, davon sind sie überzeugt, aber nur sie 😀

  6. Liebe Lena, sehr gut geschrieben und auf den Punkt gebracht. Bei Aussagen von solchen Männer kann frau aber wahrlich schon jegliche Lust vergehen. Ich bin Feministin und lieber mit Frauen zusammen, d.h. mit einer. Sie ist ein richtiger „Gentleman“, aber hat manchmal dennoch Anwandlungen:
    „.. ich dürfe schon Feministin sein, solange ich in der Küche bleibe…“ ..lol..

  7. Feministinnen können natürlich viel Freude an Sex haben – allerdings an gutem. Das ist vielleicht der Unterschied zu den armen Frauen, die er anscheinend im Bett hatte und die bisher wohl wenig in Kontakt mit gutem Sex kamen.
    Wenn ein Mann davon ausgeht, eine Frau könne als Feministin, also als Befürworterin von emanzipierendem und auf beider Bedürfnisse eingehenden Sex, nicht auf Sex mit ihm stehen, sagt das ja schon sehr viel über den Sex aus, den er wahrscheinlich praktiziert.
    Außerdem ist Menschen niemals zu trauen, wenn sie von sich selbst behaupten, total craaaazy zu sein oder versaut oder wie auch immer normabweichend – meiner Erfahrung nach gibt es oft kaum langweiligere Charaktere.

  8. Wenn man mit keinen Männer Sex haben möchte, weil man keinen schlechten Porno-Sex möchte, kann man es immer noch mit Frauen, Toys oder Schokolade versuchen 😉

  9. Haha, das mit der Schokolade war so gemeint, dass man sie essen sollte und das mit Sex lassen soll. Man kann aber auch, falls man einen Schokoladen-Fetisch hat, mit Schokolade Sex haben. Fetische haben aber meist Männer.

  10. Bri Lunzer-Rieder

    Spontaner -und sehr ironischer- Kommentar meines Mannes dazu (habs ihm auszugsweise vorgelesen);

    *Wahnsinn. Feministinnen sind also auch menschliche Lebewesen! Mit Allem Drum und Dran. Tolle Erkenntnis..*

    Tja. That`s it.

    Ich selbst habe früh gelernt, mit 15 Jahren, dass lesbisch aktive Frau(en) nicht unbedingt fairer agier(t)en als Männer.
    Ich wusste ab da; Vorsicht. Bei ALLEN. Auch bei einer (noch so tollen) Frau…

    Später wurde eine (viel) jüngere politische Freundin aktiv lesbisch. Fand im entsprechenden Szene-Umfeld in Wien eine (langjährige) Partnerin. Wir drei Frauen hatten viel miteinander zu tun. Meine Freundschaft ging ja weiter…
    Nur; was sich in dieser lesbischen Beziehung dann an (auch ausbeuterischem, sogar gewalttätigen) Rollenverhalten einschliff, war nach paar Jahren um NICHTS besser als eine eher miese, durchschnittliche Hetero-Beziehung, in der der Mann den Dominus gibt ;-(
    Fazit; meine langjährige feministische Freundin wurde nicht glücklich.
    Diese Beziehung zerbrach später. Mit dramatischem Drumherum, sozusagen ;-(

    Ich geriet prompt `zwischen die Fronten`, versuchte ja auch zu helfen, kassierte dann selbst ohne erkenntlichen Grund einen heftigeren körperlichen Angriff, und zog mich zurück.

    All das, während wir -mein (jüngerer) Mann und ich- zeitgleich unser (inzwischen längst) sehr gleichberechtigtes Leben weiter aufbauten. Allerdings sind wir tlw. real sehr `unüblich`gewickelt. Betonung auf; *teilweise*. UNSERE Beziehung ist von uns selbst nach unseren Bedürfnissen `gestrickt`, die sich mit der Zeit auch als etwas veränderbar zeigten.

    Auf JEGLICHE Klischees zu pfeiffen, und selbst per Gefühls-Lust *EHRLICH* den für sich befriedigenden Beziehungsweg zu finden, gemeinsam, ist dringend anzuraten. Egal wo welche sexuell `verortet`sind.

    Ach ja, kleines Detail; als mein Mann mir näher kam, wurde er von meinen 2 Freundinnen `auf Herz und Nieren`geprüft, ob er wohl meiner würdig sei…;-)
    War damals ok. Soziale Kontrolle, und so.
    Nur; hatte ich -umgekehrt- hierzu Anfangs als Ratgeberin meiner Freundin versagt ?

    Möglich…

    Ich trauere innerlich etwas um diese verlorene Freundschaft.
    Weiss aber auch, dass das blöde Gequatsche -pardon; die Ruf- und Meinungsbildung- in diversen Szenen oft ziemlich ausschliessend, manchmal klar abwertend wirkt.
    Sowas braucht unsereins nicht.

    Politisch sind diese Separatismen zwar verständlich, aber halt nicht sehr konstruktiv wirkend. Schon gar nicht, wenns um Frauenpolitik geht.
    Da sind ALLE Kräfte gebraucht !

  11. Bri Lunzer-Rieder

    @ Emeralda;

    Junger Mann?
    Na und ?

    Meine Wahltochter (sie sieht mich als ihre geistige Mutter) hat einen 23 jährigen Partner. Will hier gar nicht tippen, wie `alt` sie ist…;-)
    Sind sozusagen `Macron`sche Verhältnisse`.

    Funktioniert immer besser, diese Beziehung.
    Er muss halt noch etwas mehr dazu lernen als sie. Logo. Lebenserfahrung und so, da hat sie natürlich schon deutlich mehr auf Lager..auch ihr Karriereweg ist viel weiter beschritten.

    Profitieren tun BEIDE. In jeder Hinsicht.

    Und NIEMAND (auch nicht die Eltern) empfindet da INZWISCHEN etwas `Unpassendes`! Anfangs war`s tlw. holperig. Etwas.
    Aber BEIDE sind gewillt, an ihrem Lebensglück zu arbeiten, und entwickeln sich weiter. Hindernisse wurden überwunden. Innere und äussere..

    Sie wirkt z. B. rein optisch sehr viel jünger, und er viel reifer, als es den (dummen) Klischees nach sein `dürfte`. Beide sind hoch attraktive Menschen, auch im Kulturbereich aktiv, in dem es oft (!) ja besonders rigide zugeht bzgl. sozialer Bewertungen Dritter. Viel Konkurrenz gibt.

    Eine gute Beziehung ist stark. Macht stärker.

    Kurz; es muss einfach passen. Dann passt`s.

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