Buchrezension: Ware Frau. Prostitution, Leihmutterschaft, Menschenhandel

“Ware Frau. Prostitution, Leihmutterschaft, Menschenhandel” ist die lang ersehnte deutsche Übersetzung von Ekmans bekanntem Buch “Being & Being Bought: Prostitution, Surrogacy & the Split Self” (im schwedischen Original “Varat och varan: prostitution, surrogatmödraskap och den delade människan”).

Prostitution und Leihmutterschaft scheinen auf den ersten Blick zwei gänzlich unterschiedliche Themen zu sein. Doch Ekman analysiert präzise die beiden ausbeuterischen und menschenverachtenden Systeme und zeigt scharfsinnig die Parallelen auf. Beide Systeme funktionieren durch die Abspaltung des eigenen Selbst der Frauen. Dies ist einerseits ein Selbstschutz, um die Ausbeutung zu ertragen und spielt andererseits den Ausbeutern in die Hände, da dadurch das System aufrechterhalten bleibt.

Der Irrtum der Sexverkäuferin besteht in dem Glauben, es wäre möglich, den Körper, das Fleisch, zu verkaufen, ohne dabei auch das Ich zu verkaufen. Und die Geschichte von der Sexverkäuferin ist von genau demselben falschen Bewusstsein geprägt. Auch deren ideologischer Kern besteht in der Vorstellung, man könnte seinen Körper oder »Sex« verkaufen, ohne sein Ich zu verkaufen. Was aber ist diese Vorstellung, wenn nicht ein exaktes Modell der Dissoziation, die sich in der Prostitution vollzieht? Die Geschichte von der Sexarbeiterin idealisiert die Verdinglichung, idealisiert die Entzweiung, die in der Prostitution stattfindet. Was in der Prostitution physisch geschieht, ein inneres Abschalten, geschieht sprachlich in der Rede von der Sexarbeiterin. Das Trauma wird zum Leitbild. Die Geschichte sagt: Die Entzweiung ist nicht nur möglich, sie ist das Ideal.

Sie analysiert die historischen Wurzeln der Prostitution und Leihmutterschaft im kapitalistischen und patriarchalen Kontext, wie die Trennung von Geist und Körper und die Einteilung von Frauen nach ihrem Nutzen für Männer in Gebärende und Huren. Der Wunsch nach Sex wird in der Prostitution zum Recht auf Sex erklärt und der Wunsch nach einem Kind bei der Leihmutterschaft zum Recht auf ein Kind umgedeutet.Herausragend sind die verschiedenen Blickwinkel, mit denen Ekman an das Thema herangeht. Empathisch erläutert sie was es für die Frauen im System bedeutet, zeigt die Profiteure auf und beleuchtet welche Auswirkungen die wachsenden Industrien für die gesamte Gesellschaft haben, sowie welche gesellschaftlichen Missstände und Ungleichheiten das ausbeuterische System unterstützen und Frauen keine andere Möglichkeiten offerieren, als sich selbst zum Markt zu tragen.

Ekman enttarnt die Mythen der milliardenschweren Prostitution- und Leihmutterschaftsindustrien, widerlegt scheinheilige Verteidigungen dieser Ausbeutung, die für beide Systeme dieselben sind, und tritt konsequent für eine Gesellschaft, in der Frauen weder einem Zweck dienen noch Konsumobjekte darstellen, ein. Hierfür bietet sie auch Wege an. So erklärt sie das nordische Modell, dass unter anderem prostituierten Frauen zahlreiche Ausstiegshilfen anbietet, Sexkauf unter Strafe stellt und damit Sexkäufer bestraft, während die prostituierten Frauen hierfür nicht belangt werden können. Der Blick nach Schweden lohnt nicht nur, da diese das nordische Modell haben, sich dadurch die Prostitution mehr als halbiert hat, Sexkäufer gesellschaftliche Ächtung erfahren und Schweden für Menschenhändler unattraktiv wurde, sondern auch, da es dort mehr Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern gibt. Dies ist nicht nur ein Nebeneffekt des nordischen Modells, sondern war einer der Gründe dieses zu etablieren. Auch zum Thema Leihmutterschaft formieren sich dort bereits zahlreiche Gruppen, um der Leihmutterschaftsindustrie, die diese legalisieren will, entschieden entgegenzutreten. Informativ klärt Ekman über Prostitution und Leihmutterschaft auf, belegt stets ihre Recherchen und bleibt dennoch empathisch bei den Opfern der Ausbeutung, ohne auf neoliberale Rechtfertigungen hereinzufallen.

Meines Erachtens ist die Trennung von altruistischer und kommerzieller Leihmutterschaft unehrlich. Sie bedeutet keine Trennung in der Sache. Im Grunde geschieht in beiden Fällen dasselbe: Die Frau wird zu einem Behälter reduziert. Auch wenn die altruistische Leihmutterschaft Mutterschaft nicht kommerzialisiert, so funktionalisiert sie sie doch. Anstatt eine existenzielle, seelische Erfahrung für die Frau zu sein, ist Schwangerschaft eine bloße Funktion für die Zwecke anderer.

Die Themen Prostitution und Leihmutterschaft werden in zwei Teilen getrennt analysiert, aber auch immer die Parallelen herausgearbeitet, wie Menschenhandel, Ausbeutung, Machtunterschiede und Verdinglichung.

Wie wir bei der Prostitution gesehen haben, geht die Funktionalisierung stets der Kommerzialisierung voraus. Damit etwas als etwas vom Verkaufenden Losgelöstes verkauft werden kann, muss es zunächst als eine separate Funktion konstituiert werden. Die Rhetorik von der altruistischen Leihmutterschaft versucht, Menschen die Überzeugung unterzuschieben, Schwangerschaft sei als etwas, was eine Frau besitzt, zu betrachten, nicht als etwas, was ihr Sein betrifft.

“Ware Frau. Prostitution, Leihmutterschaft und Menschenhandel” erschien im August 2016 im Orlanda-Frauenverlag und ist bei Fembooks erhältlich.

Kajsa Ekis Ekman wurde 1980 in Schweden geboren und ist eine bekannte Schriftstellerin, Journalistin und Aktivistin. Ihre Schwerpunkte liegen auf Frauenrechten, Kapitalismuskritik und Finanzkrisen.

 

1 Kommentare

  1. Wut steigt in mir auf. Es wird gefühlt kaum öffentlich darüber gesprochen ,obwohl es doch so wichtig und akut ist.Warum ist die Gesellschaft so blind für den Menschenhandel? Entweder ist es zu harte kost ,uncool(man könne ja verklemmt sein),Ignoranz oder man will nicht drauf verzichten.

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