Niemand wurde gezwungen, ein Lächeln für bare Münze zu nehmen

Linda Lovelace

Foto: Bitchflicks

Oralsex ist heute eine jener Sexpraktiken, die zum Standard gehören. Sexpraktiken finden ihren Einzug in das private Sexleben fast immer über die Sexindustrie: Das im Porno gesehene will nachpraktiziert werden, schlägt sich zunächst in der Prostitution in den Freierwünschen und –forderungen nieder, bis eine gesellschaftliche Normalisierung – bis hin zur Normierung – stattgefunden hat. Der Pornofilm, der die Verbreitung des Oralsex eingeleitet hat, war der Film „Deep Throat“. Mit einem Budget von nur 25.000 Euro abgedreht, brachte er den Produzenten bis heute mehrere Milliarden Dollar ein, und hinterließ die Hauptprotagonistin mit einem Schuldenberg.

Ein (liberal-)feministischer Blog bezeichnete die Hauptdarstellerin des Filmes, Linda Lovelace, vor einigen Jahren als „wichtige Akteurin des Blowjobs“ was zu einigem Widerspruch führte, da Linda Boreman, wie sie wirklich hieß, ein Vergewaltigungsopfer und eine zwangsprostituierte Frau war, und sich in den USA den (radikal-)feministischen Kämpfen gegen die Pornographie und die Industrie angeschlossen hatte. Die Kritik wurde erwidert mit der lapidaren Aussage: „„Sie [Linda] ist im Diskurs um das ganze Thema eine wichtige Akteurin. Auch als Betroffene verliert man den Status und die Kompetenz der Handelnden nicht.“

Anlässlich dieser Diskussion hatte ich mir damals vorgenommen, die beiden biographischen Bücher von Linda Boreman, die auch in deutscher Sprache unter den Titeln „Ich packe aus!“ und „Ich bin frei“ erschienen sind, irgendwann einmal zu lesen. Die (lange aufgeschobene) Lektüre hat mir noch einmal eines deutlich gemacht: Die Worte „Vergewaltigung“ und „Zwangsprostitution“ kommen ohne Hintergründe gefüllt fast schon harmlos da her. Sie sind in keinster Weise in der Lage, das unermessliche Leid, was Frauen in unserer Gesellschaft zugefügt wird, in Worte zu fassen und abzubilden. Dass Linda Boreman ihr Martyrium überlebt hat, grenzt für mich an ein Wunder. Der Umgang der Gesellschaft mit ihr ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

Linda Susan Boreman wurde am 10. Januar 1949 in New York City geboren und starb am 22. April 2002 im Alter von 53 Jahren nach einem schweren Autounfall in Denver, Colorado.

Ihre Kindheit war geprägt durch brutale physische und emotionale Gewalt durch ihre Mutter, die jeden tatsächlichen oder vermeintlichen Fehltritt von Linda mit Prügel bestrafte. Als sie im Alter von 21 Jahren Chuck Traynor kennenlernte, sah sie in dem sanften und freundlichen Mann, der sie hofierte, die Möglichkeit ihrem gewalttätigen Elternhaus endlich zu entfliehen, auch wenn sie keine Liebe zu ihm verspürte. Zu ihrer ersten Nacht mit ihm schreibt sie:

„Das einzige, was mir wichtig war: daß ich von meinen Eltern loskam! Ich weiß nicht genau, wie ich es klarmachen soll, aber im Vergleich zu dem Drama zu Hause und dem Gefühl, von dort frei zu sein, schien es mir eine Kleinigkeit, mit Chuck ins Bett zu gehen“ (S. 18)

Schnell merkt sie, dass er sein Geld als Zuhälter verdient und als seine Bar finanziell immer schlechter läuft, will er sie gegen ihren Willen in die Rolle einer Madam zwingen. Als sie den Wunsch äußert, nach New York zu ihren Eltern zurückzukehren, lernt sie sein wahres Gesicht kennen:

„Er schlug mich so hart auf den Kopf, dass sich alles um mich drehte. Dann lag ich auf dem Fußboden, und er trat mich mit seinen Frye-Stiefeln und schien dabei ruhig und kaltblütig, ja sehr methodisch. Aber als ich anfing zu schreien, wurde er erregt, sexuell erregt. Zum ersten Mal sah ich ihn im Zustand völliger Erregung. Irgendwie endete das Schlagen und Treten mit einer Vergewaltigung auf dem Fußboden. Dann war er fertig mit mir, und ich wagte nicht, mich zu rühren“ (S. 33)

Ab diesem Zeitpunkt war Linda Traynors Gefangene: Er ließ sie nicht mehr aus den Augen, sie musste ihn um Erlaubnis fragen, wenn sie auf Toilette gehen wollte, er bedrohte sie mit seiner Waffensammlung. Ihre Einführung in die Zwangsprostitution folgte alsbald, in einer Massenvergewaltigung durch fünf Männer in einem Hotelzimmer – denen Lindas Situation sehr wohl bewusst war. Bei einem Flutversuch droht Traynor ihr, sie zu erschießen, wozu sie rückblickend sagt:

„Würde ich dasselbe noch einmal tun, wenn es wieder geschähe? Würde ich das alles noch einmal durchmachen? Nein! Nein, heute hätte ich mich für die Kugel entschieden“ (S. 40)

Aber zu jenem Zeitpunkt war ihr noch nicht klar, welches Martyrium sie noch erwarten würde. Viele Jahre lang zwang er sie zu sexuellen Handlungen mit irgendwelchen Typen, von denen er das Geld kassierte. Durch ein Loch im Spiegel schaute er dabei zu wie sie vergewaltigt wurde. Er machte sich einen Spaß daraus, sie wieder und wieder vor anderen zu demütigen: Hielt er an einer Tankstelle, zog er ihren Rock über die Hüfte, spreizte ihre Beine und ließ die Windschutzscheibe reinigen; er steckte ihr „Red Hots“, kleine Zimtbonbons, in ihre Vagina, und hatte seinen Spaß, wenn sie sich vor Schmerzen wand; er stieß ihr einen Gartenschlauch tief in ihren Hintern und drehte das Wasser auf, …

„Alles, was Chuck sich ausdachte, war überlegt, um mich zu demütigen, tief zu erniedrigen. Und es gelang ihm jedes Mal. Ich kam mir wieder wie Abfall vor, wie stinkender Müll“ (S. 171)

Noch Jahre später berichtete Linda von zahlreichen Gedächtnislücken und ihrer Angst nie zu erfahren, was man in diesen fehlenden Zeitspannen mit ihr machte.

Mancher wird sich fragen, warum sie diesen Mann dann auch noch heiratete. Ganz einfach: Weil er so bestimmte. Der Hintergrund: Als seine Ehefrau musste sie nicht gegen ihn in einem Verfahren wegen Drogenschmuggel aussagen.

Chuck Traynor verkaufte sie an Pornoproduzenten. Der Film, der neben Deep Throat die größte Bekanntheit erlangte war einer, in dem man sie von einem Hund vergewaltigen ließ. Diese Tat führte zu Lindas größtem Trauma:

„Jenen Tag habe ich immer noch nicht verwunden. Ein Hund. Ein Tier. Ich bin zwar von Männern vergewaltigt worden, die schlimmer waren als Tiere, aber diesmal war es ein echtes Tier und dieses Tier zog eine dicke Trennungslinie durch mein Dasein, mein sogenanntes Leben […] Als sie den Hund von mir wegzogen, war ich im dunkelsten, tiefsten Tal. Noch nie bin ich so tief drin gewesen. Vernichtet. Ich wollte nur noch sterben.“ (S. 119, 122)

Die Dreharbeiten zu „Deep Throat“ bedeuteten für Linda eine Verschnaufpause:

„Zwei Wochen in einem Film, selbst einem pornografischen Film, waren besser als zwei Wochen als Nutte. Und es war einfach nett, mit anderen Menschen zusammen zu sein, ihnen zuzuhören, wenn sie miteinander sprachen“ (S. 150)

Durch den Erfolg des Filmes bewegten Linda und ihr Zuhälter sich in prominenten Kreisen. Ob Hugh Hefner, der als großer Liebhaber von Tierpornos beschrieben wird und der Linda auf einer seiner Partys vor Publikum fistete, oder Schauspieler wie Clint Eastwood oder Sammy Davis Junior, sie alle umgaben sich gerne mit jener Frau, deren Misshandlung man anhand der blauen Flecken beim Betrachten des Filmes deutlich sehen konnte.

Zu Sammy Davis Jr. schreibt sie:

„Sammy war wie ein Lebensretter für mich. Allein bei ihm zu sein, war eine Wohltat. Ich musste dann nicht irgendetwas anderes, Scheußliches tun. […] Es gab „Szenen“ mit Sammy, aber er schlug mich nie, er tat mir nicht weh. […] Was er am liebsten hatte, war, dass ich meinen „Deep Throat“-Akt mit ihm machte. Das war nämlich keine Untreue“ (S. 233)

Hieran sieht man deutlich, wie die alltägliche Gewalt einen Menschen dazu bringen kann, eigentlich unerwünschte sexuelle Handlungen – Linda Boreman definierte für sich selbst deutlich Sex als sexuelle Handlungen mit Gefühlen für den anderen – als „ok“ empfunden werden können, wenn es weitaus schlimmere Optionen gibt. Linda und Davis Jr.s Frau Altovise wurden auch gezwungen vor den beiden Männern sexuelle Handlungen aneinander zu vollziehen, dennoch war Linda in der Zeit wo sie mit Davis zusammen war, froh, Traynors Sadismus entfliehen zu können.

Die neu gewonnenen Freiräume ermöglichten es Linda bei einer Probe für ein Theaterstück und sie mit anderen Menschen zusammentraf zu fliehen:

„Ich wurde stärker, als ich mich durch ihre Augen sah – ich war nicht verrückt, nicht krank, keine schlimme Person. Sie hatten mir das Gefühl gegeben, dass ich ein menschliches Wesen war, und darum konnte ich mich endlich wie ein menschliches Wesen verhalten.“ (S. 256)

Ihr dritter Fluchtversuch gelingt, trotz aller Versuche von Traynor sie zu finden und einzuschüchtern. Mehrere Versuche die Presse zu involvieren und die wahre Geschichte zu erzählen, scheitern jedoch

„Sowie ich anfing, die Geschichte zu erzählen, stellten die Reporter ihr Tonbandgerät ab und murmelten irgendwas vom Gesetz gegen „üble Nachrede“, Und dann fügten sie hinzu, dass die wahre Geschichte die Auflage ihrer Zeitung drücken würde. […] Mir wurde klar gemacht, es sei nicht wichtig, was wirklich passiert war, sondern was die Leser dachten, wie das Leben von Linda Lovelace sich abgespielt hatte!“ (S. 270f)

Ihre Beziehung zu David Winters hilft ihr ein Jahr sich über Wasser zu halten, bis auch er sie enttäuscht, vermarkten will und schlägt. Aus ihren Erfahrungen nach ihrer Flucht kommt Linda Boreman zu dem Schluss:

„Als ich noch mit Chuck zusammenlebte, war ich überzeugt, er war einzig in seiner Art. Auf der ganzen Welt konnte es keinen Menschen wie ihn geben. Jetzt weiß ich es besser. Überall gibt es Chucks, und etwas von Chuck steckt in vielen Menschen“ (S. 284)

In „Ich bin frei“ (Original „Out of Bondage“) erfahren wir, wie es nach „Ich packe aus!“ mit Linda Boreman weiterging. Da Chuck Traynor in Marilyn Chambers recht schnell ein neues Opfer fand, konnte Linda sich ihn (mit Hilfe einer gerichtlichen Verfügung) vom Leib halten. Sie gesteht ein, dass sie nur wenig Mitgefühl für Chambers empfinden konnte, da sie froh war endlich frei zu sein und niemanden mehr fragen zu müssen ob sie auf Toilette gehen dürfe.

Diese Freiheit brachte jedoch Probleme mit sich, denn sie musste sich zunächst neu in der Welt orientieren und lernen eigene Entscheidungen zu treffen – ihr größter Halt dabei: Ihr neuer Partner Larry Marchiano, ein Jugendfreund aus alten Tagen.

Immer wieder wurde sich jedoch von ihrer Vergangenheit eingeholt. Als ein junger Mann klagte, weil er unwissend als Mitwirkender in den Film „Deep Throat“ geraten war, sagte Linda zu, vor Gericht auszusagen, weil sie seine Demütigung durch ihre eigene Situation verstehen konnte:

„Als bekannt wurde, dass im Zuge der Gerichtsverhandlung auch der Film Deep Throat gezeigt werden sollte, füllte sich der Gerichtssaal bis auf den letzten Platz. Jeder Anwalt, Richter und Gerichtsdiener, der sich zufällig gerade im Gerichtsgebäude aufhielt, fand einen Vorwand, der sein Beisein bei dieser Vorführung angeblich erforderlich machte. Obwohl ich mich gegen den Schmerz im voraus zu wappnen versucht hatte, war der Schock doch gewaltig. Ich saß da und litt, als würde ich in diesem Moment ein zweites Mal vergewaltigt.“ (S.50f)

Aber damit nicht genug: Statt Einnahmen trug Linda Schulden in Höhe von 50.000 Dollar mit sich herum. Die junge Familie lebte samt Baby mit 452 Euro monatlich. Alle verdienten an dem Film, außer ihr selbst. Allein ein Kino in San Francisco spielte mit dem Film im Laufe von 10 Jahren sechseinhalb Millionen Dollar ein. Die Gesamteinspielsumme wird auf 300 Millionen Dollar geschätzt (mehr als Krieg der Sterne).

Sie wurde verfolgt und gestalked von Fans, sobald jemand an einem neuen Wohnort wusste wer sie war, wurde ihr Haus belagert. Sowohl sie, als auch ihr Partner, fingen an sich mit Alkohol zu trösten.

Als sie die Möglichkeit bekam sich einem Lügendetektortest zu unterziehen, zögerte sie keine Minute, in der Hoffnung dies würde ihre Zweifler zum Schweigen bringen. Der Anwalt Lyle Stuart verschrieb sich der schwierigen Aufgabe Linda zu ihrem Recht zu verhelfen. Er recherchierte zu den mafiösen Strukturen, investierte insgesamt mehr als Hunderttausend Dollar

Alle Versuche in der Schauspielerei Fuß zu fassen scheiterten, da immer wieder – entgegen jeglicher vorheriger Absprachen – versucht wurde sie in eine Sexszene zu drängen. In zahlreichen Fernsehauftritten wurde sie gedemütigt und immer wieder gefragt ob es ihr denn nicht wenigstens ein bisschen Spaß gemacht habe.

Dabei stellte sie fest:

„Während Frauen grundsätzlich dazu tendierten mir zu glauben, waren die meisten Männer überzeugt, dass ich die Unwahrheit sagte.“ (S. 173)

Jedoch wurde durch die vielen Fernsehauftritte auch die Frauenbewegung auf Linda aufmerksam. Nach einer Ausstrahlung der Phil Donahue Show nahm Gloria Steinem mit ihr Kontakt auf. Rückblickend schreibt sie.

„Mein erster Eindruck von Gloria war rundum positiv, und daran hat sich auch nach so langer Zeit nichts geändert. […] In der Redaktion von Ms wollten gleich mehrere Frauen meine Bekanntschaft machen, so daß ich an jenem Vormittag eine Reihe der bekanntesten Autorinnen innerhalb der Frauenbewegung kennenlernen sollte – Susan Brownmiller, Andrea Dworkin, Letty Cottin Progrebin und andere. Erst waren sie nur nette Leute, die mir helfen wollten. Doch im Laufe der Zeit sind wir Freunde geworden. […] Zuallererst überraschte mich das Fehlen jeglicher Feindseligkeit. […] Diese Frauen hätten mehr als genug Gründe gehabt Linda Lovelace wegen der großen Lüge, die sie verkörperte, zu verachten, doch statt dessen empfingen sie mich mit erstaunlicher Herzlichkeit“ (S. 180f.)

Und weiter:

„[Ich] stellte fest, dass Linda Lovelace eine der nachhaltigsten Behinderungen ihrer Aufklärungsarbeit dargestellt hatte. Sie gaben mir zu verstehen, dass ihnen, wo immer sie sich auch gegen Pornographie aussprechen mochten, immer wieder von neuem der Name „Linda Lovelace“ entgegengehalten wurde“ (S. 181)

Durch die Bekanntschaft mit der Frauenbewegung, bei der Linda Boreman sich gut aufgehoben und verstanden fühlte, änderte sich vieles. Nachdem in der Ms ein Leitartikel zu ihrem Schicksal erschienen war, trat man ihr anders gegenüber – mit Respekt. Auch die Presse begann anders zu berichten. Sie schreibt:

„Zum ersten Mal begann ich die Presse schätzen zu lernen. […] Mit einem Mal hatte ich auch mit Journalisten zu tun, die nicht nur intelligent waren, sondern sich auch engagierten. […] Die Leute hörten mir zu und taten mich nicht von vornherein ab. Sie verstanden mich und glaubten mir.“ (S. 186)

Zur Entschuldung trugen die nun fließenden Tantiemen jedoch nicht bei, denn jegliches Geld der nunmehr Bestsellerautorin floss in die Taschen des von Traynor seinerzeit eingesetzten Anwalts Philip Mandina. Inzwischen wurde Linda von immer häufigeren Flashbacks heimgesucht, bis hin dass sie ihren Partner für Traynor hielt.

Ihre Veröffentlichungen stießen nun auf großes Interesse, insbesondere in Schweden:

„Während meines Aufenthalts in Schweden signierte ich an einem Tag 425 Bücher; das sind mehr Exemplare als von einem Pulitzer-Preisträger, der Schweden einen Besuch abstattete, oder von einem der beliebtesten Fernseh-Stars des Landes verkauft wurde.“ (S. 219)

Auch in Norwegen zeigte sich ein ähnliches Bild, das Buch war sogar schnell vergriffen. Viele Frauen, denen ähnliches widerfahren war, nahmen Kontakt auf und bedankten sich.

Als einen ihrer schönsten Momente bezeichnet sie die Aufnahme in die New Yorker Gruppe „Frauen gegen Pornographie“ und die Boykott-Aktionen gegen den Film Deep Throat, der immer noch überall öffentlich gezeigt wurde (und noch heute käuflich zu erwerben ist). Sogar von der juristischen Fakultät der Yale Universität wurde er seinerzeit öffentlich gezeigt. Hier zeigte der Protest Wirkung: Die Universität war die erste einer Reihe von Universitäten, die auf Grundlage des Protesten den Film wieder absetzte.

Höhepunkt der Proteste war eine Demonstration in Manhattan, an der Hunderte von Personen teilnahmen. Da die Geburt von Lindas zweitem Kind bevorstand, konnte sie selbst nicht daran teilnehmen. Sie fand sich aber gemeinsam mit Andrea Dworkin, Susan Brownmiller und den anderen hinterher im von Presse überlaufenen Hauptquartier der Anti-Pornographie-Bewegung ein:

„An diesem Tage sollte ich mich der Freundschaft und Unterstützung zahlreicher anderer Frauen versichern können. […] Für mich war das der Anfang von etwas ganz Neuem. Ich bekam allmählich das Gefühl, dass es durchaus möglich war, die Welt (wenn auch nur in sehr bescheidenem Umfang) zu ändern“ (S. 231f)

In Folge absolvierte sie gemeinsam mit Kathleen Barry, der Autorin von „Sexuelle Versklavung von Frauen“, zahlreiche Fernsehauftritte und Veranstaltungen:

„Leute wie Kathleen Barry sollten es sein, die es verstanden Erfahrungen wie die meine in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang einzuordnen und für mich und andere verständlicher zu machen. Sie wußten mehr über mich – und über die Frauen, die ähnliches durchgemacht haben – als ich selbst. Und wenn sie über diese Frauen spricht, lerne ich wieder jedesmal von neuem eine Menge über mich selbst.“ (S. 235)

Linda Boreman berichtet auch über ihre tiefe Freundschaft mit der feministischen Juraprofessorin Catharine „Kitty“ MacKinnon.

Bis zu ihrem Tod im Jahr 2002 im Alter von 53 Jahren engagierte sie sich für die Abschaffung der Pornographie. Sie wurde vom US-Kongress angehört und glaubte fest an das Erreichen des gemeinsamen Ziels.

Wenn wir über die Mitverantwortung der Gesellschaft für das Leid in der Sexindustrie nachdenken, sollten wir niemals Lindas Worte vergessen:

„Linda wurde zwar gezwungen zu lächeln, aber kein Zuschauer wurde gezwungen, dieses Lächeln für bare Münze zu nehmen“ (S. 8)

Niemand hindert uns daran, auch heute noch diesen kritischen Blick zu wahren – nur allzu oft erleben wir es doch, dass uns als (Radikal-)Feministinnen die vermeintliche sexuelle Befreiung von Frauen in der Pornoindustrie entgegen gehalten wird. Die Mechanismen, die damals funktionierten, funktionieren auch heute noch.

Der Unterschied: Auch Frauen (und Männer), die sich als feministisch bezeichnen tragen diese Sichtweise unkritisch mit.

3 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen abermals sehr guten und tief bewegenden Artikel. Ich bin entsetzt und erschüttert über diese Einblicke. Und doch wundert mich das alles kein Stück. Denn ja, wie Linda schon schreibt: „Überall gibt es Chucks, und etwas von Chuck steckt in vielen Menschen“ Dies ist leider auch meine Erfahrung. Schön, daß sie am Ende wenigstens Unterstützung und Freundschaft in einem Kreis von Frauen gefunden hat. Denn leider ist es auch mit der Solidarität unter Frauen oft nicht weit her. Nicht einmal in Beratungsstellen und Hilfsorganisationen, die sich eigentlich die Solidarität mit Frauen in derlei Situation auf die Fahnen geschrieben haben. Die unheilvolle Stutenbissigkeit unter Frauen ist für Betroffene leider oft ein weiteres Problem auf ihrem Leidensweg. Egal, ob in der eigenen Familie, in der Therapie, in Beratungsstellen oder gar vor Gericht. Ein Thema, dem leider viel zu wenig Beachtung geschenkt wird.

  2. Ich könnte kotzen! Kinder- Frauen – und Tierquäler werde überall geschützt. Auch von “ganz oben”. Warum? Weil der Lustgewinn des Mannes zusammen mit Geld die Welt regiert. Mit andern Worten: Psychopathen und Sadisten. Den Frauen wird nicht geglaubt…… es will auch niemand wissen ob sie überleben oder nicht. Die Seelen der Frauen, Kinder und Tiere werden ebenfalls zu Tode geschunden; und alle schauen weg. Warum sich Männer am Quälen von Schwächeren aufgeilen ist immer noch nicht beantwortet. Warum er sich auch noch was darauf einbildet, auch nicht.

  3. Es ist wirklich schockierend, da fehlen mir dir Worte…die Menschen müssen endlich ihre Augen öffnen !

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