Ein Gastbeitrag von Juliane Beer
Innerhalb der letzten Jahre ist einiges rund um das gesellschaftliche Konstrukt Mutterschaft publiziert worden, beispielsweise zum Thema Bedauern der Mutterschaft, gewollte Kinderlosigkeit, Mutter-Tochter-Verhältnis usw.
Ein Thema kommt jedoch nach wie vor zu kurz, sowohl im Mainstream als auch in der feministischen Diskussion: psychisch kranke Mütter, die schwere Gewalt gegen ihre Kinder ausüben.
Woran liegt das?
Nach wie vor ist das Mutterbild unserer Gesellschaft vom Patriarchat konzipiert. Die ideale, die heilige Mutter ist die Frau, die Mutterschaft anstrebt und in der Pflege, Sorge und Erziehung ihrer Kinder aufgeht und diese liebt.
Die Erwartungen sind hoch. Berufstätigkeit oder Verzicht auf Mutterschaft muss vom Patriarchat zugestanden oder zumindest als Möglichkeit erwogen werden, sonst taucht eine Diskussion darüber erst gar nicht in den sogenannten meinungsbildenden Medien auf, bzw. wird, wie letztes Jahr geschehen beim Thema regretting motherhood (ausgelöst wurde die Diskussion durch die 2015 veröffentlichten Studie der israelischen Soziologin Orna Donath über Frauen, die es bereuen, Mutter geworden zu sei) als ´Rumgeheule narzisstischer Frauen, die sich beim Ichsein gestört fühlen ´ abgebügelt.
Frauen, die sich damals in den Kommentarspalten und Internetdiskussionsforen ebenfalls dazu bekannten, ihre Mutterrolle negativ zu erleben, schlug viel Unverständnis bis starke Aggression entgegen.
Wie würde da erst eine (vom Patriarchat genehmigte?) Diskussion zum Thema Mütter, die an der Borderline Persönlichkeitsstörung* leiden und körperliche oder seelische Gewalt gegen ihre Kinder ausüben, aussehen?
Bei der Borderline-Störung handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität von Emotionen und Stimmung, der Identität sowie zwischenmenschlichen Beziehungen charakterisiert ist. Es handelt sich um ein schwerwiegendes psychiatrisches Krankheitsbild, das auch als emotional instabile Persönlichkeitsstörung des Borderline-Typs bezeichnet wird.Quelle: Psychiatrie im Netz
Zur Ursache der Borderline Persönlichkeitsstörung sagt die Hirnforschung u.a.:
In einer umfangreichen Metaanalyse von 2014 zeigte die Auswertung von Studien mit bildgebenden Verfahren (Gehirnscans), dass bei BPS grundsätzlich – bei verschiedenen Tests der Kontrolle von Impulsivität – eine Tendenz zu Unterfunktionen im Präfrontalen Cortex vorliegt. Dies betrifft insbesondere die orbitofrontalen und dorsolateralen Bereiche (OFC und DLPFC).[33]
Hippocampus (Gedächtnisfunktionen) und Amygdala (Gefühlsreaktionen) haben ein tendenziell reduziertes Volumen, und Fehlfunktionen des frontolimbischen Netzwerks – Präfrontaler Cortex, Hippocampus und Amygdala – gelten als Ursache für die meisten, oder gar alle, Symptome von BPS.[42]
Quelle: Wikipedia
Bei der Borderline Persönlichkeitsstörung handelt es sich laut Forschung also nicht um eine ansozialisierte `Frauen-Störung´, denn auch Männer leiden daran.
Recherchiert man im Netz zum Thema fällt auf, dass zum Thema Mütter und Borderline in den letzten Jahren immerhin auf Fachseiten zögerlich dann und wann publiziert wurde, zum Thema Väter und Borderline aber so gut wie gar nicht. Umgekehrt findet man mehr Material zum Thema Borderline Störung bei Männern als zum Thema Borderline Störung bei Frauen (die nicht Mütter sind). Beides ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Vaterschaft nicht so sehr im Sinne von: für das Wohl des Kindes zuständig sein wahrgenommen wird wie Mutterschaft. Das Thema Borderline bezieht sich wiederum in den meisten Publikationen auf die Mutter und nicht auf die Frau. Ist das ´abnormale´ Verhalten der Frau also erst einer konkreten Diagnose würdig, wenn sie Mutter geworden ist?
Es sei dahingestellt.
Drängender erscheint mir die Frage, warum das Thema Borderline Persönlichkeitsstörung bei Müttern/Gewalttätigkeit gegen Kinder in der feministischen Diskussion kaum vorkommt.
Aus Furcht, sich zu verrennen? Die ´Mütter sind an allem Schuld´ – Diskussionen sind schließlich so erschöpfend wie banal.
Aus Furcht, den Gewaltbegriff, der, besonders wenn es um physische Gewalt geht, nach wie vor weitgehend männlich besetzt ist, neu überdenken zu müssen?
Aus Widerwillen, Frau, die jahrhundertelang als per se schwachsinnig galt, überhaupt diagnostizieren zu wollen?
Ähnlich unsicher bis verzweifelt klingen auch die wenigen in Buchform erhältlichen Berichte von Töchtern über die Kindheit mit einer an Borderline erkrankten Mutter, die Gewalt ausübte. Unsicher wohl deshalb, weil immer die unausgesprochene Frage mitschwingt, ob es überhaupt rechtens, vertretbar, angemessen ist, über das Thema zu schreiben oder ob man sich nicht vielmehr der Denunziation schuldig macht. Dass eine Frau, die Gewalt in welcher Form auch immer erfahren hat, sich diese Frage überhaupt stellen muss, ist nicht neu, aber selten ist eine andere Frau, und dann noch die eigene Mutter, die Täterin. Vergegenwärtigt man sich noch einmal das weitgehende Schweigen von allen Seiten zum Thema, verwundert es auch nicht, dass die Berichte betroffener Töchter eine gemeinsame Frage eint: Gesellschaft, warum hast du nicht geholfen? Warum habt ihr, selbst ihr Psychiaterinnen und Ärztinnen und Therapeutinnen wie verabredet kollektiv weggeschaut?
Was ebenfalls auffällt ist, dass es verschwindend wenige Publikationen über/von Söhnen mit an Borderline erkrankten Müttern gibt. Richtet sich die Gewalt also häufiger gegen Töchter? Oder schweigen betroffene Söhne? Wenn ja, warum?
Die erkrankte Frau und Mutter zu decken kann keinesfalls die Lösung sein. Was dann? Wäre es nicht wichtig, dass sich die feministische Diskussion des Themas annimmt, bevor die konventionelle Psychiatrie es für sich entdeckt?
Soeben sind zwei neue Bücher zum Thema erscheinen.
Im Gegensatz zu dem wohl bekanntesten Titel Ich, Rabentochter von Katharina Ohana, in dem sich die Autorin durch distanziertes, literarisches Erzählen vor einem möglichen Vorwurf der Denunziation schützt, sind die beiden Bücher
Fenya Finnegans Im Land der Schneekönigin
sowie
Heile Ahrendt Wie ich dazu kam, meiner Mutter den Tod zu wünschen
von einer tagebuch-artigen Subjektivität. Dass es nicht darum geht, gegen Mütter zu hetzen wird von Finnegan im Klappentext noch einmal ausdrücklich erwähnt, was nicht nötig gewesen wäre, aber eben einmal mehr zeigt, wie leicht sich hier das Opfer zur Täterin machen kann, möchte man in der Opfer/TäterIn-Logik denken.
In Finnegans Im Land der Schneekönigin – Nach dem Leben mit einer Borderline-Mutter geht es um die Zeit nach dem Auszug der Autorin aus dem Elternhaus. Das Buch beginnt mit einer kurzen Darstellung der Kindheit, psychische und seelische Gewaltorgien werden angedeutet. Nicht, dass man als Leserin versessen darauf ist, diese plastisch vorgesetzt zu bekommen, jedoch sind die Kindheitsbeschreibungen derart blass, dass ein Bild der Personen Mutter und Vater, die Beziehung zwischen den beiden, der gesellschaftliche Hintergrund auf einem Dorf in der ehemaligen DDR, der Alltag, die soziale Situation der Familie, Arbeitssituation, die Geschwister usw. schwer zustande kommt. Über letzte erfährt man, dass sie überhaupt nicht traumatisiert aus der Kindheit hervorgehen, dies zumindest behaupten, eine Textstelle, die stark verstört. Der Vater erscheint als Schemen, der gegen seine gewalttätige Frau nicht ankommt. Man erfährt, dass er Saufkumpane mit nach Hause bringt, die dem Mädchen Finnegan unangenehm sind und zu späteren Flashbacks führen, sobald sie Alkoholfahnen riecht. Die Kindheit wabert nicht greifbar durch den ersten Teil des Buchs, und als die Autorin nach und nach zu erwähnen beginnt, ihre Kindheit auslöschen und ungeschehen machen zu wollen, begreift man, warum die Erinnerungen so unplastisch niedergeschrieben sind.
Nach Verlassen des Elternhauses wird der Text zu einem einzigen Aufschei. Emotionsfetzen im Sekundentakt: Angst vor Zusammenbruch, andauernder Kampf und Eigenbeschwörung gegen Erinnerungen und Depressionen. Das Ringen darum, dass die eigenen Gefühle nicht falsch sind, wie die Mutter es jahrelang suggerierte. Dass man nicht selbst Schuld ist an dem, was geschah. Schlecht geschulte `Helferinnen ´wie ÄrztInnen und TherapeutInnen, wo immer die Autorin Hilfe erhofft. Immer noch das Wegschauen, das nicht wahrhaben wollen einer misshandelnden Mutter in Krankenhäusern und Therapieeinrichtungen. Diagnosen nach Schema X. Zwischendurch ein Strohhalm in Form einer Selbstsuggestion, die für eine kurze Zeit über schlaflose Nächte und wie in Trance verbrachte Tage hinweghilft. Und die ganze Zeit kreist alles um den Ausweg Selbstmord. Es herrscht tiefe Verzweiflung, möglicherweise nie ´normal´ leben zu können. Auffallend ist hier, dass die Gesellschaft, die doch all die Gewalt und Aggression und Repression ebenfalls verkörpert, zwar nicht so konzentriert wie die kranke Mutter, sondern eben verdünnt und verwässert, aber deshalb nicht minder zerstörend, von der Autorin als das `Normale´ bezeichnet wird. Finnegan strebt danach, sich so gut wie möglich anzupassen. Sie schafft mit Hilfe von Medikamenten einen höheren Schulabschluss, ein Studium, den Berufsalltag. Doch alles um den Preis, jeden Moment zusammenzubrechen, weil die Anforderungen für eine schwer traumatisierte Frau zu hoch sind. Die Leistungsgesellschaft zwingt erneut, die eigenen Bedürfnisse zu verleugnen, so, wie das Mädchen im Umgang mit der kranken Mutter seine Bedürfnisse hinten an stellen musste. Ein Ausbrechen wird von der Autorin zwar erwägt und versucht, aber als eine Art verrücktes Handeln empfunden. Das erschüttert, man möchte Finnegan zurufen, dass nicht Selbstbestimmung und Befriedigung eigener Bedürfnisse verrückt sind, solange man Mitmenschen dadurch keinen Schaden zufügt, sondern die Gesellschaft in ihrem momentanen Zustand das Verrückte ist. Folgerichtig, dass psychisch erkrankte Frauen und Mütter hier keine effektive Hilfe erhalten, tragischerweise um so weniger, um so mehr von diesen nach Anpassung gerungen wird.
Das Buches endet zuversichtlich. Finnegan sei Menschen begegnet, die helfen konnten. Sie werde weiterkämpfen.
Im Buch von Heike Ahrendt
Wie ich dazu kam, meiner Mutter den Tod zu wünschen
geht es um subtile psychische Gewalt. Die Mutter ist Anwältin und beruflich eingespannt. Ihre Tochter wird von ihr parentisiert, d.h. die Mutter-Tochter-Beziehung wird umgekehrt. Die Autorin, die von sich selbst in der dritten Person spricht, hat sich, obwohl selbst chronisch krank, um das Wohl der Mutter zu kümmern. Ihre eigene Erkrankung ist kein Thema.
Immer wieder schmeißt die Mutter Spielzeug oder liebgewonnene Dinge der Tochter weg, ohne diese vorher zu fragen. Diese und andere Szenen lesen sich stark befremdend, da die Mutter einerseits erfolgreich als Anwältin arbeitet, sich anderseits ihrer Tochter gegenüber verhält wie ein verstörtes Kind.
Der Vater leidet an Schizophrenie mit Wahnvorstellungen, verschwindet zwischenzeitlich in der Klinik, es kommt zur Scheidung der Eltern. Die Tochter ist ihm dennoch mehr zugetan als ihrer Mutter, ohne dass er ihr beistehen kann.
Auch bei Ahrendt wird wieder thematisiert, dass die Umwelt und ´professionelle´ HelferInnen mehr oder weniger versagen. Auch hier muss die Tochter mühsam lernen, dass sie weder für die Krankheit ihrer Mutter verantwortlich ist, noch für die erlittenen Misshandlungen, und hat es intellektuell wohl auch begriffen, emotional aber (noch) nicht, wie man zwischen den Zeilen zu lesen meint.
Auch wenn die Mutter bei Ahrendt keine körperliche Gewalt ausübt spricht aus beiden Büchern Ratlosigkeit, wie das Leben nach so einer Kindheit gemeistert werden soll. Und noch mal: zusätzlich müssen die Autorinnen sich damit auseinander setzen, dass sie sich mit ihren Berichten auf dünnem Eis bewegen. Es wird hier nicht etwa der gewalttätige Vater angeklagt, was durch zahllose männliche Promis von Kafka bis Michael Jackson beinahe schon salonfähig geworden und einer öffentlichen Diskussion wert ist, sondern es wird nicht weniger als das heilige Mutterbild unserer Gesellschaft ins Wanken gebracht: Ja, eine Mutter kann so sehr erkranken, dass sie schwerste Gewalt gegen ihre Kinder ausübt.
Der Dichter Christian Morgenstern nannte es Die unmögliche Tatsache: „Weil […] nicht sein kann, was nicht sein darf.“
©Juliane Beer
Orna Donath Regretting Motherhood – Wenn Mütter bereuen
Albrecht Knaus Verlag (4. Februar 2016) ISBN-10: 381350719X
Katharina Ohana, Ich, Rabentochter
Nymphenburger; (12. Dezember 2013) ISBN-10: 3485012238
Fenya Finnegan Im Land der Schneekönigin Nach dem Leben mit einer Borderline-Mutter
Marta Press (6. Oktober 2015) ISBN-10: 3944442504
Heike Arendt, Wie ich dazu kam, meiner Mutter den Tod zu wünschen
Marta Press (6. Oktober 2016) ISBN-10: 3944442490
Beide Bücher klingen sehr interessant. Allerdings wäre es gut zu erfahren wie viele Betroffene es gibt und wie viele davon tatsächlich (schwere) Gewalt gegen ihre Kinder anwenden. In der Rezension klingen die Mütter selbst extrem überfordert, belastet mit einem trinkenden oder psychisch kranken Mann. Wie war ihre Kindheit? Es ist bekannt, dass das Gehirn sich an Stressfaktoren anpasst, was war also zuerst da? DIe Belastung oder die Störung? Die mir persönlich bekannten Borderliner waren schwer traumatisiert…
Ein Grund, warum diese Thematik so „totgeschwiegen“ wird, könnte die momentane Situation von nicht perfekt funktionierenden Frauen in unserem Jugendamtssystem sein. Während selbst schwerste Abhängigkeiten, psychische Erkrankungen und Gewalttätigkeit bei Männern toleriert oder klein geredet werden, bekommen Frauen, die offen mit ihrer Erkrankung umgehen, selten Hilfe, sondern laufen Gefahr ihre Kinder dauerhaft zu verlieren. So wachsen auch die Kinder mit der Verpflichtung zur Verschwiegenheit auf.
Vielen Dank für diesen Artikel!
Es ist schwierig dieses Thema zu behandeln. Eines stimmt jedoch nicht: in der Selbsthilfeliteratur wird das Thema durchaus angesprochen. Ob das nun bei Hans Joachim Maaz ist, oder in dem Buch „Traumaheilung“ erschienen im Trias Verlag. In beiden wird das Thema Kinder psychisch kranker Eltern bzw. Mütter aufgegriffen. So fern ich mich erinnere wird von Maaz auch gefordert, dass diesen Müttern geholfen werden muss mit ihrem Leben klar zu kommen. Zum Wohl er Kinder. Auch in der Säuglingsforschung wird der Umgang der Mutter mit dem Kind untersucht.
Natürlich ist dieses Thema ein Tabu. Auf der einen Seite, weil eben das Bild der heiligen und vor allem glücklichen Mutter überdacht werden muss. Auf der anderen Seite denke ich, dass hier womöglich die Gefahr besteht den „neuen Vätern“ in die Hand zu spielen. Und davor haben vermutlich viele Frauen/Mütter berechtigterweise angst. Wäre es nicht ein leichtes für die Väter, den Müttern mit Borderlinestörung „die Kinder wegzunehmen“? Natürlich stellt sich hier die Frage des Kindeswohles. Leider wird fast jede Mutter sagen, dass das Kind bei ihr am besten aufgehoben ist. Auf der anderen Seite ist ja auch bekannt, dass es in den ersten Jahren fast keine Rolle spielt wie die Eltern ihr Kind behandeln, das Kind wird die Eltern trotzdem lieben.
Darüber hinaus denke ich, dass dieses Thema kaum behandelt wird, weil wir eigentlich garnicht wissen wie ein wirklich gesunder Umgang mit Kindern aussieht. Und „kranke Mütter“ sind weit verbreitet, in allen Gesellschaftsschichten. Ein Stück weit herrscht hier halt die Meinung, dass man da nix machen kann. Die Kinder tun einem halt leid, aber das wars dann auch. Wichtig sind für die breite Masse doch andere Dinge. Ich glaube, dieses Thema wird vom Patriarchat gedeckelt, weil es so eng verbunden ist mit all den anderen Problemen des Patriarchats. Und weil man durch die Beschäftigung mit diesem Thema womöglich wieder an den Grundfesten des Patriarchats und der Rollezuschreibungen rütteln muss.
Das beste wäre eine intensive Betreuung von Mutter und Kind. Natürlich nur von geschulten Fachkräften. Das wäre mal eine Investition in die Zukunft der Menschheit!
Ich finde den Gastbeitrag sehr interessant. Allerdings glaube ich, hat Frau Beer in einer Hinsicht die falschen Schlüsse gezogen. Es gibt sicher viel mehr Forschung über Borderline-Männer, weil es viel mehr männliche als weibliche Borderliner gibt. Nur: Väter sind heilig. Über die darf nichts Schlechtes geschrieben werden. Das verkauft sich nicht, ist bäh. Mütter, bzw. Mutterschaft, die Frau Beer dagegen als heilig bezeichnet, ist in diesem Land in dieser Zeit alles andere als heilig. Auf der Mutter darf herumgetrampelt werden. Je mehr, desto besser, und desto größer die Verkaufszahlen solcher Bücher. Aufgrund meiner Arbeit in einer Mütterinitiative und aufgrund eigener persönlicher Erfahrungen würde ich grundsätzlich bestätigen(eine der Autorin schreibt dies), dass eine Persönlichkeitsstörung eines Elternteils eine Kindheit und ein ganzes Leben mehr zerstört als eine schwere psychische Erkrankung oder eine Psychose der Eltern. Die Borderline-Störung ist auch auf Initiative von Väterrechtsvereinen inzwischen bekannt. Mütter, die sich in Selbsthilfegruppen von Müttervereinen zusammenfinden, berichten ähnlich Zerstörerisches von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung vieler, wenn nicht der meisten Kindsväter, die in Zusammenhang von ihren hochkonflikthaften Trennungen genannt werden. Diese Persönlichkeitsstörung oder überhaupt eine Persönlichkeitsstörung eines Vaters darf es aber niemals geben, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Wer sie in einer Beratung oder beim Jugendamt anspricht, hat sich selbst als Mutter ein Bein gestellt und quasi „schon verloren“.
Danke für den Artikel!
Meine Mutter ist 76 Jahre als und durch den Zweiten Weltkrieg schwer traumatisiert. Ihren „Krieg“ in sich hat sie an mich weitergegeben in Form von psychischer Gewalt und zehn Jahre lang physischer Gewalt.
Meine Folge davon ist eine posttraumatische Belastungsstörung.
Das Thema transgenerationale Weitergabe von Traumatisierungserfahrungen finde ich sehr wichtig, um diese Erfahrungen aufzuarbeiten, die Kette zu durchbrechen etc..
Ich habe zwei erwachsene Töchter und wenn wir meine Mutter besuchen, können wir sie in ihrer Ganzheit sehen: es ist ebend komplex. Aber wir haben auch Jahre der Aufarbeitung benötigt. Ich habe alle Bücher verschlungen, um von anderen zu lesen.
Empfehlen möchte ich noch das Buch/den Film „Meine liebe Rabenmutter“ von Christina Crawford und das Buch „Borderline-Mütter und ihre Kinder“ von Christine Ann Lawson. Letzteres hat mir die Augen geöffnet.
Es gab Zeiten des Kontaktabbruchs, des Stalkings durch sie, Enterbung etc., in der Gesellschaft ist das Thema auch heute noch ein Tabu.
Wer sich mit psychischen Erkrankungen mal genau befasst,wird schnell feststellen,dass sich alle Diagnosen sehr ähnlich sind.Und wenn man sich mal die Welt genau anguckt,wird man auch schnell feststellen,dass man im Prinzip jedem Menschen so eine Diagnose verpassen kann,weil nämlich niemand perfekt ist und irgendwie alle Menschen auch mal Dinge,die vielleicht nicht so schön sind.
Ich halte von solchen Etikettierungen also gar nichts…
Aber wir Menschen „brauchen“ ja irgendwie immer Sündenböcke,damit man sich selbst besser vorkommen kann
Ich möchte voran schicken, dass ich selbst keine Feministin bin, aber das sehr würdige, was FeministInnen geleistet haben, um die Rechte von Frauen zu stärken.
Im Zusammenhang mit meinem ehrenamtlichen Einsatz für Missbrauchsopfer und den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung, sexualisierter Misshandlung und Gewalt, setze ich mich zunehmend mit dem Thema „Von Borderline betroffene Mütter“ auseinander. Beide Bereiche sind meiner Ansicht nach nicht voneinander zu trennen, sondern bedingen sich.
Der Mutterkult, den unsere Gesellschaft betreibt, gehört zu den wenigen kollektiven Vorannahmen, die weltweit und über fast alle weltanschaulichen Grenzen hinweg betrieben werden. Für mich ein Zeichen, dass es sich um ein uraltes und ganz wesentliches, sozial stabilisierendes Element handeln muss. Oder anders ausgedrückt: wer den Glauben an die grundsätzliche Bereitschaft von Müttern, sich für ihre Kinder aufzuopfern in Frage stellt, muss sich warm anziehen. Zuletzt hat das ja Frau Donath zu spüren bekommen. Eng miteinander verwandt sind der „Mutter-Mythos“ und die Annahme, Frauen repräsentierten das Gute und den sozialen Fortschritt. Etwas überspitzt ausgedrückt transportiert das: ließe man Frauen nur machen, wie sie wollen, hätten sie Ruckzuck die Welt verbessert, wenn nicht sogar gerettet.
Viele von denen, die mit einer psychisch kranken bzw. in ihrer Persönlichkeit gestörten Mutter aufwachsen mussten, können über solche Thesen nur den Kopf schütteln. Gerade wer gar als Kind von solchen Frauen misshandelt, ausgebeutet oder missbraucht worden ist, könnte animiert werden, eine konträre Position einzunehmen. Ich gehe davon aus, dass sich unter den ausgewiesenen Frauenfeinden und –verachtern eine Menge Söhne von Borderline-Müttern befinden. Gemäß den Geschlechtsrollenklischees werden die Überlebensmodi von Jungen, die unter einer persönlichkeitsgestörten Mutter zu leiden hatten und davon geprägt wurden, viel positiver bewertet, als die der Töchter solcher Frauen. Vielleicht ist das der Grund, warum wir die Söhne als Opfer ihrer Mütter so selten auf dem Schirm haben.
Ich bin davon überzeugt, dass eine sachliche und (selbst-)kritische Debatte dem Feminismus nicht schaden wird. Ganz im Gegenteil: einer Öffentlichkeit, die gerade wieder Gefallen an der Spaltung und Polemisierung findet, täte eine von negativen und positiven Vorurteilen befreitete Auseinandersetzung über Geschlechterrollen und Mutterschaft gut.
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer von schwerem sexuellen Missbrauch wurden
Bettina Landmann hat völlig recht. In Medien und Büchern herrscht derzeit das große Mütter-Bashing. Ich finde auch, dass die Sammlung von Büchern nützlich ist – aber die Gemeinplätze „Patriarchat will Frauen nur als gute Mütter“ stimmen so nicht (mehr). Mütter sollen sich nicht so anstellen, sollen alles hinbekommen, finanziell zu 100% auf eigenen Beinen stehen und bereits im Wochenbett „nicht so im Kind klammern“. Das diskriminiert nämlich den Vater. Usw. Traurige Entwicklung.
Hallo liebe Leser,
ich glaube, das ganze System scheint sich nicht die Hände zu reichen. Es muss praktisch rein rechnerisch mit der Menschlichkeit immer wieder eskalieren. Wo passiert dies? Immer wieder an den „schwächsten“ Stellen. In den „verstecktesten“ Ecken, damit es nicht so auffällt. Wenn dabei das Gericht noch von Unzurechnungsfähigkeit spricht, hat nicht richtig hingeguckt. Der Vater kommt von der Arbeit, auf der Arbeit funktioniert er und lässt alles negative zu Hause raus. Seine Kollegen sind seine Existenz-Kontakte. An denen lässt er kein krummes Wort. Dort lacht er, nimmt seine Aufgaben stets einwandfrei wahr. Eine Maschine von Mann. Das Kind dreht nach der Schule komplett am Rad, weil es dort ständig still sitzen muss und den Mund halten muss. Alles Lebhafte wird aberzogen, für die Zeit in dem Unterricht. Die Mutter bekommt von allen Seiten die Emotionen ab, wenn die anderen nach Hause zurück kehren, reagiert von Jahr zu Jahr mit immer mehr Eigenschutz, vielleicht sogar schon „krankhaft“. Es wird rücksichtslos Erwartung an die Menschen gestellt. Rücksichtslos im Sinne: „Angeblich funktioniert das System bei den meisten Fällen, dann ist das System richtig, nur die Menschen sind hin und wieder falsch/fehlerhaft.“ Aber das ist weggucken auf höhster Ebene, denn man kennt schon Auslöser (Alkohol, Stress, Armut, und eine überforderte Beratungsstelle soll hilfreich sein), warum immer wieder es irgendwo zu eskalieren scheint. Sagst du nichts heißt es: „Reden hilft!“. Sagst du immer rechtzeitig etwas heißt es: „Sei nicht immer so negativ oder bist immer nur am nörgeln!“
Oft werden die Auslöser schon länger gelebt, sind längst kein I-Tüpfelchen mehr, die das Fass zum überlaufen bringen. Es läuft einfach irgendwann über und dann wirds hektisch, dramatisch usw.
Es eskaliert halt einfach nur heftiger als je zuvor, weil das Überlaufen einen den Platz (zum Entfalten, zum Atmen, zum Lachen) wegnimmt. Genauso, wie es politisch schon länger schief läuft, ist das Überlaufen nicht mehr weit weg. Man kann es weiter für gut reden, man kann aber auch einfach mal denen zuhören, die sachlich und differenziert Alarm schlagen.
Auf den Seiten von Bewertungen über Erfahrungen in Kliniken wollten Therapeuten, dass einige Kinder von zu Hause raus kommen, die Mütter wurden laut und erbost, die Kinder waren sicherlich grenzenlos überfordert dazwischen und wussten nicht mehr, wie sie noch reagieren konnten. Stelle ich als Kind die Mutter ruhig, die es nicht mehr aushält, tue ich so, als hätte ich als Kind nie etwas gesagt zu dem Therapeuten oder ist mir als Kind überhaupt bewusst, was ich da in der Klinik über mein erleben/ergehen im Elterhaus gesagt habe? Was muss ein Kind eigentlich alles aushalten? Ist uns erwachsenen Menschen das bewusst mit unseren ungehaltenen Reaktionen, nur um unser eigenes Ego und Hab und Gut zu schützen?
Ich wäre froh gewesen, wenn irgendein Arzt/Therapeutin mal den Mumm aufgebracht hätte, mich aus dem Elternhaus rauszunehmen. Es muss den doch aufgefallen sein, dass etwas unstimmig ist. Aber nein, dass ist nicht aufgefallen, weil die wenigsten Menschen so selbstgefällig bei sich sind im hektischen Alltag. Wir befinden uns in einer Spirale des Leistungsdrucks, können kaum noch umsichtig sein und die Erwachsenen sind in der Pflicht sich Hilfe und Unterstützung zu holen, wenn ihnen etwas aus der Kontrolle gerät. Tun wir das nicht, ganz gleich mit welchem Hintergrund (Borderline, komische Neigungen, die sich entwickeln, Aggressionen, die sich entwickeln, übermäßiger Alkoholgenuss, ein Kind was sich auffällig verändert, irgendetwas/irgendjemand anderes der sich verändert). Wer wegguckt, wer zusieht, wer hinnimmt, wer schweigt trotz Wissen, dass etwas schief läuft, trägt die Mitverantwortung. Selten ist es nur ein Mensch, der von einer bestimmten Situation weiß, die so nicht sein sollte und für andere Leben nicht gut ist.
Aus genau diesem Grund werde ich niemals ein Kind in diese Welt setzen.
Es gibt schlichtweg zu wenig Aufrichtigkeit, zu wenig Zeit, zu wenig Menschlichkeit und zu viele normale schöne Seiten der Menschen, des Zusammenseins werden abgewertet und ausgelöscht. Zu viel ist von einer Sache wichtiger und wird empor gehoben. Leistung, Geld und Konsum und alles was stört wird ignoriert. Das ist wie: mit 200 km/h durch die City zu rasen, mit welchen Konsequenzen auch immer. Das ist ja im Straßenverkehr auch nicht erlaubt. Zwischenmenschlich ist es wurscht. Das ist eine Gesellschaft, die ich mit solchen derzeitigen Extremen ablehne. Ich lehne nicht generell den Konsum ab, jeder möchte erleben, etwas tun können, etwas leisten und belohnt werden usw, aber dafür die Menschlichkeit auf der Strecke zu lassen, ist sicher nicht Sinn und Zweck des Lebens. Mit weggucken mach ich nichts weg! Nicht mal mein Gewissen räume ich damit wieder auf. Weggucken kann man nicht rückgängig machen. Mein Vertrauen in die Menschen verliere ich jeden Tag ein bisschen mehr, mit jeder sich mir überzeugten Schlagzeile in den Nachrichten, die ich nur noch mit Überschriften anhöre/lese, weil ich es nicht mehr aushalte. Guckt bitte in Eurem eigenem Umfeld genauer hin. Jeder kann dazu beitragen. Wer sagt, dass nur das Haustier liebevoll umsorgt werden möchte? Jeder möchte dies erfahren. Niemand kann etwas dafür, wenn jemand permanent seine Grenzen missachtet und sich übernimmt und dann nicht mehr gut mit sich und seinen liebenden Menschen umgehen kann. Ich meide diese Menschen, weil die in einen wirtschaftlichen System eingestiegen sind, ohne damit gut umgehen zu können. Und ich sehe es nicht ein, weiter darunter leiden zu müssen. Ich steige schon dabei aus. Ich schreibe nur von denen, die damit nicht umgehen können, die sich trotzdem keine Hilfe holen und andere es spüren lassen.
Das sind nicht IMMER die armen Borderliner, oft sind eher diese Menschen es, die dabei gesund weg kommen, weil andere dabei kaputt gehen. Es ist leicht auf schwächeren Menschen noch etwas drauf zu packen und den Finger auf diese Menschen zu zeigen. Nur ist es mal wieder nicht fair, sondern rücksichtslos und nein, ich bin keine Borderlinerin. Vielleicht konzentriert man sich mal mehr auf die Psychopathen, die selber nicht leiden, dafür aber ihr gesamtes Umfeld. Das ist meine Wahrnehmung.
Ja, mich macht das traurig.
An alle die ständig kämpfen müssen, um ihre unsichtbaren und sichtbaren Narben nicht wieder zu zerreißen: passt gut auf euch auf und achtet stets darauf, wer euch wohlgesonnen ist, wer mit euch fair umgeht und wer glaubt alles besser zu wissen, kann nicht gut sein. Nehmt euch die Zeit und guckt und fühlt genau hin. Euer Bauchgefühl irrt sich nicht, auch wenn man nicht sofort eine Erklärung/Worte dafür findet. Wenn es dir im nahen Kontakt zu Menschen ständig schlecht geht, ist es ziemlich gewiss, dass dir diese Menschen/einer dieser Menschen nicht gut tun.
Liebe Grüße