Ich möchte der Welt mitteilen, was ich erlebt habe, als ich es gewagt habe, für eine Roma-Frau aus der Slowakei (ich nenne sie hier mal N.) Arbeitslosengeld beantragen zu wollen.
N. kam nach Deutschland um Arbeit zu suchen, nachdem sie in der Slowakei wegen Unterernährung mit ihrer Tochter ins Krankenhaus gekommen war und ihr infolgedessen das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen worden war.
Auf der Suche nach Hilfe für sie haben wir folgendes erlebt:
Als wir (also N., eine Übersetzerin ins Englische und ich, die vom Englischen ins Deutsche übersetzte) am Freitag das erste Mal zum Jobcenter gingen, gab uns eine unfreundliche Frau den Antrag und einen Termin gleich montags um 8.00. Am Wochenende füllten wir die Anträge aus und machten dann einen entscheidenden Fehler: Wir machten keine Kopie davon. Wir waren pünktlich da und zogen eine Nummer. Als wir dann derselben Frau wieder gegenüber saßen, schimpfte sie uns sofort aus, wieso wir eine Nummer gezogen hätten. Wir sollten uns doch vorne an der Rezeption melden und dann warten, bis wir aufgerufen würden. Sie hätte uns das doch letzte Woche erklärt. Ne. Das hatte sie nicht. Aber egal. Irgendwann wurden wir dann endlich zur Durchlaucht (ich meine die Sachbearbeiterin, die sich so zu fühlen scheint) vorgelassen. Unfreundlich ebenfalls. N. sei ja noch keine 3 Monate hier gemeldet.
Natürlich nicht, sie habe ja auch unter der Brücke geschlafen. Wir kennen sie aber schon länger als 3 Monate und haben erst jetzt die Anmeldung gemacht. Man muss sich schon ein bisschen kennen, bevor man jemand in seinen Wohnraum aufnimmt. Gut, es gab einiges hin und her Diskutiere. Schließlich bat ich sie darum, mir die Ablehnung schriftlich zu geben. Damit war sie sofort einverstanden.
Wir hatten nicht damit gerechnet, dass dort auf dem Amt jemand bereit ist, Arbeitslosengeld für eine EU-Bürgerin zu zahlen, da sie Anweisung haben, dies nicht zu tun. EU-Recht besagt, dass sie zahlen müssen und EU-Recht ist höher als Deutsches Recht. Dieses Recht muss aber vor Gericht eingeklagt werden. So erklärte es uns eine Beratungsstelle.
Wir legten also Widerspruch ein, fügten insgesamt 6 eidesstattliche Erklärungen bei, von Menschen die N. schon vor dem Datum der Anmeldung hier in der Stadt gesehen haben und stellten etwas später auch einen Eilantrag beim Sozialgericht. Die Antwort vom Sozialgericht kam sehr schnell und als ich den Brief las, bekam ich einen halben Nervenzusammenbruch. Ich konnte es einfach nicht fassen. Es wurde doch glatt behauptet, wir hätten die Anträge gar nicht ab gegeben. Obwohl wir zu dritt beim Amt gewesen sind um sie abzugeben. (Wie sicher müssen die sich fühlen, dass das Gericht 3 Zeuginnenaussagen weniger Glauben schenkt als ihrer Behauptung dass wir sie nicht ab gegeben hätten. Und wie kann das sein? Es ist eine glatte Lüge. Denn wenn sie die Anträge einfach verschlurt hätte, wäre es anhand der Akte zu rekonstruieren. ..) Sie behaupteten N. sei nicht Freizügigkeitsberechtigt, ohne Benennung von Gründen. Und dass sie bei dem Termin gesagt habe, dass sie seit einem Monat hier sei. Das kann sie gar nicht gesagt haben, da sie kein Deutsch spricht… Sie gaben uns eine Woche Zeit zur Stellungnahme.
Wir schrieben dann dass die Behauptungen unwahr seinen. Die Antwort kam wiederum recht schnell. Wir sollten die Anträge noch mal einreichen, noch weitere Beweise beifügen die belegen, dass N. schon seit 3 Monaten hier sei, denn 6 eidesstattliche Erklärungen seinen nicht stichhaltig genug (??) und im übrigen: Das Verfahren habe keinerlei Aussichten auf Erfolg. Zeit zum antworten: 1 Woche.
Daraufhin kontaktierten wir einen Anwalt. Der riet uns zum aufgeben. Wegen der verlorenen Anträge… Auf meine Erwiderung, dass wir doch alle 3 vor Gericht bezeugen könnten dass wir die Anträge ab gegeben haben, fragte er, ob ich denn den Eindruck hätte, dass die Gerichte uns wohlgesonnen seien… Ich musste zugeben. Nein. Den hatte ich nicht…
Dürfen in einem Rechtsstaat die Organe desselben, von Diskriminierung geleitet sein?
Eine andere Erklärung habe ich nicht dafür, dass alles was sonst vor Gericht gilt, hier plötzlich bedeutungslos ist.
Wenn ihr denkt nein, dann bitte verbreitet meinen Text. Schreit es in alle Winde. Hier ist Unrecht!
Und davon ab gesehen: Wollt ihr, dass mitten in Europa Menschen verhungern? N. hat ja Glück, dass jemand überhaupt mir ihr zum Amt geht. Was ist denn dann mit all denen, die ganz alleine diesem System gegenüber stehen? Wie werden die wohl erst behandelt?
Betteln darf sie auch nicht. Ständig kommt die Polizei und jagt sie weg, droht mit Anzeige und wenn sie deswegen eine Anzeige bekommt, dann hat die Ausländerbehörde wiederum einen Grund sie auszuweisen.
Es ist als ob es eine moderne Art und Weise gibt, in Europa Roma auszurotten: Aushungern. Fertig machen. Ökonomisch und seelisch.
N. haben sie in der Slowakei ihre Kinder weg genommen, da sie mit ihrer Tochter wegen Unterernährung ins Krankenhaus gekommen war. Sie sei nicht in der Lage für sie zu sorgen…
Wir hatten Hoffnung, dass sie hier in Deutschland für sich und das Kind sorgen kann. Dass sie Boden unter die Füße bekommt.
Bitte! Wir alle müssen diese Menschen schützen. Es reicht! Über 1000 Jahre Verfolgung sind genug! Ihre Musik, ihre Tänze, ihre Tarotkarten nehmen wir gerne. Aber um die Menschen will sich kaum jemand kümmern…
Ein interessanter und erbaulicher Film über die Reise der Roma, ihre Tänze, Musik und auch ihre Verfolgung, ist von Tony Gatlif: „Latcho Drom“ auf youtube zu finden.
Wenn Roma verstärkt gejagt werden, ist dies ein sehr schlimmes Vorzeichen. Das war sowohl vor der Hexenjagd der Fall, als auch vor der Nazizeit.
Ende des 15.Jahrhunderts wurden Roma in Deutschland für vogelfrei erklärt. (Sie durften sich nicht niederlassen und durften straffrei ermordet, ausgeraubt, vergewaltigt,..
Schon vor der Nazizeit gab es einen Geist, der dazu führte, dass „wohlmeinende Staatsdiener“ in die Wohnwägen der Roma einbrachen (nachzulesen zum Beispiel in der Autobiographie der Buchela: „Ich aber sage euch“) und den Eltern ihre Kinder entrissen um sie ordentlich im Kloster zu erziehen und ihnen zu „helfen“ anständige Staatsbürger zu werden (das hieß konkret, dass sie zu Dienstmädchen erzogen wurden). Prost!