Aksel Waldemar Johannessen [Public domain], via Wikimedia Commons
Vor einigen Jahren begann relativ unvorhergesehen meine „feministische Sozialisation“. Ich las „Mädchenmannschaft“, zahlreiche Blogs von feministischen Einzelpersonen, abonnierte die Zeitschriften „Missy Magazin“, „an.schläge“ und „Wir Frauen“, kaufte den Unrast- und den Orlanda-Verlag leer und eignete mir sukzessive Wissen an.
In meiner Familie spielten Frauenthemen und Feminismus keine oder eine untergeordnete Rolle. Ganz im Gegenteil wurde ich sehr geschlechtsspezifisch sozialisiert, meine Familie hielt trotz aller Bemühungen an alten und tradierten Rollenbildern fest und war insgesamt sehr konservativ. Wir Mädchen mussten putzen, die Jungs mussten das nicht. Uns Mädchen wurde bestenfalls ein Job in der Care-Arbeit1 zugetraut, die Jungs wurden schon früh auf Wissenschaftswettbewerben für Jugendliche und auf dem Gymnasium gesehen. Mein Großvater war strikter Gegner der gesetzlichen Änderung, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar wurde und propagierte dies entsprechend, meine Mutter übernahm diese Haltung und negierte, dass Vergewaltigungen in der Ehe überhaupt stattfinden. Zugang zu einer akademischen Laufbahn für mich: diese Möglichkeit fand niemals Erwähnung.
Es ist wichtig für mich, diesen Hintergrund zu erwähnen, weil er deutlich macht, dass das feministische Netz und diese „jungen“ Medien mein Nährboden waren und ich als sozusagen Spät-Feministin keineswegs selbstverständlich (durch Familie/soziales Umfeld und/oder anderweitiges Empowerment) in diesen Themenkomplex reinwuchs und ganz im Gegenteil viel Auseinandersetzung und Aneignung von Wissen über feministische Bewegungen und Kämpfe nachholen musste.
Zur „EMMA“ hatte ich kein Verhältnis (erst vor einigen Wochen habe ich mir mein erstes Exemplar als eMagazin gekauft). Das liegt einerseits daran, dass die „EMMA“ und Alice Schwarzer in der feministischen Netz-Community weitgehend als „Geht-Garnicht-Feminismus“ gehandelt werden (und ich das unkritisch übernommen habe), andererseits aber auch daran, dass ich mit einem Teil ihrer Herangehensweisen an bestimmte Themenschwerpunkte nicht d’accord gehe. Es spielt in diesem Artikel keine Rolle, worum es dabei geht.
Der EMMA-Appell
Im Herbst 2013 in Deutschland veröffentlichte die feministische Zeitschrift „EMMA“ ihren Appell gegen Prostitution. Die Thematik zog zunächst weitgehend an mir vorbei, obwohl mich von da an ein permanenentes und untergründig florierendes Unwohlsein begleitete (retrospektiv betrachtet war dies der Vermutung geschuldet, in dieser Debatte irgendetwas Essentielles übersehen zu haben). Weiterlesen