Schlagwort: Diskriminierung

Wider das schlechte Image der Kinderfreien

istockfoto

Ein Gastbeitrag von Verena Brunschweiger, Autorin von „Fuck Porn!

Unfassbarerweise werden in Deutschland Leute, die sich bewusst gegen die Reproduktion entscheiden, immer noch belächelt, kritisiert, angestänkert – und leider auch ganz konkret diskriminiert. Warum maßen sich selbstgerechte Personen das eigentlich an?!

Wahrscheinlich glauben sie immer noch an mindestens eins der folgenden Klischees.

1. Kinderfreie sind egoistisch.

Ganz im Gegenteil! Kinderfreie sind in der Regel sehr breit aufgestellt und engagieren sich in einer Vielzahl von Aktivitäten, die meist größeren Gruppen zugute kommen. Zum Beispiel im Tierschutz, im feministischen Bereich usw.

2. Kinderfreie sind im Alter einsam und allein.

Woher kommen dann die unzähligen einsamen alten Leute in den Heimen? Haben die alle keine Kinder?! Oder lassen sich die etwa nur so selten blicken?

Kinderfreie Leute investieren häufig in dauerhafte, intensive soziale Beziehungen, sodass sie sogar meistens ein dichteres Unterstützungsnetzwerk zur Verfügung haben, wenn sie ein solches brauchen.

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„Mütter unerwünscht“ Christina Mundlos

Buchcover: Mütter unerwünscht

Mütter unerwünscht, Tectum Verlag

Mütter sind unerwünscht bei der Arbeit in Deutschland, genau das beweist Christina Mundlos in ihrem neuen Buch. Mobbing, Sexismus, und Diskriminierung am Arbeitsplatz gegenüber Müttern, und gegenüber Frauen, die noch jung genug sind um Kinder bekommen zu können, sind das alltägliche Geschäft in Deutschland.Die Strategien der Arbeitgeber, ob gezielt oder auf Vorurteilen basierend, sind vielfältig und nicht immer gleich erkennbar, aber sie alle haben das Ziel, Frauen aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. Nicht Frauen sind verantwortlich für die sehr niedrige weibliche Erwerbstätigkeitsquote in Deutschland, sondern die Ursache sind Mobbing und Diskriminierung.

Wie auch in ihrem Buch “Trauma unter der Geburt“ und „Regretting Motherhood“ arbeitet Christina Mundlos mit Erfahrungsberichten von betroffenen Frauen. 25 Frauen unterschiedlicher Berufe und Hintergründe schildern eindringlich, was ihnen gemeinsam ist, nämlich der Versuch von Arbeitgebern sie aus dem Beruf zu drängen. Individuelle Erfahrungen bezüglich Mobbing und Diskriminierung im Kontext von Schwangerschaft und der Rolle als Mutter bei der Arbeit kann als purer Zufall oder persönliche Schwächen abgetan werden, aber die überwältigende Anzahl der Berichte mit genau diesen Erfahrungen kann nicht mehr abgetan werden. Das Private wird sozusagen zum Politischen, denn wenn es so viele Frauen betrifft, dann kann es sich nur um ein strukturelles, gesellschaftliches Problem handeln.

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Bericht aus einer mittelgroßen Stadt im Norden Rumäniens

Familie vor einem kleinen Lehmhaus

Diese Stadt liegt unweit von der ungarischen Grenze. Die ungarische Bevölkerung bildet eine starke Minderheit. Sie wird ausgegrenzt, aber nicht so sehr wie eine andere Minderheit, die Roma Bevölkerung.

Bevor man in die Stadt selbst hinein fährt, reihen sich am Rand der Hauptstraße die Behausungen, die von Bauschutt und Mülldeponie umgegeben sind, und von barfuß laufenden Kindern und Jugendlichen betreten werden. Die Dächer sind aus Blech und die Öffnungen haben keine Türen oder Fenstern sondern höchstens Gardinen, also schließen sie nicht.

Eltern schicken ihre Kinder zur nächsten Mülltonne um Essbares zu suchen, und die gefundenen Müllsäcke werden den Müllberg vor der eigenen Behausung vergrößern. Geschickte Dealer deponieren mit Klebstoff gefüllte Tüten vor den Mülltonnen, damit sie von enttäuschten Kindern griffbereit zu Verfügung stehen, falls nichts Essbares zu finden ist. So werden viele schon im Kindesalter ans Klebstoff schnüffeln herangeführt und sind früh abhängig. Ihre Eltern sind nicht in der Lage, sie in die Schule zu schicken: Da sie selbst Analphabeten sind, können sie die bürokratischen Hürden nicht überbrücken.

Um sich im System Schule zurechtzufinden ist die rumänische Sprache Bedingung. Ungarisch oder Romanes sprechende Familien werden automatisch ausgegrenzt. Die allerwenigsten dieser Familien werden von Sozialämtern besucht oder überhaupt erreicht. Diese Ämter werden chronisch unterbesetzt und schlecht finanziert, unter den SozialarbeiterInnen gilt es als völlig sinnlos, sich um Roma-Familien zu kümmern, weil sie im Winter „eh alles verbrennen“. Ja, die Winter sind hart und es fehlt in den städtischen Vororten an Brennholz. Oft werden Mobiliar und Einrichtungen dem Feuer geopfert. Auch Fensterläden und desgleichen.

Es sind viele Hausbesitzer eher bereit, Wohnungen unbewohnt zu lassen als sie an Roma-Familien zu vermieten. Versteht sich. Sozialwohnungen werden zwar diesen Familien zugewiesen, aber ohne sozialpädagogische Begleitung, sodass es nicht lange dauert, bis auch die Sozialwohnungen genauso unbewohnbar sind.

Resignation ist das geistige Gift dieser Bevölkerung. So von Ausgrenzung und Diskriminierung geprägt, werden ihre Kinder leben wie sie und ihre Vorfahren seit Generationen [wenn nichts geändert wird] – ohne Selbstbestimmung und Autonomie. Weiterlesen

Jedem das Seine? – Willkommen auf Deutsch

Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar.

By Clemensfranz (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Es hört sich an wie ein makabrer, schlechter Scherz, aber es ist wahr: Die Stadt Schwerte möchte Flüchtlinge zukünftig in einem Außenlager des ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald unterbringen wie die WAZ berichtet.

Dies sorgt für berechtigten Zorn des dortigen Flüchtlingsrates und auch zum Beispiel von Geschichtsprofessor Alfons Krenkmann, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte in NRW e.V.: „Das hat einen Beigeschmack, da das ein historisch kontaminierter Ort ist.“ Auf die massive Kritik reagiert die Stadt: gelassen.

Die Unterbringung von Flüchtlingen in Flüchtlingslagern (statt dezentral in eigenen Wohnungen) stößt bundesweit generell auf große Kritik.

Die Women in Exile haben in ihrem Memorandum (wir berichteten) auf die damit verbundenen Gefahren für Frauen, auch und insbesondere in Bezug auf sexuelle Übergriffe, aufmerksam gemacht.

Aber wer noch die brennenden Flüchtlingslager der 90 Jahre vor Augen hat, weiß dass dies längst nicht die einzige Gefahr für die Bewohner*innen ist.

Die Bunderegierung berichtete auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE von 53 Demonstrationen (ab 20 Teilnehmer*innen) vor und gegen Flüchtlingslager vom ersten bis dritten Quartal 2014. Die Mottos reichten von „Asylmissbrauch – Nicht mit uns!“ über „Bürgermut stoppt Asylantenflut“ bis hin zu „Nachtwache zum Schutz der Bevölkerung vor Asylbewerbern“.

Die Zahl der Überfälle, Anschläge, Sachbeschädigungen und tätlichen Angriffe auf Flüchtlingslager belief sich im gleichen Zeitraum auf 95 ! In Worten FÜNFUNDNEUNZIG. In einem Dreivierteljahr. Dabei wurden im dritten Quartal auch erstmals drei Personen verletzt.

Die aktuelle Entwicklung ist beängstigend, die Zahl der Politiker*innen, Medienmenschen und Akteure der Zivilgesellschaft (inklusive Feministinnen), die Verständnis für Bewegungen wie PEGIDA, die den Hass auf Refugees, Sinti und Roma, Muslime oder andere gesellschaftlichen Gruppen immer weiter schüren, ist beängstigend.

Menschen, die sich dagegen auflehnen werden als „Gutmenschen“, „Islamversteherinnen“ bis hin zu „Volksschädlingen“ beschimpft.

Eins ist sicher: Sollte „das Abendland“ (was auch immer das sein soll) „untergehen“, dann sicherlich nicht durch jene die aus der unrühmlichen Geschichte Deutschlands etwas gelernt haben und dem Hass etwas entgegensetzen wollen, sondern durch jene die Hass, Zwietracht und Spaltung säen.

Diskriminierung von Roma und Sinti in Deutschland

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat eine Studie dazu gemacht und am 3. September vorgestellt. Die Tagesschau berichtete. Die Ergebnisse sind deprimierend, aber nicht überraschend.

Aus der Einleitung:

Im Vergleich zu anderen Minderheiten wird Sinti und Roma die mit Abstand geringste Sympathie entgegengebracht, wie die Studie ergab. Jede/r zweite Befragte denkt, dass Sinti und Roma durch ihr Verhalten Feindseligkeit in der Bevölkerung hervorrufen.

„Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Ablehnung bilden zusammen eine fatale Mischung, die Diskriminierungen gegenüber Sinti und Roma den Boden bereiten“, warnte ADS-Leiterin Christine Lüders bei der Vorstellung der Studie. Sinti und Roma würden von einem beträchtlichen Teil der deutschen Bevölkerung nicht als gleichberechtigte Mitbürgerinnen und Mitbürger wahrgenommen. Die Befunde seien dramatisch und der Handlungsbedarf von Politik und Gesellschaft erheblich.

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