Schlagwort: Liberal-Feminismus

Abschied vom liberalen Feminismus

Liberaler Feminismus vs. Patriarchat (Comic)

Dies ist eine Übersetzung des Textes „Leaving Liberal Feminism“ von Kate Leigh mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Ich kann euch – um ehrlich zu sein, nicht mehr sagen, wann ich damit begann, mich der liberal (ausgerichteten) intersektionell-feministischen Denkweise anzuschließen. Sie war einfach Teil meiner Auseinandersetzungsprozesse und in in Folge dessen mein Alltag – online und offline. Ich folgte allen Blogs und Seiten. Ich steuerte Kommentare bei, teilte Inhalte. Ich wies Menschen darauf hin, ihre Privilegien zu überprüfen und darauf, dass auch Männer Feminismus brauchen. Der liberale Feminismus war der einzige, den ich kannte. Eigentlich habe ich mich aber nie als liberale Feministin bezeichnet, obwohl ich seine Haltungen vertrat. Ich bezeichnete mich als „Feministin“, ohne zu wissen, dass es noch andere (feministische) Ausrichtungen gibt.

Mit meinen noch frischen Erinnerungen an das, was mir durch den Kopf ging, während ich diese Überzeugungen vertrat, möchte ich im nächsten Abschnitt versuchen, meine Erfahrungen aus der Zeit der liberal-feministischen Perspektive zu beschreiben. Im abschließenden Teil erkläre ich,  warum ich meine Haltung änderte und wie es dazu kam.

Die liberal-intersektionelle feministische Mentalität

Empowert durch Wahl(möglichkeitkeiten)

Alle Entscheidungen sind gut und richtig, solange du sie wählst. Agency steht an erster Stelle. Wir dürfen niemals Entscheidungen einer anderen Person in Frage stellen. Wir werden das unveräußerliche Recht jedes Menschen, ihre_seine eigene Entscheidungen zu treffen, bis auf den Tod verteidigen und jede_n verurteilen, die_der es unternimmt, diese Entscheidungen in einem größeren Kontext zu analysieren. Als Frauen ist jede Wahl, die wir treffen, standardmäßig eine femininistische Wahl, sofern wir Frauen sind und uns entscheiden. Folglich ist es feministisch, Stilettos zu tragen oder eine „Sexarbeiterin“ [Anführungszeichen von Störenfriedas] zu werden. Jede_r, die_der es unternimmt, das größere Ganze zu diskutieren, muss zum Schweigen gebracht werden, um individuelle Entscheidungen zu verteidigen.

Weil alle Entscheidungen gut und feministisch sind, bin ich unfehlbar in allem, es ist unerheblich, für was mich entscheide. Es ist mein Recht und niemand darf es mir nehmen. Es ist persönlich empowernd und zu verteidigen.

Selbst-Identifikation

Jeder Mensch hat das Recht, sich selbst zu bezeichnen und niemand hat das Recht, die Identität einer anderen Person in Frage zu stellen. Identität ist angeboren und intern; sie kann nicht verändert werden. Identität ist das, was du wirklich bist und immer gewesen bist; sie ist unabänderlich. Jemandes Identität in Frage zu stellen, ist inakzeptabel. Identitäten müssen angenommen, geglaubt und von allen bekräftigt werden. Jemand, die_der es wagt, das Gegenteil zu tun, wird unhinterfragt ausgebuht. Ich bin das, was immer ich behaupte zu sein. Ich bin allein so, wie ich mich fühle. Jede_r hat mich zu akzeptieren. Ich fühle mich empowert.

Privileg und Privilegien-Check

Es existiert ein riesiges und komplexes Privilegien-System. Wir sind alle in bestimmten Bereichen privilegiert und in anderen nicht. Es liegt in jeder Person selbst, eigene Privilegien zu erkennen und das Überprüfen von Privilegien anderer einzufordern. Die_der Privilegierte darf niemals die_den weniger Privilegierteren hinterfragen. Eine weiße Frau beispielsweise darf niemals die Erfahrungen und Entscheidungen einer Schwarzen Frau hinterfragen. Zu Privilegien gehören – (die Sammlung) ist aber nicht darauf begrenzt: männliches Privileg, weißes Privileg, Thin-Privileg (Privileg, dünn zu sein), Able-Privileg (das Privileg, nicht von einer Behinderung/Krankheit betroffen zu sein), ökonomisches Privileg und: Cis-Privileg (das Privileg der Übereinstimmung von biologischem und sozial konstruierten Geschlecht (Gender).

Ich bin mir meiner eigene Privilegien bewusst und überprüfe sie regelmäßig. Ich stelle Menschen zur Rede, wenn sie ihr eigenes Privileg nicht erkennen. Ich fühle mich überlegen und selbstgerecht dabei, für die Verletzlichsten einzutreten. Ich gehe auf die ein, die weniger Privilegien als ich haben und ich gestatte es niemals jemandem, sie_ihn oder ihr_sein Erleben zu hinterfragen. Weil ich Cis bin, darf ich niemals irgendetwas hinterfragen, was mit dem Leben als Trans-Person zu tun hat. Ich bin besser als Menschen, die ihr Privileg nicht erkennen.

Feminsmus ist für alle da

Feminismus ist nichts Exklusives. Wir schließen alle mit ein und nehmen jede_n mit. Wir sind davon überzeugt, dass auch Männer Feminismus brauchen, auch wenn sie den Begriff weder kennen noch erfassen. Frauen stehen nicht im Zentrum des Feminismus, wir sollen es auch nicht werden. Wir alle sollen gleich sein.

Ich bin aufgeschlossener als die meisten Menschen und wieder: ich fühle mich überlegen. Ich denke, dass ich jede_n unterstütze, auch wenn sie (die ich unterstützen möchte) gar nicht wissen, dass sie meine Hilfe benötigen. Weiterlesen