Warum seid ihr nur so still? – DIE LINKE und der Rassismus

Der erste Einsatz der Bundeswehr im Ausland nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus wurde nur möglich durch die Zustimmung der Grünen: Kosovo bedeutete diesbezüglich einen Tabubruch. Wenn selbst die pazifistischen Grünen meinen es ist notwendig, dann kann es ja nicht so schlimm sein, oder?

Die Agenda 2010, die de facto eine Zerschlagung des Sozialstaates (für den Deutschland international bekannt war) bedeutete, war nur deshalb überhaupt erst möglich, weil sich die deutsche Sozialdemokratie dafür verantwortlich zeigte. Wenn selbst die Sozialdemokraten meinen, dass es notwendig ist, dann kann es ja nicht so schlimm sein, oder?

Parteien stehen natürlich immer für mehrere Inhalte, aber jede hat so ihre Kernthemen , bei denen man in aller Regel auf sie bauen kann. Würde man zumindest meinen. In diesen Kernkompetenzen kommt ihren Aussagen entsprechend ein besonderes Gewicht zu. Bei einer Partei die „links“ im Namen trägt sind dies nicht zuletzt antirassistische Positionen. Doch was man diesbezüglich im Moment so teilweise liest und hört, lässt einem doch das ein oder andere Haar zu Berge stehen.

Natürlich werden nun manche sagen: „DIE LINKE war doch schon immer eine Sozialdemokratie light“ oder „Der große Anteil an ehemaligen SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen lässt doch gar nichts anderes erwarten.“

Rechtfertigen diese nicht unzutreffenden Feststellungen nun aber die ohrenbetäubende Stille zu bestimmten die Partei betreffenden Fragestellungen?

Da wäre zum einen die Haltung zu Prostitution, die von führenden Personen in der Partei als „Sexarbeit“ verklärt wird. Es sind zwar überwiegend Frauen, überwiegend Migrantinnen und überwiegend weibliche Migrantinnen aus ethnisch diskriminierten Minderheiten (in Deutschland oft Roma-Frauen), aber dennoch kommt augenscheinlich jenen Personen nicht in den Sinn, dass Prostitution eventuell eine rassistische Komponente haben könnte. Aber okay, Feminismus und LINKE, das ist ein Thema zu dem könnte man leider ohnehin Seiten füllen …

Wäre da noch das leidige Thema Sahra Wagenknecht/Oskar Lafontaine. Lafontaines Positionen kommen nicht wirklich überraschend:

1990 sorgte Oskar Lafontaine als Kanzlerkandidat der SPD für Stimmung gegen „Scheinasylanten“ und „Wirtschaftsflüchtlinge“. Er schlug vor, die bislang vorbehaltlose Asylgarantie des Artikels 16 unter Gesetzesvorbehalt zu stellen. Bereits 1993 wurde die so genannte „Drittstaatenregelung“ eingeführt – die SPD schaffte zusammen mit der CDU unter Lafontaines Wirken das bis dahin als „unantastbar“ geltende Asylrecht – eine Lehre aus unrühmlicher, deutscher Geschichte – de facto ab. Das war die Reaktion auf die brennenden Flüchtlingslager der 90er Jahre – auf einen Rassismus, der sich seinerzeit oft ganz unverhohlen gegen die „Zigeuner“ aus dem Kosovo richtete. Statt sich schützend vor eine ethnische Minderheit zu stellen, die neben den Juden im Dritten Reich ausgelöscht werden sollte, gab man dem antiromaistischen Mob nach und gab das Asylrecht einfach auf. Die „Wirtschaftsflüchtling“-Debatte wiederholte sich ja dann erst kürzlich sehr ähnlich in Bezug auf die (überwiegend) Roma aus Rumänien und Bulgarien.

Auch sei erinnert an Lafonataines Äußerungen aus dem Jahr 2005 zu „Familienvätern und Frauen, die arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen“. Der Begriff „Fremdarbeiter“ stammt aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch – ein gebildeter Mensch wie Lafontaine weiß das. Er hatte genug politische Erfahrung, um seine Worte mit Bedacht zu wählen, so dass man sicherlich nicht von einem Fauxpas, der aus Versehen passierte, ausgehen kann.

Bei Lafontaine, der immerhin aktuell Oppositionsführer im Saarland ist, muss man sich also keine Illusionen machen. Seine Aussagen und Aktionen haben ganz offensichtlich System.

Ganz aktuell sorgt jedoch seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht für besondere Aufmerksamkeit in Sachen Anti-Flüchtlings-Rhetorik. Wagenknecht ist Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. In Zeiten, in denen rassistische Bewegungen wie PEGIDA auf den deutschen Straßen toben und in denen sie und deren verlängerter parlamentarischer Arm, die AfD, gegen Flüchtlinge hetzen und fast täglich Anschläge (mal wieder) im gesamten Bundesgebiet auf Flüchtlingsunterkünfte stattfinden, sollten Wagenknecht und DIE LINKE doch diejenigen sein, die für jene Partei ergreift, die vor Armut, Hunger und Tod fliehen. Als sie im Januar nach den sexuellen Übergriffen in Köln sagte „Wer freiwillig zu uns kommt, hat sich wie ein Gast zu benehmen“, erhielt sie Applaus von AfD-Vize Alexander Gauland. Obwohl sie Gegenwind vom Parteivorstand bekam, legt sie nun aktuell nach und spricht wie Lafontaine bereits im November von „Kapazitätsgrenzen und Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung“. Die CSU wird es freuen, macht sie sich doch auch bereits seit Monaten für eine „Obergrenze“ stark.

Der in der Bevölkerung fälschlicherweise bestehende Eindruck, alle Geflüchteten wollten und/oder kämen nach Deutschland, wird damit nicht entkräftet, sondern vielmehr verstärkt.

Richtig ist:

  • Syrien ist nicht das einzige Kriegsgebiet, aus dem Menschen fliehen. Die meisten Kriege toben nach wie vor in Afrika – nur sind diese nicht so sehr im öffentlichen Interesse
  • Weltweit die meisten Flüchtlinge halten sich nicht in Deutschland auf, sondern in der Türkei, in Pakistan, dem Libanon, dem Iran und in Äthiopien
  • 2014 lag Deutschland innerhalb der EU mit 2,5 Asylanträgen pro 1000 EinwohnerInnen auf dem sechsten Platz hinter Schweden, Ungarn, Österreich, Malta und Dänemark. Griechenland dürfte den Spitzenrang eingenommen haben, dort werden viele Schutzsuchende jedoch gar nicht als solche registriert.
  • 2015 lag Deutschland innerhalb der EU auf dem fünften Rang: An erster Stelle lag Ungarn mit 17.699 Asylanträgen pro 1 Million EinwohnerInnen, gefolgt von Schweden mit 16.016, Österreich mit 9.970, Finnland mit 5.876 und Deutschland mit 5.551 Asylanträgen pro 1 Million EinwohnerInnen.
  • Die meisten Geflüchteten wollen gar nicht hier bleiben, sondern sie wollen zurück, sobald sich die Möglichkeit dazu ergibt (was in Bezug auf Syrien für die meisten heißt: sobald Assad gestürzt ist – dessen Machterhalt wird jedoch gerade mit vereinten Kräften gesichert; nicht wenige sind im Übrigen bereits in ihre Herkunftsländer weiter gezogen oder zurück gegangen)

(Zahlen müssen immer relativ und nicht absolut betrachtet werden, immerhin hat Deutschland innerhalb der EU auch mit Abstand die größte Bevölkerungszahl)

Spannend: Selbst Linke bekommen sich teilweise gerade nicht mehr ein über das „menschliche“ Gesicht unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel. Geradezu bewundernd betonen sie, dass sie so viel Größe und Humanität von ihr gar nicht erwartet hätten. Vergessen wird dabei, dass über das von Lafontaine und Co. seinerzeit geschaffene Werkzeug der Drittstaatenregelung gleichzeitig immer mehr Länder zu „sicheren Drittstaaten“ erklärt werden und die Zahl der Abschiebungen steigt und steigt und steigt und steigt.

Im Jahr 2015 wurden fast 21.000 Menschen abgeschoben – doppelt so viele wie im Jahr 2014. Weitere 40.000 reisten „freiwillig“ aus. Um die 90% der letzteren Gruppe stammte übrigens aus (schon wieder) Kosovo, Albanien, Serbien und anderen Ländern des westlichen Balkans. Viele der von Sammelabschiebungen und erzwungener Ausreise Betroffenen gehören (schon wieder) der ethnischen Minderheit der Roma an.

Das bringt uns zum Beispiel Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Bundeslandes Thüringen. Während dieser noch im Jahr 2014 einen Winterabschiebestopp verhängte, wollte er im Jahr 2015 davon nichts mehr wissen. Nicht nur kalte Winter und Obdachlosigkeit bedrohen die Roma im Kosovo. In vielen Ländern sind sie Pogromen und damit Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt. Nach Angaben der Bundesregierung waren im ersten Quartal 2015 91% der AsylbewerberInnen aus Serbien Roma und 72% derjenigen aus Mazedonien. Hierbei handelt es sich nicht selten um Nachkommen derjenigen die Ende der 90er Jahre aus dem Kosovo (Erinnerung: da wo die Grünen erstmals die Bundeswehr hinschickten) geflohen waren. Die meisten von ihnen sprechen kein Wort der Sprache ihres Herkunftslandes und sind dort völlig auf sich alleine gestellt. Braucht es etwa DIE LINKE für den Tabubruch in Bezug auf Massenabschiebungen? Wenn selbst DIE LINKE, na dann kann es ja nicht so schlimm sein?

Krieg führt zu Flucht. Deutschland ist Rüstungs-Europaweltmeister und trägt damit für kriegerische Auseinandersetzungen eine besondere Mitverantwortung, insbesondere da alle Rüstungsexporte jeweils von der Bundesregierung abgesegnet werden.

Deutschland möchte inzwischen auch militärisch wieder ganz oben mitmischen.

Deutschland versucht mit allen Mitteln EuropäerInnen aus den sozialen Sicherungssystemen herauszudrängen und hat deshalb einen Leistungsausschluss im Gesetz verankert.

In deutschen Bordellen haben deutsche Männer kein Problem mit „Zigeunerschlampen“, denen sie es „mal ordentlich besorgen“ können. Denn um die schert sich ja kaum jemand – auch nicht in der LINKEN. Tja und da schließt sich der Kreis wieder.

Statt all diese Zusammenhänge herzustellen, beteiligt sich DIE LINKE an der rassistischen Ausgrenzungslogik und bedient damit nicht zuletzt einen Antiromaismus, der in der Gesellschaft weit verbreitet ist: JedeR dritte Deutsche möchte keine Roma als Nachbarn und mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist der Meinung, dass Roma durch ihr eigenes Verhalten Feindseligkeit hervorrufen.

Letztendlich also: Eine rot-rot-grüne Kollaboration in rassistischer Ausgrenzung. Einer Ausgrenzung, die nicht neu ist, sondern deren Ursprünge schon sehr weit zurückliegen.

Wie ist es nun mit dem Protest in den eigenen Reihen? Leider nicht bzw. kaum wahrnehmbar. Die gleichen Leute, die (zu Recht) mit Unverständnis darauf reagierten, dass die SPD nicht in der Lage ist, einen Thilo Sarrazin aus der Partei auszuschließen, sind in Bezug auf die eigenen Reihen verdammt still. Vielleicht gibt es ja Gründe für die Tatsache, dass nur ein so geringer Anteil der Mitgliedschaft einen so genannten Migrationshintergrund aufweist?

Wenn es einen Aufschrei gibt, liebe LINKE, dann ist er so leise, dass wir ihn irgendwie nicht hören können.

Ohrenbetäubende Stille.

Traurig aber wahr.

1 Kommentare

  1. Edith Sarkar-Kuhnke

    Ich kann dem Beitrag von Hanna Dahlberg in allen Punkten voll zustimmen.Ich bin ebenso enttäuscht wie sie über die Sprachlosigkeit der Linken und entsetzt über die Äußerungen von Sarah Wagenknecht, von der ich bisher sehr positiv dachte.

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