Es gibt in Tim O’Briens „Was sie trugen“ / „The Things They carried“ eine Geschichte von einem Amerikaner, der mit 20 seinen Marschbefehl vom US Militär erhält, nachdem er aktiv gegen den Vietnam Krieg protestiert hat. Bevor er den Marschbefehl erhielt, so erinnert er sich später, war er dummerweise, mit einer Art überheblicher Arroganz, die er sich später nicht mehr vorstellen konnte, davon ausgegangen, dass die Probleme des Tötens und Sterbens nicht zu seinen persönlichen Angelegenheiten gehörten. Als er den Brief erhielt, fühlte er „eine Wut im Bauch“, die später zu schwelendem Selbstmitleid und dann zu Empfindungslosigkeit wurde.
Er beschreibt, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, nach Kanada zu fliehen, in dem er von einem Fischerboot gesprungen und 20 Meter bis zur Küste geschwommen wäre. Er nahm die Möglichkeit nicht wahr. „Intellekt hatte sich gegen Gefühle gestellt“, sagte er später. „Worauf das hinauslief, dummerweise, war ein Gefühl der Schande. Heiße, dumme Schande. Er wollte nicht, dass seine Leute schlecht von ihm dachten.
In ihrer Bezugnahme auf die Geschichte in “Unmaking War Remaking Men“ schreibt Kathleen Barry zu der Entscheidung des Mannes, er habe „die Anforderungen der Männlichkeit über die seiner Menschlichkeit gestellt. Es ist eine Entscheidung, die dazu führte, dass er andere tötete und die ihn viele Jahre lang verfolgte.“
Barry schreibt, dass das „Schwelende“ in Männern, die gelernt haben, dass ihre Leben entbehrlich sind, die Quelle der Wut wird, die das Militär „anzapft“, um sie für den Kampf vorzubreiten. Das Militär „zählt auf die Feigheit“, sagt sie, die mit dieser Wut verbunden ist, die die Maskulinität besiegelt. Die Armee setzt Demütigungen ein, um die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse ihrer Auszubildenden nach Nähe und Austausch zu verwandeln, um „in ihnen das Verlangen hervorzubringen, Teil einer gemeinsamen Aufgabe zu töten zu werden.“ Jene, die sich weigern, zu schießen, wissen, dass sie ihren Kameraden eine Last aufbürden, sagt Barry. Die Belohnung für den Verlust der Seele, der mit der Zerstörung kommt, ist Maskulinität: sie werden one of the boys, einer von den Jungs.
Mit diesen Mitteln schafft das US Militär natürlich Feinde durch die Entmännlichung von Männern in jedem Gebiet, in das es seine Truppen entsendet; macht sie unfähig, ihre Pflicht des Beschützens, die Männer überall – Ehemänner, Väter, Soldaten – als ihre männlichen Pflichten eingeimpft bekommen. „Missachtete Selbstbestimmung eines Volkes / einer Nation bringt Widerstand hervor“, sagt Barry. Natürlich.
Sie fügt hinzu:
„Wenn Männer unterlegen gemacht werden, wird ihr Status auf den von Frauen reduziert. Für die meisten Männer ist das unerträglich. Diese Männer wiederum setzen mit Gewalt den Status von Frauen weiter herab.“
Barry beschreibt ein Muster, dass die gesamte männliche Sozialisation betrifft, nicht nur die Männer im Militär oder unter Besatzung. Militarismus hat Auswirkungen auf die Sozialisation von Jungen durch Spielzeuge, Spiele und Filme – aber die Dynamik der auf Grenzverletzungen beruhenden Bruderschaft ist nicht auf das Militär beschränkt. Von Religion bis Rugby bis zu Widerstandsbewegungen bis zu Arbeit, dem Haushalt und dem Fernsehen regiert diese paternalistische Maskulinität. Dass wir das ignorieren, und die Maskulinität der Gewalt ignorieren – weil es Männern unbequem ist – ist zu einem großen Teil die Ursache sowohl für das Chaos als auch die Trägheit linker Politik.
In Ovids „Metamorphosen“ gibt es einen Abschnitt, in der Jupiter über einen Besuch bei König Lycaon (siehe Beitragsbild) berichtet, die vielleicht die Dynamik beschreibt, in der wir gefangen sind. Jupiter sagt, dass er von den „Höhen des Olymps“ herabgestiegen sei, um König Lycaon zu besuchen und dass er „über die Erde gewandert sei, ein als Sterblicher verkleideter Gott. Es würde zu lange dauern, die Geschichte all der Bosheit zu erzählen, die ich entdeckte.“ Ich las das und dachte wirklich an Bill Englisch [der Premierminister Neuseelands, Anmerk. der Übersetz.] wie er dem Radical Social Centre in der Abel Smith Straße [ein sozialistisches Zentrum, Anmerk. der Übersetz.] einen Besuch abstattet.
„Ich betrat den Palast von König Lycaon und wagte mich in der Dämmerung des Abends unter sein ungastliches Dach. Ich gab ein Zeichen, dass ein Gott gekommen war, und die gemeinen Menschen begannen zu beten. Lycaon begann, ihre Frömmigkeit zu verspotten; dann sagte er: „Ist es ein Gott oder ein Sterblicher? Ich werde die Frage mit Hilfe eines einfachen Tests klären. Es wird keine Zweifel an der Wahrheit geben.“ Sein Plan war es, in der Nacht einen plötzlichen Angriff durchzuführen. Damit nicht zufrieden, stieß er sein Schwert in die Kehle einer Geisel aus Epirus und unter meinem Schutz, und während das Fleisch des Mannes noch immer warm war, röstete er Teile davon über dem Feuer und kochte das übrige in kochendem Wasser.
Mein Blitz der Rache schlug ein und der Palast stürzte in Ruinen zusammen… Lycaon floh auf das Land, wo alles ruhig war… Er war nun in einen Wolf verwandelt. Doch er behielt einige Zeichen seines früheren Selbst: Das gräuliche Haar, der wilde Ausdruck, die glühenden Augen und der bestialische Ausdruck blieben unverändert.“
Lycaons Erscheinung wurde durch seine Rebellion und seine Beziehung zum König der Götter geformt. Er wurde zum Wolf, zum gedemütigten Mann, gefährlich, denn jeder entmännlichte Held sucht Vergeltung. Ich sehe Lycaon als Archetyp des verwundeten Mannes, zu dem Linke die größte Loyalität zeigt. Terrorismus und Bandenkriminalität werden von Linken gerne als ein Aufbäumen im „letzten Ausweg“ mit ihrem Ursprung in Verzweiflung und Armut beschrieben.
Sowohl Jarrod Gilbert`s “Patched: The History of Gangs in New Zealand“ und Robin Morgan`s “The Demon Lover. On the Sexuality of Terrorism“ widersprechen beide der Annahme, dass diese Formen der Gewalt per se mit Armut verknüpft sind. Denn warum sind es jeweils nicht weibliche Gangs oder Terroristinnen, die für Schlagzeilen sorgen? Frauen erleiden mehr sexuelle Gewalt und Armut als Männer. Und dennoch ist die Maskulinität der Gewalt deren hervorstechendstes Merkmal, darüber reden wir jedoch kaum.
In den 1970er Jahren wurde der Aroha Trust gegründet, um Frauen zu helfen,Autonomie von den Gangs zu erlangen. In ihrem Stiftungsbericht „Aroha“ schreibt Pip Desmond darüber, wie die Frauen, die in ihrer Unterkunft im Aro Valley lebten, sowohl Übergriffen der Gangs als auch der Polizei ausgesetzt waren und die Polizei als eine weitere Gang ansahen. Sie schätzten sie den „Schutz“, den ihre eigenen Gangs vor der Polizei boten, dennoch setzten sich die Frauen von Aroha bei den Gangs dafür ein, dass die Männer endlich aufhören sie zu vergewaltigen oder ihnen mit Vergewaltigung zu drohen.
Die Linke schaut sich in der Regel staatliche, bandenbezogene oder terroristische Gewalt nicht aus irgendeinem grundlegenden weiblichen Standpunkt an. Der Labour-Politiker Rob McCann leitet White Ribbon, [eine australische Initiative, Anm. d. Übersetz.] die männliche Gewalt aus dem Blickwinkel von schroffem männlichen Stolz betrachtet. Wir sprechen sogar von „Kinderarmut“, und verdecken damit die Geschlechterpolitik der Armut und ökonomischen Gewalt gegen Frauen. Die Ansichten der Linken auch zu Gangs und zu Terrorismus beruhen oft auf der Empathie mit den Lycaons, deren Moral vom Staat untergraben wurde. Viele Gangs nennen sich tatsächlich entsprechend diesem Status der Ablehnung durch das Establishment: Die Outcasts [die Außenseiter/Vogelfreien] oder der Mongrel Mob [das Bastard-Gesindel] zum Beispiel.
In ihrem Buch “Demon Lover“ beleuchtet Robin Morgen den Zusammenhang zwischen Terrorismus und dem Staat als brüderlich:
Was passiert, wenn wir erkennen, dass Terrorismus weit davon entfernt ist, eine Gefahr für den Staat zu sein, sondern vielmehr das Mittel, nach dem Männer im Patriarchat sich untereinander als erfolgstüchtig bewerten?
Terrorismus stützt den Staat. Wenn Terroristen scheitern, dann ist der gegenwärtige Staat umso stärker, da es ihm gelungen ist, sie abzuwehren. Wenn die Terroristen Erfolg haben, dann werden aus den heutigen Terroristen die Staatsmänner von morgen (die eifrig den Terrorismus anprangern).
Gilbert stellt den Respekt fest, den sich Gangs und Polizei oft gegenseitig zollen, unabhängig von Gegnerschaft und Hetze. Die Maskulinität des Terrorismus bedeutet, dass zwischen eingeschworenen Feinden Bande der Bruderschaft existieren können. Feministische Autorinnen wie Morgan, Cynthia Enloe oder Andrea Dworkin behaupten, dass die Tatsache, dass dies nicht ausgesprochen wird, ein Teil dessen ist, was Frauen der Politik entfremdet. „Für viele Frauen“, so Gena Corea im Jahr 1979, „ist es unerheblich, wer die zahlreichen Kriege um Macht, die über ihren Köpfen ausgetragen werden, gewinnt … Männer werden Frauen so oder so schlagen.“
No Pride in Prisons, eigentlich Petty and Vindictive, [ also „kleinlich und rachsüchtig“ An. der Übersetz.], ist eine Gruppe von AktivistInnen, die sich gerne mit den Lycaons verbrüdert. Sie sprechen sich für die Abschaffung der Gefängnisse und die Abschaffung der Sexualstraftatendatenbank aus, aber eine Analyse männlicher Gewalt oder ein Plan, wie ihr begegnet werden kann, ist nicht erkennbar. Die Gruppe setzt sich erheblich mehr dafür ein, dass die 19 männlichen Inhaftierten in Neuseeland, die sich als „trans“ identifizieren, in die bereits überbelegten Frauengefängnisse verlegt werden, als dass sie jemals die Not der weiblichen, indigenen Inhaftierten thematisiert, bei der es sich um die am schnellsten wachsende Gruppe in Gefängnissen handelt. Aus Sicht dieser AktivistInnen sind männliche Inhaftierte, die sich als Frauen identifizieren, die gefährdesten …. weiblichen Inhaftierten.
Sehr viele neuseeländische Frauen fühlen sich unter Druck gesetzt, Vergewaltigungen nicht anzuzeigen, da die Polizei als „Armee der Reichen“ betrachtet wird, und von ihr Gerechtigkeit zu erwarten als Verrat an der linken Sache angesehen wird- oder an den Lycaon. Die Arbeit von No Pride in Prisons trägt in den aktivistischen Kreisen zu diesem Druck bei.
Historisch betrachtet wurden Frauen auch von anderen Formen des Aktivismus entfremdet, inklusive Gewerkschaftsarbeit. Gewerkschaften bestehen typischerweise auf einer Klassenanalyse, die Diskussionen über Geschlecht und Rasse [race] erlaubt – jedoch unter bestimmten Beschränkungen. Gewerkschaften mögen zwar kapitalistische Ausbeitung bekämpfen, aber sie greifen zum Beispiel nicht die Kommodofizierung von Frauen im Patriarchat an. Die Geschichte der neuseeländischen Gewerkschaftsbewegung von Cybèle Locke, “Workers in the Margins“, bespricht, wie ein zentraler Bericht aus dem Jahr 1985, der über die Gewerkschaft der Arbeitslosen [unemployed workers union] herzog,
„deutlich machte, dass einige Gewerkschafter in einem „Weltbild von 1951“ fest steckten – ein Gewerkschaftsverständnis von Gewerkschaftlern als weiße Männer, die sich nach den Prinzipien der Arbeitersolidarität organisieren, ohne Rassismus und Sexismus ernst zu nehmen. Dieses Weltbild bedeutete, dass sie sich weigerten die AnführerInnen der Arbeitslosenbewegung – insbesondere die Frauen und die Maori – als gleichberechtigt anzuerkennen, und dass sie die Arbeitslosenbewegung kontrollieren wollten.“
Als Frauen Feminismus und die Māori Nationalismus in die Gewerkschaften einbrachten, warf man ihnen vor „auf spalterische separatistische Taktiken zurückzugreifen“. Das ist ironisch, wenn man bedenkt, dass einer Politik „von unten“ indigene und feministische Analysen zugrunde liegen sollten, da diese beiden Gruppen im Kapitalismus am meisten entfremdet sind. Dennoch mussten und müssen sich Frauen stark auf der Grundlage in die Gewerkschaften einbringen, dass die Arbeitersolidarität von allem bedroht wird, das nicht weiß und nicht männlich ist. Die Gewerkschaftskämpfe stellen die Männer der Arbeiterklasse auf die richtige Seite der Geschichte, während Māori und Frauen dieses Ideal durch das Hinterfragen der weißen Gesellschaft und der Maskulinität bedrohten. Sobald Frauen und Māori in der Gewerkschaftsarbeit ein Vehikel für die Politisierung fanden, war die Handbremse angezogen.
Die Gewerkschaften (wie auch Bernie Sanders) sind bereit Equal Pay, also die Gleichheit der Löhne, zu diskutieren, was der Grund sein mag, warum „Feministinnen sich weigern, sich der Tatsache zu stellen, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit unmöglich ist, solange Männer über Frauen herrschen“, wie Andrea Dworkin schreibt. Es handelt sich um eine Alibipolitik, wenn sie nicht in eine größere feministische Analyse eingebettet ist, und ein Pseudostatement, das nichts voranbringen soll. „Rechte Frauen haben sich geweigert, das zu vergessen“, sagt Dworkin. Was erkannt werden muss, ist dass „die Sex-Arbeit der Frauen aufrecht erhalten werden muss, und systematisch niedrige Löhne für sex-neutrale Arbeit zwingen Frauen effektiv dazu, Sex zu verkaufen, um zu überleben.“
Wie Barry in “Unmaking War Remaking Men“ nahelegt, tut es Männern nicht wirklich einen Gefallen, wenn sie dadurch vor Demütigung geschützt werden, dass das Thema der Geschlechterungleichheit nicht angesprochen wird. Stellen wir uns vor, die- oder derjenige zu sein, die anregt, dass unser eingezogener Vietnamkrieg-Gegner sein Gesicht nicht dadurch verliert, dass er von seinem Fischerboot springt um nach Kanada zu schwimmen und damit den Kämpfen in einem Krieg zu entgehen. Das männliche Ego so zu schützen dient nur dazu, Männer in eine toxische, eine vergiftete Männlichkeit einzusperren. „Du fürchtest, herabgesetzt zu werden, lächerlich gemacht, gedemütigt zu werden, wenn Du Deinen Teil nicht einbringst“, schreibt Barry und bespricht, wie Männer eher lernen zu zerstören als ihr Gesicht dadurch zu verlieren, dass sie ihrer Menschlichkeit nachgeben.
Wenn eine soziale Veränderung wirklich bedeutet, dass alle an einem Strang ziehen, dann können Männer einfach nicht vor der Aufgabe bewahrt werden, sich der Maskulinität und ihren Vollstreckern zu stellen.
Sheila Jeffreys schreibt in “Unpacking Queer Politics“ über die Auswirkungen der Entmännlichung auf männliche Homosexuelle. Sie schreibt darüber, wie die Normalisierung von Sadomasochismus und selbstverletzendem Verhalten in anti-establishment Kreisen – die auch von Audre Lorde angegriffen wurde – aus einer männlichen Schwulenkultur stammt. Sadomasochismus, schreibt Jeffreys „muss sowohl als eine Praxis verstanden werden, die Schwulen, die das Gefühl haben, sie seien aus der Status der Männlichkeit ausgesperrt worden, Maskulinität zusichert als auch als eine Praxis der Selbstverstümmelung, die aus Missbrauch und Unterdrückung entsteht.“
Schwule Männer sind in einer Kultur, die wie Catherine MacKinnon es ausdrückt, auf dem Grundsatz „Mann fickt Frau; Subjekt, Verb, Objekt“ beruht, „feminisiert“. Um dieser Demütigung auszuweichen, entwickelte sich innerhalb der Schwulenbewegung eine Kultur, in der Sadomasochismus, Durchhalten, Dominanz und Kontrolle Sexualität formt. Jeffreys schreibt, dass das Geschäft mit dem Zuschneiden und den Piercings der 1990er in einer Kultur, die das Verständnis von Sex im Mainstream ändert, hier seinen Ursprung hat.
„Wenn eine Lesbe laut sagt, dass sie keine Frauen mit Penissen datet, benutzt sie gewaltvolle Sprache.“ – Riley Dennis, Transaktivist.
Wenn Du meinst, Junge.
Die Queerpolitik ist in der Affinität mit den Lycaons geformt. Daher setzt sich die LGBT Bewegung für die Ehe ein, obwohl diese Institution immer schon von lesbischen Feministinnen als sowohl homophob als auch sexistisch angegriffen wurde. Sie bewirbt Transgenderpolitik, und ignoriert kritische Stimmen, die diese Politik sexistisch und eugenisch gegenüber Schwulen und Lesben nennt. Sie bewirbt das Abbinden von Brüsten, obwohl Feministinnen darin eine tolerierte Verstümmelung weiblicher Körper erkennen. In letzter Zeit scheint die Linke in ihren verwirrten Reaktionen auf Präsident Trumps Ankündigung, dass sich Transleute nicht mehr zum Militärdienst melden dürfen, ihre Position zum Militarismus aufgeweicht zu haben.
Aus einem feministischen Blickwinkel betrachtet, ist das US Militär eine der patriarchalsten, maskulinsten Institutionen der Welt, und jeder Mann, der sich da einschreibt, ist schlicht nicht “gender non-conforming“ – er handelt schlichtweg nicht gegen gültige Geschlechternormen. Die Methoden der pharmakologischen und chirurgischen Sterilisierung, für die TransaktivistInnen ebenfalls Lobbyarbeit betreiben, wurden als Bestandteil von Eugenieprogrammen, z.B. durch Nazi-Ärzte, entwickelt. Das Gefühl, auf Trumps Ankündigung reagieren zu müssen, erwischte viele Linke auf dem falschen Fuß, da sie direkt mit der Scheinheiligkeit konfrontiert waren, gegen Militarismus zu sein, während sie Eugenetik unterstützen.
Männliche Gewalt nicht anzusprechen – die Caitlin Roper als „das schwerwiegendste Problem der Welt“ bezeichnet – oder nicht zu versuchen, irgendeinen weiblichen Blickwinkel oder Standpunkt zur kritischen Betrachtung sozialer Probleme einzunehmen, führt zu vielen derartigen politischen Widersprüchen. Es scheint, als unterstützten Linke einfach automatisch alles, von dem ein Lycáön sagt er wolle oder brauche es – unabhängig davon, ob diese Forderungen all dieser Männer überhaupt zusammenpassen oder nicht.
Die Linke unterstützt die Transideologie, obwohl diese die Geschlechterstereotype verstärkt, unter denen homosexuelle Männer leiden. Sie bemüht sich nicht um eine Kritik an der Kirche, wenn homosexuelle Männer dort heiraten wollen, aber sie greift sie vehement an, sobald irgendjemand es vorschlägt, den Zugang von Männern zu Frauen in der Prostitution einzuschränken. „Christlich-bigott!“ ist eine übliche Anschuldigung von Linken an AbolitionistInnen um die Rechte der Sexkäufer zu verteidigen, die keine Missbraucher, sondern nur „traurige und einsame“ Männer, die menschliche Nähe brauchen.
Die häufigste Frage von Freiern in Bordellen ist die nach dem „jüngsten Mädchen“, und [die Lobbygruppe, Anm. d. Übersetz.] New Zealand Prostitutes‘ Collective verteilt Anleitungen an Frauen, wie sie anale Vergewaltigungen aushalten. Ist die anale Vergewaltigung eines jungen Mädchens wirklich das Gegenmittel zur Einsamkeit, das echte menschliche Verbindung unterstützt? Und was ist mit der Tatsache, dass die meisten Freier Partnerinnen haben? Unsere zugunsten der einsamen Lycaon aufrechterhaltene Weigerung, diese Fragen aus einer feministischen Perspektive heraus zu betrachten, führt zur Bewerbung von Praktiken wie Analsex in der Prostitution, der Pornografie, in Mädchenzeitschriften und sogar in staatlich finanzierten Aufklärungsprogrammen an Schulen.
Wenn Frauen hier widerständig sind, dann müssen wir christlich-bigott sein. Merkwürdig, dass wir mit dem Aufschrei der „Islamophobie“ bedacht werden, wenn wir aus Solidarität mit Frauen, die unter muslimischen Gesetzen leben, die Burka hinterfragen. Arabische Männer werden wegen des rassistischen Stereoptyps des „Dschihadisten“ diskriminiert, eine Stereotypisierung, die in einem Kontext der weitergehenden staatlichen / terroristischen Gewalt eskaliert. Also kann nun der Islam nicht mehr kritisiert werden. Plötzlich steht die Freiheit der Religion über allem – obwohl die Freiheit der Religion niemals mit dem Niederschlagen von Religionskritik vereinbar sein kann. So werden der Islam, Prostitution, die Ehe und die Transideologie heftigst als Ausdruck von Freiheiten verteidigt und dies aus widersprüchlichen Gründen. Dies ergibt keine Sinn. Wir müssen hier fragen, wie Männer diese Institutionen nutzen, und sie auf Kosten von Frauen nutzen.
Der Einstieg in die Sexindustrie wurde allgemein als „Entscheidung“ einer Frau angesehen, um einsame Lycaon zu bedienen. Sich dem Militär anzuschließen war eine andere Angelegenheit, weil das Militär imperialistisch und zerstörerisch ist. Jetzt, seit Trumps Statement, dass Tansgender Menschen sich nicht mehr anschließen dürfen – jetzt ist plötzlich auch das Militär eine „Entscheidung“. Das Militär ist der Wohlfahrtstaat der Armen, heißt es. Nur so können sie Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Bildung bekommen.
Endlich sehen wir also die gleichen Argumente, die bei der patriarchalen Institution des Sexgewerbes angebracht werden, auch bei der patriarchalen Institution der US Armee. Und was brauchte es, um aus Militarismus eine Angelegenheit der „Entscheidung“ zu machen? Die Linke, die es nötig hat, anderweitig gedemütigten Männern das Gesicht zu wahren. Diese Loyalität erklärt all diese Widersprüchlichkeiten und blinden Flecken. Sie ist auch der Grund, aus dem heraus ich von Liberalen [Linken im US und weiterem englischen Sprachgebrauch, Anm, d. Übersetz.] immer mehr aufgefordert werde, mich in Pädophile hineinzuversetzen. „Lies Dich in kindliche Sexualität ein“, sagen sie. Sie meinen damit nicht Maya Angelous Autobiografie „Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt“ und Zorn. Sie meinen, lies Texte von weißen Männern, die sich dafür einsetzen, dass Pädophilie als missverstandene sexuelle Orientierung bewertet wird, und die dann Abstraktereien über die Nützlichkeit von Sexpuppen in Kindergestalt abliefern. Ekelhaft.
Max Harris hat kürzlich bemerkt, wie sich Linke so „durchwursteln“. „Weltweit fällt es progressiven Leuten schwer, ein Ziel ihrer Politik zu benennen“, schreibt Harris mit Philip McKibbin im gemeinsamen Essay über die „Politik der Liebe“, Politics of Love. Nun, ja. Harris und McKibbins Title wurde durch die Desillusionierung die dem, was Bernie Sanders „Establishmentpolitik“ nennt, beflügelt mitsamt dem Wunsch nach einer mehr auf Werten beruhenden Alternative. Die Linke ist verwirrt, die Menschen entfernen sich von ihr, wie rufen wir sie zurück?
Unsere politischen Ansätze sind ein totales Durcheinander. Um dieses Problem zu lösen, basteln wir weiter herum und Dürsten nach charismatischeren Anführern, nach mehr Visionen und Werten, nach beredterem Idealismus, mehr Bestrebungen in Richtung „Herz und Verstand“. Anscheinend haben wir also das Reden vbn Gemeinschaft, Nachhaltigkeit, Diversität und Inklusion, von Wandel und Hoffnung überstrapaziert. Dies ist nun „Establishmentpolitik“. Diese Werte wurden neoliberal unterwandert und abgetötet und so sind wir wieder auf Streifzug.
Aber Menschen wollen doch sicher für Gesundheit, Wohlfahrt, Wohnungen, ArbeitnehmerInnenrechte, gegen Kinderarmut und für das Beenden des Klimawandels wählen? Wir sind die Guten, das ist klar. Also scheint die Frage, die wir uns stellen, zu lauten, wie wir mehr Leute allgemeiner zusammenbringen und begeistern, ohne die Inhalte unserer Politik wirklich radikal zu ändern?
Nun, das ist eine Art und Weise das anzugehen.
Die andere liegt darin, mehr Eifer einzubringen. „Gemeinschaft“ war gestern – lasst uns heute über „Liebe“ reden. Aber da, wo mehr moralische Inbrunst in ansonsten stagnierende Politik eingebracht wird, trägt dies doch sicherlich lediglich zu neuen Ebenen an rechtschaffener Empörung in politischen Diskussionen bei. Lädt Eifer die Politik nicht schon jetzt so auf, dass er die Redefreiheit bedroht? Wenn es nicht mehr nur eine Angelegenheit der „Inklusion“ oder der Gerechtigkeit ist, Männer gerne in Frauentoiletten aufzunehmen, sondern eine Angelegenheit der Liebe, dann wird es zu Hass, es nicht zu tun. Mädchen, die dann einfach feststellen, dass Mädchen weiblich sind und dass die Waschräume und Toiletten für Mädchen für weibliche Menschen sind, sind plötzlich „bigott“ und müssen „lieben“ lernen. Die Einschüchterung von Mädchen und von Frauen eskaliert durch Vorwürfe des Hasses, der Bigotterie, des Faschismus und aller Arten von „Phobien“.
Es ist kein Zufall, dass all dies dazu dient, genau die Praktiken männlicher Dominanz zu verstärken, die sich Linke nicht anschauen wollen: Prostitution, Eugenie, Pädophilie, kriminelle Gewalt, patriarchale Doktrin. Dies geschieht, indem durch den Ton gut gemacht wird, was an unseren politischen Inhalten fehlt. Ich bin absolut für eine liebevolle feministische Politik – aber wer untersucht die Positionen, die die goldenen Jungs der Linken zu Frauen einnehmen? Wen stört es, dass Jeremy Corbyn für das Sexgewerbe ist, oder dass Justin Tudeau Frauen in Kanada durch seine Institutionalisierung der Transrechte unter Missachtung feministischer Kritik verraten hat? Eine meiner Freundinnen, die in einem Frauennotruf in Vancouver arbeitet, darf das Statement „Er hat mich vergewaltigt“ nicht mehr aufnehmen ohne vorher mit dem Täter abgeklärt zu haben, dass er tatsächlich männliche Pronomen vorzieht. Das ist kein Witz.
Die Schöne Neue Welt und die Republik Gilead in „Der Report der Magd/Die Geschichte der Dienerin“ hatten keinen Mangel an wertegeladener Politik. Die Dystopie 1984 hat ein Ministerium der Liebe (Und eines des Reichtums, eines des Friedens und eines der Wahrheit). Gerade wegen der Ironie bezüglich patriarchaler Staaten, die eine Rhetorik menschlicher Werte einsetzen, um Menschen an Methoden sozialer Organisation zu binden, die genau diese Dinge kommodifiziert, zu käuflichen Dingen macht, tut es weh, das zu lesen. In „Der Report der Magd“ werden Frauen als Ehefrauen, Prostituierte bei Jezebel, unfruchtbare Tanten und Marthas, fruchtbare Dienerinnen zur Verschonung der Ehefrauen von Schwangerschaft und Gebären und in Ökofrauen, die all diese Aufgaben für Männer niederen Standes übernehmen, bezeichnet. In dieser Gesellschaft gibt es keinen Mangel an Idealismus – und in unserer mangelt es uns auch nicht an Idealismus. Was uns fehlt, ist eine Analyse, die erkennt, dass Frauen – die Hälfte der Menschheit – materiell und politisch wirklich existieren.
Eine wertebasierte Politik, die Prostitution, Leihmutterschaft und Kindersterilisierung akzeptiert, klingt für mich in der Tat viel zu sehr nach Schöne Neue Welt.
In „Right Wing Women“ schreibt Andrea Dworkin, wie konservative Frauen auf die Politik der Linken reagieren: „Eine Frau fügt sich männlicher Autorität um etwas Schutz vor männlicher Gewalt zu erhalten“, schreibt sie, und die konservative Rechte verspricht männlicher Aggressivität durchsetzbare Einschränkungen aufzuerlegen. Fünfzig Prozent der weißen Frauen wählten 2016 Trump. „So hängt die Frau sich …. an genau die Personen, Institution und Werte, die sie herabwürdigen, ihre Machtlosigkeit verherrlichen, darauf bestehen, ihre ehrlichsten Willensäußerungen und Ausdrucksweisen ihres Daseins zu beschränken und zu lähmen. Sie wird zur Hausdienerin.“
Sind die Frauen der Linken wirklich anders?
Metiria Turei hat die Linke gebeten, sich zusammenzuschließen. Sie ist mit dieser Bitte nicht allein. Zusammenschluss und Einheit bedeutet jedoch nicht, dass wir unsere patriarchale Politik mit einer noch wertebeladenen Rhetorik verzieren; sie bedeuten, dass wir eine Analyse entwickeln müssen, die Frauen und die Unterdrückung von Frauen ernst nimmt. Von „Liebe“ zu reden bedeutet, dass wir die Prostitution nicht institutionalisieren können. Kapitalisten herauszufordern bedeutet, dass wir die Kommodifizierung menschlicher Beziehungen nicht hinnehmen können. Sexismus ist nicht anti-establishment. Religiöse Freiheit ist nicht vereinbar mit der Pathologisierung von Frauen, die Religion, Ehe oder Prostitution in Frage stellen. Pädophile brauchen keine Unterstützung und Empathie – Opfer brauchen das. Gegen Militarismus zu prostestieren bedeutet, gegen Eugenie zu protestieren – und die Transbewegung ist eine Eugeniebewegung.
Unser Freund Lycaon – der Mann, dessen Gestalt in den Feuern des Staatsterrorismus geformt wurde – hat Menschenrechte. Er trägt auch Verantwortung, und zu erkennen, dass Frauen Menschen sind, ist eine solche. Hören wir auf damit, im Namen seiner Rechte zu vertuschen, wie viel Angst wir davor haben diesen Mann zu beschämen, sei es aus Mitgefühl oder Angst vor Rache. Das nennt sich Männerrechtsaktivismus und findet auf Kosten von Frauen und Mädchen statt.
Lasst uns eine Politik entwickeln, die die Existenz von Frauen voll anerkennt, die einen weiblichen Blickwinkel hat – und die daher tatsächlich Sinn gibt, und die uns eine Chance auf eine echte Veränderung und ein Ende der Gewalt gibt.
Dann können wir von Einheit und Zusammenschluss reden.
Ein Beitrag von Renée Gerlich
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Englisch auf www.reneejg.net
Diese Analyse ist brilliant. Ein Text zum gut Abspeichern und immer wieder verlinken. Die Vereinbarung von umfassendem Überblick und doch auch Intensität und Genauigkeit, zeigt dass die Autorin die Strukturen bus ins Detail logisch durchdacht hat und, als das geordnet war, weit hinausgesumt ist, um das Gesamtbild von weit oben, bis zum Horizont zu überblicken. Eine brilliante Arbeit. Danke für das (Mit-)Teilen des sehr geordneten End-Ergebnisses. Ich bin überzeugt, das in diesem Text extrem viel Vorarbeit, Ausarbeit und schlißlich Feilen an Feinheiten steckt. Ganz großes Dankeschön für das Schenken des Erbebnisses! Ich werde den Text immer wieder verbreiten. Er verdient viele Leserinnen und Leser, die hoffentlich die Geduld haben, ihn dann auch ganz zu lesen.