Bushido und Kollegen haben angeklopft – der linke deutsche Indie-Pop hat aufgemacht. Dass „Singer-Songwriter vom Musikgymnasium“ jetzt auch Slut-Shaming im Repertoire haben, findet „Die Zeit“ derweil „bemerkenswert“.
Wir müssen unsere Männlichkeit wieder entdecken. Denn nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft, und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!
Björn Höckes Plädoyer für mehr deutsche Männlichkeit 2015 in Erfurt war so derbe autsch, oder? Auf der Fremdschämskala von 1-10 ne‘ glatte 11! Und trotzdem: Die Rufe nach Rückbesinnung auf deutsches Machotum sind voll im Trend – zunehmend überall, zunehmend links von Björn und Frauke. So ist auch Zeitjournalist Lars Weisbrod begeistert auf den Zug nach vorvorgestern aufgesprungen und feiert mit seinem Artikel „Du Nutte“ etwas, das er in einem argumentativ so halsbrecherischen wie dürftigen Akt die „Remaskulinisierung“ der deutschen Popmusik nennt.
Diese, wenn man so will, neue deutsche Männlichkeit besteht für ihn nämlich nicht etwa in neuem Mut zu revolutionären Lyrics mit politischer Kante, die die Mächtigen geißeln und die A&R’s der Plattenfirmen vor Verzweiflung in die Kragen ihrer Camp-David-Poloshirts beißen lassen. Nein und weit gefehlt!
Männlichkeit, wie sie Weisbrods Text versteht, meint eigentlich nur das hier: Mal wieder gepflegt Hure sagen zu einer, die nicht mit dir will.
„Warum, du Nutte, träumst du nicht von mir?“ (Faber), „Du verdammte Hure. Das ist dein Lied“ (Kraftklub), „Bitch, ich bin für dich den ganzen Weg gerannt“ (Von wegen Lisbeth) – freudig erregt zitiert Weisbrod Auszüge aus drei „Liebesliedern“ der aktuellen deutschen Indie-Pop-Landschaft. „Aus Unsicherheit scheint Wut zu werden“, lobt er die neuen, bis kürzlich nur den Fans von Bushido und Kollegen vorenthaltenen Töne und feiert die Songs als bemerkenswerte Trendwende, die „dem deutschen Schmerzensmann-Pop“ ungemein gut stünde. „Statt Flugzeuge im Bauch“ oder „Bye bye Junimond“ als Abschiedsgruß ein gepflegtes „verdammte Hure“. Wie Bolle freut sich Weisbrod darüber, wenn „scheue Rehe wieder zu Jägern“ werden – „wenn auch auf Kosten von Einfühlsamkeit und Rücksichtnahme.“ Aber hey, kein Grund, zum Heulen, ihr Pussys, denn: „Mann, macht das Spaß.“
Der Zeitgeist hat den Stein gehölt und also auch bei Kraftklub, Von wegen Lisbeth und Lars Weisbrod angeklopft. Und sie haben ihm aufgemacht. Endlich wieder sagen dürfen, was man denkt! Und überhaupt: Was kann Political Correctness schon ausrichten gegen… das Gefühl? Mhm… das klingt doch irgendwie schon wieder nach Bernd, äh, Björn? Wenn Weisbrod sich über „linksliberale Bravbären, die sonst gegen Rechts, für Feminismus und über Lampedusa singen“ erhebt, hört sich der putzige Ausdruck „Bravbär“ denn auch nur auf den ersten Blick niedlich an – und ist doch nichts weiter als die Weisbrodsche Variante des „Gutmenschen“ der Trumps und Höckes dieser Welt, die Veralberung des Versuchs, miteinander in Würde umzugehen.
Auf der Facebook-Seite der Chemnitzer Links-Indie-Band Kraftklub schreibt unterdessen ein User folgenden Kommentar unter den Song „Dein Lied“ (das ist der Song mit der verdammten Hure):
Vielen Dank Jungs. Nach mehr als drei Jahren habe ich endlich den perfekten Song für meine Ex. Habe ich ihr gleich mal geschickt. 4min später wurde ich blockiert. Nun weiß sie endlich, was sie für ein dreckiges Stück Scheiße ist.
Der linke Indie-Sexist?
Da ist er jetzt also.
Der Artikel bezieht sich auf den Artikel „Du Nutte“ von Lars Weisbrod
Ein Gastbeitrag von Lotte Johann