Kindheits-Sheroes

Wir wollen den feministischen Diskurs beleben und unterschiedliche Ansätze zur Diskussion stellen. Deshalb erscheinen bei uns regelmäßig Gastbeiträge, die nicht zwangsläufig die Haltung der oder aller Störenfriedas wiedergeben, aber wichtige Impulse für die feministische Debatte geben können.

Denkt ihr auch ab und an darüber nach wer oder was euch zu dem gemacht hat was ihr heute seid, was euch in eurer Sozialisation nachhaltig beeinflusst und geprägt hat?

Immer wieder fallen mir wenn ich mir diese Fragen stelle unter anderem auch die toughen Sheroes ein, die mich durch meine Kindheit begleitet haben. Mit denen ich gelacht, geweint, gefiebert, manchmal auch getrauert habe. Ihnen widme ich diesen Beitrag.

Zum Beispiel das Waisenmädchen Whisp.

Sie verschlägt es in ein Land ohne Farben und ohne Licht. Sie findet einen Regenbogengürtel, befreit die gefangenen Regenbogenkinder (Bubi Blauschuh, Viola Veilchenscheu, Maria Mandarina, Katrin Kleeblatt, Nina Nachtigall, Richard Löwenherz, Sabine Sonnenstrahl, Penny Popperpink und Sandra Silbermond) und sorgt fortan mit diesen als Regina Regenbogen, dem Pferd Sternschnuppe (“das wunderschönste Pferd im ganzen Universum, bei aller Bescheidenheit”), ihrem Helfer Weißwirbel (“ogottogottogott”) und den Stern-, Hütchen- und Babywichten dafür, das im Regenbogenland das Gute über das Böse siegt. Dabei müssen sie sich regelmäßig mit Grummel Griesgram und seinem (vermeintlich) tollpatschigen Kumpanen Schleichmichel (der so nur seine eigentliche Gutmütigkeit tarnt) batteln. Grummel Griesgram mag nämlich keine Farben und keine Fröhlichkeit, denn er leidet unter einem Kindheitstrauma: Als er als Kleinkind nämlich die Wände seines Kinderzimmers mit allem was an Farben zu bekommen war – Wachsmalstifte, Filzstifte, Wasserfarben, Airbrush, … – angemalt hatte befahl ihm seine Mutter diese wieder abzuwaschen:

Jedes kleine bisschen Farbe, egal ob es den ganzen Tag dauert, egal ob du den Rest deines Lebens dafür brauchst.

“Grummelchen” (der es hasst, wenn Schleichmichel ihn so nennt) erfindet als Erwachsener also immer neue Gerätschaften um das Regenbogenland im Grau versinken zu lassen: eine Graukanone, eine Schwarzmaschine, eine Wolkenkanone, eine Arge-Wut-Maschine, eine Donnerwetterrakete, eine Graue-Wolken-Herstellungs-und-Nachfüllmaschine, … und stiehlt Menschen auch mal das Lachen und macht sie traurig.

Ich hasse blau!!! Ich hasse rot!!! Ich hasse gelb!!! Ich hasse alle Farben!!! – Sieh doch, diese bunten Luftballons!!! Ich muss sie zerstören…alle!!! Sie müssen alle platzen!!!

Die Regina Regenbogen-Geschichten haben eine heile Welt dargestellt in der alle Bewohner_innen des Regenbogenlandes glücklich sind, zusammenhalten und achtsam miteinander umgehen. Regina ist mutig, stark und zeichnet sich aus durch ihr Sozialgefühl gegenüber den anderen. Ihre bunte und glückliche Welt müssen sie immer gegen das Böse und Zerstörerische verteidigen, was deshalb gelingt weil alle an einem Strang ziehen.

Ich habe die Geschichten immer als Hörspiel genossen – der Synchronsprecher Jürgen Thormann als Grummel Griesgram ist einfach der Hit. Viele Jahre später habe ich mir die Original-Zeichentrickserie aus den USA auf DVD gekauft. Diese ist jedoch leider überhaupt kein Vergleich zu den EUROPA-Kassetten von früher.

 

Sondermarke der Deutschen Post, 2001 Zum Beispiel Pippi Langstrumpf (Pippilotta Viktualia Rullgardina Krusmynta Efraimsdotter Långstrump), die keine Erwachsenen braucht, sondern alles alleine schaffen kann. Die nicht in die Schule zu gehen braucht, sondern auch so gewitzt und erfinderisch genug ist um sich durchs Leben zu schlagen. Und stark ist ja sowieso, so dass ihr auch schon mal ihre beiden FreundInnen Tommy und Annika von deren Eltern gerne anvertraut werden. Auch wenn die legendären Filme bereits in den 70er Jahren gedreht wurden: Ich glaube niemand meiner Generation ist ohne sie aufgewachsen. Nicht umsonst gilt Pippi als Symbol für die anarchistische Bewegung und als Erfinderin des Punks – weil sie ihn bereits lange bevor dieser erfunden wurde bereits verkörperte.

Und überhaupt Astrid Lindgren: Was hat sie nur für tolle, rebellische Figuren erschaffen? Ronja Räubertochter, der Lausebub Michel aus Lönneberga, die Kinder von Bullerbü und all die anderen. Extra erwähnen möchte ich an dieser Stelle nur die kleine Lotta noch, die mit ihren 4 Jahren einfach alles kann was sie sich in den Kopf setzt, egal ob Radfahren, einen Tannenbaum besorgen oder ausziehen. Wie keine andere strahlt sie damit ein Selbstbewusstsein aus, welches durch nichts zu erschüttern ist.

Zum Beispiel Die Rote Zora: Zora ist ein Mädchen mit roten Haaren, und wie Whisp ein Waisenmädchen. Mit anderen mittellosen Kindern, die von die-rote-zora-pder Gesellschaft allesamt wie Ausgestoßene behandelt werden, tut sie sich zusammen und sie hecken jede Menge Streiche aus und sichern sich durch gegenseitige Solidarität ihr Überleben. Der Erfinder von Zora und ihrer Bande war der Revolutionsdichter Kurt Kläber (Pseudonym: Kurt Held), der vor den Nazis fliehen musste und im Exil weiter über Gerechtigkeit schrieb. Er war überzeugt davon, dass nur arme Menschen für die Armen eintreten und diesbezüglich von Reichen nicht viel zu erwarten ist. Kläber wurde durch das Mädchen “Zora La Rouquine” und ihre Freunde in einem jugoslawischen Ort zu seiner Geschichte inspiriert.

Den Armen helfen, das macht einen doch nicht zum Kommunisten, das macht einen zum Menschen.

Ich könnte so noch lange weiterschreiben, von der würdevollen “kindlichen Kaiserin” in der unendlichen Geschichte, von der Detektivin Nancy Drew und all den anderen tollen Mädchen und Frauen.

Und heute? Vielleicht fehlen mir die eigenen Kinder, dass mir ähnliche zeitgenössische Beispiele nicht in den Sinn kommen wollen.

Heute haben wir pinke Kinderüberraschungseier und Prinzessin Lillifee.

Manuela Schon

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