Militär und Frauen – keine Liebesgeschichte

First Female Air Force Crew

By Master Sergeant Alfred A. Gerloff Jr., United States Air Force (All-female combat crew takes it in stride image) [Public domain], via Wikimedia Commons

Das Thema Frauen und Militär wird seit einiger Zeit wieder aktueller, insbesondere auch in Deutschland.

Teilweise bedingt sich dies dadurch, das eine Frau, Ursula von der Leyen, erstmalig in der Geschichte Deutschlands Verteidigungsministerin wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnte schon nichts Gutes erahnt werden und zunehmende Kriegseinsätze vorausgesehen werden. Wieso?

Einige mögen es als Zufall gesehen haben, dass Frau von der Leyen Verteidigungsministerin geworden ist. Allerdings gehe ich eher von eine sehr strategischen Planung aus, denn Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur auf der Welt und es gibt sehr viele Vernetzungen von Politik und Waffenindustrie (Schwarzbuch Waffenhandel/Jürgen Grässlin). Hier wird also wohl kaum herumgestümpert worden sein. Aus Imagegründen musste es eine Frau sein, denn eine Frau kann Krieg glaubhafter verkaufen. Bei einer exorbitanten Anzahl an möglichen weiblichen Ministerinnen hätte es vielleicht andere Gründe gegeben, aber unter den gegebenen Umständen nicht.

In einem Artikel zu Gender und Kandidatenstereotypen des American Behavioral Scientist wurde erwähnt, dass Politikerinnen von der Mehrheit der Menschen stereotypische weibliche Charaktereigenschaften zugeschrieben werden wie Mitgefühl, Ehrlichkeit, und Moral. Politikern wird eher Stärke und Entschiedenheit zugeschrieben.  Diese Zuschreibung ist bekannt und war sicherlich auch bei Frau von der Leyen einkalkuliert.

Frau von der Leyen hatte als erste Amtshandlung das Ziel Kinderbetreuung in der Bundeswehr zu verbessern und die Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. Als nächstes war sie in einem rosa Kostüm auf Truppenbesuch, was prinzipielle als unpassend gesehen werden könnte. Aber sowohl die Position der Verteidigungsministerin, als auch die Idee die Bundeswehr familienfreundlicher zu machen und die ersten  Bilder von ihr in rosa sind als zielgerichtete Maßnahme zu begreifen um den Menschen einzureden, dass die Kriegseinsätze, die zugenommen haben und massiv zunehmen werden, human sind, denn eine Frau würde ja sonst dies nicht als notwendig erachten. Sie interessiert sich schließlich für Kinderbetreuung und hat selbst sieben Kinder. Sie kann also doch nur Krieg führen wollen, wenn es nicht anders geht, könnte so die Sichtweise sein, die sich bei den Menschen einprägen soll.

Die Werbekampagne zur Erhöhung des Frauenanteils könnte in Deutschland in eine ähnliche Richtung gehen. Die Kampagne ist halbherzig, wenn nicht sogar lächerlich,  schon vor dem jetzigen Werbeskandal. Die großangelegte Werbekampagne musste abgebrochen werden, da die Inhalte typische weibliche Eigenschaften beinhalteten (wie Schuhkauf). Auf der eigens geschaffenen Internetseite zur Anwerbung war zudem ein Fehler aufgetaucht, der wie eine Satire wirkte. Ein Bild mit „Zewa wisch & weg“-Haushaltstüchern war mit der Schlagzeile versehen: „So vielfältig wie Sie: Individuelle Karrieremöglichkeiten für Frauen bei der Bundeswehr.“ (t-online/03.10.2014).

Das hat vielleicht daran gelegen, dass in den meisten Werbeagenturen ausschließlich Männer arbeiten, und diese, wie an der Werbung insgesamt zu bemerken ist, sexistisch sind. Allerdings werden Werbekampagnen mit der AuftraggeberIn abgestimmt und eine völlige Überraschung kann es nicht gewesen sein. Vielmehr lässt es darauf schließen, dass Frauen nicht unbedingt wirklich angeworben werden sollen, denn es könnte primär um eine Imagekampagne gehen. Dann ist die Stimmigkeit Werbeinhalt und Zielgruppe nicht ganz so relevant.

Schon zuvor waren Werbeflyer der Bundeswehr nicht gegendert, abgesehen von der seltenen Ansprache von Soldaten und Soldatinnen,  und somit kaum zielgruppengerecht (mehr Frauen).

Zukünftig soll der Frauenanteil im Truppendienst bei der Bundeswehr von bisher 10 Prozent auf 15 Prozent steigen. Im Sanitätsdienst werden 50 Prozent angestrebt.

Aber  nicht nur Soldatinnen werden gesucht. Im Moment  arbeiten gut 34.000 weibliche Zivilbeschäftigte innerhalb der Bundeswehr und im Verteidigungsministerium und die zivile Berufslaufbahn steht jeder Frau offen.

Die Bundeswehr nennt ihre neue Attraktivitätsagenda „Aktiv. Attraktiv. Anders.“ Die Bundeswehr wirbt damit, dass sie nicht nur einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz anbietet, sondern das sie  unter anderem mit flexiblen Arbeitszeiten, Telearbeit und eine ausgebauten Kinderbetreuung verstärkt Wert darauf legt, den Beruf und die Familie besser miteinander zu verbinden.

Hier ist erkennbar, dass der Frauenanteil nur in besonderen getrennten Sparten erhöht werden soll, vielleicht  um das Image der Bundeswehr zu verbessern. Bundeswehr und Frauen, das wirkt richtig nett. Diese Arbeitstrennung dient trotzdem nicht dazu, als vollwertig beim Militär angesehen zu werden. Die Werbung richtet sich an Frauen und besagt somit, dass es prinzipiell die Aufgabe ist von Frauen sich um die Kinder zu kümmern, denn sonst müssten sie nicht Beruf mit Familie verbinden. Bei Männern wird ja auch nicht damit geworben, dass sie endlich durch Kinderbetreuung arbeiten können. Dies mag ein Versehen sein, oder geschickte Strategie um der Bundeswehr ein wirklich harmloses Gesicht zugeben. Sogar schuhkaufende Frauen sind dort gut aufgehoben und dies kann nur bedeuten, dass es mit den Kriegseinsätzen nicht so schlimm sein wird, könnte auch eine mögliche Interpretation sein.

Zum Vergleich der Situation von Frauen beim Militär ist es auch hilfreich die US Streitkräfte zu nehmen.

2013 wurde beschlossen, dass Frauen der amerikanischen Streitkräfte auch an direkten Kampfeinsätzen teilnehmen können. Am 24 Januar 2014 wurde bekannt gegeben, dass 33,000 Stellen für Frauen geöffnet würden.

In den Vereinigten Staaten wurden schon immer Frauen offensiver angeworben. Hier arbeiteten

203,000 Frauen in 2011. Das sind  14.5% des aktiven Militärs, das insgesamt  1.4 Millionen umfasst.

Die Zahl der Soldatinnen ist also auch nicht sehr viel höher wie in Deutschland, obwohl das amerikanische Frauenbild anders ist. Und dies hat mich sehr erstaunt. Irgendwie möchten Frauen nicht so ganz kämpfen und in den Streitkräften sein.

74,000 Frauen sind in der Armee, 53,000 in der Navy, 62,000 in der Air Force.

69 der 976 Generäle und Admirale sind Frauen (7,1 Prozent). 2,7 Prozent der Front-Line Einheiten sind Frauen, aber sie sind von der Infanterie gesperrt.

30,5 Prozent der Frauen waren im medizinischen Bereich tätig, und 30,1 Prozent im Verwaltungsbereich. Trotz des Verbotes des direkten Waffeneinsatzes bis 2014 waren Frauen in Afghanistan und im Irak oft im aktiven Kampfeinsatz involviert.

http://edition.cnn.com/2013/01/24/us/military-women-glance/

Bei den Tests für das Militär, insbesondere für aktivere Kampfeinheiten, ist es das die Standards für Männer als Maß für Frauen genommen wird.  2014 gab es zum Beispiel 10 freiwillige Frauen um am „Marines’ rigorous Infantry Officer Course“ teilzunehmen. Ziel war es auch zu untersuchen, ob einige Einheiten weiterhin nur aus Männern bestehen sollten. Keine der Frauen hatte den Test bestanden. Tests dieser Art dienen natürlich dazu den Ausschluss von Frauen von bestimmten Positionen zu bestätigen. Andere Einheiten sind geöffnet für Frauen.

„Was zählt ist, ob die Offiziere den Job machen können“ sagt Capt. Maureen Krebs, Sprecherin der Marine. Wenn (zum Beispiel) ein Marinesoldat/in den Job machen egal, unabhängig von Gender, und die körperlichen Tests bestehen kann, dann sollte er oder Sie auch die Möglichkeit bekommen ihr Potential zu erfüllen.

Die Armee muss noch 100,000 Stellen in 14 Spezialbereichen  für Frauen öffnen und die Marine noch 70,000 Stellen in 32 Bereichen.

Die weitere geplante Öffnung des Militärs für Frauen wird kritisch gesehen, da eventuell Standards gesenkt werden müssen oder Frauen durch Quotierung in Positionen gebracht werden.  Dies soll Hass in den Truppen verursachen. Frauen sollen im direkten Kampf nicht körperlich genauso einsatzfähig sein wie Männer, meinen einige.

Als eine Lösung sollen Fertigkeiten mit Dienststellen beim Militär zusammengebracht werden.

Die Situation von Soldatinnen in den USA macht die Schwierigkeit deutlich Frauen in das Militär zu integrieren. Das Militär ist ein Bereich der überdimensionalen Männlichkeit. Männliche Stereotype sind sozusagen beim Militär präsent, Das Militär ist männlich. Es geht um Stärke, Härte, und Kaltblütigkeit (fehlende Empathie im aktiven Kampfeinsatz). Stereotypes Denken wird gefördert und ist notwendig. Der Gegner muss entmenschlicht werden, sonst kann er nicht getötet werden. Allerdings kann man von der Denkstruktur nur in Schubladen denken oder nicht. Es gibt nicht die Möglichkeit eine Gruppe von Menschen als Inbegriff des Bösen zu sehen, aber ansonsten bei anderen Personengruppen individuelle Feinheiten wahrnehmen. Die Kompetenz zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss prinzipiell vorliegen.

Auch deshalb kommt es häufig zu sexuellen Übergriffen gegenüber Frauen beim Militär, denn diese werden als Sexualobjekte wahrgenommen und Macht wird zelebriert.

Das führt natürlich beides (männliche Werte und fehlende Empathie) dazu, das sich das Militär kaum gerne für Frauen öffnet. Frauen werden auch stereotyp wahrgenommen und wurden in der Regel auch so sozialisiert, dass sie dem Stereotyp der absoluten Männlichkeit nicht entsprechen können, denn dann wären sie ja keine Frau mehr. Extreme Charaktereigenschaften wie sie das Militär erfordert, bedingen es traditionell, dass ein Soldat keine Soldatin sein kann. Eine Soldatin kann nur bis zu einem gewissen Grad Aufgaben beim Militär übernehmen. Eine andere Lösung, die auch versucht wird, wäre es das Militär empathischer und weicher zu machen, für Männer und Frauen. Das ist möglich nur so lange keine Kampfeinsätze stattfinden. Ansonsten wird wieder erbarmungsloses Handeln notwendig.

In dieser Ambivalenz und Zwiespalt ist die Diskussion um Frauen beim Militär zu sehen. Teilweise geht es darum, dass Kriegseinsätze netter wirken und somit akzeptiert werden durch die Präsenz von Frauen, und teilweise stößt diese Zielsetzung auf eine natürlich Grenze durch weibliche Sozialisation, der sich Frauen und Männer im Moment nicht entziehen können.

Ich lasse keinen Zweifel daran aufkommen, dass Frauen genauso gut töten können wie Männer und ihre Empathie abschaffen können, aber im jetzigen Kontext bedeutet kampfbereiter Soldat Männlichkeit.

Auch in diesem Zusammenhang ist es hilfreich sich Militärvideos verschiedener Gruppen anzusehen und zu vergleichen; männliche Dominanz ist deutlich.

In jedem Fall drücken Körpersprache und andere Marker wie Kleidung und Schminke  Dominanz/Hochstatus oder aber niedrigen Status aus. Häufig werden in Videos von Soldatinnen, egal welchen Landes, geschminkte und lächelnde Soldatinnen abgebildet. Dies sind beides keine Zeichen von Dominanz und Stärke, sondern von Unterwürfigkeit im Zusammenhang von Geschlechterhierarchie. Die traditionelle Weiblichkeit soll erhalten werden, das Militär als etwas nettes dargestellt werden, aber zum Glauben an weibliche Härte und Aggressivität trägt dies in keiner Weise bei. Und dies ist das was das Militär ausmacht. Nur zur Erinnerung. Es geht um Töten.  Die Fähigkeit zum gnadenlosen Töten. Auch das Beiwerk dient nur zur Unterstützung  dieser Zielerreichung. Und ohne diese Fähigkeit zum Töten gibt es keine wirkliche Anerkennung beim Militär. Die besten und härtesten Kämpfer werden bewundert. Ergo: keine Anerkennung für Soldatinnen in absehbarer Zeit.

In Deutschland gibt es 14 Jahre nach der vollständigen Öffnung der Bundeswehr für Frauen  massive Probleme bei ihrer Integration in die Truppe. Nach einer im Januar veröffentlichen Umfrage des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr wachsen unter den Soldaten die Vorbehalte gegen Soldatinnen. 56,6 Prozent meinten, Frauen veränderten die Bundeswehr zum Schlechteren. 15,6 Prozent sagten sogar, die Bundeswehr könne wegen der Frauen ihren militärischen Auftrag nicht mehr erfüllen. Dies passt zur vorherigen Argumentation.

Angeblich gibt es auch Studien, die besagen, dass Männer anders auf verletzte Soldatinnen reagieren und sich muslimische Kämpfer nicht Soldatinnen ergeben würden. Allerdings hätten die irakische und afghanische Zivilbevölkerung weniger Angst vor Soldatinnen, was auch genutzt werden könnte bei Befragungen. Hier muss aber auch angemerkt werden, dass die fehlende Angst auch daran liegt, dass Frauen bisher nicht maßgeblich an brutalen und direkten Kriegseinsätzen beteiligt waren. Die Haltung könnte sich mit anderen Erfahrungen auch wieder ändern.

Im Buch on “On Killing” von Grossmann wird dargelegt, das die meisten Menschen eine Tötungshemmung haben, die erst überwunden werden muss. Weitere Studien bestätigen diese Idee und sie ist die Grundlage für die Ausbildung beim Militär und bei der Polizei, und notwendige Lektüre beim FBI in Quantico. Es ist davon auszugehen, dass Frauen im Großen und Ganzen durch ihre Sozialisation noch mehr Hemmungen haben diese Schwelle zu überwinden.

Ich bedaure diese Schwierigkeit mehr Frauen in die Bundeswehr zu bekommen in keiner Weise. Es ist eher zu hoffen, dass es auch schwieriger wird Männer zu finden. Je verheerender die Lebenssituation im zivilen Leben, desto eher besteht allerdings die Bereitschaft das eigene Leben zu riskieren.

In den Medien wurde auch die Rolle von Kurdinnen im aktiven Kampf des Militärs hervorgehoben.

Hier wird es spannend, denn der Ansatz der hier besteht ist ein anderer. Frauen können sich sozusagen nur im Kampf befreien und als gleichwertig gesehen werden. Auch in einer Doku teilen Kämpferinnen der YPG mit, dass sie von Männern unterdrückt wurden, und erst durch ihren Militärdienst Anerkennung bekamen. Diese Strategie ist auch nicht neu. Die PKK schreibt:

Vor dem Hintergrund der kurdischen Gesellschaft ist der Aufbau der Frauenarmee eine Entwicklung, die nicht genug bewertet werden kann. Dieser Schritt wäre niemals möglich gewesen, wenn die PKK die Geschlechterfrage nicht ins Zentrum ihrer Parteilinie gestellt hätte. Noch vor fünf Jahren schien dieser Plan geradezu utopisch.

Die jetzige Phase der Revolution wird als eine Phase gesehen, in der Frauen ihre eigene Kraft erfahren können, sich umsehen können, um ihre eigene Realität und sich selbst zu finden, die Bindung zu sich selbst zu stärken.

Das Ziel der Partei ist es nicht, Soldatinnen für die Armee zu gewinnen, sondern den Frauen die Möglichkeit zu geben, eine freie Frauenpersönlichkeit zu erreichen, was nur im bewaffneten Kampf in der eigenen Armee zu erreichen und zu institutionalisieren ist.

Abdullah Öcalan:

Unsere Revolution macht die Frauen mit der vollkommenen Freiheit ihres Geschlechts bekannt, befreit von allen reaktionären Beziehungen und Wertmaßstäben.

In Guerillabewegungen verschiedenster Strömungen wurde Frauen immer völlige Anerkennung durch Kampf und Gleichheit versprochen. Bedauerlicherweise sah es dann in den Zeiten nach dem Kampf bisher immer anders aus .

Krieg, Kampf und Militär stellen für Frauen durch ihre besondere Sozialisation eine besondere Hürde dar und in diesem Zusammenhang bedaure ich dieses nicht. Frauen werden auch von anderen anders wahrgenommen und dies wird teilweise zielgerichtet genutzt zur „Humanisierung des Krieges“.

Es gibt auch keine Befreiung vom Patriarchat durch den bewaffneten Kampf zusammen mit Männern. Töten im Krieg zelebriert stereotype Männlichkeit, nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich erst als Frau durch Gewaltanwendung anerkannt werden kann, dann werde ich nicht wirklich anerkannt.


 

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