Schlagwort: liberaler feminismus

Evelina Giobbe: Den liberalen Lügen über Prostitution entgegentreten

Evelina Giobbe - Foto: Privat

Auszüge aus einem Text, veröffentlicht im Sammelband “The Sexual Liberals and The Attack on Feminism“, herausgegeben von Dorchen Leidholdt und Janice G. Raymond im Jahr 1990. Vollständiger Text „Confronting the Liberal Lies About Prostitution“ (auf englisch) auf radfem.org

WHISPER  (Women Hurt In Systems Of Prostitution Engaged In Revolt) ist eine nationale Organisation von Frauen, die die Sexindustrie überlebt haben. … Wir haben dieses Akronym gewählt, weil Frauen im System der Prostitution untereinander über den Zwang, die Erniedrigung, die sexuellen Misshandlungen und die Gewalt auf denen die Prostitution gründet, flüstern, während die Mythen über die Prostitution in der Pornographie und den Mainstream-Medien geradezu herausgeschrien werden – und das von selbsternannten „ExpertInnen“. Diese Mythologie (…) wird illustriert durch die Ideologie der Sexualliberalen, die fälschlicherweise behaupten, dass Prostitution eine Wahl sei; dass Prostitution der Inbegriff der sexuellen Befreiung der Frau sei; dass die Prostituierten die sexuellen und ökonomischen Bedingungen ihrer Interaktionen mit Freiern bestimmen würden; dass Zuhälter/Prostituierte für beide Seiten förderliche soziale und Wirtschaftsbeziehungen seien, in die Frauen sich freiwillig begeben würden … .

Die Sexualliberalen haben drei wesentliche Argumente entwickelt, die die zentrale Rolle von Zuhältern bei der Rekrutierung von Mädchen und Frauen in die so genannte freiwillige Prostitution wegerklären sollen: „Der Zuhälter als Manager“; „Der Zuhälter als stigmatisierte Minderheit“; „Der Zuhälter als Liebhaber und Freund“.  Alle drei Modelle machte sich Priscilla Alexander  [die niemals selbst in der Prostitution war] von der NTFP (National Task Force on Prostitution) und COYOTE (Cast Off Your Old Tired Ethics) zu eigen, ebenso  Arlene Carmen und Howard Moody, die dies von der Kanzel der Judson Memorial Church predigten und in ihrem Buch „Working Women: The Subterranean World of Street Prostitution“ (1985) vertraten. Da deren kollektiven Ansichten repräsentativ für die Förderung von und Entschuldigung für die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Frauen in der Pornographie und Pornographie sind, möchte ich mich damit befassen.

… Zunächst müssen wir uns den Mythos anschauen, nach dem Prostitution einfach ein Job wie jeder andere sei. Wenn es nach den Sexualliberalen geht, dann ist „Prostitution eine traditionelle weibliche Beschäftigung, die alltäglich auftritt und bei der biologisches Verlangen und ökonomische Bedürfnisse sich treffen“. Genauso doppelzüngig empfehlen sie uns es als „Akt, der in erster Linie persönlich und intim ist“ zu sehen und gleichzeitig „eine der letzte Bastionen des kleinen, selbstständigen, wirtschaftsliberalen Kapitalismus“ (Carmen / Moody, 1985). Die Tatsache, dass Prostitution die Objektifizierung des weiblichen Körpers, der auf dem Markt verkauft wird, voraussetzt, entzieht sie dem persönlichen Bereich. Vielmehr haben Überlebende den Akt der Prostitution als „ekelhaft“, „missbräuchlich“ und „wie Vergewaltigung“ beschrieben, und erklärt, dass sie lernen mussten ihren Geist von ihren Körpern abzutrennen oder Drogen und Alkohol konsumieren mussten, um ihre physischen und emotionalen Schmerzen zu  betäuben (WHISPER 1988). Dementsprechend wäre es richtiger Prostitution als zudringlich, ungewollt und oftmals offen gewalttätigen Sex zu sehen, den Frauen aushalten, statt es als „persönlichen und intimen Akt“ zu betrachten.

…Die Sexualliberalen (…) ignorieren, dass Prostitutionsüberlebende wiederholt gesagt haben (…), dass sie Prostitution nicht als Beruf betrachten. (…) Außerdem berücksichtigt diese Analyse nicht die soziale Funktion der Prostitution: das Recht auf bedingungslosen sexuellen Zugriff auf Frauen und Mädchen auf alle Männer auszuweiten, zusätzlich zu den Privilegien, die Ehemänner und Väter innerhalb der Institution der Ehe genießen. Diese Dynamiken werden von den Frauen, die im System der Prostitution benutzt werden verstanden, (…) so äußerte eine Überlebende (…) : „Ich habe gedacht, dass Frauen auf dieser Erde seien um das sexuelle Vergnügen der Männer sicherzustellen, im Tausch gegen ein Dach über dem Kopf und Essen in deinem Magen.“

Manche Sexualliberalen rechtfertigen Prostitution als eine altruistische Kreation von Women of Color:  „Prostitution ist schwarzen Frauen nicht fremd“, schreiben Carmen und Moody. „In den 1920er und 1930er Jahren gab es in jeder südlichen Stadt einen Rotlichtbezirk gegenüber dem schwarzen Ghetto, in dem junge weiße Jungs ihre Männlichkeit mit Hilfe einer „Zwei-Dollar-Hure“ entdeckten. (…) Prostituierte (…) haben Weiße und Schwarze lange vor der Bürgerrechtsbewegung integriert“ Erstaunlicherweise betrachten Carmen und Moody den Kauf und Verkauf von „schwarzen“ Frauen durch weiße Männer und ihre Söhne als Vorhut der Aufhebung der Rassentrennung. (…)

Eine WoC, die Prostitution überlebt hat, dazu:

„Sie haben [in der Stahlindustrie von Indiana] Männer angestellt. Alle Männer bekamen Jobs in den Stahlfabriken dort; jedoch nur wenige Frauen. Du musstest wirklich süss sein oder jemanden kennen, also gab es keine Jobs auf dem Feld, keine Jobs in den Büros, es sei denn du kanntest jemanden; aber es gab jede Menge Jobs für dich in den Stripclubs, als Tänzerin oder in den Restaurants und Bars vor den Fabriken, für wenn die Jungs reinkamen.“

Rassistische Stereotype von WoC in der Pornographie und rassistische Politiken, die pornographische Buchläden, Peep Shows, Oben-Ohne-Bars und Prostitution in die armen Nachbarschaften der Schwarzen und ethnischen Minderheiten legen, erschaffen eine Umgebung, in der WoC besonders verletzlich sind. (…)

Die Rolle des Rassismus bei der Rekrutierung von Frauen in das System der Prostitution und als Hindernis für ihr Entkommen daraus, ist komplex und facettenreich. …

„Prostitution beinhaltet eine Gleichung von Sex und Macht“, sagt COYOTE. Aber statt die Macht der Zuhälter und Freier über Frauen, die in der Prostitution benutzt werden, halten anzuerkennen, behauptet COYOTE ein gegensätzliches Arrangement: „Für die Frau / Prostituierte, besteht die Macht  in der Möglichkeit ihre Bedingungen für Sexualität zu bestimmen, sowie eine Bezahlung für ihre Zeit und Fähigkeiten zu verlangen“ (Priscilla Alexander) Den Feminismus grob entstellend,  behaupten Carmen und Moody: „In einer Gesellschaft, in der Frauen an der Schwelle zur Gleichheit mit Männern stehen, und den Sex nicht nur zu genießen beginnen, sondern auch entscheiden wann und mit wem sie ihn haben, wird die Prostituierte die Verkörperung der Freiheit, die bisher nur eine Fantasie war“. Sie erweitern ihre Unterstützung des männlichen sexuellen Imperativs zum Maß der sexuellen Freiheit von Frauen jedoch, wenn sie die vordergründige Funktion der Prostituierten beschreiben als „(…) sich für Bezahlung der sexuellen Fantasien unserer Brüder, Väter und Söhne ergeben“. (…)

Tatsächlich wird die Ausbeutung durch Zuhälter von Alexander umdefiniert in eine „Arbeitgeber-Arbeitnehmer Beziehung, in der mehrere Prostituierte einen Teil oder ihre ganzen Einnahmen einem Dritten übergeben“. (…)

In einem Versuch Stroh in Gold zu verwandeln, spinnen die Sexualliberalen sich eine Argumentation zur Verteidigung der Prostitution, die auf falschen Annahmen und regelrechten Lügen beruht. Sie behaupten Prostitution sei sowohl eine Manifestation der sexuellen Freiheit der Frauen und von Geschlechtergleichheit. Sie behaupten Frauen würden Prostitution als Beruf wählen. Sie behaupten, dass Frauen sowohl die sexuellen als auch die finanziellen Interaktionen zwischen sich und den Freiern bestimmen würden. Sie behaupten Zuhälter seien kleine Geschäftsführer, die man durch Gewerkschaftsverhandlungen zur Verantwortung ziehen kann und sollte.

Bei der Auswertung der Daten, die im WHISPER Oral History Projekt gesammelt wurden, haben sich kulturell unterstützte Taktiken von Macht und Kontrolle herausgestellt, die die Rekrutierung oder den Zwang von Frauen und Kindern in die Prostitution befördern und effektiv ihren Ausstieg verhindern. These Taktiken beinhalten sexuelle Gewalt im Kindesalter, Vergewaltigung, häusliche Gewalt,  Mangel an Bildung, Diskriminierung am Arbeitsplatz, Armut, Rassismus, Klassismus, Sexismus, Heterosexismus und ungleiche Durchsetzung des Gesetzes. Dieselben Taktiken werden von einzelnen Männern verwendet um Frauen in missbräuchlichen Beziehungen außerhalb der Prostitution zu halten.

90% der Frauen, die am Oral History Projekt von WHISPER teilnahmen berichteten von einem ungeheuren Maß an erlebter physischer und sexueller Gewalt in ihrer Kindheit. 90% waren in ihren Familien geschlagen worden. 74% haben zwischen ihrem 3. und 14. Lebensjahr sexuelle Gewalt erfahren. In dieser Gruppe haben 57% wiederholt sexuelle Gewalt über einen Zeitraum von fünf Jahren erfahren. 43% wurden von zwei oder drei Tätern viktimisiert; 93% wurden von einem Familienmitglied sexueller Gewalt ausgesetzt. Zusätzlich wurden 50% aus dieser Gruppe von einem Nicht-Familienmitglied sexueller Gewalt ausgesetzt.  (…)

Carmen und Moody versuchen die Zuhälter freizusprechen, indem sie ein pseudo-psychologisches Profil dieser Männer erstellen. Was wirklich wichtig sei, schreiben sie, sei „das Selbstbild dieses Mannes, die Art und Weise wie er sich selbst wahrnimmt in seiner Beziehung zur Prostituierten. (…) Er sieht sich nicht als Sklavenhalter von Frauen; Er sieht sich eher als ein Geschäftsmann. (…) Er führt einen kleinen Betrieb.“ Und wenn wir weiterlesen, dann lernen wir, dass in diesem Betrieb „er sich normalerweise entscheidet die Frauen eher mit Sach- und Dienstleistungen zu bezahlen, statt mit Geld.“  Dies ist äquivalent dazu eine Analyse von sexueller Gewalt zu konstruieren, indem man den Sexualstraftäter fragt wie er sich selbst in Relation zu seinem Opfer sieht: Er wird sich selbst nicht als Vergewaltiger sehen, sondern er wird sich eher als ein Liebhaber betrachten.

Carmen und Moody schreiben über den Blick der Gesellschaft auf den Zuhälter: „Der Zuhälter als eine Kategorie Mensch erleidet das gleiche Schicksal wie andere Mitglieder von devianten und Minderheits-Subkulturen.“ (…) Sie fahren fort mit dem was sie als die wahre Erniedrigung durch die Sklaverei empfinden: „Weiße Meister haben schwarze Männer sozial kastriert, indem sie ihnen nicht erlaubten einem eigenen Haushalt vorzustehen, und ihnen den Zugriff auf weiße Frauen verwehrt haben.“ Für Carmen und Moody ist die zeitgenössische Zuhälterei durch schwarze Männer eine Korrektur einer historischen Ungerechtigkeit: „Der schwarze Zuhälter hat die Geschichte umgekehrt“, erklären sie. „Er dominiert schwarze und weiße Frauen [und hat] so den weißen Mann erniedrigt, indem er ihn dafür zahlen lässt für das, was weiße Frauen dem schwarzen Mann freigiebig geben.“

Das rassistische Paradigma (…) lenkt die Aufmerksamkeit von dem organisierten Handel mit Frauen durch weiße Geschäftsmänner in Amerika – den Bordellbetreibern in Nevada; Betreibern von Massagesalons und Escort-Services in den ganzen Vereinigten Staaten; Besitzern und Geschäftsführern von Bars, Nachtclubs und „Tanzstudios“, in denen Prostitution gefördert wird; Betreibern von „Mail Order Bride“-Agenturen; von organisierten, kriminellen Netzwerken, die im geheimen Einverständnis mit amerikanischen GI`s betrügerisch asiatische Frauen in dieses Land handeln und sie in Massagesalons einsperren; von den Pornographen und den Betreibern der „Peep Shows“ und „Live Sex Shows“; und von den linken, selbsternannten Revolutionären, die ihre weiblichen Genossinnen in den 1960er und 1970er Jahren „rausgeworfen“ haben. (…)

Die Familie dient als Übungslager für die Prostitution. Es ist im Interesse der Sexualliberalen, die meisten von ihnen Ehemänner und/oder Väter, diese Institution intakt zu halten. Sie schützen sie durch die Erzwingung von Gesetzen der Privatsphäre, die den Mann vorm Eingriff in seine absolute Autorität zu Hause schützen – ebenso wie diese Gesetze ihr Recht schützen Frauen durch die Pornographie öffentlich zu handeln.

In einem Versuch den Männern jegliche Verantwortung für den Handel mit Frauen abzusprechen, argumentieren Carmen und Moody, dass es „ein Mythos [ist], dass der Zuhälter der vorrangige Grund ist warum Frauen sich in diesem Leben befinden.“ Sie behaupten für die Prostituierten zu sprechen, wenn sie sagen: „(…) die Frauen wählen sehr viel häufiger als nicht den Mann mit dem sie sein wollen und dem sie ihr Geld geben) …. )Frauen verlassen den einen Zuhälter für einen anderen.“ (…) Alexander geht so weit, dass sie behauptet, dass „junge Mädchen (Ausreißerinnen) vorsätzlich in die großen Städte gehen um Zuhälter zu finden….“. (…)

Carmen und Moody beschreiben den Zuhälter als gütig. Sie schreiben: „Der Zuhälter spielt eine vielfältige Rolle (…) in Bezug auf seine Frauen: (…) als Vater, der seine eigensinnige Tochter erzieht … [als] Bruder … [als] Liebhaber. Die vielleicht wichtigste Rolle ist vermutlich, die (…) wenn er den Ehemann mimt:“ Sie behaupten: „Er ist begehrenswert, weil sie glaubt, dass er ein guter Versorger ist, der ihr die Dinge gibt, die sie braucht (…) und das was sie begehrt (…)  und er ihr das ultimative Geschenk machen wird – und sie sei Kind gebären lässt.“ Sie schieben die Schuld auf die Frauen, wenn sie sagen: „In der Subkultur der Prostitution ist der Mann immer noch der König auf einem Berg, während die Frau eine unterwürfige Dienerin ist, wenngleich auch zum größten Teil eine willige.“

Was Carmen und Moody hier beschreiben ist die traditionelle, patriarchale Familie, und indem sie das getan haben, haben sie unbewusst die Wahrheit über Prostitution entlarvt. Prostitution wird zu Hause gelehrt, sozial validiert durch die sexualliberale Ideologie und sowohl durch die Kirche und den Staat durchgesetzt. Das sind sozusagen die männlichen Hierarchien sowohl der konservativen Rechten und der liberalen Linken die hier zusammenwirken und Frauen Prostitution lehren und sie darin halten: die Rechte, indem sie fordert, dass Frauen sozial und sexuell dem  einen Mann in der Ehe untergeordnet sein sollen, und die Linke, indem sie fordert, dass Frauen sozial und sexuell allen Männern durch die Prostitution und die Pornographie untergeordnet sein sollen. Das gemeinsame Ziel ist es ihre Macht zu erhalten Frauen zu besitzen und zu kontrollieren, sowohl in der privaten als auch der öffentlichen Sphäre.

Prostitution ist nicht wie irgendetwas anderes. Vielmehr ist alles andere wie Prostitution, denn sie ist das Modell für die Lage der Frau. Die Trennlinie zwischen der Ehefrau und der Prostituierten – Madonna und Hure – verschwimmt zunehmend, beginnend mit den Versuchen der Frauen sich selbst aus dieser Doppelmoral zu befreien, die enttäuscht wurden durch die Übernahme und Forcierung der „Playboy Philosophie“ durch die liberale Linke.  Dies resultierte in der Ersetzung der Doppelmoral durch einen einzigen männlichen Standard, in dem sexuelle Befreiung ein Synonym für die männliche, sexuelle Objektifizierung von und den bedingungslosen sexuellen Zugriff auf Frauen wurde. Mit dem Eindringen der pornographischen Kabelprogramme und Videokassetten ins eigene Heim wird die „gute Ehefrau“ zunehmend gleichgesetzt mit der „guten Hure“, da immer mehr Frauen gedrängt werden die Szenen aus der Pornographie nachzuahmen. In diesem Kontext wird die Ehefrau bedrängt, verführt und/oder gezwungen die Rolle der Prostituierten zu übernehmen, während der Ehemann die Rolle des Freiers einnimmt. Wettbewerbe von Pornographen, wie Hustler (…) und High Society (…) haben zu einer starken Zunahme von Heim-Pornos geführt. In dieser Situation wird die Frau dazu verpflichtet sich in die Rolle der „Pornoqueen“ zu versetzen, während der Ehemann die Rolle des Pornographen übernimmt. Die Zunahme der „Swinger-Magazine“ und „Frauentausch-Clubs“ ermöglicht Männern sich gleichzeitig in die Rolle des Freiers und Zuhälters zu begeben, indem sie für die Benutzung der Partnerin des einen Mannes zahlen, und im Austausch ihre Ehefrau verfügbar für andere machen.  Die letzte Barriere der Trennung der Rolle von Ehefrau und Prostituierten wird eingerissen, wenn Männer sexuelle Begegnungen mit Prostituierten, die ihre Ehefrauen mit einbeziehen, arrangieren. Eine Prostitutionsüberlebende beschreibt die Dynamiken einer solchen Erfahrung:

„Viele Männer haben es genossen mich mit ihren Ehefrauen als dritte Person einzubringen. Normalerweise endete das damit, dass wir einen Porno anschauten und er dann sagen würde: „Ok, ich möchte, dass du das jetzt mit meiner Frau machst.“ Bei diesen Begebenheiten habe ich die Frau als Opfer empfunden, und dass meine Aufgabe darin bestand ihr weh zu tun. Ich habe ein echtes Machtspiel gespürt, bei dem der Mann seiner Frau offensichtlich sagte: „Wenn du das nicht machst, dann werde ich dich verlassen.“  Da gab es viele Zwischentöne, die für Manipulation und Zwang sprachen.“

Auf jede dieser Weisen symbolisiert Prostitution den Wert der Frauen in der Gesellschaft. Sie ist paradigmatisch für die soziale, sexuelle und ökonomische Unterordnung insofern, dass ihr Status die Basis ist, an dem der Wert aller Frauen gemessen ist, und auf den alle Frauen reduziert werden können. Die Bezahlung, die ein Mann bezahlt um die am meisten verachteten Frauen – Prostituierte – zu schädigen  – setzt den Standard nach dem er die Frauen unter seiner Kontrolle behandeln kann – seine Frau und seine Töchter. (…)

Die Rolle der Prostituierten wird Frauen individuell und als Klasse beigebracht durch die soziale Sanktionierung von kommerzieller sexueller Ausbeutung von Frauen durch Pornographen, die unseren Status zweiter Klasse aufrecht erhält und dennoch von den Sexualliberalen als Befreiung der Frau  angepriesen wird. Die vom Oral History Projekt erhobenen Daten widersprechen dem Argument der Sexualliberalen, dass Pornographie eine harmlose Fantasie sei oder sexuell befreiende Unterhaltung, sondern legen stattdessen nahe, dass Pornographie ein wichtiger Faktor ist in Bezug auf die Gewöhnung von Frauen an die Prostitution. 52% der interviewten Frauen enthüllten, dass Pornographie eine bedeutende Rolle dabei spielte ihnen beizubringen was von ihnen als Prostituierte erwartet würde. 30% gaben an, dass ihre Zuhälter sie regelmäßig pornographischem Material aussetzten um ihnen eine Akzeptanz der dargestellten Praktiken zu indoktrinieren. Eine Überlebende erklärte:

„Er hat Pornographie benutzt um mir Rollenbilder vorzugeben … Er sagte Dinge wie „Ich möchte, dass du so aussiehst“.

Vervollständigt wird die Angelegenheit durch die Benutzung von Pornographie durch Freier. 80% der Überlebenden berichteten, dass ihre Kunden ihnen Pornographie gezeigt haben um die sexuellen Aktivitäten zu illustrieren, die ihnen vorschwebten, inklusive Sadomasochismus, Bondage, Analverkehr, Urin und Kot, die Entfernung von Schambehaarung für die Illusion der Pubertät. Diese Information passt zu der Aussage von Prostitutionsüberlebenden in öffentlichen Anhörungen und vor Kommisionen:

„Pornographie war unser Lehrbuch. Wir haben die Tricks des Gewerbes gelernt, in dem Männer uns Pornographie ausgesetzt haben und uns dazu bringen wollten nachzuahmen was wir sahen. Wir können gar nicht genug betonen was für einen großen Einfluss das hatte.“

53% der Interviewten berichteten, dass  ihre Kunden pornographische Bilder schossen, zusätzlich zu den sexuellen Aktivitäten….

Wir, die Frauen von WHISPER, sind der Brutalität der patriarchalen Familie entkommen, nur um uns selbst den Zuhältern, Kupplern und Vermittlern auf Gedeih und Verderb ausgesetzt zu sehen, die eine Milliarden-Dollar-Industrie geschaffen haben, um zu verkaufen, was uns unsere Väter und Ehemänner ursprünglich von uns gestohlen haben. Wir sind hier um die Lüge über Prostitution zu entlarven, dass Prostitution die Antwort auf die soziale, sexuelle und ökonomische Unterordnung der Frau sei. Prostitution ist KEIN „Beruf“.

„Wenn ich auf mein Leben blicke, dann denke ich wie ich in diese Welt kam, als Kind, und erwartete gefüttert zu werden, angezogen zu werden, beschützt zu werden und mit Respekt und Güte behandelt zu werden, wie jedes andere menschliche Wesen … Ich glaube nicht, dass ich mit dem Wunsch auf diese Welt gekommen bin, eine Prostituierte zu sein. Ich denke, das ist etwas, was mir von den Dynamiken der Gesellschaft auferlegt wurde. Etwas, dass mir beigebracht wurde.“

Prostitution ist kein „Verbrechen ohne Opfer“

„Prostitution ist Gewalt gegen Frauen … es ist die schlimmste Form von Gewalt gegen Frauen, denn du wirst von den Freiern misshandelt, von den Zuhältern, und von der Polizei. Die gesamte Gesellschaft kehrt dir den Rücken zu.“

Prostitution ist ein Verbrechen, dass Frauen von Männern angetan wird (…). Es ist nicht weniger als die Kommerzialisierung der sexuellen Gewalt und Ungleichheit, die Frauen in der traditionellen Familie erleiden, und sie kann auch nichts anderes sein.

„Die Gesetze werden von Männern gemacht und Männer wollen Frauen in der Prostitution halten, weil sie sie kontrollieren wollen, also ist das, was Prostitution ändern könnte, sie nicht zu legalisieren, sondern sie zu beenden und zu stoppen, und ich glaube nicht, dass Männer dies tun wollen. Ich denke Frauen müssen das tun.“

Der Abbau der Institution der Prostitution ist die anspruchsvollste Aufgabe für den zeitgenössischen Feminismus.

 

Nachhilfe für Liberalfeministinnen: Silencing

Ein lachender Bleistift (Comic)

Ich möchte mal kurz damit beginnen, wer ich bin, ich bin eine Prostitutionsüberlebende, wahrscheinlich – so die Glaskugel von Libfem X (nennen wir sie mal so)  –  weiß,  denn als Weiße hab ich es gut,  von unzähligen Typen gefickt zu werden und kenne keine Unterdrückung. Ich bin weiß und eine Frau – so die Glaskugel, wobei bei Frau bin ich mir nicht ganz so sicher – ist aber auch ein recht unwichtiges Kriterium geworden. Den WoC, den Roma-Frauen – ach was, lasst mal diese rassistische Komponente raus. Ist fieß.  AGENCY!!!! Die brauchen diese Überlebensmöglichkeit. Also bitte. Bitte.

Und die Frau mit der Glaskugel ist gerade unfassbar unterdrückt und zwar von Gören wie mir. Gemein.

Ich wollte ein paar Sachen erklären, auch wenn ich wenig Hoffnung in mir trage, dass es etwas nützt (setzt Introspektionsfähigkeit voraus, meine Prognose: ungünstig):

Silencing:

Silencing ist, Menschen mundtot zu machen. Menschen, die auf Realitäten aufmerksam machen. Frauen mundtot zu machen. Insbesondere dann, wenn sie von Gewalt, Vergewaltigung und anderen Widerlichkeiten erzöhlen.

Frauen haben auf gesilencte Stimmen aufmerksam gemacht und ihr formuliert es um. Ziemlich praktisch.

Wisst ihr,  der Grund warum man auf gesilencte Stimmen aufmerksam macht, ist Solidaritat. Das ist aber ein Konzept, das ihr entweder nicht verstanden oder vergessen habt.

Ja, die holde Gefolgschaft der Libfemfraktion betreibt gerade son bisschen Faktenverdrehung, ist ja nicht so, dass ich das nicht kenne, ich kenne ja die Lobby. Weiterlesen

Männer im Krieg, Männer im Frieden

Plakat: "Jeder Soldat ist strengstens verpflichtet die frei gelieferten Praeservative zu benutzen!"

Bundesarchiv, Bild 101II-MW-1019-10 / Dietrich / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons

Die Bedeutung des Militärs für die Etablierung von Prostitution wird äußerst selten thematisiert. Dabei gibt es umfangreiche feministische Forschung dazu. Insbesondere die amerikanische Politikwissenschaftlerin Cynthia Enloe hat dazu umfassend publiziert.

Militärinterventionen haben einen maßgeblichen Anteil an der weltweiten Globalisierung der Prostitution, denn Prostitution erfüllt einen wichtigen Zweck: Wie Susan Brownmiller ausführt, geht es nicht nur darum, besiegte männliche Bevölkerungen dadurch zu bestrafen, dass ihnen „ihre“ Frauen gestohlen werden, sondern auch darum, die Soldaten zu schlachtbereiter Aggression aufzustacheln.

Das Militär benutzt bewusst Prostitution und Pornografie, um die Truppen zu maskulinisieren und damit die Fähigkeit zu töten anzutrainieren. Sie ermöglichen es, Frauen als „das Andere“ zu sehen. Sie löscht Empathie aus.

Das japanische „Trostfrauensystem“

Beim so genannten „Trostfrauensystem“ handelte es sich um Vergewaltigung und sexuelle Sklaverei und nicht, wie häufig suggeriert wird, um „freiwillige“ Prostitution. Höhere Stabsoffiziere gaben den Befehl, die Bordelle einzurichten, die euphemistisch als „Spezialwarenhäuser“ (und Frauen damit als zu lagernde „Waren“) bezeichnet wurden.

Die Funktionsweise war ähnlich dem heutigen legalisierten und vielerorts tolerierten Bordellsytem: Die Mädchen und Frauen wurden durch Täuschung oder Verkauf eingehandelt und erlitten schreckliche Gewalt, wenn sie sich widersetzten. Man sagte ihnen, dass sie Schulden hätten und daher vertraglich verpflichtet seien, ihre Körper zur Verfügung zu stellen. Sie mussten außerhalb von Kampfzeiten zehn Männer pro Tag erdulden, davor und danach sogar 30-40 Männer pro Tag.

Wie die Frauen in deutschen Bordellen, berichteten die „Trostfrauen“ von starken Schmerzen, Schwelllungen an den Genitalien und Blutungen.

In der Zeit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg befürchtete die japanische Regierung, dass die US-Besatzungstruppen japanische Frauen vergewaltigen würden, wenn sie nicht mit prostituierten Frauen versorgt werden würden. Neben den bereits in der Prostitution befindlichen Frauen wurden auch „neue“ dem System zugeführt. Es wurde vom Staat –  in Zusammenarbeit mit Besitzern von privaten Clubs und Bordellen –  die Recreation and Amusement Association (RAA) eingerichtet. Die „weltgrößte Handelsvereinigung für weiße Sklavinnen“ rekrutierte „weibliche Angestellte“, um die „stationierten Truppen zu trösten“. Viele Frauen folgten dieser Anwerbung aufgrund massiver Hungersnöte und Arbeitslosigkeit.

Vergewaltigungslager in Bosnien – und dem Nationalsozialismus

Serbische Milizen richteten in Bosnien im Zuge des Völkermordes Vergewaltigungslager ein. Frauen, die nicht mehr von Nutzen waren oder ihren Neuheitswert überschritten hatten, wurden schlichtweg getötet.

Catharine MacKinnon sieht eine Ursache für die Einrichtung der Lager in dem schon vor dem Krieg existierenden, übersättigten Pornografiemarkt in Jugoslawien:

„Wenn Pornografie derart zur Normalität wird, wird eine ganze Gruppe von Männern darauf vorbereitet, Frauen nicht mehr als Menschen zu sehen und sexuelle Gewalt zu genießen.“

Die Gesundheitsabteilung der Nazis hatte dem Warschauer Ghetto die Einrichtung eines Bordells von 50 jüdischen Frauen für die Nutzung durch deutsche Soldaten befohlen. Heinrich Himmler hatte die Einrichtung von mindestens neun Bordellen in Konzentrationslagern zu verantworten. Prostitution war integraler Bestandteil des Völkermords an den Juden und Jüdinnen. Daneben gab es auch andere Praktiken sexueller Gewalt:

„Frauen wurden beim Eintritt in die Lager gezwungen, sich auszuziehen und sich, um die Genitalien zu exponieren, auf zwei Stühle zu stellen, wo sie dann innen untersucht und an den Genitalien rasiert wurden, während man sie sexuell verspottete.“

Trotz der enormen Fülle an Dokumentationen und Aufarbeitungen des Nationalsozialismus bleiben diese Aspekte bis heute weitgehend unberücksichtigt. Weiterlesen

Solidarität mit Meghan Murphy!

Meghan Murphy

Wir dokumentieren einen Brief an rabble.ca., dieser ist im Original erschienen bei Last Wave Feminist: Open Letter to rabble re: Meghan Murphy

Wir, die Unterzeichnenden, möchten hiermit unsere tiefe Missbilligung gegenüber rabbles Antwort zu den jüngsten Angriffen auf Meghan Murphy ausdrücken.

In den letzten Wochen wurde Meghan Murphy zur Zielscheibe eines üblen und koordinierten Angriffs, von dem wir glauben, dass er sich nicht nur gegen sie – als die bekannteste Vertreterin feministischer Grundsätze, mit denen wir insgesamt einverstanden sind – sondern gegen Frauen allgemein und Feministinnen im Besonderen richtet.
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„Agency“ ist magisch, mit den Hüften wackeln auch

[Gleich zu Beginn die Klärung des nachfolgend häufiger verwendeten Begriffs „agency“: „agency“ ist „sozialwissenschaftlich die Wirkmächtigkeit, Kreativität und den subjektiven Sinn des Handelns“, noch knapper (und psychologisch) die Freiheit eigene Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Wikipedia]

Neulich wurde wieder einmal in einem Artikel argumentiert, dass die Kritik an Sexualisierung und Objektifizierung ein Beweis dafür ist, dass Männer Angst davor haben, dass Frauen ihre Sexualität ausdrücken und Frauen neidisch sind und das auf der Basis von „agency“.

Welch ein innovativer und wegweisender Gedanke.

Ein aktueller Artikel der Huffington Post verteidigt auf der Basis der „Agency“ ein Video  des mit den Hüften wackelnden Models, Amber Rose, welches sie als Geburtstagsgeschenk für ihren Ehemann Wiz Khalifa auf Youtube gepostet hat, sowie Beyoncés Poledancing bei den VMAs.

Die Autorin schreibt über Beyoncés „manchmal provokatives Tanzen“:

„Was bringt sie ihrer Tochter bei?“ haben manche entrüstet gefragt, die Perlenkette straff gerafft.[1] Ich würde antworten: „“Agency“, Unabhängigkeit, Talent“. Andere hingegen meinen offensichtlich, dass es, also die Mutter vor Millionen singen und tanzen zu sehen – während sie Millionen verdient, Blue beibringt, ihren Körper nicht zu respektieren und wert zu schätzen. Obwohl sie verheiratet und Mutter ist – der vermeintliche Schutz davor, nicht als Hure betitelt zu werden – werden Beyoncés „Tugend“ und Mutterschaft in Frage gestellt.“

Dem Evangelium der liberalen Feministinnen zufolge, drückt Wackeln mit den Hüften und Poledancing auf einer Bühne vor einer Zweijährigen „agency“ aus. „Agency“, das ist dieses schwer fassbare Konzept, das offensichtlich nur diejenigen begreifen, die ein abgeschlossenes, vierjähriges Kunststudium vorweisen können. Der Rest von uns, informiert durch empirische Belege, ist hingegen etwas besorgt über die Statistiken, die zeigen, das immer jüngere Mädchen mit Essstörungen und Ängsten fertigwerden müssen, und in Sexhandlungen und pornofizierte Versionen der Sexualität gedrückt und gezwungen werden.

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