Kategorie: Feminismus

#Ausnahmslos Betroffenen zuhören

1 in 3 women are raped - Poster

by Jonathan McIntosh via Flickr, [CC BY-SA 2.0]

Inhaltshinweis: In diesem Artikel werden physische, psychische, sexuelle Gewalttaten beschrieben.

Was haben die Berichterstattungen und politischen Debatten als Reaktion auf die sexuelle Gewalt in Köln und anderen Großstädten mit #ausnahmslos gemein? Die Betroffenen selbst, ihre Geschichten kommen nicht zu Wort. Was an #ausnahmslos nicht reicht, wurde ja schon geschrieben und dass #ausnahmslos Opfern der kommerziellen sexuellen Gewalt wie eine Farce vorkommt, hat Zora kurz und prägnant zusammengefasst. Nein, es geht mir nicht um ein Bashing oder das Nichtanerkennen einer solchen Aktion. Jede Aktion, die sexuelle Gewalt in die Öffentlichkeit pusht, ist wichtig. Kritisieren darf man sie dennoch.

Also: Betroffene. Wo sind sie? Wo sind die Statements wie zur #aufschrei-Debatte von vor drei Jahren? Ich lese sie nicht. Dabei hätten gerade Menschen mit entsprechender Publicity und einem gewissen Standing im hiesigen Feminismus und der Medienlandschaft die besten Voraussetzungen, diese Geschichten, statt sich selbst, in den Fokus zu rücken. Das hat sogar die Huffington Post begriffen.

Meine Gedanken kreisen derzeit mehr als sonst um jene Menschen, ausnahmslos Frauen, denen ich begegnet bin und die mir ihre Geschichten, ihre Biografien offenbart haben. Aber die scheinen, gemessen an den Reaktionen in der Öffentlichkeit, niemals da gewesen zu sein. Jedenfalls erweckt das Gros der medialen Berichterstattung den Eindruck, als sei sexuelle Gewalt ganz was Neues, etwas nie Dagewesenes. Komisch, ich scheine auf einem anderen Planeten zu leben: Ich selbst habe seit der Kindheit Gewalt jedweder Form erfahren und diese Frauen im Laufe meines Lebens kennengelernt:

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#Ausnahmslos ALLE Opfer sexueller Gewalt benennen – #Frauenfrieden jetzt!

Mehr als 400 Unterzeichnerinnen haben heute eine Initiative unter dem Hashtag #Ausnahmslos und einen entsprechenden Aufruf gestartet. Wir begrüßen, dass drei Jahre nach #Aufschrei – endlich – eine längst überfällige, breite Diskussion über alltägliche sexuelle Gewalt in Deutschland,  und über den oft verschwiegenen Zusammenhang mit Sexismus, stattfindet. Jede Aktion, die sexuelle Gewalt zum Thema macht ist wichtig und verdient unsere Anerkennung.  Sexismus mündet in sexuelle Gewalt – wer diese vermeiden will, muss auch Sexismus deutlich kritisieren.

Trotzdem geht uns der Aufruf nicht weit genug. Wer das Übel nicht an der Wurzel packt, betreibt am Ende nur Schadensbegrenzung. Eine notwendige  grundsätzliche gesellschaftliche Veränderung wird auf diesem Wege nicht erreicht.  Das große Ausmaß sexueller und körperlicher Gewalt gegenüber Frauen zeigt uns, dass politische Ziele noch deutlicher sein müssen.

Wir möchten deshalb noch weitergehen und forden Frieden, Freiheit und das Recht auf körperliche und mentale Unversehrtheit  für alle Frauen. Sexuelle Gewalt begegnet uns nicht nur im Alltag, auf öffentlichen Plätzen wie in #Köln in der Silvesternacht, sondern sie ist auch institutionalisiert in Porno und Prostitution. Solange wir hier noch Ausnahmen machen, kann es keinen Frauenfrieden geben. Es darf nicht das Ziel sein, dass die Gesellschaft eine Gruppe Frauen für Männer zur Verfügung stellt, an denen all die Taten legal begangen werden dürfen, um auf diese Weise das Gros der übrigen Frauen zu schützen.

Es gehts um’s Ganze: Der Kampf um Rechte für Frauen muss ein Kampf mit Blick auf das große Ganze sein. Gewalt gegen Frauen ist kein „Ausrutscher“, sondern hat System. Frauen werden als Waren verdinglicht und entmenschlicht, sowohl in sexistischer Werbung, im Pornorap, aber auch gezielt in Porno und Prostitution. Diese überall sichtbare Entmenschlichung von Frauen schafft das gesellschaftliche Klima, in dem Sexismus und sexuelle Gewalt weiter gedeihen.  Wer gegen sexuelle Gewalt eintritt, darf davor nicht die Augen verschließen. Patriarchale Unterdrückung ist Realität und diese gilt es in all ihren Facetten zu enttarnen und zu überwinden.

„Niemand ist frei, während andere unterdrückt sind“: Der Kampf um die Rechte der Frauen muss das Gesamtwohl ALLER Frauen in den Fokus stellen. Es dürfen keine Ausnahmen gemacht werden, die einzig und allein männlicher Freiheit und Machtausübung dienen. Ein Kampf nur für individuelle Freiheiten der Privilegierten reicht nicht.

Konkret für die Themen Sexismus und (sexuelle) Gewalt gegen Frauen bedeutet das:

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Stimmen zu Köln

We All Can Do It - Poster

We all can do it - Poster by Valentin Brown, via Soirart/Tumblr

Wir haben für euch einige Stimmen verschiedener Frauen zu Köln gesammelt:

Sultana Sha: „Übergriffe in Köln: Als Muslima erlebt man desselbe“ (Huffington Post, 8. Januar 2016)

Ich bin aus Frankfurt und hier gibt es Orte, die ich tagsüber sogar vermeide. Dort sind viele Männer, die – je nachdem – in einem Café sitzen, Drogen verticken oder halt nach Frauen Ausschau halten (ganz nah neben einer Polizeidienststelle). Viele Männer aus einer bestimmten Region, mit einem bestimmten Migrationshintergrund, suchen explizit nach Frauen, die Kopftücher tragen. Ich muss sagen, dass ich keine 2 Minuten dort bin ohne irgendeine dumme Bemerkung zu hören. Und es vergeht kein Tag dort, ohne dass mindestens ein Typ kommt und nach der Nummer fragt. Ihm ist es glaube ich egal, ob ich sein Typ bin oder nicht, er sieht das Kopftuch und das zählt irgendwie.

Hilal Sezgin: „Ich bin es leid“ (Die Zeit, 6. Januar 2016)

Ich bin es leid, dass jede öffentliche Diskussion über sexualisierte Gewalt – falls überhaupt mal eine geführt wird – so schnell vor den Karren unzähliger anderer politischen Agenden gespannt wird, dass sie eigentlich schon keine Diskussion über sexualisierte Gewalt mehr ist. […] Dieselben Kommentatoren, die noch vor drei Jahren fanden, die junge Dame solle sich doch bitte nicht so anstellen, wenn der FDP-Opi was Nettes über ihren Busen sagt, wissen auf einmal ganz viel über die Sexualnot von Flüchtlingen und ziehen kühne kulturelle Bögen von Köln bis Kairo und Kabul.

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Antisexistisch einschreiten, wo und wie?

Sitzende Frau U-Bahn

"Waiting for the 1" by dalioPhoto via Flickr, [CC BY-NC-ND 2.0]

Überlegungen mit Hilfe von „Kritischen Überschreitungen“ gemäß Maisha Maureen Eggers
Von Luise

Natürlich sind wir AntisexistInnen, aber wie kann gehandelt werden? Muss es immer vom großen Manifest aus geschehen? Was ist mit den Zeiten zwischen den Demos oder Aktionstagen? Und große Programme bringen es nicht unbedingt. Wann soll ich zu den hohen Zielen hingelangen?
Ist es nicht so, dass mensch oftmals von einer Lesung, einem Aktionstag für die super-offene befreite LGBTI-Gesellschaft nachhause geht- und auf der Straße wieder ins Kontrastprogramm fällt, in die Wildwest-Manier des ausufernden kapitalistischen Chaos, mit Werbeindustrie als Wichsvorlagen, sexistischer Sprache und Kraftmeierei, männlich-normativ mit Sauf-Aus und Hau-drauf- in öffentlichem Raum, Arbeitsplatz oder Web-Foren? In diesem Wilden Westen sollte eigentlich Antisexismus zuallererst zum Tragen kommen, oder? Natürlich zählt es auch, im Internet homophobe Sprüche abzuwehren- aber die größere Kunst bleibt die Abwehr von solchen Sprüchen im realen Leben.

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„Frauen und Kinder rein – Männer raus aus Deutschland!“

Syrian Child Refugees

By Trocaire from Ireland (DSC_0871 (Syria 1, Emergencies 6)) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons

… so möchte man zynisch angesichts der emotionalen Flüchtlingsdebatte hinausrufen. Wir haben uns bereits mehrfach dazu geäußert, warum wir uns nicht an dieser Herbeiredung einer Gefahr für „deutsche Frauen“ durch „muslimische Männer“ beteiligen.

Nachfolgend ein paar Anregungen zum Nachdenken:

Männer sind gewalttätig gegen Frauen.

Das ist ein Faktum. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Das ist vollkommen unabhängig von ihrer Kultur, Nationalität, Hautfarbe oder Religion (und manchmal wünsche ich mir als Agnostikerin wirklich, dass es Himmel und Hölle gibt, auf dass sie alle in der Hölle schmoren werden – auf Gerechtigkeit im Diesseits warten wir wohl eh noch bis in alle Ewigkeit).

Deshalb bedeutet eine Migration von (welchen) Männern (auch immer) nach Deutschland automatisch ein Anstieg von Gewalt. Natürlich ist es falsch Männer unter Generalverdacht zu stellen, denn selbstverständlich sind nicht alle Männer gewalttätig. Was aber eben auch richtig ist, dass Männer in der Regel (Ausnahmen gibt es immer) ihre häusliche und sexuelle Gewalt innerhalb der eigenen Ethnie ausüben. Deshalb sind es insbesondere Flüchtlingsfrauen, denen Schutz – zum Beispiel in Form von reinen Frauenunterkünften – zukommen muss.

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Mit den YPG zur Frauenbefreiung?

Kurdish YPG Fighter

Kurdish YPG Fighter by kurdishstruggle via Flickr, [CC BY 2.0]

In linken Kreisen ist der positive Bezug auf die „kurdische Frauenemanzipation“ heutzutage fast schon eine Pflicht geworden. Wer sich kritisch dazu äußert, wird (mindestens) schräg angesehen.

Interessant scheint mir vor allem die unterschiedliche Bewertung der Fraueneinheiten an den syrischen Fronten: Während die Frauenguerillas, die mit der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen Assad kämpfen, kaum im globalen Norden wahrgenommen werden, das Thema „Frauen für den IS“ (Daesh) ausschließlich als Thema in Bezug auf die „Radikalisierung“ und „Islamisierung“ der muslimischen Jugend in Deutschland auf Fachtagungen und in den Medien besprochen wird, wird hingegen die Rekrutierung von (auch minderjährigen Mädchen) und Frauen für die „Revolution in Rojova“ als progressiv und emanzipatorisch abgefeiert – und das ist überraschenderweise nicht nur auf linke Kreise beschränkt. Es gibt Videofeatures, Dokumentationen und von überall lächeln uns strahlend die „YPG“-Kämpferinnen, mit schwerem Kriegsgerät dekoriert, entgegen.

Das Thema „Frauen an der Front“, und auch die Erotisierung der YPG, wären nochmal einen eigenen Artikel wert, hier möchte ich mich jedoch auf das Frauenbild der PKK beschränken, welches sich bei genauerer Betrachtung gar nicht als so progressiv und emanzipatorisch darstellt.

Die nachfolgenden Charakterisierungen beziehen sich in erster Linie auf Analysen zum Frauenbild der PKK in der Türkei und beruhen auf Auswertungen von Dokumenten, Stellungnahmen und Frauenzeitschriften der PKK und PKK-naher Organisationen selbst. Natürlich müsste man seriöserweise dieser Analyse eine Analyse der Stellungnahmen der syrischen Ableger der PKK gegenüberstellen und einen Abgleich vornehmen – allerdings kann man auf der Grundlage dessen, was bereits an Interviews, Berichten etc. existiert mit sensibilisiertem Auge sehen, dass das Frauenbild zwischen PKK Türkei und PKK Syrien sich nicht wirklich unterscheidet. Man findet die gleichen Argumente und Argumentationen in diesen wieder. Was auch ob der Allgegenwart von Abdullah Öcalan bei allem was mit „Rojava“ zu tun hat, nicht verwundert. Es handelt sich offensichtlich in Syrien nicht um eine irgendwie „andere“ Bewegung. Weiterlesen

Männer im Krieg, Männer im Frieden

Plakat: "Jeder Soldat ist strengstens verpflichtet die frei gelieferten Praeservative zu benutzen!"

Bundesarchiv, Bild 101II-MW-1019-10 / Dietrich / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons

Die Bedeutung des Militärs für die Etablierung von Prostitution wird äußerst selten thematisiert. Dabei gibt es umfangreiche feministische Forschung dazu. Insbesondere die amerikanische Politikwissenschaftlerin Cynthia Enloe hat dazu umfassend publiziert.

Militärinterventionen haben einen maßgeblichen Anteil an der weltweiten Globalisierung der Prostitution, denn Prostitution erfüllt einen wichtigen Zweck: Wie Susan Brownmiller ausführt, geht es nicht nur darum, besiegte männliche Bevölkerungen dadurch zu bestrafen, dass ihnen „ihre“ Frauen gestohlen werden, sondern auch darum, die Soldaten zu schlachtbereiter Aggression aufzustacheln.

Das Militär benutzt bewusst Prostitution und Pornografie, um die Truppen zu maskulinisieren und damit die Fähigkeit zu töten anzutrainieren. Sie ermöglichen es, Frauen als „das Andere“ zu sehen. Sie löscht Empathie aus.

Das japanische „Trostfrauensystem“

Beim so genannten „Trostfrauensystem“ handelte es sich um Vergewaltigung und sexuelle Sklaverei und nicht, wie häufig suggeriert wird, um „freiwillige“ Prostitution. Höhere Stabsoffiziere gaben den Befehl, die Bordelle einzurichten, die euphemistisch als „Spezialwarenhäuser“ (und Frauen damit als zu lagernde „Waren“) bezeichnet wurden.

Die Funktionsweise war ähnlich dem heutigen legalisierten und vielerorts tolerierten Bordellsytem: Die Mädchen und Frauen wurden durch Täuschung oder Verkauf eingehandelt und erlitten schreckliche Gewalt, wenn sie sich widersetzten. Man sagte ihnen, dass sie Schulden hätten und daher vertraglich verpflichtet seien, ihre Körper zur Verfügung zu stellen. Sie mussten außerhalb von Kampfzeiten zehn Männer pro Tag erdulden, davor und danach sogar 30-40 Männer pro Tag.

Wie die Frauen in deutschen Bordellen, berichteten die „Trostfrauen“ von starken Schmerzen, Schwelllungen an den Genitalien und Blutungen.

In der Zeit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg befürchtete die japanische Regierung, dass die US-Besatzungstruppen japanische Frauen vergewaltigen würden, wenn sie nicht mit prostituierten Frauen versorgt werden würden. Neben den bereits in der Prostitution befindlichen Frauen wurden auch „neue“ dem System zugeführt. Es wurde vom Staat –  in Zusammenarbeit mit Besitzern von privaten Clubs und Bordellen –  die Recreation and Amusement Association (RAA) eingerichtet. Die „weltgrößte Handelsvereinigung für weiße Sklavinnen“ rekrutierte „weibliche Angestellte“, um die „stationierten Truppen zu trösten“. Viele Frauen folgten dieser Anwerbung aufgrund massiver Hungersnöte und Arbeitslosigkeit.

Vergewaltigungslager in Bosnien – und dem Nationalsozialismus

Serbische Milizen richteten in Bosnien im Zuge des Völkermordes Vergewaltigungslager ein. Frauen, die nicht mehr von Nutzen waren oder ihren Neuheitswert überschritten hatten, wurden schlichtweg getötet.

Catharine MacKinnon sieht eine Ursache für die Einrichtung der Lager in dem schon vor dem Krieg existierenden, übersättigten Pornografiemarkt in Jugoslawien:

„Wenn Pornografie derart zur Normalität wird, wird eine ganze Gruppe von Männern darauf vorbereitet, Frauen nicht mehr als Menschen zu sehen und sexuelle Gewalt zu genießen.“

Die Gesundheitsabteilung der Nazis hatte dem Warschauer Ghetto die Einrichtung eines Bordells von 50 jüdischen Frauen für die Nutzung durch deutsche Soldaten befohlen. Heinrich Himmler hatte die Einrichtung von mindestens neun Bordellen in Konzentrationslagern zu verantworten. Prostitution war integraler Bestandteil des Völkermords an den Juden und Jüdinnen. Daneben gab es auch andere Praktiken sexueller Gewalt:

„Frauen wurden beim Eintritt in die Lager gezwungen, sich auszuziehen und sich, um die Genitalien zu exponieren, auf zwei Stühle zu stellen, wo sie dann innen untersucht und an den Genitalien rasiert wurden, während man sie sexuell verspottete.“

Trotz der enormen Fülle an Dokumentationen und Aufarbeitungen des Nationalsozialismus bleiben diese Aspekte bis heute weitgehend unberücksichtigt. Weiterlesen

Über Jackie Fuchs, Vergewaltigung und den „Bystander Effekt“

The Runaways logo

By Mercury Records (fanpop.com) [Public domain], via Wikimedia Commons

Der englisch-sprachige Original-Artikel „On Jackie Fuchs’ rape and ‘the bystander effect’“ von Meghan Murphy erschien am 15. Juli 2015 bei Feminist Current, Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Nach der Lektüre von Jason Cherkis‘ beeindruckender Reportage über die Runaways, der Girl-Band, die Frauen wie Lita Ford und Joan Jett zu Rocklegenden machte, war ich sehr erschüttert. Das hat selbst mich überrascht. Im Rahmen meiner Arbeit sollte man meinen, dass solche Dinge keinen Schock und Entsetzen mehr auslösen –  Überraschung, Überraschung, pädokriminelle Täter waren im 70er-Jahre-Rock’n’Roll Gang und Gäbe. Erzählt mir etwas, das ich noch nicht weiß.

Letztes Jahr fiel ich in ein Internet-Wurmloch und las über die vielen Übergriffe durch unsere 70er-Jahre Rock-Helden. „Beziehungen“ zwischen erwachsenen Männern und jungen Frauen waren völlig normalisiert in der Szene und niemand verlor ein Wort über den Missbrauch und die Ausbeutung, die von ihnen ausging, man verbuchte es unter „Sex, Drugs und Rock’n’Roll“.

Ein paar Beispiele:

  • Jimmy Page entführte und vergriff sich an der 14-Jährigen Lori Maddox, die drei Jahre bei ihm blieb, ich vermute aufgrund einer Art Traumabindung oder Stockholm-Syndrom (Genau genommen war Maddox auf diesen Missbrauch bereits vorbereitet, sie hatte ihre Jungfräulichkeit mit 13 an David Bowie verloren.)
  • Cher traf Sonny Bono als er 27 war und sie 16
  • Iggy Pop hatte Sex mit dem „Baby Groupie“ Sable Starr, als diese 13 war
  • Rolling Stones Gitarrist Billy Wyman „datete“ die 13 Jahre alte Mandy Smith als er 47 war und heiratete sie schließlich
  • Mit 27 hatte Steven Tyler eine 14-Jährige „Freundin“, das heißt, er überzeugte die Mutter von Julia Holocomb, ihm das Sorgerecht zu überschreiben, damit er sie mit auf Tour durch die Vereinigten Staaten nehmen konnte. Über ihre Beziehung mit Tyler sagte Holocomb: „Ich unterstand ihm wie in einer Eltern-Kind-Beziehung und ich hatte das Gefühl, wenig Kontrolle über mein Leben zu haben“ Sie sagte auch, dass Tyler sie öffentlich hypersexualisierte, in seiner Biographie nannte er sie „meine kleine Oral-Annie“ („my Little Oral Annie“).
  • Mit 30 wurde Ted Nugent (der ein Lied darüber schrieb, wie er ein 13 Jahre altes Mädchen vergewaltigte) der rechtliche Vormund der 17-Jährigen Pele Massa, um nicht wegen Kindesmissbrauch angeklagt zu werden

Es gibt noch viel mehr solcher Storys. Wenn man sich mit bekannten „Groupies“ wie Bebe Buell und Pennie Trumble (die Frau, auf der die Rolle von Penny Lane in Almost Famous basiert) beschäftigt, findet man Geschichte auf Geschichte von minderjährigen Mädchen, auf die von erwachsenen Männern der Rock Szene Jagd gemacht wurde.

Manche romantisieren das und denken, diese Mädchen seien sexuell empowerte, wilde „Verführerinnen“ gewesen, die Rock Stars idealisierten und einfach nur ihren Helden nah sein wollten, aber der Fan-Kult eines Mädchens oder ihre „Reife“ machen es nicht ok für Männer, dies auszunutzen. Tatsächlich ist das Machtgefälle zwischen Fan und Idol an und für sich eher grotesk, wenn es um sexuelle Beziehungen geht. Von daher ist es mir völlig egal, ob diese Mädchen „sich entsprechend kleideten“ oder ob einige von ihnen einer Beziehung mit diesen Männern eigentlich „zustimmten“. Das nennt man Victim Blaming und es lässt ein Verständnis von Dingen wie Rolle von Macht und Zwang in missbräuchlichen Beziehungen vermissen. (Priscilla Presley zum Beispiel war 14 Jahre alt, als Elvis Presley anfing, ihr nachzugehen – zu diesem Zeitpunkt hat sie vielleicht geglaubt ihn zu „lieben“, aber in der Rückbetrachtung sagt sie: „Ich war seine Kreation. Ich war nur ein Kind und wurde von ihm konsumiert. Alles was ich mir ersehnte, war ihn nicht zu enttäuschen.“) Es ist die Verantwortung von Erwachsenen, keinen Sex mit Kindern zu haben. Dass diese Männer Jagd auf Frauen machten, die tatsächlich noch keine Frauen waren, zeigt nur dass es sich um missbrauchende Männer handelt, die getrieben waren von ihren Egos und einem Verlangen, jemanden unter ihrer Fuchtel und Kontrolle zu haben.

Während prominente Männer weiterhin ihre Vorteile aus ihren Machtpositionen ziehen und junge Frauen und Mädchen ausbeuten (zum Beispiel R. Kelly), scheint heutzutage die Bevölkerung mehrheitlich dieses Verhalten abzulehnen. Damals wurde das Täterverhalten scheinbar entweder ignoriert oder belächelt (Männer sind halt Männer!).

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Die Störenfriedas feiern Geburtstag! Das sind eure Top 10

Birthday Candle

By Ardfern (Own work) [CC BY-SA 3.0 or GFDL], via Wikimedia Commons

Vor einem Jahr haben wir unseren radikalfeministischen Blog in das Leben gerufen – und bedanken uns bei unseren Leserinnen für ein aufregendes erstes Jahr, auf das hoffentlich noch viele folgen! Wir haben uns viel vorgenommen und sind gespannt, wie es euch gefällt. Danke für eure Kommentare, Anregungen und Gastbeiträge! Gemeinsam mit euch bleiben wir kritisch und sagen Patriarchat, Sexismus und antifeministischem Bullshit weiterhin den Kampf an. Wir freuen uns weiter auf regen Austausch mit euch – nur gemeinsam können wir etwas ändern.

Das sind eure Top Ten der meistgelesenen Beiträge des letzten Jahres:
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Was bedeutet es Caitlyn zu sein?

Caitlyn Jenner

Caitlyn Jenner by Disney | ABC Television Group via Flickr, [CC BY-ND 2.0]

Miranda Yardley ist eine genderkritische Transfrau. Übersetzung ihres Blogbeitrags erfolgt mit freundlicher Genehmigung.

Am Montag, dem 1. Juni um halb fünf großbritannischer Zeit, haben wir die große Enthüllung von Bruce Jenner auf dem Cover der Vanity Fair erlebt, als die ihre neue Ausgabe mit dem früheren Leichtathleten und Reality-Promi, den wir bis dato als Bruce kannten, veröffentlichte, versehen mit der einprägsamen Schlagzeile „Nennt mich Caitlyn“. Jenner wurde perfekt gestylt in Pose gesetzt durch die professionelle Aufnahme von Annie Leibovitz und liebevoll nachbearbeitet. Das Magazin versprach eine 22-seitige Titelstory, verfasst von Buzz Bessinger, die auch Details zu Jenners Unsicherheit nach 10 Stunden in der Gesichtschirurgie und der Reaktion von Jenners Kindern nach der Brustvergrößerung ihres Vaters beinhaltet. Es gibt sogar eine Videodokumentation über das „emotionale, zweitägige Fotoshooting“.

Das Bild selbst ist meisterhaft. Der erste Eindruck betont durch die neutrale Farbgebung die schiere Menge von Haut in der Dastellung; Jenner wird in einem eleganten Korsett gezeigt, an einer Lehne stehend, die Hände auf dem Rücken und einem niedlichen und verschämten unterwürfigen Blick; bei was haben wir die unartige Caitlyn denn erwischt? Die Pose soll das Auge auf die Reise führen Jenner`s Körper zu erkunden und die fantastische Figur der 65-Jährigen zu bewundern. Das ist das neue Bild dieses unglaublich reichen und erfolgreichen Reality-Superstars, die Republikaner wählt, welches mit den Millionen von Dollar, die sie in den letzten viereinhalb Jahrzehnten verdient hat, gefertigt wurde.

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