Kategorie: Prostitution

Chris Hedges: Die Hurerei der Linken

VANCOUVER, British Columbia – Prostitution ist der vollkommene Ausdruck des globalen Kapitalismus. Unsere Firmenchefs sind Zuhälter. Wir alle werden entwürdigt und erniedrigt, verarmt und machtlos zurückgelassen, um den grausamen und lüsternen Ansprüchen der Wirtschaftselite zu dienen. Und wenn sie uns leid sind, oder wir nicht länger von Nutzen sind, werden wir als menschlicher Abfall ausrangiert. Wenn wir Prostitution als legal akzeptieren, wie Deutschland das getan hat, als einer Zivilgesellschaft statthaft ansehen, dann nehmen wir einen weiteren gemeinsamen Schritt in die globale Kultur, die von den Mächtigen errichtet wird. Der Kampf gegen Prostitution ist der Kampf gegen einen entmenschlichenden Neoliberalismus, der bei der Unterordnung von verarmten Mädchen und Frauen beginnt, aber nicht dort endet..

Armut ist kein Aphrodisiakum. Diejenigen, die ihre Körper für Sex verkaufen, tun dies aus Verzweiflung heraus. Sie enden oftmals physisch verletzt, mit einer Vielzahl von Krankheiten und medizinischen Leiden, und leiden unter ernsthaften emotionalen Traumata. Die Linke begeht moralischen Bankrott durch ihren Fehler legale Prostitution nicht als ein anderes Gesicht des Neoliberalismus zu erfassen. Seinen Körper zu verkaufen hat nichts mit Wahlfreiheit zu tun. Es hat nichts mit Freiheit zu tun. Es ist eine Form ökonomischer Sklaverei.

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Rachel Moran: Prostitution ist ein mentales und emotionales Massaker

Buchcover: Was vom Menschen übrig bleibt

Rachel Moran: Was vom Menschen übrig bleibt - Die Wahrheit über Prostitution, Tectum Verlag, 2015

Buchrezension:  Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution

Endlich ist es soweit: Am Mittwoch, dem 11. März erscheint sie nun, die deutsche Ausgabe des Buches der wundervollen Prostitutionsüberlebenden Rachel Moran aus Irland (Originaltitel „Paid for – My journey through Prostitution“).

Für dieses Buch könnte man sie mit Adjektiven und Superlativen überschütten: wertvoll, augenöffnend, tief bewegend, brilliant analysierend, fesselnd, erschütternd, Mut machend …

Mich hat das Buch auch bei der zweiten Lektüre auf Deutsch so gepackt, dass ich es nicht aus der Hand legen konnte. Rachel Moran erlaubt uns nicht nur einen weitreichenden Blick in ihre Lebensgeschichte, sondern auch einen Blick bis ganz tief in ihre Seele. Sie hat nicht nur eine Autobiographie geschrieben, sondern ihre ganz eigene Geschichte in das „große Ganze“ eingeordnet und es gelingt ihr sehr gut darzustellen wie all die Einzelschicksale zusammenhängen, die großen Mythen der internationalen Prostitutionslobby zu entschlüsseln und zu enttarnen, und schließlich zu vermitteln welchen Weg wir einschlagen müssen um zu einer humaneren Gesellschaft zu schaffen, in denen Frauen keine Objekte für den männlichen Konsum, sondern ebenbürtige Menschen sind. Es ist die Gesamtbetrachtung des Systems Prostitution durch eine, die in ihm gelebt hat.

Dabei bedient sie sich einer so bildhaften Sprache, die dazu geeignet ist die Leserin / den Leser zu berühren und an dem Schicksal der prostituierten Personen teilzuhaben und es nachfühlen zu können – auch dann wenn einem die Erfahrung am eigenen Leib zum Glück erspart geblieben ist.

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Prostitution ist nicht kompatibel mit Anarchismus

Anarchistische Flagge

By user:Boris23 (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Das Konzept der „freien Wahl“ von Frauen, Sex zu verkaufen, steht im gedanklichen Zusammenhang zu neoliberalem Denken und der Vorstellung des „freien Marktes“; es gehört zu der gleichen Denkschule, die die Meinung vertritt, dass ArbeitnehmerInnen eine „Wahlfreiheit“ und die Kontrolle über ihre Arbeit haben. Es wird angenommen, dass Frauen sich dazu entscheiden, Sex zu verkaufen und wir uns deshalb in Bezug auf die „Sexarbeiterinnen“ um Sicherheit, die Möglichkeit, Geld zu verdienen und die Verfolgung durch den Staat kümmern zu kümmern haben. Während die Sicherheit von Frauen und Frauenrechte von höchster Bedeutung sind, ist die Forderung nach staatlich regulierten Bordellen und Gewerkschaften im besten Falle reformistisch, naiv und rückschrittlich. Selbst der Vorschlag nach „Kollektivbordellen“ ignoriert die geschlechtsspezifische Natur der Prostitution und ihre Funktion, männliche Herrschaft zu stärken.

Eine anarchistische Antwort sollte die Ausrottung aller ausbeuterischen Praktiken fordern und nicht suggerieren, man könnte sie „sicherer“ oder „besser“ machen.

Anarchistische Perspektiven

Anarchismus kommt aus dem Griechischen und bedeutet „frei von Herrschaft“. Er gründet auf der unveräußerlichen Menschenwürde, dem Verlangen nach individueller Freiheit und der Intoleranz gegenüber Herrschaft (Woodcock). Er fordert radikalen und revolutionären sozialen Wandel, nicht Reformismus. Untermauerende Vorstellungen beinhalten:

  • die Ablehnung jeglicher Herrschaft und aller Hierarchien, inklusive Geschlechterhierarchien (Goldman)
  • kein Staatsapparat wird benötigt (Kropotkin)
  • soziale Gerechtigkeit ist Teil unserer menschlichen Natur (Godwin)
  • sozialer Wandel wird durch kollektive Aktion herbeigeführt (Bakunin)
  • jene in Machtpositionen werden diese für das gemeinsame Wohl aufgeben (Godwin)
  • Nachbarschaftshilfe und Gegenseitigkeit resultieren aus einem Austausch zwischen Gleichen (Proudhon)
  • Menschen können souveräne Individuen sein, die frei in Zusammenschlüssen beteiligt sind (das bedeutet ohne Bezahlung) (Kropotkin)
  • die Emanzipation der Frauen wird von ihnen selbst herbeigeführt: „Zunächst, in dem sie sich selbst durch eine Persönlichkeit Geltung verschaffen, nicht als ein Sexobjekt. Zum Zweiten, in dem sie jedem das Recht an ihrem Körper verweigern.“ (Goldman)

Fragen aus anarchistischer Perspektive

Die Frage: Warum glauben Männer, das Recht zu haben, Sex zu kaufen?

Analyse

Gender basiert auf Machthierarchien, und Prostitution ist die Manifestation dieser Machtungleichheit. Die hauptsächlichen Sexkäufer (von Frauen und Männern) sind Männer. Der Anspruch von Männern, Sex zu kaufen resultiert aus ihrer privilegierten hierarchischen Position und der untergeordneten Position der Frauen. Frauen aus ärmeren sozio-ökonomischen Verhältnissen sind in der Sexindustrie überrepräsentiert.

Lösung

Männer sollten aufgefordert werden, ihre hierarchische Macht abzugeben und nicht darin unterstützt werden, sie zu erhalten.

Die Frage: Warum zahlen Männer für Sex?

Analyse

Prostitution ist „eine finanzielle Transaktion für Sex“. Sex ist frei verfügbar, sogar im aktuellen kapitalistischen System! Konsensualer Sex kann zwischen allen Erwachsenen jederzeit ohne finanziellen Austausch ausgeübt werden. Deshalb dient der Zahlungsvorgang für Sex einem anderen Zweck: Er ermöglicht Männern, Macht und Kontrolle über jene Person auszuüben, die er gekauft hat. Die Geltendmachung von Macht und Kontrolle durch den Mann und die Beherrschung der Frau sind Bestandteil der Bezahlung. Es geht nicht um Sex.

Lösung

Männer, die Sex kaufen, sollten für ihren Missbrauch von Macht und Kontrolle gegenüber Frauen zur Rechenschaft gezogen werden

Die Frage: Sind „Sexarbeitsgewerkschaften“ oder „Sexarbeitskollektive“ die Antwort?

Analyse

Die absolute Mehrheit der Frauen verkauft Sex in erster Linie aus Mangel an Alternativen. 90% der Frauen in der Prostitution wollen aussteigen, aber ihnen fehlen die Möglichkeiten dazu (Farley). Wenn Menschen ausgebeutet werden, dann unterstützen wir sie und nicht die AusbeuterInnen. Gewerkschaften sind notwendig für die grundsätzliche Produktion: Sex ist keine Ware – sondern frei verfügbar für jede/n. Gewerkschaften oder Kollektive von Menschen, die Sex an Männer verkaufen, ignorieren die Tatsache, dass der Sexkauf problematisch ist innerhalb der anarchistischen Analyse. Machtungleichheiten und Ungleichheiten zu normalisieren, macht diese weder kleiner, noch bringt es sie zum verschwinden; sie werden stattdessen verstärkt.

Lösung

Menschen sollten gerechte Möglichkeiten haben, wie sie ihr Leben leben können. Die Mehrheit der Frauen in der Prostitution haben keine Auswahl zwischen gerechten Wahlmöglichkeiten. Männer, die Sex kaufen, haben hingegen die Wahl. AnarchistInnen sollten den Status Quo von Geschlechterhierarchien in Frage stellen, indem sie das Recht des Mannes, Sex zu kaufen, in Frage stellen und nicht Wege unterstützen, die es Männern leichter (!) machen, ihre Macht und Kontrolle über Frauen auszuüben und sich selbst damit von der menschlichen Natur zu entfremden.

Andere radikale Ideen

  • Wenn Frauen limitierte Wahlmöglichkeiten haben, dann tun Männer ihnen keinen Gefallen damit, Geld für Sex anzubieten: Schenkt ihnen euer Geld doch einfach (ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen)
  • Menschen, die denken, dass Prostitution ein Service ist für einsame Männer, sollten diesen Männern einfach selbst Sex ohne Geld anbieten
  • Menschen, die denken, dass Prostitution das Gleiche ist wie jede andere Handarbeit, nur besser bezahlt, sollten versuchen ihren Lebensunterhalt auf der Romford Road zu bestreiten (Die Mehrheit der Frauen arbeitet nicht als „gutbezahlter Escort“) (Romford Road = Straßenstrich in London)
  • Jene, die den Sex gegen Geld fetischisieren (!), sind keine AnarchistInnen … oder in sonst einer Art und Weise radikal, sondern sie unterstützen die Entfremdung der menschlichen Wesen (sic!) voneinander

Ein Nachtrag zum Feminismus

Der Feminismus brachte die Ansicht ins Bewusstsein, dass „das Private politisch ist“. Die Voraussetzung einer feministischen Analyse, zwischenmenschliche Interaktionen danach zu untersuchen, ob sie Geschlechterungleichheit befördern oder in Frage stellen, resultiert im gleichen Ergebnis: Wenn Männer Sex kaufen, machen sie sich an der Unterordnung der Frauen als eine Gruppe mitschuldig.

Dieser Beitrag erschien 2001 auf dem englischen Blog Rancom

Kampagne gegen das Nordische Modell – „Deutschland und der gekaufte Sex“

Girls in Red

Trey Ratcliff via Flickr, [CC BY-NC-SA 2.0]

Man stelle sich vor, im ZDF Zoom würde eine Reportage über Morde in Deutschland laufen. Mörder würden ebenso interviewt wie Hinterbliebene, um dann am Ende festzustellen: „Die Kriminalisierung von Mord ist gescheitert. Morde passieren, trotz Verbot, überall in Deutschland. Die Polizei hat nicht genug Ressourcen, um alle Morde aufzuklären.“ Ein deutschlandweiter Aufschrei wäre wohl die Folge. Umso irritierender ist die letzte Woche erschienene Reportage von Rita Knobel-Ulrich „Deutschland und der gekaufte Sex“ auf ZDF Zoom. Darin interviewt sie prostituierte Frauen, begleitet Polizisten von der Sitte, verfolgt einen Menschenhandelsskandal und fährt schließlich nach Malmö, um dort Prostituierte aufzuspüren. Sie besucht den im Dezember des vergangenen Jahres stattgefundenen Kongress „Stop Sexkauf“ in München. Auf diesem spricht sie mit den Initiatorinnen des gleichnamigen Netzwerkes und weiteren GegnerInnen der Prostitution in Deutschland wie Sabine Constabel aus Stuttgart und Journalistinnen der EMMA; auch mit MitarbeiterInnen aus dem Bundesministerium für Soziales und Familie kömmt sie ins Gespräch. Die Reporterin, die 2012 bereits eine Reportage über Menschenhandel drehte, müsste also eigentlich verstanden haben, was Prostitution in Deutschland bedeutet und was die Kernpunkte des Nordischen Modells sind. Dennoch kommt sie zu dem erstaunlichen Schluss:

Prostitution lässt sich nicht verbieten.

Die Reportage ist bei näherer Betrachtung eine Kampagne gegen das Nordische Modell.

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Neues Prostitutionsschutzgesetz zum Schutz von Männern Schall und Rauch: das neue Prostitutionsschutzgesetz

Prostitution is Human Trafficking

Markus Walker via Flickr [CC BY-NC-SA 2.0]

Endlich haben sich CDU und SPD über ein „Prostitutionsschutzgesetz“ geeinigt, über das so lange und viel geredet wurde. Natürlich könnte man eher sagen, dass lange und viel zerredet wurde. Wahrscheinlich wurde viel Rauch um Nichts mit der Zielsetzung gemacht, dass niemand merken sollte, welches völlig lächerliche Gesetz verabschiedet werden soll. Das Gesetz wird ausschließlich zum Ziel haben wirkungslose Pseudomaßnahmen einzurichten um die Milliardenindustrie der Prostitution und Pornographie weiter zu schützen.

Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) dagegen begrüßte die koalitionsinterne Einigung. „Es wird erstmalig klare Regelungen für die legale Prostitution in Deutschland geben, die dem Schutz der Frauen dienen“, sagte sie. Marcus Weinberg, frauenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, sprach von einem „schlechten Tag für die Menschenhändler und Ausbeuter von Prostituierten“.(http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-02/prostitutionsgesetz-koalition-durchbruch). Durch was wer geschützt werden soll, bleibt aber rätselhaft.

Wenn beispielsweise die SPD  befürchtet, dass eine Heraufsetzung des Mindestalters auf 21 Jahren junge Frauen in die Illegalität treiben würde ist uns  unklar was sich in der Illegalität verschlimmern sollte. Die Preise liegen teilweise bei 20 Euro in einigen Gebieten und sexuelle Handlungen umfassen potentiell immer auch Praktiken wie Analverkehr, teilweise Ass-to-Mouth oder Urin und Fäkalienspiele. Wie es hier mit der zukünftigen Kondompflicht aussieht ist spannend. Gibt es Kondome für Fäkalien? Weiterlesen

Sexualassistenz oder das Recht von Menschen mit Behinderungen auf den Kauf von Frauen

Immer wieder kommt das Thema „Sexualassistenz“ für Menschen mit Behinderungen auf.  Sexualassistenz ist sozusagen die angeblich menschliche Seite der Prostitution, denn Menschen mit Behinderungen haben ja auch das Recht auf Sexualität. Inwiefern hier gemeint war, dass andere Menschen für Geld diese Bedürfnisse zu erfüllen haben, bezweifele ich sehr.

Gerne und oft wird die UN Behindertenrechtskonvention zitiert, die das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen festlegt. Komischerweise wird kaum Artikel 6 zitiert, der die mehrfache Diskriminierung von Frauen mit Behinderungen hervorhebt, die zu beseitigen sind, oder Artikel 16, der Freiheit von Ausbeutung, Gewalt, und Missbrauch thematisiert oder Artikel 17, Schutz der Unversehrtheit der Person. Irgendwie erscheint mir hier von einigen eine sehr selektive Auswahl der Behindertenrechtskonvention getroffen worden zu sein. Wie immer im Patriarchat, wird ein Satz aus einem Zusammenhang genommen, der gut passen kann, um männliche Bedürfnissbefriedigung zu begründen und um männliche Ansprüche zu bestätigen.

Sexualassistenz ist die Speerspitze der Lobby, die in das Herz von Menschen treffen soll, die irgendwie Mitleid mit den „armen behinderten Menschen“ haben und somit ihnen wenigstens sexuelle Dienste zukommen lassen wollen. Eigentlich steht hier ein sehr abwertendes Bild von Menschen mit Behinderungen dahinter, denn Menschen mit Behinderungen haben genauso wenig oder viel Recht auf den Kauf von prostituierten Frauen (in der Regel) oder auf den Kauf von prostituierten Männern, wie Menschen ohne Beeinträchtigungen..

Sexualassistenz wird gerne beschrieben als „tiefe Begegnung zweier Menschen“ oder Ähnliches. Es soll eine weiche und nette Form der Prostitution sein, mit ganz viel Verständnis und Empathie. Sie dient sozusagen als Rechtfertigung der Prostitution, denn wer will vom Schicksal schwer getroffenen Menschen auch noch den „Sexualtrieb“ beschneiden?

Es gibt seit August sogar ein Portal, Nessita, das Sexualassistenz für immobile Menschen vermittelt. Auch hier wird von Vertrauen, Respekt und Einfühlungsvermögen gesprochen.

Menschen mit Beeinträchtigungen werden genauso beeinflusst von Medien und Gesellschaft wie Menschen ohne Beeinträchtigungen. Einige meiner Freunde arbeiten mit Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung. Sie bestätigen, dass hier Männer genauso oft sexistische Witze machen wie auch sonst leider üblich.

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Wie die Sexindustrie über Leichen geht – Sexindustry Kills

Jack The Ripper

See page for author [Public domain], via Wikimedia Commons

Im September berichteten wir erstmals über ein spannendes Projekt, das Wiki „Sexindustry kills“, welches alle Fälle zu Morden, Mordversuchen und Verbrechen an Prostituierten zusammenträgt. Es ist eine Galerie des Schreckens. Mord und Vergewaltigung gehören zu den “Berufsrisiken” der Prostitution.

Seitdem hat sich viel getan: Das Wiki wurde auf einen eigenen Server umgezogen und wurde um eine Kategorie erweitert: die Pornoindustrie. Bis dato sind bereits mehr als 400 Personen aufgelistet, die in diesem Geschäftszweig der Sexindustrie tätig waren und nach dem immer gleichen Muster in jungen Jahren starben: durch Selbstmord, Mord, Drogen, Alkohol, Unfälle, Krankheiten. Die Recherchearbeit ist noch lange nicht zuende, hier wird noch ständig ergänzt, viele Stunden wurden bereits investiert – und die Aufarbeitung wird auch noch eine ganze Weile dauern, wie es von den Initatorinnen heißt.

Viele solcher Listen existieren bereits im Netz, Sexindustry kills versucht jedoch den Betroffenen ein Gesicht zu geben und ihre Geschichten zu erzählen.

Zwei solcher Geschichten wollen wir hier exemplarisch zusammenfassen:
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Prostitution: Was ist mit Deutschland?

Hamburg - Herbertstraße, Rotlichtvierte

Steffen Klaus via Flickr, [CC BY 2.0]

Ich bin Französin, lebe seit längerer Zeit in Deutschland, fühle mich hier glücklich und geborgen, ich mag die Sprache, das Umweltbewusstsein, die Kultur, die Demokratie, viele Sachen. Aber das Prostitutionsgesetz von 2002 passt überhaupt nicht in dieses Bild, das ich von Deutschland habe.

Jetzt haben hier bestimmte Menschen keine Rechte, sie werden anders behandelt als normale Bürgerinnen, sogar anders als Ausländerinnen wie ich.

Das sind diese Mädchen, die in Bordellen und auf dem Strich zu finden sind.

Es wurde von Legalisierung der Prostitution gesprochen, aber wo ist die Legalisierung ? Alles ist jenseits von legal. Die Prostitution befindet sich in einer komplett gesetzlosen Zone wie früher im Wilden Western, als es die Vereignigte Staaten noch nicht gab.

Die Mädchen sind gar keine Mitglieder der Gesellschaft. Sie bewegen sich in einer komplett parallelen Welt als Wesen, die ungefähr den Status eines Rindviehs besäßen, wenn nicht jeden Tag die Finanzbeamten in die Bordelle kämen, um für jede Frau einen Pauschalbetrag zu kassieren. Die Kommunen verdienen mit der Prostitution viel Geld. Doch die Frauen bekommen keine Aufenthaltserlaubnis, keine Arbeitserlaubnis, und sie müssen sich nirgendwo anmelden, so das keiner weiß, wie sie heißen, ob sie überhaupt einen Namen haben, wie alt sie sind, ob sie überhaupt volljährig sind, eine Identität besitzen. Wenn sie verschwinden, weiß auch keiner wo, und es scheint auch egal zu sein. Sind das noch Menschen für die deutsche Republik ? Bald kriegen sie noch einen Chip ins Ohr, wenn es weiter geht.

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Offener Brief einer ehemaligen Prostituierten an die Prostitutionslobby: „Über das Schweigen“

Huschke Mau hat einen offenen Brief an die Prostitutionslobby geschrieben, in dem sie als Prostitutionsüberlebende mit deren Argumenten abrechnet. Der Brief wurde zuerst von der Feministischen Partei Deutschlands veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung von Huschke Mau dürfen wir ihren Brief auf unserem Blog veröffentlichen.

Wir hoffen, dass ihre Worte vielen die Augen dafür öffnen werden, was Prostitution für die Betroffenen bedeutet:

Liebe ProstitutionsbefürworterInnen, liebe Stephanie Klee,

ich nehme Bezug auf das Interview, dass das Stadtmagazin Zitty Berlin mit Dir geführt hat (1) und ich möchte mich zunächst bei Dir dafür bedanken, dass Du es gegeben hast. Denn hätte ich es nicht gelesen, würde ich immer noch schweigen. Zunächst mal: ich darf Dich doch duzen? Wo wir doch sozusagen Kolleginnen sind. Denn ja, auch ich kenne die Prostitution gut, ich habe zehn Jahre in ihr verbracht. Weisst Du, ich finde Deine Aussagen über die Prostitution ganz bemerkenswert. Mich wundert nur ein bisschen, dass Du vergessen hast einige – mir doch recht wichtig erscheinende Dinge – zu erwähnen. Zunächst einmal hast Du vergessen, die grundsätzliche Frage zu stellen, ob es der Prostitution überhaupt bedarf. Es ist schön, dass Du wenigstens nicht das alte, abgenudelte Pseudoargument verwendest, ohne Bordelle triebe es die Vergewaltigungsrate hoch (was ja bedeutet, Männer können ihre Triebe nicht kontrollieren und kämen sie nicht zum Stich, könnten sie ja nicht anders als zuvergewaltigen).

Aber wozu braucht die GesellschaftProstitution, Stephanie? Wozu braucht es die Tatsache, dass Männer Frauen kaufen dürfen (denn die meisten Prostituierten sind weiblich, und die, die männlich sind, bedienen das Homosexuellenmilieu). Wie erklärst Du Dir denn diese Tatsache und was sagt sie für Dich aus? Anscheinend ist das für Dich kein Merkmal eines Machtverhältnisses. Und da ist er schon, der erste blinde Fleck auf Deiner Linse.

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Prostitution, Consent und sexuelle Selbstbestimmung

Keep Sex Sexy Consent

Keep Sex Sexy Consent by Charlotte Cooper via Flickr, [CC BY 2.0]

In der Prostitutions-Drebatte  ärgere ich mich zunehmend darüber, dass ich über das Thema “Darf Mensch einem anderen Menschen Geld für seine eigene Befriedigung zahlen?” diskutieren möchte und stattdessenin Diskussionen rund um die Frage “Darf Mensch sich für die Befriedigung eines anderen Menschen Geld geben lassen?” verwickelt werde. Dieser Text stellt einen Versuch dar, Prostitution im Kontext von Rape Culture bzw. dem – Consent-/Zustimmungskonzept zu diskutieren.

Rape Culture und sexuelle Selbstbestimmung

Mindestens jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens Gewalt (körperliche, emotionale, sexuelle, etc.). Grenzüberschreitungen werden häufig bagatellisiert und heruntergespielt, Vergewaltigungsopfern wird misstraut oder sie werden verantwortlich gemacht für die Tat („sie hat einen kurzen Rock getragen“, „sie lebt promiskuitiv“, „sie hat aufreizend getanzt“, „sie wollte es doch auch“, etc.). Vor Gericht muss eine Frau, die sexuelle Gewalt erfahren hat, beweisen, dass sie sich in einer schutzlosen Lage befunden hat, d. h. Widerstand gegenüber dem Täter geleistet hat. Täter berufen sich vor Gericht oftmals darauf, dass sie den entgegenstehenden Willen des Opfers nicht erkennen konnten (anders als beispielsweise in Norwegen, wo es den Straftatbestand der grob fahrlässigen Vergewaltigung gibt, wenngleich es bisher kaum Urteile danach gibt. Der Ansatz ist jedoch vollkommen richtig und wichtig).

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